18
Am Ende war die Zerstörung des Horkruxes ziemlich unspektakulär. Remus war mit dabei, hauptsächlich weil er neugierig war, aber Regulus hatte die Situation bemerkenswert gut im Griff. Sein Dämonenfeuer war beängstigend, aber es herrschte kein Zweifel daran, dass er es vollkommen unter Kontrolle hatte. Und so war das Problem mit dem Horkrux abgehakt.
Es war ein seltsames, aber unglaublich gutes Gefühl, zu wissen, dass Voldemort sterblich war, wenn er das nächste Mal auftauchen würde und Remus musste ehrlich zugeben, dass er besser geschlafen hatte, die letzten Nächte.
Regulus wohnte inzwischen wieder am Grimmauldplatz, hatte es sich aber nicht nehmen lassen, im Laufe der Woche seit seiner Rückkehr immer wieder in den Ligusterweg zu apparieren und ihnen Gesellschaft zu leisten. Er war eine angenehme Präsenz, hatte ähnlichen Humor wie Sirius und verstand sich hervorragend mit Mary.
Zwischen ihm und Luke konnte Remus ehrlich nicht sagen, wer von beiden den anderen mehr vergötterte. Es hieß zwar "triff nie deine Helden", aber Luke war vielleicht die einzige Person auf der Welt, die ihrem Helden nicht nur begegnet war, sondern hinterher noch tausendmal begeisterter von ihm war als zuvor.
In den sechs gemeinsamen Tagen war Regulus dreimal zu Besuch gewesen. Viel Zeit verbrachte er immer noch damit, sich an diversen Stelle berichten zu lassen, was er alles verpasst hatte - und auch damit, sich all die Muggelutensilien erklären zu lassen, die im Haus verteilt waren. Aber Luke hatte ihn bereits zu einem ersten Star-Wars-Abend gezwungen, dann zu einem Star-Trek-Abend, weil Regulus mit wilden Kämpfen im All leider wenig anfangen konnte. Die Weltraum-Erkundungs-Serie hatte bei ihm mehr Erfolg gehabt.
"Warum denn nicht?", fragte er gerade mit einem breiten Grinsen, als Remus am Morgen des 14. Mai in die Küche kam. "Du würdest dich hervorragend als Lieutenant Uhura machen!"
Mary lachte, laut und ungehalten, wie sie es immer tat.
"Soweit kommt es noch", antwortete sie. "Der einzige Tag, an dem ich mich verkleide, ist Kinderfasching in der Schule und da wäre dieser Rock von ihr mehr als unangebracht."
"Du könntest ihn aber tragen." Regulus zwinkerte anzüglich, woraufhin Mary mit dem Geschirrtuch in ihrer Hand nach ihm schlug.
"Hey, hey!", unterbrach Sirius die beiden. "Keine häusliche Gewalt ohne mich!"
Remus musste lachen und verriet dadurch seine Ankunft. Die drei anderen drehten sich zu ihm um. Sofort drückte Mary ihm eine Tüte mit Zuckerguss in die Hand.
"Remus, perfektes Timing, dann kannst du noch Lukes Namen auf den Kuchen schreiben!"
Remus nahm ihr etwas zweifelnd die Dekoration ab und musterte den Kuchen, den sie gestern mit Edytas Hilfe gebacken hatten und auf dem mittig zwei große langgezogene Kleckse platziert waren.
"Wofür sind die Kuhfladen?", fragte er trocken. Mary machte noch einmal von ihrem Handtuch gebrauch.
"Das ist ganz eindeutig eine 11!", motzte sie. Remus' Grinsen wurde noch breiter.
"Sicherlich."
"Ist das Geburtstagskind schon wach?", fragte Sirius amüsiert, während Remus versuchte, die Torte zu retten.
"Was glaubst du denn?", fragte er leise. "Er ist dein Sohn, selbstverständlich steht er direkt hinter seiner Zimmertür und drängelt geradezu danach, endlich rauskommen zu dürfen. Ich wurde genötigt, euch mal ordentlich Druck zu machen." Er setzte die Tüte ab und begutachtete sein Meisterwerk. Mit ganz viel Fantasie konnte man Lukes Namen erkennen. Besser auf jeden Fall als die 11. Er zuckte mit den Schultern. Nein, künstlerisches Talent hatte wahrlich niemand in dieser Familie. Und welches fürs Backen auch nicht. "Ok, egal, machen wir die Kerzen drauf und erlösen ihn."
Mary und Regulus halfen ihm, elf kleine Kerzen auf dem Kuchen zu verteilen, ihn dann hinüber ins Wohnzimmer zu tragen und die Kerzen anzuzünden, während Sirius Luke bescheid gab, dass er jetzt kommen durfte. Wie eine Kanonenkugel schoss der frisch gebackene Elfjährige aus seinem Zimmer heraus, ein gigantisches Grinsen auf dem Gesicht, als die versammelte Familie ein sehr schräges Happy Birthday anstimmte (singen konnten sie alle auch nicht, aber egal).
Das Geburtstagsfrühstück fiel recht kurz aus, da es ein gewöhnlicher Freitag war und außer Regulus alle zur Arbeit beziehungsweise in die Schule mussten.
"Ich fühl mich richtig erwachsen!", prahlte Luke trotzdem, während er Schokoladenkuchen in sich hinein schaufelte. "Ich kann gar nicht erwarten, was dieses Jahr alles cool wird! Miss Loline hat erzählt, dass wir nach den Sommerferien Chemie haben! Das freu ich mich schon die ganze Zeit drauf! Und Hannah und ich können uns nochmal für das Schul-Fußballteam bewerben. Ja, letztes Jahr sind wir in der ersten Runde beim Vorspielen rausgeflogen und wir haben seitdem nicht wirklich trainiert, aber wir können es versuchen! Ich kann es gar nicht erwarten, bald in der siebten Klasse zu sein!"
Sirius, Regulus, Mary und Remus hielten alle vier überrascht inne. Das...waren nicht die freudigen Erwartungen, die sie von ihrem Sohn an seinem elften Geburtstag erwartet hatten. Sirius räusperte sich vorsichtig.
"Hey, ähm, Luke?", fragte er leise. Der Junge unterbrach seinen Redeschwall und sah ihn an. "Willst du gar nicht nach Hogwarts?"
Lukes Gesicht fiel ein wenig in sich zusammen und er sah ein bisschen unsicher zwischen den Erwachsenen hin und her.
"Äh...", machte er verunsichert. "Muss ich?"
Remus blinzelte überrascht. Sie hatten nie wirklich darüber geredet, dass Luke nach den Sommerferien nach Hogwarts gehen würde, weil das irgendwie immer eine ungeschriebene Sache gewesen war. Natürlich würde er nach Hogwarts gehen, wie jedes magische Kind.
Die kleine Pendeluhr an der Wand erlöste Luke aus seiner unangenehmen Situation, denn jetzt kam wieder ein wenig Eile auf. Mary stob ins Bad, Sirius ins Schlafzimmer, Regulus, mangels Alternativen, stellte das Geschirr zusammen und Remus hätte eigentlich Sirius folgen sollen und sich etwas richtiges anziehen sollen, um in einer halben Stunde den Laden zu öffnen, aber stattdessen folgte er Luke zu seinem Zimmer und klopfte an seine Tür.
Drinnen stopfte der kleine Junge gerade seine Schulbücher in seine Tasche.
"Alles ok?", fragte Remus leise. Luke zuckte mit den Schultern.
"Ich will nicht aufs Internat gehen", murmelte er leise. "Schottland ist so weit weg und ich kenne da niemanden und ich würde einfach lieber hier bleiben. Du kannst mich unterrichten! Das hat doch mit Jerry auch funktioniert!"
Remus nickte ein wenig und zog ihn in eine Umarmung. Er wollte keine falschen Versprechungen machen - denn im Gegensatz zu Jerry war es für Luke tatsächlich nicht machbar, von Remus unterrichtet zu werden, allein schon aus rechtlicher Sicht. Aber Remus wusste genau, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, das zu erwähnen.
"Das wird schon alles", beruhigte er ihn. "Wir finden eine Lösung, die für alle gut ist, ok? Und wir entscheiden ganz sicher nichts über deinen Kopf hinweg."
Luke nickte ein wenig erleichtert. Dann rief Mary aus dem Flur ungeduldig, dass sie losmussten, wenn sie pünktlich zur ersten Stunde da sein wollten und er beeilte sich, sich seine Jacke überzuziehen und ihr zum Auto zu folgen.
Remus sah ihnen von der Wohnungstür aus nachdenklich hinterher. Hinter sich hörte er Schritte und er wusste, dass es Sirius war, der neben ihn trat.
"Was machen wir, wenn er wirklich nicht nach Hogwarts gehen will?", fragte er besorgt. Remus drehte sich zu ihm um.
"Das wird schon", meinte er. Sirius schüttelte den Kopf.
"Nein, ich meine es ernst. Luke braucht eine Schulausbildung und die kann er nur in Hogwarts bekommen. Er hat keine Wahl. Du weißt, was aus Kindern wird, die nie lernen, ihre Magie zu kontrollieren!"
Remus schluckte.
"Natürlich weiß ich das", sagte er leise. "Aber ich bin mir auch ziemlich sicher, dass es am Ende seine eigene Entscheidung sein muss, sonst weigert er sich aus Trotz, sich darauf einzulassen und dann dauert es noch viel länger, bis er sich eingewöhnt hat." Er seufzte. "Warten wir erstmal ab. In ein paar Wochen kommt Harry nach Hause, vielleicht können wir ihm noch einen Stups geben, dass er Luke noch ein bisschen vorschwärmt, wie toll es in Hogwarts ist. Und dann gehen ja im Juli die Hogwartsbriefe raus, ich könnte mir gut vorstellen, dass sich Lukes Meinung noch ändern könnte, wenn er seinen in den Händen hält."
Sirius schwieg einen Moment, dann gab er nach.
"Wahrscheinlich hast du recht", räumte er ein. "Bis September ist noch viel Zeit, ihm den Gedanken schmackhaft zu machen." Er musterte Remus von der Seite. "Hattest du damals Bedenken? Nach Hogwarts zu gehen?"
Remus schüttelte den Kopf.
"Überhaupt nicht", erzählte er. "Es hat ewig gedauert, bis meine Eltern all die richtigen Leute überredet hatten, dass ich überhaupt gehen darf. Als ich endlich das offizielle Okay bekommen habe, war ich 100% bereit. Ich wollte unbedingt ein ganz normales Kind sein und zur Schule gehen und Dinge lernen." Er schmunzelte. "Du?"
Sirius lachte leise.
"Ich? Ich war froh, von meinen Eltern wegzukommen. Konnte es gar nicht erwarten, dass es endlich losgeht."
Remus biss sich auf die Lippen.
"Sieht so aus, als wäre keiner von und geeignet, mit Luke über seine Zweifel zu reden, was?"
Sirius verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
"Ich könnte mit ihm reden", sagte jemand hinter ihnen. Remus fuhr herum. Er hatte ehrlich gesagt vergessen, dass Regulus noch in der Wohnung war. Der lief ein wenig rot an. "Ich...ähm...ich meine, wenn das für euch ok ist. Ich will mich nicht aufdrängen oder so."
Remus verdrehte die Augen, schloss die Wohnungstür und klopfte ihm auf die Schulter, als er an ihm vorbei zurück in die Küche ging.
"Keine Sorge", sagte er beruhigend. "In die Erziehung dieses Kindes haben sich schon ganz andere Leute eingemischt."
Regulus hob interessiert die Augenbrauen und folgte Remus an den Küchentisch, Sirius dicht auf seinen Fersen.
"Luke nennt Professor McGonagall Mama", berichtete er. Regulus verschluckte sich an seiner eigenen Spucke. Als er fertig war mit Husten, sagte er:
"Aber das klingt doch nach keinem schlechten Argument, nach Hogwarts zu gehen, oder? Ich meine, wenn da eine Person ist, die er Mama nennt? Ich weiß, dass ich für eine vertraute Person damals viel gegeben hätte."
Sirius ließ sich auf einen der Küchenstühle plumpsen und angelte sich die Kaffeekanne.
"Hattest du Zweifel vor Hogwarts?", fragte er neugierig. Regulus nickte.
"Ich hab aus nichts anderem bestanden."
Sirius runzelte verwirrt die Stirn.
"Aber du kanntest doch recht viele Leute schon, oder?"
Regulus zuckte mit den Schultern.
"Ich hatte Angst, dass mir das gleiche passiert, wie dir", gab er zu. "Klar waren da viele andere reinblütige Kinder. Aber ich wusste, falls ich es nicht nach Slytherin schaffe, will keiner von denen mehr was mit mir zu tun haben und ich bin ganz alleine." Er zog ein wenig den Kopf ein. "Und ich war immer schlechter darin, Freundschaften zu schließen als du, also war mir auch klar, dass ich nicht sofort drei neue beste Freunde im Schlafsaal finden werde."
Remus sah, wie Sirius mitten in der Bewegung, sich Kaffee nachzuschenken, stockte. Regulus hob etwas hilflos die Schultern.
"Sorry", murmelte er. Sirius' Gesichtsausdruck wandelte sich von überrascht zu ein wenig verärgert.
"Warum entschuldigst du dich bei mir?", fragte er beinahe anklagend. "Ich wusste nicht einmal, dass meine dumme Entscheidung dich irgendwie negativ beeinflusst hat."
Regulus verzog das Gesicht.
"Naja, es war ja nicht deine Entscheidung...", murmelte er. Ihm war immer noch sichtlich unangenehm, dass sie so darüber sprachen. Sirius und Remus tauschten einen Blick.
"Natürlich war es meine Entscheidung", unterbrach Sirius ihn sofort. "Ich hab den Hut darum gebeten, nicht nach Slytherin eingeteilt zu werden, weil ich wusste, dass es die einzige Chance ist, Kontrolle darüber zu bekommen, wer ich bin."
Remus räusperte sich leise.
"Wenn du hundert Gryffindors fragst", erklärte er an Regulus gerichtet, "werden sie dir fast alle das Gleiche erzählen. Dass sie nach Gryffindor wollten oder den Hut gebeten haben, nicht in ein anderes Haus eingeteilt zu werden." Er lächelte ein wenig. "Ich glaube, das ist Teil der Herausforderung. Gryffindor sind die Mutigen. Und jeder ist mutig, der sich dafür entscheidet. Also musst du dich dafür entscheiden, mit dem Hut zu verhandeln." Es war nur eine Theorie seinerseits, die er mal aufgestellt hatte, nachdem er mit ein paar anderen Gryffindors darüber geredet hatte, wie die Einteilung für sie war. Im Folgenden hatte er zahlreiche Leute aus verschiedenen Häusern gefragt und ein klares Muster gefunden.
"Ich wäre nicht einmal auf die Idee gekommen, dem Hut reinzureden", erzählte Regulus. "Bis kurz vorher habe ich gebetet, dass es Slytherin wird, aber als ich dann da saß, wusste ich, dass es nicht in meiner Hand liegt." Er zögerte kurz. "Vielleicht hat auch ein kleiner Teil von mir gehofft, doch nach Gryffindor zu kommen und auch frei zu sein."
Kurz war es still, während sie alle das Wort "frei" in dirsem Kontext auf sich wirken ließen.
Dann hob Sirius ironisch seine Tasse wie zu einem Toast.
"Auf die großartige Erziehung unserer Eltern", sagte er, und seine Stimme triefte vor Sarkasmus. Regulus verdrehte die Augen, nahm ihm den Becher ab und trank ihn in einem Zug aus.
"Darauf, dass wir es geschafft haben, aus diesem elenden Kreislauf auszubrechen, du verdammter Pessimist", gab er zurück. Remus nahm einen Schluck aus seiner eigenen Tasse.
Darauf würde er wirklich trinken.
Ok, ok, bevor ihr mir Vorwürfe macht, dass ich mich dazu entschieden habe, Luke nicht nach Hogwarts gehen wollen zu lassen: ich KANN mir nicht vorstellen, dass jedes elfjährige Kind begeistert ist, von zu Hause weg zu gehen. Mit elf hätte mich nichts auf der Welt dazu bringen können, aufs Internat zu gehen. Luke darf hier mein kleines, verunsichertes, anhängliches Ich repräsentieren - und keine Sorge, ich habe einen Plan :)
Was die Gryffindor-Hut-Theorie angehtz die habe ich tatsächlich auf tumblr gesehen (aber fragt mich bitte nicht mehr, wo) und ich fand sie cool. Wenn ihr ihr nicht zustimmt, könnt ihr gerne davon ausgehen, dass Remus falsch liegt!
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