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In der Woche nachdem Mary zum ersten Mal auf Remus' Treppe gesessen hatte, kam sie noch weitere drei Mal. Remus erfuhr, dass sie eine Wohnung in Winkfield Row hatte, mit dem Auto eine Stunde von hier, und einen Job als Sekretärin. Auch wenn sie der Magie eigentlich weitestgehend den Rücken gekehrt hatte, war sie sich allerdings nicht zu schade, nahezu jeden zweiten Tag zu Remus zu apparieren. Sie hatten eine Menge aufzuholen und Mary war geradezu vernarrt in Julie.
Remus war das nur recht, denn er kam in den Genuss davon, endlich mal wieder einen Nachmittag für sich zu haben und ein Buch lesen zu können - oder ein paar Stunden Schlaf nachzuholen, während Mary mit Julie im Park war oder sich hinter einer mit einem Muffliato versehenen Tür um ihre Nahrungsaufnahme und Windeln kümmerte.
Ihr Auftauchen blieb in der Nachbarschaft voller neugieriger (weißer) Leute selbstverständlich nicht unbemerkt. Drei Tage nach Marys Ankunft stand Anne mit Hannah nachmittags vor der Tür. Mary selbst war noch nicht da, hatte angekündigt, eine Spätschicht zu haben und Remus hatte gerade Julie aus dem Mittagsschlaf geholt.
"Halli, hallo", grüßte Anne fröhlich und ihre dicken Locken wippten. "Eigentlich wollte ich nur Edzia ihre Kuchenform vom letzten Wochenende zurückbringen."
Remus zog amüsiert eine Augenbraue hoch.
"Und trotzdem hast du bei mir geklingelt", stellte er grinsend fest. Anne schmunzelte.
"Ich war neugierig, wen du neuerdings dein Kind entführen lässt", verteidigte sie sich. "Petunia, Gloria und Elizabeth zerreißen sich bereits die Mäuler."
Remus hielt ihr die Tür auf und sie schob den Kinderwagen in den Flur, wo sie Hannah herausnahm und ihm dann die Treppe nach oben folgte.
"Sie war letztens zur Spielplatzzeit im Park und lass mich dir sagen," Anne lachte leise, "diese Frau erfüllt wirklich jede Box, mit der eine Mrs Dursley ein Problem hat."
Remus rief sich Mary mit ihren kurzen Röcken und offenen Locken und dem Hang zu Make-up und hohen Schuhen ins Gedächtnis und sein Grinsen wurde noch breiter. Anne hatte recht, Mary wirkte ein bisschen, als hätte er gezielt nach der Art Frau gesucht, die Petunia am meisten Gift spucken lassen würde. Nicht, dass das etwas schlechtes war. Mary würde sich vermutlich geehrt fühlen.
Anne blieb im ersten Stock vor Edytas Wohnung stehen und wedelte mit der Kuchenform, die sie aus dem Kinderwagen mitgenommen hatte, bevor sie auf die Klingel drückte.
"Danke für den Kuchen", sagte sie, sobald Remus' Nachbarin geöffnet hatte, "deine gehen immer weg wie nichts, irgendwann musst du mir dein Geheimnis verraten."
Edytas Augen funkelten im Schalk, als sie sich zu Hannah und Julie auf den Armen ihrer jeweiligen Elternteile herunterbeugte, um sie zu begrüßen.
"Irgendwann hast du oft genug gebacken, dass du deine eigenen Geheimnisse hast", sagte sie nur. Anne seufzte. Remus wusste, dass Backen nicht zu ihren Talenten oder Hobbys zählte.
"Apropos Geheimnisse, wie viel weißt du über Remus' neue Flamme?", fragte sie verschwörerisch. Remus hustete möglichst auffällig. Edyta hob die Augenbrauen.
"Sie versteht nicht viel davon, einen guten ersten Eindruck zu machen", sagte sie dann, wenn auch zu Remus' Erleichterung mit einem kleinen Augenzwinkern. "Aber ich hab sie erst einmal getroffen."
Remus rückte Julie auf seinem Arm zurecht.
"Nun, auch wenn sie nicht meine neue Flamme ist und ich mir verbitte, sie so zu bezeichnen" (beide Frauen zogen eine Schnute) "wird sie nicht so schnell wieder verschwinden, fürchte ich", prophezeite er schmunzelnd. "Also habt ihr noch alle Gelegenheit, sie kennen zu lernen."
