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Der Ostersonntag verging in einem Wirbel aus Ostereiersuche und jeder Menge Süßkram. Nachmittags kamen sie zusammen mit den Rezas und Jacksons, wo die gesammelten elf Kinder der drei Familien, mit Jerry als der ältesten Person und Lottie Jackson mit sieben als der jüngsten, beschlossen, am nächsten Tag einen Ausflug ohne die Eltern zu machen.
Am freien Montag saß Remus dementsprechend vollkommen entspannt auf dem Sofa im Wohnzimmer und las ein Buch. Mary lag neben ihm, nutzte seinen Schoß als Kissen, wie sie es schon in der Schulzeit gerne getan hatte, und blätterte in einem Lifestyle-Magazin. Remus warf über den Rand seines Buches hinweg einen kritischen Blick darauf.
"Warum haben diese Zeitschriften immer einen großen Abschnitt über verschiedene Schlankheitskuren und dann drei Seiten weiter stellen sie Rezepte für Sahnetorten vor?", fragte er. "Das klingt für mich irgendwie widersprüchlich."
Mary zuckte mit den Schultern.
"Den Teil mit den Diäten überblätter ich immer", meinte sie unbekümmert. "Schließlich ist Kuchen großartig und ich muss mit 32 wirklich nicht mehr so aussehen, wie mit 18."
Remus grinste.
"Da werde ich dir nicht widersprechen."
"Ist auch besser so." Mary zupfte scherzhaft am Saum seines Pullovers. Ein kühler Schauer fuhr darunter und Remus warf seiner Freundin einen bösen Blick zu. "Willst du dein Horoskop hören?"
Remus musterte sie zweifelnd.
"Will ich das?"
Mary nickte.
"Absolut." Sie räusperte sich. "Ihr Energielevel ist im April optimal. Körperliche Defizite bauen Sie ab und entwickeln ein unbeschwertes Lebensgefühl. Sieh mal einer an, vielleicht ist jetzt die Zeit, in der du locker wirst!"
Remus schnaubte.
"Was für ein Unsinn", urteilte er. "Unbeschwertes Lebensgefühl!"
Mary hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen.
"Nein, nein, pass auf, es wird noch besser!" Sie grinste. "Venus empfiehlt Ihnen außerdem mehr Wellness und reichhaltigere Beautytreatments. Dabei tanken Sie auf und finden Ihre innere Mitte. Schau, du musst dir nur von Venus helfen lassen, mal mit in die Sauna kommen und dann findest du deine innere Mitte!"
Remus nahm ihr das Magazin aus der Hand und ließ es hinter das Sofa fallen.
"Das einzige, was ich weniger will, als meine innere Mitte zu finden", erklärte er, "ist in die Sauna zu gehen."
Mary begann zu lachen.
"Es ist viel zu warm da", maulte Remus weiter. Marys Gelächter wurde nicht weniger.
"Das liegt nur daran, dass du deine innere Mitte noch nicht gefunden hast!"
Remus öffnete den Mund, um zu kontern. Ehe er jedoch etwas sagen konnte, rumpelte es im Flur, bevor die Tür aufschwang und Sirius hereingestürzt kam. Mary und Remus musterten ihn überrascht, aber er ignorierte sie vollkommen, lief stattdessen direkt auf das Bücherregal zu und fuhr mit dem Finger über die Buchrücken.
Remus und Mary tauschten einen ratlosen Blick.
"Alles ok?", fragte Mary vorsichtig und richtete sich in eine sitzende Position auf. Remus stand auf und trat neben Sirius ans Regal.
"Suchst du was Bestimmtes?"
Sirius fuhr zu ihm herum und sah ihn direkt an. Sein Blick war wild entschlossen, aber gleichzeitig wirkte er, als hätte er gerade einen Geist gesehen.
"Hast du Bücher über dunkle Magie?", fragte er, vollkommen ohne Kontext. "Also...richtig dunkle Magie?"
Remus blinzelte überrascht.
"Nicht wirklich?", antwortete er dann unsicher. "Und wenn, dann nicht im Wohnzimmer."
Sirius sackte ein wenig in sich zusammen. Mary kam jetzt ebenfalls zu ihnen.
"Sirius, was ist passiert?", fragte sie nachdrücklich.
Sirius hob seine Hand. Remus kniff die Augen zusammen, dann erkannte er, was er darin hielt: es war das Märchenbuch, das er von Mrs Figg mitgenommen hatte.
Remus hatte ihn nicht darauf angesprochen, hatte nicht nachgebohrt. Sie kannten sich gut genug, sie hatten eine stumme Abmachung, dass sie einander den Freiraum ließen, den sie brauchten und den anderen von sich aus einweihten, wenn sie wollten.
