5
Marys Augen wurden größer und größer.
"Aber Amelia hat euch geglaubt?", fragte sie am Ende. Remus nickte. "Das heißt, wir finden Peter und befreien Sirius?" Ihre Augen leuchteten aufgeregt.
"Nein", sagte Remus bestimmt. "Ich finde Peter. Ich..." Er hielt inne, weil auf dem Flur Schritte waren, bevor das leise Surren der Wahlscheibe des Telefons zu hören war und Jerry mit gedämpfter Stimme mit jemandem telefonierte. Remus beschloss, später nachzufragen, was es damit auf sich hatte. "Peter darf auf keinen Fall mitbekommen, dass wir nach ihm suchen", sagte er entschlossen zu Mary. "Und Amelia würde mich köpfen, wenn sie erfahren würde, dass ich dir und Jer überhaupt etwas erzählt habe. Es gilt absolutes Stillschweigen über die ganze Sache, bis wir Peter gefunden und Sirius offiziell als unschuldig geklärt haben."
Mary wirkte ein wenig beleidigt.
"Aber Remus, ich könnte helfen", protestierte sie. "Zwei Paar Augen sehen mehr!"
Remus schüttelte entschlossen den Kopf.
"Amelia und ich haben zwei Paar Augen", sagte er. Er sah Mary flehend in die Augen. "Bitte überrede mich nicht, dir noch mehr zu verraten. Ich will nicht, dass Amelia mir irgendwelche Körperteile entfernt."
Mary starrte ihn an, dann seufzte sie tief.
"Meinetwegen", brummte sie. Dann sah sie wieder hoch. "Wie ging es ihm wirklich?", fragte sie besorgt. "Ich weiß, du wolltest Jerry nicht beunruhigen."
Remus zuckte frustriert mit den Schultern.
"Wie soll es ihm schon gehen?", fragte er leise. "Er sah genauso schlimm aus, wie ich befürchtet hatte. Aber zumindest war er...klar, er war da, er hat mit mir normal geredet."
Mary blinzelte überrascht.
"Das schaffen nicht viele nach sechs Jahren Askaban", meinte sie beeindruckt. Remus nickte.
"Vielleicht ist es wirklich seine Unschuld", theorisierte er. "Sie können ihm weniger tun, weil er nicht wirklich etwas hat, woran sie sich klammern können." Er hatte noch eine zweite Theorie, dass Sirius' Animagusform etwas damit zu tun hatte. Aber davon wusste Mary nichts und Remus beschloss, dass sie für heute genug Überraschungen erlebt hatte.
"Und...körperlich?", fragte sie. Remus schluckte.
"Nicht gut", sagte er leise. "Er war unterernährt, sein hygienischer Zustand war eine Katastrophe, er hat sie ganze Zeit gezittert und er hat diesen fürchterlichen Husten."
Mary schwieg. Dann nickte sie.
"Ok", sagte sie leise. "Du kümmerst dich um Peter. Und ich gehe morgen in die Winkelgasse und fange an, die Apotheken abzuklappern, dass wir ihn wieder hinbekommen, wenn er da endlich raus ist."
Remus starrte sie an.
"Mary, du bist die beste Person auf diesem Planeten", sagte er leise. "Ich weiß nicht, was ich getan habe, dass du bei mir geblieben bist."
Mary schmunzelte.
"Du kannst mir danken, indem du mich nicht vor die Tür setzt, wenn du deinen echten Ehemann zurück hast", scherzte sie, aber Remus kannte sie inzwischen gut genug, um tatsächliche Unsicherheit dahinter zu sehen. Er setzte sich abrupt gerader auf.
"Mary, du kannst nicht wirklich glauben, dass das irgendwie in Frage steht, oder?", fragte er schockiert. "An allen Stellen, an denen es zählt, bist du Jules' Mum. Und Jerrys Mum. Du hast Harry genauso aufgenommen wie ich und ich hätte die letzten Jahre ohne dich im Leben nicht geschafft." Er griff mit beiden Händen nach ihren. "Mary, du bist Familie. Wir haben eine verrückte Zweier-WG mit drei Kindern und wir machen eine verrückte Dreier-WG mit drei Kindern draus."
Mary schluckte.
"Wirst du mit Sirius nicht eure eigene kleine Familie haben wollen?", fragte sie unsicher. "Wie ihr es damals wolltet?" Remus verdrehte die Augen.
"Na klar", sagte er. "Eine Familie mit Sirius und Jules. Und mit Jerry und Harry. Und mit dir. Und mit Edyta."
Mary schmunzelte.
"Vergiss Minerva nicht", erinnerte sie ihn. "Sie hat angemeldet, dass sie die Kinder morgen auf einen Ausflug mitnehmen möchte. Und Jerry soll durch die Woche irgendwann einmal abends zu ihr flohen, damit sie ihre illegalen Experimente weiter führen können." Sie hob die Hand, als Remus den Mund öffnete um nachzufragen. "Sie sagte 'Sonderunterricht', ich habe nicht weiter gefragt. Ihr passt alles außer Mittwoch, da hat ein Mädchen namens Nymphadora Tonks bei ihr Nachsitzen."
