19
Remus hätte wirklich damit rechnen müssen, dass ein einziger Moment alle Spannungen zwischen seinem Mann und ihrem Sohn lösen würde. So funktionierte Jules. Er mochte Jerry in dem Moment, in dem er ihn in seinen Haaren herumziehen ließ, er mochte Minerva in dem Moment, in dem sie sagte, dass es nicht wehgetan hatte, als er sie am Schwanz gezogen hatte und er mochte Sirius, anscheinend, in dem Moment, in dem sie gemeinsam die Küche mit einem 8-Gramm-Tütchen Vanillezucker eingeschneit hatten.
Das war nicht falsch zu verstehen: Remus fand es absolut großartig, dass der Knoten zwischen den beiden geplatzt war. Jetzt wandelte sich ihr Familienleben langsam zu dem, was er sich von Anfang an erträumt hatte, angefangen bei:
"Oof."
Remus blinzelte verschlafen und versuchte, sich zu orientieren.
Bis eben gerade hatte er entspannt im Traum seine Gedichtband-Kollektion sortiert (danach, ob der Autor mit einem geraden oder ungeraden Buchstaben begann - eben hatte das noch wirklich großen Sinn ergeben!), dann war etwas Schweres auf ihn drauf gefallen. Selbiges Etwas bewegte sich jetzt sehr aktiv über das Bett, dessen Matratze sich als Antwort darauf entsprechend eindellte und ausbeulte, was Remus endgültig aus seiner Buchsortierwelt herausholte. Sein Gehör holte jetzt auch langsam auf und schließlich bekam er auch mit, dass das für - er blinzelte noch einmal - 5:23 Uhr viel zu aktive Wesen sein Getobe auch noch mit eifrigen Rufen begleitete:
"Dad! Dad! Dad! Dad!"
Sirius grunzte erneut wenig begeistert und versuchte, sich tiefer in den Kissen zu vergraben, was Remus nun doch zum Grinsen brachte.
"Jules, was machst du hier?", fragte er und gähnte. Jules - rittlinks auf dem Deckenberg, unter dem irgendwo Sirius lag - drehte sich strahlend zu ihm um.
"Es hat geschneit!"
Remus sah aus dem Fenster. Es war stockdunkel, aber tatsächlich war im Licht der Straßenlaternen deutlich eine feine, weiße Schicht über den Dächern und Autos zu sehen. Er gähnte noch einmal, aber dann konnte er ein seliges Lächeln nicht verhindern. Es waren noch drei Tage bis Weihnachten und jetzt lag Schnee. Gut, in aller Frühe von seinem Fünfjährigen deshalb geweckt zu werden wäre jetzt vielleicht nicht nötig gewesen, aber wirklich böse konnte er Jules nicht sein.
"Warum wacht Dad nicht auf?", fragte der jetzt unzufrieden. "Will er keinen Schnee sehen?"
Remus wusste, dass Sirius den Schnee sehr wohl sehen wollte. Zu einer späteren Uhrzeit. Aber sie waren Rumtreiber und an diesem Morgen fühlte er sich definitiv nicht als liebender Ehemann Remus, sondern als bester Freund Moony und ein bester Freund Moony sagte in dieser Situation:
"Doch, auf jeden Fall. Wahrscheinlich schläft er nur tief. Du solltest ihn weiter anstupsen, bis er aufwacht."
Jules strahlte und ging wieder dazu über, auf Sirius...Hüfte? Remus konnte es unter den gigantischen Mengen an Decken nicht wirklich ausmachen...herumzuturnen und zu versuchen, zwischen den Kissen Sirius' Gesicht zu finden. Mit einem diebischen Grinsen steckte er jetzt selbst seine Hand mit hinein und tastete, ob er etwas finden konnte. Es dauerte nicht lange, da umfasste eine Hand seinen Finger und Sirius' Gesicht tauchte zwischen dem Bettzeug auf.
"Moony, ich hoffe, dir bringt der Weihnachtsmann kein einziges Geschenk und Minnie schaut dich in Zukunft nur noch mit ihrem Blick an und alles, was du jemals essen kannst, schmeckt so als hätten Lily und ich es gekocht", brummte er schlecht gelaunt. Dann drehte er sein Gesicht zu Jules. "Kind, was hab ich dir getan?"