"Das hier gehörte meinem Bruder", sagte er leise. "Ich glaube, er hat vor seinem Tod was rausgefunden. Was Wichtiges." Er schlug das Buch auf, blätterte darin. "Mrs Figg hat gesagt, er hatte eine Mission. Aber es kann keine Mission vom Orden gewesen sein, sonst hätte jemand gewusst, dass er sich gegen Ihr-wisst-schon-wen gestellt hat. Also muss er selbst etwas entdeckt haben."
Mary sah ihn mit einem merkwürdigen Blick an.
"Sirius", sagte sie dann leise. "Woher wusste Regulus davon, dass Mrs Figg untergetauchte Ordensmitglieder versteckt?"
Remus sah sie verwirrt an.
"Vermutlich hat er irgendein Ordensmitglied kontaktiert", spekulierte er. "Und so die Adresse bekommen."
Mary hatte ihren Blick immer noch starr auf Sirius gerichtet und schwieg. Remus blinzelte, als er verstand, was sie implizierte.
"Sirius...", sagte er leise. Sirius sah von dem Buch hoch.
"Ich hab es ihm nicht gesagt", sagte er nachdrücklich. "Ich habe nicht einen sicheren Ort des Ordens auf gut Glück an einen Todesser verraten." Er zögerte. "Ich hab nur...ich kannte ihre damalige Adresse. Ich wusste, es ist ein Unterschlupf. Und manchmal...manchmal hab ich fest daran gedacht. Es hat manchmal funktioniert, als wir Kinder waren, dass wenn einer von uns in einer...schlechten Situation war und wirklich Hilfe brauchte, dass wir uns so...helfen konnten." Er spielte mit den Fingern an den Seiten des Buches herum. "Ich hab es ihm nicht verraten. Ich dachte nur, vielleicht klappt es, vielleicht wenn er raus will und Hilfe braucht, dann kann ich so..."
Er sah auf. Marys Gesicht war voller Zweifel und Remus vermutete, sein eigenes sah ähnlich aus. Telepathie war abseits von Legilimentik unmöglich, jeder wusste das.
"Ich weiß nicht, wie es funktioniert hat. Ich weiß nur, dass es funktioniert hat." Sirius hob wieder das Buch. "Aber das ist unwichtig. Wichtig ist, dass er die Seiten gewechselt hat und zwar aus einem Grund."
Er schlug das Buch auf der Seite auf, an der er bis eben seinen Finger gehabt hatte. Remus lugte hinein. Es war das Märchen Des Hexers haariges Herz, über den Zauberer, der keine Emotionen verspüren wollte und deshalb sein Herz in einer Glasschatulle aufbewahrte. Remus hatte es nie besonders gern gemocht, weil es so düster war. Trotzdem lehnte er sich jetzt näher über das Buch, ignorierte die Illustration vom Herz, das, über Jahre vom Körper getrennt, behaart und verschrumpelt war. Zwischen die gedruckten Zeilen des Märchens hatte jemand mit einer winzigen Handschrift einen zweiten Text geschrieben.
Remus kniff die Augen zusammen, aber mehr als einige Worte ("Wenn jemand diese Zeilen liest, dann bin ich nicht mehr am Leben...") konnte er nicht ausmachen.
Sirius räusperte sich leise.
"Hat einer von euch jemals davon gehört, was ein Horkrux ist?"
Mary und Remus tauschten einen ratlosen Blick.
"Also ich nicht", sagte Mary leise. Remus schüttelte den Kopf.
"Was ist es?"
"Es ist so ziemlich die dunkelste Magie, die man abgesehen von Totenbeschwörung machen kann." Sirius trat vom Regal weg und ließ sich auf einen Sessel sinken. "Ich weiß nicht viel. Nur, dass es bedeutet, dass jemand einen Teil seiner Seele aus dem Körper trennt und damit unsterblich wird."
Er fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht.
"Reg und ich haben im Sommer, als ich fünfzehn war, eine Wette geschlossen", berichtete er leise. "Wer das gruseligste Buch in der Bibliothek unseres Vaters findet. Wir waren nicht annähernd darauf vorbereitet, was wir fanden. Ich habe nicht einmal viel gelesen, aber ich hatte trotzdem über Wochen Albträume von den Illustrationen."
"Was hat so ein Horkrux mit Regulus zu tun?", fragte Remus vorsichtig. Sirius schlug das Buch wieder auf.
