17
Es hatte nicht einmal eine Sekunde gedauert, nachdem Sirius diesen Satz gesagt hatte, da hatte er ihn schon bereut. Und Merlin, er hatte sich nie zuvor so sehr gewünscht, etwas zurücknehmen zu können, was er in seiner Wut gesagt hatte.
Es war immer schon Sirius' größte Schwäche gewesen, dass er Dinge sagte, die er nie hatte aussprechen wollen, wenn er wütend wurde. Er wusste nicht, wie viele Menschen er schon auf diese Weise verletzt hatte. Er wusste auch nicht, wie oft er schon Remus damit verletzt hatte.
Vielleicht, dachte er sich, war es einfach sein Fluch, dass er allen weh tat, die er liebte. Remus. Jules. James und Lily. Er schloss die Augen und versuchte, nicht an James und Lily zu denken.
Sein aktuelles Problem war Remus. Remus, der es nicht verdiente, dass Sirius ihm Vorwürfe machte. Er hatte sich neben dem Großziehen eines Kleinkindes die Zeit genommen, für Sirius zu kämpfen. Ein Kleinkind, mit dem Sirius ihn allein gelassen hatte. Wer zur Hölle war er, ihn dafür zu verurteilen, wie lange er neben dieser Herkulesaufgabe gebraucht hatte, ihn aus dem Gefängnis zu holen?
Sirius war gut darin, Menschen in seiner Wut weh zu tun. Aber er war nicht mehr fünfzehn. Er konnte die Konsequenzen für sein Handeln tragen. Er hatte sechs Jahre in Askaban verbüßt für sein fälschliches Vertrauen in Peter. Er konnte zu Remus gehen und um Entschuldigung bitten. (Und er konnte zu Mary gehen und sie fragen, ob sie noch einen Trank hatte, der die Wut und Traurigkeit und Hilflosigkeit in seinem Kopf ein bisschen weniger werden lassen konnte.)
Er stand auf und verließ den Raum. Zeit, Moony zu finden.
~~~~~
Moony zu finden, war leicht. Er hatte sich unten im Laden in seinem Büro eingeschlossen. Sirius klopfte vorsichtig gegen die Tür.
"Moony?"
Keine Reaktion.
"Remus?"
Nichts. Er wusste, er war dort, er hatte die Suche nach seinem Mann als Tatze in Angriff genommen, er hatte ihn riechen können. Aber Remus antwortete nicht und Sirius wusste nicht genau, wie er damit umgehen sollte. Es war erst ein einziges Mal vorgekommen, dass Remus nicht bereit gewesen war, mit ihm zu reden. Das war Ende des sechsten Schuljahres gewesen. Nach der Sache mit Snape.
Fünf Minuten stand er unsicher vor der Tür, klopfte noch ein paarmal, begann eine Entschuldigung, die er dann abbrach, weil sie sich falsch anfühlte, ohne Remus dabei in die Augen zu sehen.
Schließlich schnappte er sich einen herumliegenden Zettel und einen Stift.
Es tut mir leid. Ich hätte das nicht sagen dürfen. Ich weiß, dass du alles getan hast, was du konntest. Bitte rede mit mir.
Er überlegte kurz, dann strich er den letzten Satz wieder durch.
Ich bin oben, wenn du reden willst.
Er zögerte noch einmal. Dann ergänzte er noch:
Ich liebe dich.
Er schob den Zettel unter der Tür hindurch. Kurz horchte er, ob Remus ihn sofort aufheben und die Tür vielleicht doch öffnen würde, aber nichts geschah. Sirius seufzte und ging wieder nach oben, ließ sich im Wohnzimmer auf die Couch fallen. Die Küche war schon dunkel, Mary hatte sich nach dem Essen in ihr Zimmer entschuldigt, um ein Projekt für ihre Klasse vorzubereiten und auch Jerry war anscheinend schon nach oben gegangen. Sirius vergrub das Gesicht in den Händen.
"Bist du ok?"
Sirius blinzelte zwischen seinen Fingern hindurch. In der Tür zum Flur, von hinten beleuchtet durch das Licht von dort, stand Jerry. Er trug eine lockere Schlafanzughose mit kleinen Teddys drauf und einen halblangen blassrosa Morgenrock mit feiner Spitze. Sirius war sich ziemlich sicher, dass er irgendwann ein scherzhaftes Weihnachtsgeschenk von Marlene an Lily gewesen war, die sich geweigert hatte, ihn anzuziehen und ihn unauffällig an Mary weiter gegeben hatte. Jetzt hatte er anscheinend seinen Weg zu Jerry gefunden.