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Anne war nicht bereit, auf "alle Gelegenheit" zu warten, deshalb beschlossen sie und Quinn, ein Grillen zu veranstalten, zu dem sie Remus ausdrücklich vorschlugen, Mary mitzubringen. Er versprach nichts, aber er schlug es ihr vor und sie fand die Idee großartig, was dazu führte, dass Mary endgültig Teil seines neuen Lebens wurde. Ganz wie erwartet, verstand sie sich hervorragend mit Anne und sogar Edyta taute ihr gegenüber langsam auf.
Marys und Edytas geteilte Interessen beinhalteten Julie, Kritik an Remus' Lebensstil, Tarotkarten und Musik der fünfziger Jahre. Mit Anne ging sie gemeinsam Einkaufen und die beiden kamen mit jede Menge Kram zurück, der eigentlich nicht auf der Liste gestanden hatte.
Sie aß häufiger bei Remus als nicht.
"Was willst du eigentlich mit deinem Leben machen?", fragte Mary eines Abends, nachdem sie Julie ins Bett gebracht hatten, während Remus eine Sahnesoße zu den Nudeln fürs Abendessen kochte. Sie saß auf dem Küchentisch und beobachtete ihn unter strengster Anweisung, nichts anzufassen.
"Was meinst du?", fragte er und schnitt präzise die Zucchini in dünne Scheiben. Sie rutschte ein wenig auf ihrem ausgewählten Sitzplatz hin und her.
"Naja", sagte sie dann, "aktuell lebst du von Sirius' Geld und kümmerst dich ausschließlich um Julie und das Haus. Das Geld wird dir nicht ausgehen, aber was machst du, wenn das Haus allein steht und Julie dich nicht mehr rund um die Uhr braucht?"
Er zuckte mit den Schultern.
"Ich hab immer noch Sirius' Unschuld zu beweisen", erinnerte er sie. Sie schnaubte.
"Weil das so viel Zeit in Anspruch nimmt, weil wir so viele Anhaltspunkte haben, wer der Verräter sein könnte", meinte sie sarkastisch. Er drehte sich um und deutete mit dem Messer auf sie.
"Irgendwann finde ich wieder eine Spur!", versicherte er ihr. Sie nickte und wies ihn dankenswerter Weise nicht darauf hin, dass sie seit über einem Monat suchten, aber keinen Schritt weiter waren.
"Was ist mit der Wohnung im Erdgeschoss?", fragte sie dann. "Du könntest was damit machen."
Remus lachte leise, als er an den Tag in Gringotts letzten September zurückdachte.
"Sirius hat gesagt, wenn ihm was passiert soll ich ein Haus kaufen und einen Buchladen aufmachen", fiel ihm ein. Mary musste lachen.
"Du bist so ein Nerd", stichelte sie. Er drehte sich wieder zu den Zucchini um und schob sie vorsichtig in die Pfanne, wo sie brutzelnd ins heiße Öl fielen. "Was spricht dagegen?"
Er zuckte mit den Schultern.
"Ich hab Julie, da hab ich doch gar nicht die Zeit, einen Laden zu führen."
Sie lachte wieder.
"Remus, du müsstest doch gar nicht viel tun, um einen Laden zu führen. Buchhaltung ist dein Hobby und die Bücher würden sich wortwörtlich von selbst sortieren." Sie hielt inne. "Wenn ich nach Little Whinging ziehe, hab ich auch keinen Job."
Er sah überrascht über seine Schulter.
"Du ziehst her?"
Sie zuckte mit den Achseln.
"Ich hab nicht viele Perspektiven außer dir", sagte sie. "Du bist nicht der einzige, der alle Freunde verloren hat."
Remus starrte sie an. Darüber hatte er in seiner ichbezogenen Trauer gar nicht nachgedacht. Sie war genauso einsam wie er. Und auf einmal kam ihm eine Schnapsidee.
"Würdest du hier einziehen wollen?", fragte er. "Ich könnte mein Büro in die untere Wohnung verlegen. Du könntest...wir könnten..." Er wurde rot, auf einmal kam er sich albern vor. Mary ließ sich vom Tisch gleiten und kam zu ihm hinüber, legte eine Hand an seinen Arm.
"Würdest du mich hier haben wollen?", fragte sie leise. Er sah sie ungläubig an.
"Mary, schau mich an, ich bin haltlos überfordert. Ich wollte nie allein wohnen. Wäre ich nicht mit Sirius zusammengezogen, hätte ich euch Mädels wahrscheinlich nach einem Platz in eurer WG gefragt." Er rührte ein wenig in der Soße, um sie nicht anschauen zu müssen.
