Prolog
Es war ein lauer Sommertag, Madame Moreau saß an ihrem Schreibtisch und sah durch das hochragende Fenster des alten Arbeitszimmers hinaus in den Garten. Der Sommer neigte sich dem Ende zu, die Kinder nutzten die letzten warmen Sonnenstrahlen, und tollten durch das hohe Gras. Die Fenster standen offen und Vogelgezwitscher und Kindergeschrei bahnten sich ihren Weg bis zu Madame Moreaus Arbeitsplatz. Papiere stapelten sich auf dem breiten Mahagonitisch und die rothaarige Frau tauchte die Spitze einer Feder in ein Tintenfass. Behutsam strich sie die überschüssige Tinte am Rand des Gefäßes ab, dann setzte sie den Federkiel auf dem golden schimmernden Papier ab ...
3. September. 2016
Creil, Frankreich
Lieber Albert,
es freut mich zu hören, wie gut es dir geht. Vermutlich hast du von den Ereignissen der letzten Monate erfahren, anders kann ich mir deinen Brief nicht erklären. Sein Tod kam viel zu früh und die ganze Nation trauert. Aber was geschehen ist, kann man nicht mehr ändern. Caroline erholt sich stetig, dennoch werden wir sie vor jeglicher, noch so unbedeutender Gefahr beschützen, weshalb ich dir leider keinen Kontakt zu ihr gestatten kann. Sollte dir diese Entscheidung ungerecht oder egoistisch erscheinen, sollte ich dir in Erinnerung rufen, dass du deine Tochter verlassen hast. In diesem Moment, in dem du der dunklen Magie den Vorzug gegeben hast und sie als kleines Bündel in meinen Armen zurückgelassen hast, wurde sie meine Tochter. Und ich schwöre dir hiermit feierlich, dass wir alles tun werden, um sie vor jedem zu beschützen, wenn nötig auch vor dir.
Hochachtungsvoll,
Maggie
Schwungvoll setzte Madame Moreau ihre Unterschrift, dann legte sie Brief und Schreibzeug beiseite und erhob sich aus dem gepolsterten Ohrensessel.
In Gedanken versunken, lehnte sie sich gegen den Fensterrahmen und sah nach draußen in den blühenden Garten, während Ajoly, der orange Kater gemächlich in den Raum trottete und sich laut schnurrend um Madame Moreaus Beine schlängelte. Gutmütig begann sie den Kater hinter den Ohren zu kraulen, während sie die Sonnenstrahlen ihre mit Sommersprossen besetzte Nase kitzeln ließ.
Draußen stürmten gerade die kleinen Zwillinge, Marie und Rosie, vorbei. Sie sprangen wie Schmetterlinge in die Luft, um ihrer Mutter zuzuwinken, während Liz, die ältere Schwester der zwei Wirbelwinde, ihnen schwer hechelnd hinterherjagte. Lächelnd winkte Madame Moreau zurück. Timothy, der Älteste saß in einer Hängematte, welche zwischen zwei Kirschbäumen gespannt war und wirkte so vertieft in seine Lektüre, er schien kaum zu bemerken, dass seine Brille bereits mehrere Zentimeter die Nasenspitze hinunterrutschte. Genauso wenig nahm der Junge Notiz von seinem jüngeren Bruder, Robin, der alles daran setzte, von dem Älteren beachtet zu werden- jedoch ohne Erfolg.
Doch Madame Moreaus besorgter Blick galt einem Mädchen, welches etwas abseits vom Geschehen auf einer grauen Decke im Gras hockte und trübe durch die Luft starrte, als wäre sie gerade viele Hunderte Kilometer entfernt. Rote, zerzauste Strähnen hingen ihr ins bleiche Gesicht und die graublauen Augen wirkten leblos und leer.
Madame Moreau machte sich Sorgen um sie, doch sie wusste nicht, was sie noch versuchen sollte, um Caroline zu helfen. Sie konnte nur noch abwarten und hoffen, dass sich bald alles zum Guten wenden würde. Doch was sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, war, dass noch viel schlechtere Zeiten auf sie zukommen würden, sodass sie diesen ruhigen Sommernachmittag schneller zurückwünschen würde, als ihr lieb war.
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