"Er schreibt, dass er herausgefunden hat, dass Ihr-wisst-schon-wer einen Horkrux geschaffen hat. Von sich. Und dass er ihn zerstören will, sodass man ihn umbringen kann."
Kurz war es still, während Remus versuchte, zu verarbeiten, dass es schwarze Magie gab, die die Seele spalten konnte. Und, anscheinend, Zauberer, die das in Kauf nahmen, um nicht getötet zu werden.
"Aber...Regulus hat es geschafft, oder?", fragte Mary leise. "Ihn zu zerstören. Ihr-wisst-schon-wer ist fort, richtig?"
Remus schluckte.
"Nein", sagte er leise. "Er hat es nicht geschafft. Harry ist ihm letztes Jahr begegnet, weißt du noch? Er hatte keinen Körper, aber er ist immer noch da." Sirius nickte.
"Reg ist gestorben, bevor er den Horkrux zerstören konnte", sagte er fest. "Und ich werde das ändern. Ich werde ihn finden und ich werde ihn zerstören und dann werde ich Ihr-wisst-schon-wen finden und endgültig umbringen."
Remus und Mary schwiegen.
"Wie...wie stellt man sich einen Horkrux vor?", fragte Mary dann. "Ist es einfach ein Stück Seele, das frei herumschwebt? Oder ein zweiter Körper, der irgendwo liegt?"
Sirius zuckte mit den Schultern.
"Ich weiß es nicht", gab er zu.
"Hat Regulus geschrieben, wie er ihn zerstören will?", wollte Remus wissen.
"Nein." Sirius starrte noch einmal auf die Seite hinunter. "Nur, dass er ihn zerstören will und dass, wenn er es nicht schafft, jemand anders es tun muss, wenn man Ihr-wisst-schon-wen wirklich besiegen will."
"Aber wenn du nicht einmal weißt, wonach du suchst, wo willst du dann anfangen?", fragte Mary vorsichtig.
"Ich weiß es nicht!", schnappte Sirius laut. Und dann ergänzte er noch einmal leiser: "Ich weiß es nicht. Aber es ist wichtig. Mein Bruder hat dafür sein Leben gegeben. Ich finde mehr Informationen. Ich frage Minnie, ob ich in die Hogwarts-Bibliothek darf, ich...irgendwie schaffe ich das."
Remus musterte ihn ein wenig besorgt. Natürlich stimmte er Sirius zu, dass dieser Horkrux irgendwie gefunden werden musste. Und er würde den Teufel tun, diese Information an Dumbledore zu geben. Aber er hatte intime Erfahrung damit, aus Schuldgefühlen eine nahezu unmögliche Aufgabe in Angriff zu nehmen und er hatte ein wenig Angst, dass Sirius gerade in eine Spirale stürzte, aus der er nur schwer wieder herauskommen würde.
"Sirius", sagte er also leise und griff nach der Hand seines Mannes. "Hey, schau mich an."
Sirius sah unwillig in seine Augen.
"Wir verstehen, dass es für dich wichtig ist, die Mission von Regulus zu beenden", sagte Remus ruhig. "Und wir werden dir helfen, wir bekommen das hin. Aber niemand von uns riskiert dafür unser Leben. Wir haben Luke, wir haben Harry, wir haben Jobs und Freunde und Hobbys. Das wird jetzt nicht alles in den Wind geschossen, um diesem winzigen Hinweis auf Gedeih und Verderb nachzujagen." Sirius öffnete den Mund im Protest, aber Remus erstickte ihn im Keim: "Ich sage nicht, dass wir es nicht in Angriff nehmen. Ich sage nur, niemand weiß, dass wir es wissen. Wir haben keinen Druck von außen. Wir müssen das nicht in zwei Wochen lösen. Wir machen das. Aber nicht 24/7. Es ist wichtig. Aber nicht wichtiger als Luke. Nicht wichtiger als unsere Familie. Okay?"
Sirius holte tief Luft.
"Regulus ist auch Familie", wisperte er dann.
Mary zog ihn in eine Umarmung.
"Ich weiß", sagte sie leise. "Aber seine Mission zu beenden, bringt ihn auch nicht zurück. Es tut mir leid."
Irgendwie hab ich das Gefühl, dass diese Geschichte, bzw Teil Fünf dieser Geschichte, den meisten Plot hat, den ich je geschrieben habe. Normalerweise sind meine Geschichten ein großes Fluff-Fest mit gelegentlichen Plot-Häppchen. Ich glaube, das hier wird das erste Mal seit langem, dass es mal wieder eine handlungsgetriebene Geschichte wird xD
Anyway, frohen Mittwoch euch allen :)
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