Jules schien sich überhaupt nicht an seiner Morgenmuffeligkeit zu stören und strahlte wieder übers ganze Gesicht.
"Es hat geschneit!", wiederholte er noch einmal, nicht minder begeistert. "Und es sind Ferien!"
Sirius hielt Jules an der Taille fest, während er sich unter ihm auf den Rücken drehte, sodass er nicht dabei runterfiel.
"Eben", sagte er. "Es sind Ferien! Du könntest ausschlafen!"
Remus grinste.
"Höre ich da etwa Protest gegen einen Sechs-Uhr-Morgens-Schneemann?", fragte er, genau wissend, dass er Jules noch weiter anstachelte. Sirius sah ihn vollkommen entgeistert an. Remus setzte sich auf und musterte ihn von oben. "Es ist die Rache für sieben Monate Schlafentzug und füttern alle drei Stunden." Er lehnte sich nach vorne und drückte Sirius einen schnellen Kuss auf die Lippen, bevor er zwinkerte und die Decke zurückschlug. Es gab nichts besseres zum Wachwerden als ein kleiner Streich auf einen Mitrumtreiber - insbesondere wenn man praktischerweise mit einem verheiratet war. "Na komm, Jules, ziehen wir uns an. Ich bin sicher, Tatze wird gleich bei uns sein."
Jules schien kurz verwirrt, dass das jetzt wirklich passierte (war Remus doch sonst auch eher ein Morgenmuffel als ein Frühaufsteher), dann schien er zu entscheiden, die Gelegenheit am Schopf zu packen und kletterte aus dem Bett, um in sein Zimmer zurück zu laufen und sich etwas anzuziehen. Remus tastete immer noch im dunklen Zimmer auf dem Stuhl nach seinen Sachen von gestern, als ihn sein Kissen am Rücken traf.
Er lachte leise in sich hinein.
~~~~~
Mary, Harry und Jerry schienen alle an ihrem Verstand zu zweifeln, als sie gegen acht am Frühstückstisch erschienen, wo Sirius, Remus und Jules schon saßen, frisch geduscht, um wieder warm zu werden, mit bereits geleerten Tassen Kakao, geröteten Wangen und stolzen Blicken in den Vorgarten, in dem ein Schneemann entstanden war, der immerhin kniehoch war (knapp hüfthoch, wenn man Jules hieß). Dadurch, dass Sirius nur als Hund anwesend sein konnte, war es nicht zu einer Schneeballschlacht gekommen, aber Remus vermutete, dass sie die nachholen würden, wenn die restlichen Familienmitglieder auch dabei waren.
"So", sagte Mary, als alle fertig gegessen hatten und nur noch Kakao oder Kaffee schlürften (im übertragenen Sinne, Remus gab sich große Mühe, gewisse Essmanieren zu vermitteln und dazu gehörte, dass tatsächliches Schlürfen nicht in Frage kam) und sah in die Runde, "in drei Tagen ist Weihnachten, wer hat schon alle Geschenke?"
Alle drei Kinder schauten sich etwas betreten an und Mary schmunzelte.
"Wie wäre es mit einem Trip in die Winkelgasse, um diese Lücken noch zu füllen?", schlug sie vor. "Wir müssen auf jeden Fall etwas für Mama McG besorgen und etwas für Edyta, ihr könnt alle mal nachdenken, worüber sie sich freuen würden."
Remus zuckte bedauernd mit den Schultern.
"Ich muss leider den Laden schmeißen", meinte er, "so kurz vor Weihnachten ist immer das beste Geschäft."
Jules und Harry wirkten ein wenig enttäuscht. Remus lächelte sie aufmunternd an.
"Morgen ist Sonntag, dann können wir alle zusammen auf den Weihnachtsmarkt in der Stadt gehen, habt ihr Lust?"
