Der farblose Tag
Und da standen wir wieder, Magdalena, Henriette und ich. Und warteten wie jeden Tag auf das Boot, das uns ans Festland bringen sollte. Zu unseren Familien, weg von diesem langweiligen Ort. Er war so anders und alles schien so leblos. Magdalena und Henriette schauten aufs Wasser und unterhielten sich lebhaft. Ich wollte es ihnen nachtun, doch ich konnte nicht. Das Wasser war düster und grau. Es sah geisterhaft aus, genau wie die Insel. Als wenn jemand ihm all seinen Schimmer und all seine Anmut genommen hätte. Als wäre dieser jemand gekommen und hätte ihm kurzerhand seine Seele geraubt. Ja, so wirkte es auf mich. Deshalb wandte ich mich ab, wie von einem Menschen, den ich nicht länger ansehen konnte. Wie ich da so stand, schaute ich mich um. Der Steg war leer, bis auf einen Mann, der mir gegenüber stand. Er sah aus, als käme er direkt aus dem Paradies. Oder von irgendwo, wo es warm war. Von irgendwo, wo ich jetzt gerne wäre. Sein luftig geschnittenes Hemd zeigte farbenfrohe Blüten und er schien fröhlich zu sein. Seine langen weißen Haare glänzten im Sonnenlicht. Als er sah, dass ich ihn musterte, lächelte er mir zu. Nur ein kleines zaghaftes Lächeln, das aber doch so voller Fröhlichkeit war, dass ich nicht anders konnte und zurücklächelte. Dann schaute ich mich weiter um. Doch etwas war anders! Denn auf einmal schimmerte das Wasser. Es schien, als hätte es seine ganze Anmut und seinen ganzen Stolz zurückerhalten. Als hätte ihm jemand seine alte Seele zurückgegeben. Und als hätte, tief in seinem Inneren sein Herz wieder angefangen zu schlagen und es mit neuem Leben erfüllt. In dem Wasser spiegelte sich ein rotgrünes Haus wieder, aus dem man laute Kinderstimmen hörte. Meiner Meinung nach steckte dieses Haus voller Leben. ich hörte Henriettes und Magdalenas herzhaftes Lachen. Während ich das alles sah und hörte, begann sich der Steg zu füllen. Immer mehr Menschen in farbenfrohen Kleidern gesellten sich zu uns. Alle waren fröhlich und lachten während ihrer Gespräche immer wieder laut. Als der Steg fast bis zum Überlaufen voll war kräuselte sich das Wasser und das Boot kam. Alle diese fröhlichen Menschen und wir stiegen auf und fuhren mit dem Boot in Richtung Festland. Und da sah ich ihn wieder. Den alten Mann von vorher. Ich lächelte, als er mich anblickte. Daraufhin erwiderte er das gleiche Lächeln wie zuvor und zwinkerte mir unauffällig zu. Am Horizont senkte sich währenddessen die Sonne immer tiefer und tauchte den Himmel in rote Farbe. Ein sonderbarer Tag mit einer noch sonderbareren Begegnung ging zu Ende.
(424 Wörter)
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