| Prolog |
In Elidor pflegt man stets zu sagen: Vivere militare est - Zu leben heißt zu kämpfen.
Die Menschen sind die Schachfiguren in den Händen der Gottheit Maoilias, die Spielzüge die Herausforderungen und das Schachbrett der Alltag. Bis zu jenem Tag, an dem der Menschheit kein einziger Zug mehr bleibt. Dann ist die Partie endgültig verloren. Das Schicksal hat entschieden, die Würfel sind gefallen.
Victus - Schachmatt!
Er schlich voran.
Der bröcklige Pfad vor ihm war nur wenige Fuß breit. Links befand sich die Steinmauer der Festung, rechts der steile Abhang. Ein paar Meter unter ihm wütete der Fluss, der die Burg schützend umgab. Lediglich das Rauschen des Wassers und der frische Geruch nach Petrichor durchbrachen die klare Nacht. Sehen konnte er ihn nicht, denn das Mondlicht wurde von der Finsternis verschluckt und gewährte ihm keinen Platz in seinem Reich.
Achtsam huschte er weiter. Dabei war es egal, wie schnell er vorankam. Egal, wie weit er davonlief. Fortan würde er im Geheimen wandeln müssen, abseits der Strecke seines früheren Lebens. Der Weg zurück war Vergangenheit, nur noch sein Ziel war von zentraler Bedeutung: Überleben.
Er hatte sorgsam darauf geachtet, das helle Dämmerlicht zu meiden und stattdessen in den Schatten zu schleichen wie ein Tier, das vor seinem Jäger flüchtete. Trotzdem hatte es nichts gebracht.
Etwas Gestein fiel von oben herab. Er horchte auf. Nichts weiter als Kies und feiner Schutt, doch es reichte aus, um seine Atmung zu beschleunigen und sein Herz schneller schlagen zu lassen.
Alarmiert blieb er stehen, dicht mit dem Rücken an die kalte Mauer gedrückt, die Invasoren fernhalten sollte. Aber er war kein Eindringling. Er war ein Flüchtiger auf der Suche nach einem unbewachten Weg aus der Burg.
Abermals lauschte er. Da ertönte es, das gleichmäßige Marschieren der Ritter Elidors. Die bedrohlichen Schritte übertönten den Lärm des Fließgewässers. Gleich würden sie ihn finden. Nein, dachte er. Nicht nur ihn, auch sie. Sie war immerhin der Grund, warum er hier war.
In Gefahr.
Auf der Flucht.
Vor dem Zorn des Königs.
Er wandte sich schnell zu ihr um. Ihre sonst so hübschen, grünen Augen, die von Ruhe zeugten und ihn an die frischen Baumblätter im Sonnenlicht an einem sorglosen Frühlingsmorgen erinnerten, waren weit aufgerissen. Nun loderte in ihnen das blanke Entsetzen. Verwelkte Blätter, die Feuer gefangen hatten.
Auch sie fürchtete sich davor, dass sie entdeckt werden würden. Wenn dies geschah, wäre ihr Todesurteil besiegelt. Sie mussten wachsam bleiben. Um ihres Lebens Willen.
Erneut hörte er etwas Geröll herabprasseln. Panisch drehte er den Kopf zu jeder Seite und suchte mit den Augen gehetzt die Umgebung ab.
Die Fußstapfen kamen immer näher, echoten auf dem gepflasterten Boden unheilvoll nach. Gleich hatten die Ritter die halb heruntergelassene Zugbrücke erreicht, unter der sie in einiger Entfernung im Schatten der Nacht kauerten.
Dann war es so weit.
Stimmen übertönten das Brausen der Strömung und bevor er entschlüsseln konnte, was sie sagten, tauchten auch schon Silhouetten, umrandet vom Mondschein, unter der Brücke auf. Er zählte fünf Krieger, allesamt gepanzert in metallischer Rüstung. Fünf gegen Zwei, keine gerechten Voraussetzungen. Die Ritter nahmen Positionen wie bei dem Brettspiel Mühle ein. Niemals hätte er sich erträumen lassen, dass er selbst mal zu einer lebendigen Spielfigur werden würde, gefangen in einer Zwickmühle.
Einer der Ritter verharrte an der Brücke, während zwei seiner Kumpanen jeweils auf einer der beiden abfallenden Steintreppen standen, die den einzigen Ab- und Aufstieg die Überführung bildeten. Damit waren die einzigen Fluchtwege versperrt. Die anderen zwei Ritter schlichen die Treppen hinab, umzingelten ihn und seine unfreiwillige Begleitung von rechts und links. Sie saßen in der Falle.
Die beiden näheren Krieger schlichen wie auf einem unsichtbaren Kommando vorwärts, ganz langsam, als hätten sie alle Zeit der Welt. Ihre eisernen Augen schienen ihn förmlich zu durchbohren.
Einen Gedanken daran zu verschwenden, wie er nun reagieren sollte, war in etwa so sinnlos wie der Grund, warum er überhaupt hier war. Wie er überhaupt in diesen Irrtum hineingeraten war.
Hektisch tastete er nach dem Schwert, das er vorhin einem der königlichen Wachen abgenommen hatte. Er zog es hervor und umklammerte verzweifelt den rauen Ledergriff mit seinen kraftlosen Fingern. Als der blanke Stahl die klirrende Kälte küsste, schwand sein Mut augenblicklich. Beinahe wäre ihm das schwere Eisen aus den Händen entglitten. Wie konnte er bloß annehmen, es mit der gefürchteten Elite Elidors aufnehmen zu können? Er war weder ein kräftiger Bauer, gestärkt von der harten Knochenarbeit auf den Feldern, noch ein kampferprobter Ritter, der seit Beginn seiner Ausbildung gezieltes Training erhielt. Hatte er also irgendeine Chance?
Seine Finger krallten sich verzweifelt in das Leder und er richtete die glänzende Schwertspitze auf seine Angreifer. Der Schein des Mondes reflektierte sich in der mörderischen Klinge. Seine Hände begannen zu zittern.
Jetzt war es so weit. Sein kurzes Abenteuer fand sein Ende.
Hallo ihr lieben,
dies ist der kurze Prolog meines neuen Buchprojektes. Gedacht ist eine Trilogie, die Rabenmasken-Trilogie. Band zwei soll den Namen „Der Fluch der Rabenmasken" und Band drei „Der Schwur der Rabenmasken" tragen. Ein Konzept steht schon, bedeutetet, dass jetzt nur noch die Zeit mitspielen muss :)
Wie gefällt euch bisher der Prolog?
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