Die beiden nickten aufgeregt und Remus grinste. Nach Weihnachten würde er den Laden für eine Woche geschlossen haben, dann konnten sie noch mehr Zeit als Familie verbringen. Er liebte es, Bücher zu verkaufen, aber die halben Samstage, die dafür jede Woche drauf gingen, taten schon manchmal weh. Vielleicht sollte er doch darüber nachdenken, noch jemanden anzustellen. Dann würde er auch endlich die Anmerkung "An Vollmonden geschlossen" von den Öffnungszeiten streichen können. Sie hatte im Viertel für große Belustigung gesorgt, aber neben den kuriosen Öffnungszeiten anderer Buchläden nicht weiter für Beunruhigung. Es hielt sich zwar nachhaltig das Gerücht, dass er und seine ganze Familie in Wahrheit Werwölfe waren, aber Remus hatte gelernt, das mit einem geheimnisvollen Augenzwinkern abzutun, wann immer ihn jemand fragte. Sie waren am Ende des Tages alle Muggel, die nicht wussten, dass Werwölfe wirklich existierten. Was spielte es also für eine Rolle, ob sie wirklich recht hatten? Ein solcher Ruf hätte in der Winkelgasse für deutlich weniger Kundschaft gesorgt, hier hatte es ihm einen regelrechten Boom verschafft.
"Na dann leiste ich dir Gesellschaft", beschloss Sirius leichtherzig. Remus drückte unter dem Tisch seine Hand. Klar, Sirius saß nicht im Haus fest, aber wann immer er draußen war, musste er ein Hund sein. Ein echtes Weihnachtsshopping in der Winkelgasse war damit natürlich hin. Um adäquate Geschenke für Harry, Jerry und Jules (und wie Remus annahm auch Mary und ihn selbst) zu besorgen, hatte er sich von Minerva auf dem letzten Wochenendtrip, den sie mit den Kindern gemacht hatte, alle Kataloge mitbringen lassen, die sie finden konnte. Anschließend hatte er ausgiebigen Gebrauch vom Eulenversand gemacht und jetzt eine größere Menge Päckchen in seinen Schrank-zwei-Drittel.
"Wir könnten Mama eine Katze schenken!", schlug Jules vor. Mary schmunzelte.
"Ich glaube, sie hat schon eine Katze", wandte sie ein. "Außerdem sollte man keine Haustiere zu Weihnachten verschenken, sie sind kein Spielzeug."
Jules zog eine Schnute.
"Wie wäre es mit einer Stoffkatze?", versuchte er sich an einem Kompromiss.
"Eine getigerte, so wie sie!", schloss sich Harry seinem Bruder begeistert an.
"Ein Stofftiger!" Jules' Augen leuchteten. "Lebensgroß!"
Remus konnte von Sirius spüren, wie er ein Lachen unterdrückte.
"Bitte macht das", sagte er. "Und ladet sie hier her ein, ich will ihr Gesicht sehen, wenn sie es auspackt." Er lehnte sich mit einem seligen Lächeln auf seinem Stuhl zurück. Jerry schnaubte amüsiert.
"Wir sollten sie sowieso einladen", meinte er. "Können wir einfach eine große Weihnachtsfeier machen? Mit Mama und Edzia und den Rezas und Jacksons?"
Remus legte ihm bedauerlich eine Hand auf die Schulter.
"Das ist eine großartige Idee, und wir sollten Minerva auf jeden Fall einladen", sagte er, "aber wir verstecken immer noch einen Flüchtigen und ich bin eher dafür, dass wir mit Sirius feiern, statt dass er die ganze Zeit nur Tatze sein darf."
Sirius öffnete den Mund, zweifelsohne um einzuräumen, dass er auch Tatze sein könnte, wenn alle anderen lieber mit den Freunden feiern wollten, aber Remus hielt ihm die Hand vor den Mund. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, erklärte Jules schon:
"Ich will auch lieber mit Dad feiern!"
Unter seiner Hand konnte Remus Sirius' Grinsen spüren.
Im Wohnzimmer schlug die Uhr halb neun und Remus klopfte auf den Tisch.
"Na gut, wenn ich noch mit abräumen soll, dann müssen wir jetzt anfangen. Es sei denn natürlich, jemand anders möchte freiwillig den Abwasch übernehmen?" Er grinste in die Runde.
"Du könntest auch zaubern", schlug Jerry vor. Remus verdrehte die Augen.
"Ja, aber das wäre geschummelt."
Ich nenne dieses Kapitel "definitiv kein Füllerkapitel". Samstag: Zeit für Remus und Sirius, Besuch bei einem Freund, Sirius blüht auf und jemand macht eine Entdeckung :)
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