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Sobald Mary, Minerva, Harry und Jules sich auf den Weg gemacht hatten, breitete Remus seine Recherche auf dem Küchentisch aus.
Er hatte zuerst überlegt, nach unten in sein Büro zu gehen, weil er dann seinen Kram gleich dort liegen lassen konnte. Allerdings bewahrte er alle Bücher über Magie, die er besaß, im Wohnzimmer auf (für Muggelaugen natürlich als Fotoalben und Gedichtbände getarnt) und jedes Mal nach oben zu laufen, wenn er etwas brauchte, war ihm zu anstrengend. (Klar hätte er Accio benutzen können, aber er wollte nicht gegebenenfalls Edyta mit einem herumfliegenden Buch erschlagen.) Außerdem würde er heute Abend hier oben mit Amelia durch den Kamin sprechen, dann war es gut, gleich alles hier zu haben. (Auch wenn das vermutlich eine müßige Hoffnung war, weil er die Küche wahrscheinlich ohnehin würde räumen müssen, sobald die anderen zurück kamen.)
Er hatte einen guten Überblick darüber, welche Bücher er besaß und aus gegebenen Gründen hatte er einige zum Thema Animagi. Die Gründe waren, dass er nicht jedes Mal in eine Bibliothek gehen wollte, wenn James, Sirius oder Peter ein Problem hatten und sich nicht sicher waren, wie es als Animagus zu handhaben war. Prominentes Beispiel war gewesen, als Sirius sich betrunken in einen Hund verwandelt, zwei Stück Schokoladenkuchen gefressen und dann Panik gehabt hatte, dass er jetzt sterben würde, weil Schokolade für Hunde giftig war. (Es war ihm am nächsten Tag wirklich nicht gut gegangen, aber Remus hatte den Verdacht, dass das wenig mit der Schokolade zu tun gehabt hatte.) Diese Bücher holte er jetzt eines nach dem anderen hervor, ging ihre Register durch, in der Hoffnung, irgendetwas zu finden, womit man einen Animagus aufspüren konnte.
Gerade war er in einem Kapitel versunken, als die Wohnungstür aufging und leise Stimmen näher kamen. Er sah hoch und entdeckte Jerry und Triv, die, beide noch im Schlafanzug, die Küche betraten.
"Morgen, Dad", murmelte Jerry, öffnete einen Küchenschrank und holte zwei Schüsseln heraus, während Triv einige Schubladen öffnete, bis sie das Besteck gefunden hatte.
"Morgen", sagte sie, ebenfalls noch ziemlich verschlafen.
Remus legte unauffällig einen Ablenkezauber über seine Bücher, sodass weder Triv noch Jerry so genau hinschauen würde, was darin stand. Er war sich nicht sicher, ob es nötig war, keiner der beiden wirkte aktuell so, als würden sie so bald Interesse an seiner Recherche haben, aber sicher war sicher.
"Guten Morgen", grüßte er zurück. Jerry holte das Müsli aus dem Küchenschrank und die Milch aus dem Kühlschrank. "Na, womit habt ihr euch die Nacht um die Ohren geschlagen?"
Triv lehnte sich gegen die Arbeitsplatte und gähnte.
"Monopoly", sagte sie. Remus zog überrascht die Augenbrauen hoch.
"Monopoly?", wiederholte er. Die beiden nickten und grinsten ein wenig. Jerry reichte Triv eine Müslischale.
"Eigentlich wollten wir gar nicht so lange aufbleiben", sagte er, "aber dann hatte ich drei Bahnhöfe und Triv wollte den letzten nicht hergeben."
"Ja, weil ich dir nicht noch mehr Miete zahlen wollte", stichelte Triv. "Schlimm genug, dass du drei Hotels auf deine dämliche Parkstraße gesetzt hast. Ich musste fünf Hypotheken aufnehmen!"
Jerry grinste schelmisch.
"Nicht meine Schuld, dass ich besser im Business bin als du."
Remus schmunzelte.
"Macht es euch was aus, im Wohnzimmer zu essen?", fragte er mit einem kritischen Blick über den überfüllten Küchentisch. Jerry schüttelte den Kopf und beide verschwanden mit ihrem Müsli ins Nebenzimmer.