Remus lachte leise.
"Wir haben schon eine kuriose Familie", sagte er leise. "Ich hätte nie gedacht, dass Minerva McGonagall mal die inoffizielle Großmutter meiner Kinder wird."
Mary grinste. Dann runzelte sie dir Stirn, als es an der Tür klingelte.
Bevor einer von ihnen aufstehen konnte, hörten sie, wie im Flur eine Tür aufging und jemand über den Flur schlitterte.
"Ist nur Triv, ich mach auf!", rief Jerry. Die Wohnungstür öffnete sich und unter eifrigem Geflüster wurde Triv durch den Flur gescheucht und die Tür schlug wieder zu.
Remus warf Mary einen misstrauischen Blick zu.
"Ich glaube, so langsam möchte ich wirklich wissen, was da drüben vor sich geht", murmelte er. Mary nickte. Sie standen beide auf und verließen die Küche.
Die gesammelte Bagage schien noch immer in Jules' Zimmer zu sein, zumindest hörte man aufgeregte gedämpfte Stimmen daraus. Mary und Remus tauschten noch einen Blick, dann klopfte Remus vorsichtig gegen die Tür.
Schlagartig wurde es still, dann begann panisches Geflüster, bevor Jerry den Kopf herausstreckte - nur den Kopf, den Rest der Tür hielt er so weit geschlossen wie möglich, sodass Remus und Mary nicht ins Zimmer schauen konnten.
"Was gibt's?", fragte er mit höherer Stimme als gewöhnlich. Remus hob misstrauisch eine Augenbraue.
"Jerry, was genau tut ihr da drin?", fragte er möglichst unschuldig.
"Ähhh", Jerry sah panisch über seine Schulter. Jemand flüsterte etwas. "Geburtstagsgeschenk?"
Remus sah ihn zweifelnd an.
"Mein Geburtstag ist im März", erinnerte er ihn trocken. "Marys war im September. Versuch's noch mal."
Jerry trat jetzt unsicher von einem Fuß auf den anderen.
"Weihnachten?", probierte er. Remus schmunzelte.
"Na komm, mach einfach die Tür auf", schlug er vor. "Was auch immer ihr angestellt habt, so schlimm wird es schon nicht sein."
Mary nickte.
"Versprecht ihr, nicht sauer zu sein?", fragte Jerry und sah besorgt zwischen ihnen hin und her. Remus konnte sehen, dass Mary sich ein wenig das Grinsen verkneifen musste.
"Versprochen", sagte Remus und hoffte, er würde das nicht gleich bereuen. Jerry öffnete etwas geknickt die Tür ein Stück weiter.
Jules saß auf einem Stuhl vor seinem Kleiderschrank, an dessen Tür ein Spiegel hing. Triv stand etwas zweifelnd hinter ihm und musterte ihn, Harry saß auf dem Bett und sah aus, als würde er sich fürchterlich für etwas schämen, Jerry hatte einen ähnlichen Gesichtsausdruck. Jules selbst schien zu schwanken zwischen Panik und Zufriedenheit, aber auch er blinzelte unsicher zu seinen Eltern hoch. Um ihn herum auf dem Fußboden lagen jede Menge Haare, Triv hatte eine Schere in der Hand.
Mary schlug sich eine Hand vor den Mund, aber Remus konnte sehen, dass es hauptsächlich dazu diente, ihr Grinsen zu verstecken. Er konnte die Vibration ihres unterdrückten Lachens spüren. Jules' Frisur sah absolut fürchterlich aus. Remus räusperte sich.
"Möchte jemand eine kurze Zusammenfassung geben, wie wir hier gelandet sind?", schlug er vor. Alle vier sahen sich an.
"Es war meine Schuld", sagte Jules dann etwas kleinlaut. "Die Jungs in der Schule haben gesagt, dass ich kein richtiger Junge bin, wenn ich lange Haare habe. Und ich wollte sowieso immer kurze, also hab ich Harry gefragt, ob er sie abschneidet."
Remus schloss kurz die Augen.
"Warum hast du nicht bescheid gesagt?", fragte er leise. Er trat hinter ihn und betrachtete seinen jüngsten Sohn im Spiegel. Triv trat zur Seite und sah ebenfalls zu Boden.
"Nachdem Jerry sich an einer ersten Hilfe versucht hat, hat er mich angerufen", berichtete sie entschuldigend. "Ich habe versucht, noch etwas zu retten, aber..." Sie spielte nervös mit der Schere in ihren Händen herum.
"Triv wollte nur helfen", sagte Jerry sofort. "Es war...naja, eine Aneinanderreihung unglücklicher Umstände."
Jetzt füllten sich Jules' Augen doch mit Tränen.
"Ich wollte so aussehen wie ein richtiger Junge", sagte er leise. "Aber jetzt sehe ich hässlich aus."
