𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟔.𝟏: 𝐃𝐚𝐬 𝐀𝐮𝐠𝐞 𝐝𝐞𝐬 𝐏𝐡𝐨𝐞𝐧𝐢𝐱
»Wenn der Hass feige wird, geht er maskiert und nennt sich Gerechtigkeit.«
- Arthur Schnitzler
»Besitzt Ihr kein Ehrgefühl?« Die Frage hallte den ganzen Ritt über in Cedrics Kopf nach. Natürlich besaß er Selbstachtung! Mehr, als sich die Ioskas vorstellen konnte. Er stammte immerhin von edlem Geblüt ab. Er war der Sohn von Diana und Colin Trahern, welcher nebenbei als oberste Ritter Elidors und enger Berater des Königs fungierte. Und Cedric selbst war fest entschlossen, seinem Familienname Ehre zu bringen.
Neben ihm ritt Sir Killian, der ihn keines Blickes würdigte. Cedric wünschte, dass der hochgewachsene Krieger ihm doch etwas mehr Vertrauen entgegenbringen würde. So würde nicht das Blut eines alten Mannes an seiner Klinge kleben... wahrscheinlich. Er war kein kaltblütiger Mörder, aber die Situation war eindeutig gewesen. Er musste entscheiden, rapide handeln: Entweder das Leben eines reinblütigen, jungen Ritters oder das eines todkranken Bürgers.
Hinter Cedric fuhr die Droschke, gefolgt von den letzten beiden Ritter seines Trupps. Sie ritten bereits den ansteigenden Weg, der zum Schloss führte, hinauf. Die Hufe klapperten auf dem steinigen Boden, die Räder der Kutsche knatterten. Einige Ritter, die ihre Patrouille antraten, kamen ihnen entgegen. Sie nickten zum Gruß und richteten ihnen ihren Glückwunsch für die gelungene Ioskad aus, was Cedrics trübe Gedanken überschattete und stattdessen ein warmes Kribbeln hinterließ. Direkt bei seinem ersten Auftrag kehrte er erfolgreich zurück. Siegreich streckte er seine Brust noch etwas mehr hervor und hob angeberisch sein Kinn. Er hatte allen gezeigt, dass er ein wahrer Trahern war, seinem Vater ebenbürtig.
So lange hatte er im Schatten seines Vaters gestanden, unter dem Druck, einer der besten Ritter zu werden, gelitten. Dabei war seine Ausbildung alles andere als leicht. Man würde meinen, Sohn eines der hochrangigen Krieger des Landes zu sein, würde Vorteile mit sich bringen - tja, falsch gedacht. Dabei fing seine Ausbildung als Page so gut an, die vermutlich unbeschwertesten Jahre seines Lebens.
Da seine Mutter selbst vom Hofe kam, musste er nicht wie andere Page in die Obhut einer am Hof lebende Dame. Zudem durfte Cedric oft einem vielseitigen Sporttraining mit anderen Pages am königlichen Hofe beiwohnen. Das Erlernen einer perfekten Reittechnik, Faustkampf und Bogenschießen waren einige Sportarten davon, aber auch Lesen und Schreiben musste er sich aneignen, insbesondere um den Ritterkodex und die Bibel lesen zu können. In den Lehrjahren eines Pages standen besonders die höfischen Umgangsformen, die von einem vollwertigen Ritter erwartet wurden, im Mittelpunkt. Er lernte feine Manieren, diente bei Tisch und übte sich in ritterlichem Benehmen seiner Mutter und seinem Vater gegenüber.
Mit seinem elften Lebensjahr folgte seine Ausbildung als Knappe und er unterstand hauptsächlich seinem Vater. Wenn dieser keine Zeit hatte, stand er unter Sir Brans Befehl, dem Vater Killians. Dies war der Moment, wo Cedric Killian und seine wilde Zielstrebigkeit und unbändige Wut kennen und respektieren lernte. Killian mochte es nicht, seinen Vater zu teilen und damit nicht die volle Aufmerksamkeit zu genießen. So versuchte er öfters, Cedric eins auszuwischen - mit den unfairsten Mitteln. Dennoch studierte Cedric unter Sir Brans und Sir Colins Führung das Einmaleins der Jagd ein, die Pirsch, die Hetz- und Treibjagd und erlebte zudem den richtigen Umgang mit Hunden, Pferden und Falken.
Jedoch stand die militärische Ausbildung in seiner Zeit als Knappe im Vordergrund. So war es an ihm, die Pferde der Krieger zu versorgen und seine Ausrüstung zu pflegen. Vor allem aber musste er lernen, selbst mit scharfen Waffen umzugehen. Fast acht Jahre dauerte die Unterweisung, bis sich der ersehnte Weg in den Ritterstand für ihn öffnete.
Cedrics Pferd machte plötzlich einen Satz zur Seite, doch der neuernannte Ritter hielt sich geschickt im Sattel. Dank seines Vaters, der ihn öfters schon als Kleinkind mit auf einen Ausritt nahm, war der junge Krieger ein begnadeter Reiter. Er blieb ruhig, machte sich schwer im Sattel, fasste die Zügel nach und tätschelte den Braunen sanft. Sofort verfiel sein Ross ins normale Schritt zurück und das ausgeglichene Hufgeklapper hallte wieder in seinen Ohren.
