𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟕.𝟐: 𝐓𝐨𝐝𝐞𝐬𝐬𝐩𝐢𝐞𝐥
Jetzt warf ihm Sir Cedric einen Blick zu. »Ihr kennt sie, nicht wahr?« Mit dieser einen Frage stand Nael ungewollt in der Aufmerksamkeit des gesamten Thronsaals, alle hingen gebannt an seinen Lippen. Er sollte antworten, dass er sie nicht kenne und ihm die Entscheidung von Sir Cedric gefiele. Stattdessen hörte er sich sagen: »Ja, Sir.« Die Augen von Sir Cedric verengten sich zu winzigen Schlitzen und die Stirn legte sich in Falten. Der Ritter machte den Anschein, als wolle er Nael augenblicklich an die Kehle gehen, ihn in der Luft zerfetzen.
Um Vergleichbares zu meiden, holte der Heilerlehrling tief Luft und erklärte: »Ich habe sie einmal gesehen. Als sie mich um Hilfe bat, nach ihrem Lehrmeister zu sehen. Zu jener stürmischen Zeit trug sie eine Kapuze, weshalb ich mir nichts dabei gedacht hatte.« Nael blieb nichts anderes übrig als an der Wahrheit zu feilen. Schließlich war eine glaubhafte Lüge wie die Herstellung eines Arzneimittels. Die einzelnen Ingredienzen wurden nach jedermanns Gunst gewählt, die Kräuter in gewünschter Menge hinzugegeben und erst das fertige Heilmittel entschied über Fortune oder Debakel einer Krankheit. Dennoch war eines gewiss: Die Wirklichkeit ließ sich weder umschreiben noch perfektionieren. Sie war ein fester Bestandteil seiner Vergangenheit, ein weiterer Baustein, der seine fundamentale Seele bereicherte.
Sir Cedric hob eine seiner hellen Augenbraue. »Gewiss habt Ihr nur nach der Handschrift der Heilkunst gehandelt«, meinte er, wobei es nicht überzeugt klang. Daraufhin rümpfte einer von Naels ritterlichen Begleitern die Nase. Aus der Menschenmasse, die jeweils zu beiden Seiten von dem Kreis, bestehend aus den drei Rittern und dem Heiler, in einer Linie stand, ertönte ein unüberhörbarer Schrei: »Erhängt ihn!« Zustimmende Rufe, bis die ganze Versammlung Nael zu überwältigen drohte.
Eine Schar lüsterner Raben, die nur auf die Erlaubnis des Leitvogels wartet, dachte Nael.
Ihm wurde mulmig zumute, schielte zu den umherstehenden Rittern, die ihn allesamt überheblich musterten.
Als wärt ihr etwas besseres. Als verstündet ihr die Heilkunst des Lebens.
Zorn ergriff ihn und wich den anfänglichen Bedenken.
Ihr wisst rein gar nichts über das Dasein, seit wie eingesperrte Vögel, unfähig zu fliegen und euch einen Überblick zu verschaffen. Einzig und allein führt ihr das Schwert der Destruktion.
Diese Worte hätte Nael am liebsten laut ausgesprochen, doch er war klug genug, sich nicht gegen die Ritter Elidors aufzulehnen. Das wäre ohne Zweifel sein Todesurteil.
Ein weiteres Mal wurde die schwere Herrentür aufgestoßen und schnelle Schritte hallten durch den Thronsaal. Indessen stoppten abrupt die Gespräche. Schweigen legte sich wie Nebel über die Versammlung. Nael, beglückt über ein Ablenkung, konnte den Neuankömmling jedoch nicht. Seine beiden Begleiter standen ihm mit ihren breiten Schultern in der Sicht. Er horchte. Die Schritte wurden allmählich langsamer, dann erklang der letzte Hall.
»Was geht hier vor?«, wollte die fremde Stimme wissen. Tief und bedrohlich. Dem Heilerlehrling lief ein Schauder über den Rücken. »Der Heiler, der mit der Ioskas gesichtet wurde, ist vor Ort.« Sir Cedric antwortete, ebenso kühl und beängstigend wie sein Gesprächspartner.
»Und wo ist der König?«
Cedrics Haltung versteifte sich. »Nachdem Ihr die Ioskas weggebracht habt, Sir Kilian, gab es Komplikationen. König Raigan wird momentan von Douglas versorgt.«
Der Fremde war also ein Ritter, Sir Kilian. Doch das entscheidende war, dass er zu wissen schien, wo sich Helena befand. Naels Neugier gewann die Oberhand und sperrte seine Angst ein. Vorerst. Er versuchte, an den zwei Rittern vorbeizuschauen, duckte sich ein wenig, drehte den Kopf, schielte an ihnen seitlich vorbei und... »Herrje«, flüsterte Nael. Vor ihm stand kein Ritter, sondern ein Zwerg! Sir Kilian war der kleinste Krieger, den er je gesehen hatte. Doch sein grimmiges, aber gleichzeitig arrogantes Gesicht, welches Sir Cedric fixierte, machte seine Größe wett. Glühende Augen wie kaltes Feuer.
Ohne Vorwarnung stürmte Sir Kilian los. Nael zog erschrocken den Kopf ein, seine braunen Augen weiteten sich. Kurz vor Cedric blieb der wildgewordene Ritter stehen. Ihre Nasenspitzen berührten sich beinahe. »Was habt Ihr mit dem da zu tun?«, fragte Kilian abfällig und deutet mit seiner knochigen Hand auf den Lehrling. Zwischen den beiden knisterte es gefährlich.
Hasserfüllt. Animos. Beängstigend.
Sie starrten einander an, als gelte es einen Wettkampf zu gewinnen. Kein blinzeln. Kein zucken.
»Ich bin der Sohn des Oberritters«, zischte der Blonde und die blauen Augen trotzten vor Selbstbewusstsein. »Alle über mir stehenden Ritter beschützen seine Lordschaft. Das macht mich zu dem ranghöchste Ritter. Damit obliegt Ihr unter meinem Befehl.« Zwar war es nur ein Flüstern, dennoch war es so laut, dass es jeder im Saal verstehen konnte. Es war gar so durchdringend, dass sich niemand wagen würde, das Wort Cedrics anzufechten.
Ob Sir Kilian kontern würde? Nael beobachtet seine Reaktion, doch der kleine Ritter gab seine Gefühle nicht preis, hielt seine Maske aufrecht. Zu Naels Überraschung neigte er den Kopf. Doch als sein stechender Blicke dem des Heilers kreuzte, erkannte er noch immer die brennende Glut in dem Ritter, die nur darauf lauerte, befreit zu werden.
Nach einigen Sekunden richtete sich Cedric wieder zu seiner vollen Größe. Gerader Rücken, die Schultern nach hinten gedreht und das Kinn kühn erhoben. Mit klarer Stimme richtete er sich an die ganze Versammlung: »König Raigan hatte bereits das Fatuum der Ioskas mit der Trisquetta besiegelt. Ich habe lediglich sein Werk vollendet und jene Worte ausgesprochen, die seine Majestät nicht mehr über die Lippen bringen konnte. Die Ioskas erwartet zu morgiger Frühstunde die Todesstrafe!«
Bejahende Rufe folgten, aber auf ein Handzeichen des Ritters hin verstummten sie wieder, so schnell wie sie auch bekundet wurden. Als hätte Cedric die Macht über Feuer, das er nach Lust und Laune entzünden und ersticken lassen kann. Sir Cedric breitete mit einem lässigen Grinsen auf den Lippen die Arme aus, war sich seiner Aufmerksamkeit absolut bewusst und sah in die Runde. Auch, wenn der Ritter jung war, so erkannte Nael die Angst und die Anerkennung, die ihm seine Kumpanen entgegen brachten - zumindest alle, bis auf Sir Kilian, der demonstrativ weg schaute.
»Meine Brüder, ich habe Euren Wunsch erhört.« Plötzlich durchdrangen Cedrics eiserne, kalte Augen die von Nael, der unwillkürlich zusammenzuckte. Es war, als würde der Krieger Nael eine unsichtbare Schlinge um den Hals legen und diese zog sich unnachgiebig zusammen. »Ihr!«, und Cedric zeigte direkt auf Nael »Ihr werdet wegen Beihilfe des Hochverrats beschuldigt. Habt Ihr noch irgendetwas vorzubringen?«
Der zweite Teil des siebten Kapitels ist damit geschafft! Ich hoffe, dass es euch wieder gefallen hat.
Hättet ihr gedacht, dass Nael beschuldigt wird? Und was meint ihr: Wie geht es weiter?
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