"Klar, alles prima", log Sirius und setzte sich auf. Jerry sah ihn ein wenig zweifelnd an.
"Ich bin siebzehn, nicht blöd", sagte er trocken, schaltete das Licht im Wohnzimmer ein und ging schnurstracks zur kleinen Kommode in der Ecke, öffnete die oberste Schublade und holte eine Packung Kekse heraus. "Und ich habe Werwolf-Ohren."
Sirius musterte ihn und sah etwas betreten zu Boden. Schlimm genug, dass er sich mit Remus gestritten hatte, jetzt hatte es auch dieser Teenager mitbekommen, den er kaum kannte.
Jerry ließ sich auf einen Sessel fallen, sah Sirius einen Augenblick an, dann schob er die geöffnete Kekspackung über den Couchtisch.
"Er und Mary haben dich echt krass vermisst", sagte er. "So sehr, dass wir dich auch vermisst haben, obwohl wir dich gar nicht kannten."
Sirius schwieg. Was sollte er dazu auch sagen?
"Er hat nie erzählt, wie ihr zusammengekommen seid." Jerry sah Sirius erwartungsvoll an. Der blinzelte überrascht. Wollte er jetzt diese Geschichte hören? Sirius zuckte mit den Schultern.
"Er hat mich geküsst", erzählte er leise und musste grinsen bei der Erinnerung. "Einfach so. Er wusste nicht, ob ich ihn mag. Oder ob ich Typen mag. Ok, er hätte sich das von meinen Queen- und Bowie-Postern erschließen können. Und meinem Verhalten. Und den Gerüchten, die es in Hogwarts gab. Aber wir hatten nie drüber geredet. Und dann hat er mich einfach so geküsst - mitten im Satz." Er schmunzelte. "Danach hat er sich natürlich sofort entschuldigt, sonst wäre er ja nicht Moony. Aber...irgendwie war ich ihm gar nicht böse."
Jerry nahm sich noch einen Keks, an dem er herumnibbelte.
"Klingt nach einer ganz schön kurzen Geschichte", sagte er ungläubig. Sirius lachte leise und richtete sich jetzt doch auf, um sich ebenfalls einen Keks zu nehmen. Schokolade. Natürlich, was auch sonst.
"Oh nein", wandte er ein. "Das war erst der Anfang. Weil dann hatte er vier Wochen seine Mag-ich-Jungs-Krise. Und als er fertig war, hatte ich vier Wochen meine Mag-ich-Jungs-Krise. Und dann hatten wir beide vier Wochen unsere Können-wir-unsere-Freundschaft-riskieren-Krise. Und als wir das endlich fertig hatten, wussten wir nicht, wie wir es unseren Freunden sagen sollen."
Jerry schmunzelte.
"Hat das auch wieder vier Wochen gedauert?", fragte er amüsiert. Sirius grinste.
"Nope", meinte er. "Hätte es vermutlich. Aber nach drei Tagen hat uns James in einer Besenkammer erwischt. Und lass mich dir eins sagen - James Potter wurde nicht dazu geboren, Geheimnisse für sich zu behalten, wenn es nicht um Leben und Tod ging." Er lachte leise bei der Erinnerung. "Ab da war es ein offenes Geheimnis. Zugegeben, Moons und ich haben auch nicht viel dafür getan, die Gerüchte zu bekämpfen. Und bei mir wussten wie gesagt eh schon vorher alle, in welche Richtung ich schlage. Ich glaube, die meisten waren nur überrascht, dass ich nicht James gedatet habe."
Jerry runzelte überrascht die Augenbrauen.
"Hat James nicht Lily geheiratet?", fragte er verwirrt. Sirius nickte.
"Ja, aber wir waren beste Freunde und ich war immer eine sehr...körperliche Person. Minnie hat sich im Orden dann immer über uns lustig gemacht, dass wir aneinander geklebt waren. Ich glaube, die halbe Schule dachte, James' Besessenheit mit Lily war eine Tarnung, um unsere Beziehung geheim zu halten, weil wir immer aufeinander saßen und uns umarmt haben uns so." Er blinzelte. "Jetzt ist es...anders."
Jerry hielt inne darin, an seinem Keks zu knabbern.
"Tut mir leid", sagte er.
Sirius sah überrascht hoch.
"Du hast ja nichts damit zu tun", sagte er. "Mir tut es leid. Ich wünschte, ich wäre noch die Person, die ich vorher war. Jetzt hab ich diese ganze...Wut und Traurigkeit und ich weiß nicht, wohin damit." Er wusste nicht so genau, warum er seinen plötzlichen Anflug von Ehrlichkeit auf einem Siebzehnjährigen ablud, aber Jerry nickte verständnisvoll. Dann sah er überrascht hoch und drehte sich zum Flur um. Sirius runzelte die Stirn. Es dauerte noch einen Moment, dann hörte er die Wohnungstür. Jerry musste es früher mitbekommen haben. Nach weiteren zwei Atemzügen stand Remus in der Tür.
Sirius stand auf.
"Remus, es tut mir leid", sagte er schnell. "Ich hätte dir niemals vorwerfen dürfen, dass du nicht genug getan hast. Überhaupt, es waren meine Fehler, die mich nach Askaban gebracht haben. Es war nie deine Verantwortung, mich wieder rauszuholen."
Remus sah ihn an, als wäre ihm dieser Gedanke noch nie gekommen. Und vielleicht war er das auch nicht. Um ehrlich zu sein, hatte Sirius selbst erst heute daran gedacht.
"Ist das, was du vorhin gesagt hast, wirklich, was du denkst?", fragte er dann leise. Sirius holte tief Luft.
"Ich hätte es niemals sagen dürfen", wiederholte er. Remus trat keinen Schritt näher.
"Aber du hast es gedacht?"
Sirius zögerte.
"Ja", sagte er dann. "Aber Remus, ich denke im Moment so viel, was nicht richtig ist. So viel, von dem ich weiß, dass es nicht stimmt und von dem ich weiß, dass ich es nicht denken sollte. Ja, der Gedanke ist in meinem Kopf, dass alles hätte anders sein können, wenn ich schon vor sechs Jahren frei gekommen wäre. Aber es ist nun einmal so, wie es ist." Er ballte seine Hand zu einer Faust. "Und ich hasse es. Und ich bin nicht ok. Aber ich kann es nicht ändern und es ist nicht in Ordnung, dir Vorwürfe zu machen."
Remus' Blick wurde etwas weicher und er trat einige Schritte näher, bis er Sirius' Hand drücken konnte.
"Es ist in Ordnung", sagte er ruhig. "Niemand erwartet, dass du ok bist. Du brauchst Hilfe und ich hasse es, dass du sie im Augenblick nicht bekommen kannst, weil dein Bild in allen Zeitungen ist. Aber wir tun, was wir können, ok?"
Sirius schluckte. Er wollte nicht weinen. Nicht schon wieder. Vor allem nicht vor Jerry, der immer noch auf dem Sessel saß und sie beobachtete. Er entschloss sich, dass es ihm für einen kurzen Moment egal war und er zog Remus in eine Umarmung.
"Ich will nicht so sein", murmelte er in seine Schulter. "Ich will nicht...ich will keine Leute anfahren, ich will nicht die ganze Zeit wütend oder traurig sein." Er holte ein wenig zittrig Luft. "Ich will niemand sein, vor dem deine Kinder Angst haben."
Remus zog ihn noch ein wenig fester an sich. Kurz verharrten sie so, dann räusperte sich Jerry leise und sie schraken auseinander, beide mit roten Gesichtern.
"Jerry", sagte Remus mit etwas höherer Stimme als gewöhnlich. "Was machst du hier?"
Jerry grinste und hielt seinen Keks in die Höhe.
"Snacken", erklärte er. "Und mich in eure Ehe einmischen. Bereut ihr es schon, einen Teenager zu haben?"
Remus und Sirius tauschten einen überraschten Blick. Sirius blinzelte überrascht, als Remus leise seufzte, sber sich ein kleines Lächeln auf sein Gesicht schlich. Jerry wirkte davon ausgesprochen zufrieden und auch Sirius atmete erleichtert auf, auch wenn er nicht wusste, was Jerrys Unterbrechung für ihre Aussprache bedeutete.
"Bleibt ihr noch hier?", fragte der Teenager. "Wir könnten UNO spielen. Oder Sirius erzählt mir mehr von dem Motorrad, was ich auf einem der Fotos von Mary gesehen habe."
Sirius sah unsicher zu Remus. Wollte er noch weiter über vorhin reden? Oder war es für ihn in Ordnung, zu leichteren Themen über zu gehen? Remus schien ebenfalls kurz zu zögern, dann suchten seine Augen Sirius' und sie wurden sich mit einem Nicken einig - das Wichtigste war gesagt, alles andere würde sich später finden.
Remus schmunzelte, holte die UNO-Karten unter dem Tisch hervor und begann, zu mischen.
"Na los, Tatze", scherzte er und ließ sich auf dem Sofa nieder, nicht ohne einladend neben sich zu klopfen. "Erzähl ihm von Minerva 2."
Jerry lehnte sich interessiert nach vorne.
"Minerva 2?", wiederholte er amüsiert. Sirius grinste.
"Unerschütterlich, hat mich in genauso viele unangenehme Situationen gebracht, wie aus welchen rausgeholt und du willst dich wirklich nicht mit ihr anlegen", zählte er auf, während er sich wieder aufs Sofa fallen ließ. "Ich fand es passend."
Remus schmunzelte.
"Was ist aus ihr eigentlich geworden?", fragte er neugierig, während er Karten austeilte. "Sie war nicht im Hauptquartier und nicht bei unserer Wohnung. Hast du sie irgendwo gelassen oder hat Mary recht und Dung hat sie verhökert?"
Sirius nahm seine Karten auf und sortierte sie farblich.
"Ich hab sie Hagrid gegeben", berichtete er. "Damit er Harry in Sicherheit bringen kann."
Remus hielt inne und setzte einen dramatisch-schockierten Gesichtsausdruck auf.
"Du hast Hagrid unser Baby gegeben?", fragte er gespielt entsetzt. Sirius trat ihm gegen das Schienbein.
"Es ist ok, Moony", beruhigte er ihn, "du musst nicht so tun, als mochtest du sie besonders." Remus atmete sichtlich erleichtert auf und kehrte zurück zu seinem schelmischen Grinsen. "Aber ich liebe dich dafür, dass du unser Baby gesagt hast."
Remus gestikulierte zu Jerry, dass er anfangen sollte. Er legte grün, Sirius schloss sich ihm an.
"Außerdem", sagte er dann, "was glaubst du, ist das erste, was ich tue, wenn ich rehabilitiert werde?"
Remus musterte ihn unbeeindruckt und wechselte die Farbe zu blau.
"Offiziell Jules adoptieren?", schlug er trocken vor. Sirius hielt inne.
"...ok", gab er zu. "Was glaubst du ist das zweite...nein, warte, dann sagst du Harry." Er zögerte, zog eine Karte, weil Jerry zu gelb gewechselt hatte und er gelb nicht besaß. "Was glaubst du ist das dritte..." Er zögerte noch einmal, seine Augen huschten zu Jerry. "Halt, musst du auch noch adoptiert werden?"
Jerry grinste.
"Es ist ok", sagte er amüsiert. "Ich kann warten, bis du dein Motorrad zurückhast. Wenn ich dann mal fahren darf."
Sirius sah Remus triumphierend an, der wortlos eine 4-Ziehen-Karte auf den Ablagestapel legte.
"Weißt du was?", meinte er dann in Jerrys Richtung, "allein für diese Einstellung werde ich dich doch adoptieren."
Jerry lachte leise und Sirius konnte sehen, dass auch Remus schmunzelte. Jerry schaute kritisch auf seine Karten.
"Ok", sagte er dann, "wie schlimm muss ein Verrat sein, dass ich Minerva-2-Privilegien wieder verliere?"
Sirius blinzelte überrascht.
"Was?"
"Naja," Jerry zog eine Karte aus seiner Hand, "sagen wir ich hätte eine zweite +4-Karte..."
Entschuldigt, dass das Kapitel wieder so spät kommt, ich habe gerade noch einmal eine halbe Stunde daran gebastelt, weil mir der plötzliche Stimmungsumschwung zu plötzlich kam. So richtig glücklich bin ich immer noch nicht, aber I guess jetzt muss es so gehen.
Ich habe allerdings eine gute Nachricht, nämlich dass die Haupt-schlechte-Stimmung-Phase vorbei ist und es jetzt bergauf geht. Ich hoffe also, ihr seid bereit für jede Menge Family Fluff :D
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