Remus versank wieder in seinem Buch. Am Rande bekam er mit, wie die beiden eine halbe Stunde später mit ihrem Geschirr wieder auftauchten (er warf ihnen einen strengen Blick zu und sie wuschen es sogar ab), dann gingen sie wieder hoch in Jerrys Zimmer, bevor Triv irgendwann nach Hause ging.
Er hatte einige Dinge gefunden, die brauchbar waren. Wie man einen Animagus festhielt, sodass er sich nicht verwandeln konnte. Wie man ihn zwingen konnte, sich zu zeigen. Wie man aus einer Reihe Tiere einen Animagus identifizieren konnte. Der letzte war noch am brauchbarsten, aber auch ihn konnte man nicht einfach auf ganz England - oder theoretisch ja noch weiter - anwenden.
Er veränderte seine Strategie: Peter war auf der Flucht und wollte versteckt bleiben. Was würde er tun? Er war niemand, der als Ratte in einer Kanalisation lebte, so viel war klar. Nein, so wie er Peter kannte, hatte er sich irgendwo ein gemütliches Plätzchen gesucht, strategisch gut, wo er mitbekommen würde, wenn sich etwas tat, was ihn interessierte. Vielleicht in einem der Pubs in der Winkelgasse. Dort konnte man als Ratte sicher ein gutes Leben führen. Oder als Haustier irgendwo.
Konnte Remus eine Ausrede erfinden, wie er alle Rattenbesitzer der Welt dazu bringen würde, ihm ihre Tiere zu zeigen? Unwahrscheinlich, selbst wenn er sich nur auf magische Familien beschränken würde. Und zu auffällig - wenn Peter Wind davon bekam, dass sie nach ihm suchten, wäre er schneller über alle Berge als sie schauen konnten.
"Was machst du?"
Remus sah auf. Jerry hatte sich ihm gegenüber auf einen Stuhl fallen gelassen. Er betrachtete die Bücher.
"Ich recherchiere etwas, um Sirius' Unschuld zu beweisen", sagte Remus, spontan ein wenig froh, dass der Zauber von vorhin noch drauf lag.
"Animagi?", fragte Jerry verwirrt. "Das ist doch das, was Minerva kann, oder?"
Remus musterte ihn überrascht.
"Ja", sagte er und ergänzte amüsiert: "Hast du gerade direkt durch meinen Ablenkezauber geschaut, weil du neugierig warst?"
Jerry hob überrascht die Augenbrauen.
"Da war ein Ablenkezauber drauf?", fragte er irritiert. Er schaute nochmal genauer hin. "Hm...oh ja, ok, jetzt merke ich es." Er grinste. "Um fair zu sein, für mich fühlt sich die Welt immer so an. Alles ist ablenkend." Er zuckte mit den Schultern. "Apropos Ablenkung: kann ich dich was fragen?"
Remus legte seinen Stift zur Seite und stützte sein Kinn auf.
"Klar, schieß los."
Jerry öffnete den Mund, dann schloss er ihn wieder und wirkte ein wenig peinlich berührt, als würde er bereuen, das Thema angeschnitten zu haben. Remus richtete sich ein wenig auf, jetzt noch neugieriger als vorher.
"Alles ok?", fragte er beunruhigt. Jerry nickte.
"Ja, alles prima", versicherte er schnell. "Es ist nur...wegen dem, was Mary gestern gesagt hat..." Er zögerte. Remus kramte in seiner Erinnerung und versuchte, alles durchzugehen, was Mary gestern so von sich gegeben hatte. (Aber alles, was sein Hirn vorschlug, war der dämliche Buh-dapest-Witz.) "Mit mir und Triv und den...äh...Schwangerschaften?"
Remus entglitten alle Gesichtszüge.
"Jerry, bitte sag mir, dass ich nicht mit 27 Großvater werde", bat er alarmiert. Panik flackerte in Jerrys Augen auf und er zuckte zurück.
"Was?!", fragte er schockiert. "Nein. Nein! Nein, nein, nein! Remus, was? Nein!"
Remus atmete erleichtert auf und atmete tief durch, in der Hoffnung, seinen Puls wieder ein wenig zu senken.
"Ich und Triv sind nicht...", schob Jerry schnell hinterher. "Wir sind nicht...das." Er war rot wie eine Tomate und Remus war sich ziemlich sicher, dass es ihm selbst nicht besser ging. "Aber alle scheinen das zu denken und ich...äh...weiß nicht so genau, warum?"
Remus lehnte sich ein Stück zurück, griff nach seiner Kaffeetasse und musterte ihn.
"Naja", sagte er, "ihr seid beide Teenager. Ihr seid in einem Alter, in dem viele...Dinge ausprobieren möchten. Und weil ihr von der Gesellschaft als ein Mädchen und ein Junge gelesen werdet, denken vermutlich die Meisten, ihr macht das mit dem Ausprobieren miteinander."
Jerry runzelte unzufrieden die Stirn und spielte mit einem Lesezeichen herum, was in einem der Bücher gelegen hatte.
"Ich will aber gar nicht...ausprobieren", brummte er dann ein wenig verstört. Remus lachte leise in sich hinein, weil ihm diese Einstellung doch sehr vertraut vorkam.
"Das ist doch auch komplett in Ordnung", meinte er. "Ich wollte das auch nie wirklich."
Jerry sah vom Lesezeichen hoch, er wirkte überrascht.
"Ist das ein...Werwolf-Ding?", fragte er unsicher. "Das man...das nicht machen will?"
"Hm?" Remus dachte zurück an seine Tage im Rudel und an die zahlreichen wenig subtilen (und wenig monogamen) Avancen, die dort gemacht und wirklich nur sehr minimal vor den jüngeren Wölfen verborgen wurden. "Nein." Er lachte ein wenig. "Nein, das ist kein Werwolf-Ding. Das ist einfach ein Jerry-Ding."
Jerry wirkte nicht wirklich zufrieden mit der Aussage.
"Wenn es dich tröstet", schlug Remus vor, "es ist auch ein Remus-Ding? Es ist vollkommen in Ordnung, das Ganze nicht so wichtig zu nehmen wie es von anderen aufgeblasen wird."
Jerry drehte immer noch das Lesezeichen in seinen Händen.
"Wird es irgendwann...anders?", fragte er. "Wenn ich jemanden treffe?"
Remus wog den Kopf hin und her.
"Vielleicht", sagte er. "Vielleicht nicht." Er musterte Jerry. "Bevor ich mit Sirius zusammen war, konnte ich es mir überhaupt nicht vorstellen. Mit ihm, schon eher. Aber..." Er zögerte, überlegte, wie er das am besten sagte. "Aber es ist für mich immer noch nicht wirklich wichtig, als Thema, weißt du? Also, es schafft es wahrscheinlich nicht unter die Top 50 Dinge, die ich an ihm vermisse."
Jerry grinste ein bisschen.
"Aber du bist in ihn verliebt?", bohrte er dann nach. Remus konnte nicht verhindern, dass sich ein großes Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete.
"Oh ja", sagte er. "Ich bin in ihn verliebt."
Jerry schien darüber kurz nachzudenken. Dann schmunzelte er.
"Ich kann mir dich irgendwie nicht mit ihm vorstellen", gab er dann zu. "Also...ich kann mir dich nicht wirklich in einer Beziehung vorstellen. Ehe. Du bist immer so...ein kleines bisschen traurig. Selbst wenn du lachst. Ich freu mich drauf, dich zu sehen, wenn alles wieder gut ist." Er grinste und stand auf. "Haben wir noch Marshmallows?"
Remus starrte ihn an, etwas aus der Bahn geworfen. Er war sich relativ sicher, dass Jerry sich nicht bewusst war, dass er gerade Remus' komplettes Selbstbild auf den Kopf gestellt hatte.
Ich freu mich drauf, dich zu sehen, wenn alles wieder gut ist.
Aber er hatte irgendwo recht. Aktuell war er der Ohne-Sirius-Remus. Wer würde er werden, wenn er seinen Mann zurück hatte? Er war nie der Mit-Sirius-Remus gewesen und gleichzeitig auch der Mit-Jules-Jerry-Harry-und-Mary-Remus.
Und auf einmal hatte er ein klein wenig Angst - wie würden sich diese beiden Seiten zusammen finden?
Jaaa, das ist die große Frage. Aber soweit sind wir ja noch gar nicht. Erstmal müssten wir Peter finden. Dazu steht am Samstag ja das Gespräch mit Amelia an...und die hat bestimmt nur gute Ideen und konstruktive Vorschläge, richtig?
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