☓Vier☓
Ich erwachte im Güterwagen, wie ich es geplant hatte. Da es ein Samstagmorgen war, interessierte es mich nicht, wie viel Uhr es war. Was mich jedoch interessierte war der Grund für meine schrecklichen Rückenschmerzen. Ein leises Stöhnen verließ meine Lippen, als ich mich aufrecht hinsetzte. Die Tür des Wagens war geschlossen, weswegen kein Sonnenlicht von außen eintrat. Die Lichterketten, die Hazel an der Decke angebracht hatte, waren jedoch angeschaltet, weswegen es mich lediglich einige Sekunden brauchte, bis meine Augen sich an das spärliche Licht gewöhnen konnten. Ich fand die Ursache für meine Schmerzen relativ schnell: Ich hatte nicht auf der Matratze geschlafen. Ich lag auf dem eisernen und gerillten Boden des Güterwagens. Verwirrt runzelte ich meine Stirn und sah zu der Matratze.
Hazel saß darauf, mit dem Rücken gegen eine Wand gelehnt, und sah mich an. Sie sagte nichts. Sie lächelte nicht. Sie verzog keinen einzigen Muskel. Sie sah mich einfach nur an.
Ich war nie gut darin gewesen Blicke zu deuten, allerdings kam sie mir nicht wütend vor. Sie war nicht wütend, nicht traurig, nicht glücklich, nicht genervt. Es schien als hätte sie jegliche Emotion von ihrem Körper entfernt. Es schien als wäre sie nur noch die Hülle ihrer selbst.
„Hazel?", fragte ich und räusperte mich sofort, als ich merkte, wie kratzig meine Stimme klang. „Haz?"
„Hast du Schmerzen?"
„Nein? Ich meine, meine Rücken tut ganz schön weh, aber -"
„Hast du irgendwo anders Schmerzen? Im Unterleib? Oder hast du irgendwo Kratzer oder blaue Flecken?"
„Haz, es ist so dunkel, selbst wenn, dann könnte ich es nicht mal sehen." Hazel schien mit meiner Antwort nicht zufrieden zu sein, da sie leise mit den Zähnen knirschte und dann an die Decke starrte. „Hazel, was ist los?"
Das brünette Mädchen hob ihre Hand, in der mein Handy lag. „Du hast ein paar interessante Nachrichten bekommen." Sie warf mir mein Handy zu und ich konnte es gerade noch auffangen, bevor es auf den Boden fiel. Ich sah Hazel ein letztes Mal fragend an, bevor ich die erste Nachricht öffnete, die mir angezeigt wurde.
Es war eine Anmache von irgendeinem Typen, dessen Name mir nicht mal bekannt vorkam. Als Anhang hatte er ein Foto geschickt.
Geschockt starrte ich das Foto für wenige Sekunden an.
Dann sprang ich auf, schleuderte das Handy von mir, als wäre es eine Giftschlange und vergrub mein Gesicht in meinen Händen.
Wie konnte das passieren? Wie?
Warum ich? Warum hatte man mich gewählt?
Warum hatte jemanden so einen Hass auf mich, dass er dies tun musste? Warum gab es keinen anderen Weg?
„Du solltest ins Krankenhaus fahren. Noch kann man Spuren von K.O. Tropfen in deinem Körper finden." Hazels Stimme war leise, aber entschlossen. Als hätte sie bereits einen Plan gemacht. Als wüsste sie, was sie sagen und tun müsste.
Ich schüttelte entschieden meinen Kopf. „Das waren keine K.O. Tropfen ... es können keine sein."
„Kannst du dich an irgendwas von der Party erinnern?"
„Nein ... zumindest nicht an viel. Ich hab einen Filmriss", murmelte ich immer noch schockiert und fuhr mit meinen Händen über mein Gesicht, Warum ich?
„Den Effekt haben K.O. Tropfen nun mal."
„Das waren keine K.O. Tropfen, Hazel", erwiderte ich etwas harscher als gewollt. „Alkohol hat denselben Effekt."
„Erinnerst du dich daran viel getrunken zu haben?"
„Ich meine, ich erinnere mich an ein Glas Wodka Cranberry", setzte ich an. Doch egal wie sehr ich mein Gehirn durchforstete, nach dem einen Glas schien alles nur ein einzelnes Durcheinander zu sein. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich mich ausgezogen habe."