Sie schwieg einen Moment.
"Also könntest du dir vorstellen, zusammen zu wohnen?", fragte sie. "Dass ich hier einziehe?"
Er nickte.
"Wir könnten das gemeinsam durchziehen", schlug er vor. "Ich eröffne den Buchladen, du könntest darin arbeiten. Wir machen es richtig, ordentlich. Du bekommst Gehalt, du zahlst Miete, wenn du irgendwann keine Lust mehr hast, stehst du auf eigenen Beinen und kannst gehen." Er sah auf und sie etwas scheu an. "Aber willst du das überhaupt? Ein...normales Leben? Die halbe Verantwortung für ein Baby? Ich dachte immer, du willst das nicht. Ich dachte immer, du willst unabhängig sein."
Sie verknotete ihre Finger miteinander.
"Ich war anderthalb Jahre unabhängig", sagte sie leise. "Und ich hatte niemanden, dem ich von meinen tollen Abenteuern berichten kann. Jetzt hab ich fürs erste genug gesehen. Ich wollte immer am Ende zurückkommen und bei euch allen ein Zuhause finden, eure Kinder aufwachsen sehen, euch auslachen, wenn ihr am ersten September heult wie Schlosshunde." Ihr Blick huschte zu Remus und sie schmunzelte. "Ich hab genug von der Welt gesehen. Wenn du mich lässt, komme ich nach Hause."
Remus schluckte, dann drehte er sich wieder zu ihr um.
"Ich würde mich freuen, dich hier zu haben", sagte er dann. Es war nicht ausreichend, um in Worte zu fassen, was er bei der Vorstellung empfand, mit ihr eine WG zu gründen, ein bisschen Normalität von vorher zurück zu bekommen. Er war sich nicht sicher, ob er jemals Worte dafür finden würde. So wie es aussah, musste er es ihr wohl zeigen. "Wir können morgen meine Bürosachen runter räumen und dann kannst du dich im hinteren Zimmer einrichten."
Sie strahlte.
"Das wäre großartig!", sagte sie erleichtert. Er wandte sich wieder der Zucchini in der Pfanne zu. "Und der Buchladen?"
Er brummte.
"Wir müssten die Wohnung unten renovieren. Ich müsste Bücher kaufen, viele davon. Und Julie ist erst vier Monate alt, sie braucht viel Aufmerksamkeit", gab er zu bedenken. Mary trat neben ihn und tunkte dann blitzschnell einen kleinen Löffel in die Soße. Remus warf ihr einen bösen Blick zu.
"Nimm es als ein Kompliment für deine Kochkünste", schlug sie schelmisch vor. Er verdrehte die Augen. "Aber hey, jetzt sind wir zu zweit. Wir kümmern uns um Julie, bereiten parallel dazu die Wohnung vor. Die Eröffnung hat ja noch Zeit, wir könnten sie um ihren ersten Geburtstag herum anpeilen, wir haben keinen Stress."
Er dachte eine Weile darüber nach, während er die Zucchini aus der Pfanne nahm und die Nudeln abgoss.
"Vielleicht ist es kein schlechter Plan", stimmte er ihr zu. Dann musste er leicht grinsen. "Ich hätte nicht gedacht, dass wir mal einen Buchladen zusammen aufmachen."
Mary kicherte leise, während sie zwei Teller aus dem Schrank nahm.
"Ich auch nicht, glaub mir", murmelte sie. "Verdammt, wie viele Bücher muss man gelesen haben, um in einem Buchladen zu arbeiten?"
Remus stellte den Nudeltopf ab und sah sie abschätzig an.
"Äh...", machte er ein wenig hilflos.
"Mehr als fünf?"
"Naja, also..."
"Verdammt."
Er klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter, als er an ihr vorbei ging und nach seinem Teller griff.
"Du hast ja noch ein dreiviertel Jahr Zeit, dein Wissen aufzustocken."
Mary stöhnte laut.
"Was hab ich mir da nur eingebrockt", jammerte sie, aber Remus lachte nur. Nein, Mary wäre wirklich die letzte gewesen, von der er das erwartet hatte. Aber er konnte nicht bestreiten, dass er sich unglaublich darüber freute.
Na gut, dann haben wir es ja fast geschafft, das Set-up dieser Geschichte zu erreichen xD
Nächstes Mal machen wir einen gewaltigen Zeitsprung oder...naja...Zeitraffer. Bis Samstag :)
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