Remus schmunzelte und drückte ihm einen Kuss auf den arg malträtierten Kopf.
"Ok, pass auf", sagte er. "Erstens bist du ein richtiger Junge, völlig egal, was die anderen sagen. Und zweitens ist deine Frisur nichts, was wir nicht wieder hinbekommen. Vielleicht wird es ein bisschen kürzer, als gedacht, aber sie wachsen ja wieder."
Jules drehte sich auf dem Stuhl um und stellte sich hin, sodass Remus ihn umarmen konnte. Er nahm ihn hoch und setzte ihn auf seine Hüfte. Sanft wischte er die Tränen von seiner Wange.
"Was hältst du davon, wenn wir hoch gehen zu Edyta und sie fragen, ob sie das wieder in Ordnung bringt, hm?", schlug er vor. "Sie hat Harrys Haare letztens auch geschnitten, ich bin sicher, sie macht dich zu einem präsentablen jungen Mann, der morgen mit Minerva einen Ausflug machen kann." Jules nickte aufgeregt, auch wenn immer noch Tränen flossen. Remus drehte sich um zu Harry.
"Harry, bist du ok?", fragte er prüfend. Harry saß immer noch wie versteinert auf Jules' Bett und schien darauf zu warten, dass der große Ärger kam. Mary schritt über die dicken Locken auf dem Fußboden und setzte sich neben ihn.
"Mach dir nicht so viele Gedanken", munterte sie ihn auf. "Es ist quasi ein Ritual, fast niemand kommt durch seine Kindheit, ohne mal jemandem die Haare zu schneiden oder die Haare geschnitten zu bekommen." Sie sah ihn streng an. "Auch wenn es trotzdem nicht in Ordnung war, weil du mit der Schere Jules wirklich hättest weh tun können, ok?"
Harry nickte eilig.
"Tut mir leid", murmelte er. "Ich wollte nur helfen."
Mary drückte ihn ein wenig an sich.
"Wissen wir doch", meinte sie ruhig, dann stupste sie ihn aufmunternd in die Seite. "Und seine Ohren sind ja beide noch dran." Sie zwinkerte.
Remus sah in die Runde.
"Ok, noch irgendwelche Geständnisse?", fragte er. Alle schüttelten den Kopf. "Können wir uns dann einigen, dass wir Edyta ab jetzt alle Haare schneiden lassen und nicht mit Scheren spielen? Und dass wenn ihr das dumpfe Gefühl habt, dass wir etwas nicht gut finden werden, das vermutlich einen guten Grund hat und der in der Regel etwas damit zu tun hat, dass sich jemand verletzen könnte?"
Alle nickten.
"Na gut, dann kommen jetzt die Konsequenzen." Remus ließ Jules wieder auf den Fußboden und sah seine beiden jüngsten Kinder an. "Einer den Besen, einer den Staubsauger. Auf geht's."
Harry und Jules tauschten einen Blick, dann verschwanden sie wortlos Richtung Abstellkammer. Remus musterte Jerry.
"Nächstes Mal sagst du bitte bescheid, bevor es eskaliert?", bat er. Jerry sah betreten zu Boden.
"Ok."
Aus dem Flur ertönte lautes Geklapper, das sich anhörte, wie ein Besen, der auf einen Staubsauger fiel. Mary stand auf, um zu schauen, dass sich jetzt nicht doch noch jemand verletzte.
Mit vereinter Kraft brachten sie Jules' Zimmer wieder in Ordnung, bis es schließlich frei von Haaren war. Dann beschlossen Remus, Jules und Harry, nach unten zu gehen, um zu versuchen, mit kompetenter Hilfe (nichts gegen Jerry und Triv) Jules' Frisur wieder in Ordnung zu bringen.
"Oh, Dad, kann Triv hier schlafen?", rief Jerry ihm noch hinterher. Remus drehte sich zu ihm um, aber Harry und Jules waren schon auf dem Weg nach unten, also zog er die "Frag-Mum"-Karte.
Jerry zog eine Schnute.
"Mary, kann Triv hier schlafen?"
"Sind ihre Eltern damit einverstanden?", hörte Remus Mary antworten. "Ich weiß, sie darf nicht bei Jungs übernachten."
"Jer ist kein Junge", merkte Triv an. Und Jerry ergänzte: "Loophole!"
Remus konnte förmlich spüren, wie Mary die Augen verdrehte.
"Wenn ihr Unsinn anstellt, kann sie trotzdem schwanger werden", erinnerte sie die beiden. "Also holt euch bitte die Erlaubnis von Taneesha und Nimit."
"Ew, Mum!", sagte Jerry laut. "Was zur Hölle?"
Remus grinste. Ja, er hatte wirklich eine kuriose Familie. Aber in mancherlei Hinsicht war sie auch wie jede andere. Er konnte es gar nicht erwarten, sie Sirius vorzustellen.
Hatte jemand nach Family Fluff gefragt? Niemand? Na gut, hier habt ihr trotzdem welchen. Dienstag dann: die Rückkehr der Minerva McGonagall!
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