„Das warst du vermutlich auch nicht selbst", konterte Hazel, nachdem ich mich neben sie auf die Matratze gesetzt hatte. „Es ist ein Wunder, dass sie dich wieder angezogen haben. Und dass du es wieder hier her geschafft hast."
„Hattest du die Tür für mich aufgelassen?"
„Natürlich."
Ich warf dem brünetten Mädchen ein Lächeln zu. „Danke." Hazel schwieg. Sie wich meinem Blick aus. „Hey." Vorsichtig nahm ich ihr Gesicht in meine Hände und drehte es zu mir. Für einen Moment sah ich ihr tief in die Augen, bevor ich meine Lippen auf ihre legte. Es dauerte bis sie auftaute und den Kuss erwiderte, als sie es jedoch mit einem Seufzer tat, ließ sie ihre Hände auf meinem Oberschenkel ruhen. Langsam glitten meine Finger ihre Seiten runter, bis ich sie um ihre Hüfte schlang. Ich war mir nicht sicher, ob ich sie näher an mich zog oder mich näher an sie.
Ich war mir auch nicht sicher, was ich nach all diesen Küssen für sie empfand. Ich war nie verliebt gewesen, geschweige denn hatte ich jemals eine Person wirklich geliebt. Ich wusste nicht wirklich, wie sich eine solche Liebe anfühlte.
Aber ich wusste, dass ich diese Liebe für Hazel empfinden wollte. Ich wusste, dass sie mich von all meinen Schmerzen befreien konnte und dass sie mir zeigen konnte, was es hieß zu leben.
Etwas sagte mir, dass ich sie behalten musste.
Etwas sagte mir, dass sie eine sehr wichtige Rolle in meinem Leben spielen würde.
Vielleicht würde sie nicht die Frau sein, die ich irgendwann heiratete.
Vielleicht würde sie nicht mal meine einzige große Liebe sein.
Vielleicht war sie lediglich das Mädchen, das mir die große weite Welt zeigte.
Vielleicht war sie die, die das Feuer in mir entzünden würde.
Vielleicht war sie die, die ich unendlich lieben würde.
×××
„Ich werde Emily eine Nachricht schreiben", beschloss ich und rappelte mich von der Matratze auf, um nach meinem Handy zu greifen.
„Warum?", fragte mich Hazel und warf mir einen verwirrten Bick zu. „Hast du schon dein Nacktfoto vergessen, das bereits die Reise macht?"
„Nein, genau deswegen doch", murmelte ich, während ich bereits auf der Tastatur meines Handys tippte. „Vielleicht weiß sie ja, wer es gemacht hat. Vielleicht kann sie mir ja helfen."
„Emily und helfen." Hazel stieß ein leises Schnauben aus und verschränkte ihre Arme vor der Brust.
Für einige Minuten herrschte Stille, bis mein Handy in meinen Händen vibrierte und mir eine neue Nachricht von Emily anzeigte.
Leise las ich sie vor. „Hey Bobbie, hab schon gesehen, dass jemand dich total ausgenutzt hat. So ein Mistkerl aber auch. Im Moment weiß ich nicht, wer das war. Aber wenn wir uns zusammensetzen, finden wir es vielleicht gemeinsam heraus? Sag mir einfach Bescheid, wann du Zeit hast xoxo Em." Ich begann leicht zu lächeln. „Siehst du, Haz? Sie ist ganz auf meiner Seite."
„Lou, ich weiß nicht, ob -"
„Weißt du was? Ich fahre gleich nach Hause und zieh mich um. So kann ich mich dann gleich heute noch mit Emily treffen", sagte ich aufgeregt und stand von der Matratze auf. „Wir sehen uns demnächst?" Ich drückte Hazel einen Kuss auf die Wange.
„Sicher."
Wörter: 1100
Heute ist das Kapitel zwar etwas kürzer, aber dafür ist das nächste (und letzte) dann umso länger.
Oh und falls ihr bereits einen Nervenzusammenbruch habt, weil Lou so "dumm" und "naiv" ist ... freut euch auf das nächste Kapitel 😉
⭐️ Wenn euch das Kapitel gefallen hat, macht mir eine Freude und lasst den kleinen Vote-Stern erleuchten.
Love xx
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