An der Zugbrücke angelangt, unter der in einiger Entfernung der Fluss strömte, passierten sie die Mauer, die zusätzlich zum Gewässer das Schloss samt Hof schützte. Sie ritten über den großflächigen, kahlen Innenhof zu der riesigen, hellen Marmortreppe. Dort stieg der Rittertrupp kommentarlos ab und macht sich auf den Weg in den Thronsaal, wo bereits der König die Rückkehr seiner Krieger sehnlichst erwartete. Zwei Ritter trugen die Ioskas, die immer noch benommen wirkte und folgten Cedric, der selbstbewusst die unendlich wirkenden Gänge voraus ging.
Ihr Weg führte an unzähligen Türen vorbei, manchmal bogen sie links ab, dann wieder rechts und weiter geradeaus, bis sie an der imposante Edelkastanienholztür ankam, wo ihnen die vergangenen, eingemeißelten Könige grimmig entgegen blickten. Die Wachen öffneten zu beiden Seiten die Türen und der Trupp konnte passieren. Das Gemurmel verstummte und alle Augen im Thronsaal, allesamt funkelnde Saphire, richteten sich augenblicklich auf sie. Cedric wurde heiß unter den vielen Blicken, die ihn alle zu durchbohren schienen, ihm seine Luft zum Atmen rauben wollten.
Trotz, dass der junge Ritter kaum noch Luft bekam, ging er möglichst unbeeindruckt den langen, roten Teppich entlang, der bis zum Thron führte. Seine vermeintlichen, bleischweren Schritte klangen unnatürlich laut durch die Halle, seine Muskeln verkrampften sich und das Blut rauschte wie ein strömendes Gewässer durch seine Adern. Du schaffst das, Cedric!, redete er sich ein. Die durchsichtige Schlinge um seinen Hals zog sich immer enger, je näher er dem König kam. Als er meinte, er müsste jeden Moment zusammenbrechen, löste sich der Klos in seinem Hals und ließ die ersehnte Luft seine starken Lungen durchströmen. Erleichterung.
Kurz vor dem Königsstuhl verbeugte sich Cedric und er spürte, wie seine Truppenmitglieder es ihm gleich taten. »Na endlich! Meine Herrn, warum hat Eure Ankunft so lang auf sich warten lassen?«, empfing sie König Raigan. Seine Stimme klang gelangweilt, beinahe monoton, als würde er eine Floskel zum hundertsten Mal vortragen. Cedric jedoch ließ sich nicht beirren, hob unerschrocken seinen Kopf. Die blauen Augen des Regenten wirkten wie gefrorenes Eis, trüb und starr, doch das Aussehen täuschte. Hinter dem dicken Panzer aus Gefrorenem loderte ein kaltherziges Feuer nach Vergeltung.
Ruhig erklärte Cedric: »Es gab einige, ungeplante Komplikationen« und hoffte, dass Raigan es gut auffassen würde. Dieser kniff die Augen zusammen. »Nun denn, ich werde drüber hinwegsehen« und ließ seine Worte bedeutungsvoll ausklingen, die den ganzen Thronsaal erfüllten. Beruhigt entkrampften sich etwas die Muskeln des angespannten Ritters. Doch der König war nicht fertig und fügte hinzu: »Fürs erste und letzte mal, damit wir uns richtig verstehen.«
Rasch nickte Cedric. »Vielen Dank, Eure Majestät.« Er wusste, dass er an die Barmherzigkeit des Herrschers appellieren musste. Sprich das Offensichtliche aus.
»Ich danke Euch, für Eure Nachsichtigkeit, die Ihr, König Raigan IV von Elidor, der Furchtlose und Zelot der neuen Göttin Maoilias, einem jungen, unerfahrenen Ritter wie mir erweist.«
Jeder mochte Komplimente, die das Selbstwertgefühl steigerten. Warum sollte es bei dem mächtigsten Mann Elidors anders sein? Zusätzlich vermittelte Cedric den Anschein, dass Raigan ihm gegenüber überlegen war und er sich so entspannte, seine Fassade fallen ließ. Ja, Cedric war schlau, sehr schlau sogar und er kannte die Tricks und Kniffe, wie er seine Ziele erreichen konnte. Dieses Wissen brachte ihm den Respekt der anderen Ritter, zumindest von den meisten.
Sein Blick huschte zu Killian, der der Ioskas nicht von der Seite wich. Es war als keine nette Geste gegenüber der Dame gemeint - niemals würde jemand eine Ioskas schützten und schon gar nicht in Anwesenheit des Königs. Das wäre reinster Selbstmord und egal wie sehr Killian Cedric verabscheute, war ihm sein Leben doch etwas wert. Etwas Ehre besaß auch der letzte Heuchler, dachte Cedric grimmig. Nein, Killian vertraute Cedric nicht und bewachte daher genauestens die Verfluchte.
Der Anfang des sechsten Kapitels ist getan. Wie findet ihr den Einblick in Cedrics Vergangenheit? Findet ihr solche Rückblicke gut? Wollt ihr mehrere?
Außerdem hatte ich Langeweile und habe mal ein kleines Poster ausprobiert. Alles ist selbst gezeichnet.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro