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Minerva McGonagall machte sich hervorragend als Muggel. Amelia Bones schon weniger und Augusta Longbottom hatte auf ganzer Linie versagt.
Zum Glück schienen die Rezas und Jacksons akzeptiert zu haben, dass Remus und Mary merkwürdige Freunde hatten und es nicht wirklich zu hinterfragen. Augustas Hut (heute mit einem riesigen geklöppelten Schmetterling darauf) hatte bei den anwesenden Kindern helle Begeisterung ausgelöst.
Harrys Einzug war eine Woche her und Remus und Mary hatten beschlossen, eine kleine Feier zu veranstalten. Neben ihren Nachbarn hatten sie auch Minerva eingeladen und sie gebeten, ob sie nicht ihr "Team" mitbringen könnte, was das alles möglich gemacht hatte. Minerva hatte berichtet, dass es einiges an Überzeugung gekostet hatte, aber sie waren gekommen.
Das Wetter war für Anfang Oktober überraschend warm und Remus vermutete, dass Minerva jemanden in der Wetterabteilung bestochen hatte (oder es war der Klimawandel, das konnte natürlich auch sein). Mit einer Jacke konnte man problemlos im Garten sitzen und da die Personenzahl unmöglich in die Wohnung gepasst hätte, war das auch gerade gut.
Quinn und Taneesha hatten sich sofort zu Grillmeistern erklärt, was Remus erleichterte, der davon auch nach fünf Jahren als Familienvater noch nicht wirklich Ahnung hatte. Jules und Harry rannten energiegeladen durch die Gegend, die kleine Gruppe ergänzt durch Hannah Jackson, Neville und Amelias Nichte Susan, die im gleichen Alter war wie Harry.
Triv und Jerry saßen auf der breiten Fensterbank zum Buchladen und lackierten sich gegenseitig die Fingernägel, während Trivs ein Jahr jüngere Schwester Jhalak sich bei ihnen über irgendwelche Lehrer beschwerte ("Du kannst einfach mit uns Schule machen", schlug Jerry grinsend vor, "ich bin sicher, Remus boxt dich auch noch mit durch!").
"Ich kann nicht glauben, dass du wirklich das Sorgerecht bekommen hast!", sagte Anne begeistert, zum wiederholten Mal.
"Hat ja auch lange genug gedauert", brummte Mary und biss von einer Möhre ab, die sie sich von einem herumstehenden Snackteller geklaut hatte.
"Alles Dank Minerva und Amelia", meinte Remus und warf den beiden Frauen ein dankbares Lächeln zu, die nur die Augen verdrehten.
"Was genau machen Sie beruflich, Mrs Bones?", fragte Nimit neugierig. Er war der sechste, der an diesem Ende des langen Gartentisches saß und sich unterhielt (der siebte, wenn man Lottie auf Annes Schoß mitzählte). Am anderen hatten sich Augusta und Edyta gefunden, die sich zu Remus' Überraschung hervorragend verstanden und längst in Details über die Vor- und Nachteile von Stricken gegenüber Häkeln abgerutscht waren.
"In der Regierung", formulierte Amelia ihre Tätigkeit so muggeldiplomatisch wie möglich. "Eigentlich juristisch, wenn man so möchte, im Strafrecht. Aber man hat natürlich immer Kontakte, die in solchen Situationen helfen." Sie lächelte ein wenig. Remus konnte Minerva schmunzeln sehen.
"Ich kann es immer noch nicht glauben, dass Petunia euch den Jungen einfach überlassen hat", meinte Anne. "Sie mag dich nicht einmal, man sollte meinen, dass sie mehr Protest erhebt, wenn es um ihren Neffen geht."
Remus zuckte mit den Schultern.
"Sie mag mich vor allem deshalb nicht, weil ich mit Lily befreundet war", sagte er. "Und sie weiß seit Jahren, dass ich ihn eigentlich damals schon zu mir nehmen wollte. Ich glaube, insgeheim hat sie darauf gewartet, ihn endlich los zu sein." Er rümpfte die Nase als er an die Dursleys dachte. "Ganz ehrlich, wenn wir hier nicht so feste Wurzeln hätten mittlerweile, würde ich so schnell es geht wegziehen, einfach nur, damit Harry diese Leute nie wieder sehen muss."
Mary brummte zustimmend. Nimit nickte.
"Petunia Dursley ist eine garstige Frau", sagte er. "Aber Vernon ist noch viel schlimmer. Letztens musste ich mit ihm zusammenarbeiten, weil seine Firma die Bohrmaschinen gestellt hat, die wir auf der Baustelle benutzt haben." Er schüttelte sich. "So ein unfreundlicher Mann."
"Das Kind kann einem eigentlich leid tun", meinte Anne leise. "Dudley, meine ich. Gott weiß, ich kann den Jungen nicht ausstehen, aber wer weiß, vielleicht wäre er ja gar kein so schlechter Kerl, würden die beiden nicht alles tun, ihn zum Ebenbild von Vernon zu erziehen."
Remus dachte darüber kurz nach. Ja, irgendwo hatte Anne recht. Er hoffte sehr, Dudley würde irgendwann ein besseres Vorbild finden.
Vom Grill aus wurden Stimmen laut, als die Truppe Fünf- bis Siebenjähriger, angeführt von Jules ihn unter Beschuss nahm, wann endlich die Würstchen fertig würden.
"Eine ganz schöne kleine Befehlshaberin habt ihr da", meinte Nimit schmunzelnd.
"Befehlshaber", korrigierte Remus. "Jules hat uns kürzlich mitgeteilt, dass er gerne als Junge angesprochen werden möchte."
Anne und Nimit sahen überrascht zur Horde Kinder hinüber, die Quinn und Taneesha versuchten, unter Kontrolle zu bringen.
"Ist das...etwas was man so früh schon so genau wissen kann?", fragte Anne misstrauisch. "Sie ist fünf."
Remus zuckte mit den Schultern.
"Er sieht es im Moment so, aktuell ist es für ihn wichtig", sagte er. "Wenn sich in einem Jahr herausstellt, dass es doch eine Phase war, dann gehen wir zurück zu sie und niemandem hat es weh getan, oder?"
Nimit und Anne wirkten noch nicht ganz überzeugt.
"Hat...er...auch einen neuen Namen?", fragte Nimit dann. Mary schüttelte den Kopf.
"Wir sagen im Augenblick einfach Jules, das ist für ihn in Ordnung", erklärte sie. "Es wäre wirklich schön, wenn ihr versuchen würdet, das auch zu machen."
Die beiden nickten.
"Ich werde mir alle Mühe geben", sagte Anne, "aber bitte dreht mir keinen Strick draus, wenn ich es mal vergesse. Sie...er sieht sehr...aus wie ein Mädchen."
Remus musterte Jules, der immer noch am Grill mit Taneesha feilschte.
"Jerry sieht auch aus wie ein Junge", sagte er dann. "Ändert aber nichts daran, dass er keiner ist und es verdient hat, dass man das an ihm respektiert."
Mary nickte zustimmend und jetzt drehten sich Annes und Nimits (und auch Minervas und Amelias) Köpfe zu den Jugendlichen auf der anderen Seite.
"Aber vielleicht ist es ja doch nur eine Phase?", fragte Nimit dann vorsichtig.
"Mein Ehemann war auch keine Phase", sagte Remus, bevor er es wirklich durchdacht hatte. Alle fünf sahen ihn überrascht an, genau wie Edyta und Augusta und auch Jerry, der offenbar bei seinem Namen angefangen hatte, mit halbem Ohr zuzuhören. Remus lief rot an. "Ich...äh...ich meine..."
"Essen ist fertig!", rief Taneesha vom Grill aus, gefolgt von großem Gejohle der jüngeren Kinder. Remus atmete erleichtert auf. Nochmal Glück gehabt. Er sprang auf und ließ die anderen zurück. Hinter sich hörte er noch Mary sagen:
"Kommt, Leute, er ist ein lediger Mann Ende zwanzig, der Cardigans trägt, einen Buchladen führt, zweimal in der Woche freiwillig im Krankenhaus auf der AIDS-Station aushilft und ohne mit der Wimper zu zucken akzeptiert hat, dass zwei seiner Kinder trans sind - was habt ihr erwartet?"
Remus machte sich eine gedankliche Notiz, sie später einmal fest in den Arm zu nehmen, aber für den Moment beschränkte er sich darauf, dafür zu sorgen, dass Jules in seinem Eifer nicht den Grill anfasste.
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Grillgut unter diversen Menschen mit verschiedenen Vorlieben aufzuteilen, war eine größere Herausforderung als Remus gedacht hatte. Als die Kinder schließlich versorgt waren, tauchten Jerry, Jhalak und Triv auf und fragten, was noch übrig war (von dieser Grillrunde nicht viel), aber schließlich waren alle bedient, das größte Chaos hatte sich gelegt und Remus einen Teller mit Essen und schaute sich um, wo noch ein Platz frei war.
Mary stand neben ihm am Grill und klaute sich noch ein Stück Paprika, dann deutete sie auf das Fenster, in dem vorher die Nagellack-Aktion stattgefunden hatte und in dem jetzt Amelia saß, das Geschehen beobachtete und an einem Zigarillo zog.
"Das ist deine Chance", wisperte sie und stupste Remus in ihre Richtung. Er schluckte, dann ging er entschlossen auf sie zu. Er wollte nicht zugeben, dass sein Vorhaben einer der wichtigsten Gründe gewesen war, weshalb er diese Feier vorgeschlagen hatte, aber hätte man ihn gefragt, hätte er vermutlich auch nicht gelogen.
"Madam Bones", grüßte er sie höflich. Sie sah ihn misstrauisch an.
"Ich lese Ihre Briefe übrigens", sagte sie. "Nur, falls sie sich das gefragt haben."
Remus setzte sich neben sie und pikste mit der Gabel in ein Grillwürstchen.
"Das hatte ich tatsächlich." Er wartete einen Moment. "Madam Bones, waren Sie mal verheiratet?"
Sie schüttelte den Kopf. Wenn ihr Blick für den Bruchteil einer Sekunde zu Minerva hinüberhuschte, würde Remus niemandem je etwas davon verraten.
"Nein, Mr Lupin", sagte sie. "War ich nicht."
Remus holte tief Luft.
"Nun, ich schon", sagte er. "Er ist Jules' Vater, wussten Sie das? Sein biologischer, meine ich."
Amelia hob die Augenbrauen.
"Das wusste ich nicht", sagte sie. Ihr Gesicht war nach wie vor ein perfektes Poker Face.
"Ich verstehe bis heute nicht, was ihn dazu bewegt haben könnte, unsere Freunde zu verraten", erklärte Remus leise. "Es ergibt für mich keinen Sinn. Und ich konnte ihn nie danach fragen." Er sah sie flehend an. "Mary hält mich für verrückt, dass ich Sie überhaupt darum bitte. Aber ich konnte es nicht nicht versuchen." Er drehte sich noch ein Stück zu ihr. "Bitte, ich will Ihre Akte nicht noch einmal neu öffnen. Wenn er wirklich schuldig ist, dann bin ich bereit, das zu akzeptieren."
Er wusste nicht, ob es die Wahrheit war. Würde er jemals bereit sein, zu akzeptieren, dass Sirius ein Spion war? Selbst wenn er es ihm direkt ins Gesicht sagen würde?
"Lassen Sie mich einmal mit ihm reden", flehte er. "Bitte, Madam Bones, ich akzeptiere alle Bedingungen, die Sie möchten. Ich nehme zehn Minuten unter Aufsicht von fünf Auroren direkt in seiner Zelle in Askaban, wenn Sie wollen, aber bitte lassen Sie mich ein einziges Mal mit ihm sprechen. Geben Sie mir die Chance, zu verstehen, was damals passiert ist."
Sie sah Remus nicht direkt in die Augen, aber ein Hauch ihrer Neutralität schwand.
"Mr Lupin, der Fall ist seit sechs Jahren abgeschlossen", sagte sie. "Ich kann nicht..."
Er biss die Zähne auf einander und seine Hände verkrampften sich um den Teller auf seinem Schoß.
"Sie haben gerade einem Werwolf das Sorgerecht für den Jungen, der lebt, gegeben", sagte er. "Sagen Sie nicht, dass Sie es nicht können." Sein Blick wurde wieder weicher. "Bitte, Madam Bones, zehn Minuten, unter Aufsicht. Meinetwegen sogar Ihrer persönlichen. Bitte sagen Sie ja."
Sie zögerte und alles zog sich in Remus zusammen. Dann seufzte sie tief.
"Sie lassen mich danach auf ewig damit in Ruhe?", fragte sie. Remus nickte. "Ich bekomme nicht mehr alle drei Monate einen Brief von Ihnen?" Remus schüttelte den Kopf.
Sie seufzte noch einmal.
"Einverstanden", gab sie dann nach. "Zehn Minuten."
~ ENDE VON TEIL DREI ~
Eigentlich hatte ich die ganze Geschichte geschrieben für das zusätzliche Drama im dritten Teil. Remus ist Lehrer, Harry ist dritte Klasse, Sirius' und Remus' Tochter in der ersten (ohne dass sie weiß, wer ihr anderer/biologischer Vater ist) und Sirius bricht aus Askaban aus. Aber well, dann habe ich angefangen zu schreiben und plötzlich war das Kind fünf, ein Junge und ich konnte es nicht übers Herz bringen, Remus aufgeben zu lassen und noch weniger, dass Sirius elf Jahre des Lebens seines Sohnes verpasst. Also habe ich es geändert. Wie auch immer, canon compliance hat sich hiermit auf jeden Fall endgültig verabschiedet.
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