12
Remus wusste sehr genau, dass Sirius das, was er gesagt hatte, nicht so gemeint hatte. Aber verdammt, das sorgte nicht dafür, dass es weniger weh tat.
Sicher war Kreacher kein Mensch. Aber Remus eben auch nicht. Und diesen Vergleich so zu ziehen, setzte Sirius' Worte in einen Kontext, der auf Remus' Zunge sehr bitter schmeckte.
Es passierte nicht oft, dass er und Sirius sich stritten. Sich richtig stritten, nicht einfach Diskussionen, was es zum Abendessen geben sollte oder wer noch einmal aufstehen und die Haustür abschließen musste. Aber es passierte eben. Und er wollte nicht sagen, dass Sirius meistens schuld war, aber seine teils aufbrausende Persönlichkeit trug nun einmal nicht dazu bei, dass Auseinandersetzungen friedlich blieben.
Grundsätzlich mochte er es an Sirius, dass er mit seinen Emotionen für gewöhnlich nicht hinterm Berg hielt. Dass er sagte, was er dachte, auch wenn es unbequem war und dass man an seinem Gesicht immer ablesen konnte, was er dachte. Alles, was Sirius tat, tat er mit Leidenschaft, ohne Zurückhaltung. Er lachte ungehalten, er liebte kompromisslos und wenn er stritt, dann tat er das auf die gleiche Weise - mit einem Mund, der einfach das sagte, was er dachte, ohne es noch einmal zu filtern, ob dabei jemand zu schaden kam.
Mit sechzehn hatte Remus die naive Vorstellung gehabt, das an ihm ändern zu können. Aber wie so viele Menschen vor ihm und zweifelsohne genauso viele nach ihm, hatte er nach einer Weile auf die harte Tour gelernt, dass Sirius sich nicht von ihm ändern lassen würde. Und das war natürlich auch in Ordnung. Aber manchmal wünschte Remus, sein Mann hätte ein wenig mehr Motivation, sich in dieser Hinsicht selbst zu ändern.
Es war unglaublich kräftezehrend, wenn Versuche, eine Meinungsverschiedenheit rational zu diskutieren, mit emotionalen Ausbrüchen abgeblockt wurden.
Und natürlich wusste er, dass es vermutlich nicht lange dauern würde, bis Sirius selbst einsah, dass er im Eifer des Gefechts mal wieder Dinge gesagt hatte, die er nicht hatte sagen wollen oder sollen. Er würde zu Remus kommen und sich entschuldigen. Er würde es ernst meinen und egal wie wütend und enttäuscht und erschöpft Remus jetzt gerade war, natürlich würde er ihm verzeihen.
Aber er würde sich wünschen, dass sie diesen Schritt einmal umgehen könnten. Dass sie einmal gleich sachlich reden können würden. War das wirklich ein Ding der Unmöglichkeit?
"Du wirkst schlechter gelaunt als sonst", grüßte Yuna ihn, als sie kurz vor drei den Buchladen betrat. Remus schüttelte nur etwas hilflos den Kopf.
"Stress mit...Dingen", meinte er ausweichend. Sie lächelte verständnisvoll, während sie ihre Jacke und ihre Tasche ins Hinterzimmer brachte und sich dann im Laden umsah.
"Na, hier ist ja viel los", kommentierte sie die gähnende Leere zwischen den Regalen. Remus schmunzelte.
"Vermutlich genießen es alle, dass es endlich warm wird", stellte er eine Theorie auf. Yuna grinste und hielt ihre Hände hoch.
"Ohh ja!", sagte sie begeistert, "mir sind zum ersten Mal auf dem Fahrrad nicht die Hände abgefroren!" Sie wackelte mit ihren Fingern. "Nyoko wollte mir eigentlich Handschuhe stricken, aber das Versprechen ist natürlich seit November nicht eingelöst worden. Nutzloseste Schwester überhaupt!"
Remus lächelte ein wenig.
"Da ich keine Schwester habe, kann ich das nicht beurteilen."
Yuna zuckte mit den Schultern.
"Du hast Mary", meinte sie, "sie ist quasi deine Schwester."
Remus dachte einen Moment darüber nach.
"Du hast nicht unrecht", räumte er dann ein. "Wobei ich sie immer am ehesten als eine Art...Ehefrau gesehen habe. Ohne den romantischen Teil, natürlich. Aber...wir wohnen zusammen, wir führen unser Leben zusammen und sie ist in jeder Hinsicht, die zählt, die Mutter meiner Kinder." Er zögerte und sah zu ihr hinüber. "Ich weiß, dass das wenig Sinn ergibt, weil ich Sirius habe, der ja die gleichen Kriterien erfüllt. Aber keine Ahnung, in meinem Kopf passt das alles irgendwie."
Yuna schmunzelte.
"Wenn es für euch funktioniert, ohne dass es Streit gibt, ist es doch super."
Remus lachte etwas freudlos.
"Ich glaube, ich habe mich mit Mary in der gesamten Zeit unserer Familie deutlich weniger gestritten als mit Sirius", gab er zu. "Und das, obwohl sie ganze fünf Jahre mehr hatte."
Yuna musterte ihn nachdenklich, bevor sie sich auf den Hocker hinter dem Verkaufstisch sinken ließ.
"Bist du deswegen so schlecht drauf?", fragte sie mit schräg gelegtem Kopf. "Hast du Streit mit Sirius?"
Remus sah sie für einen Moment an, dann winkte er ab.
"Das renkt sich schon wieder ein", meinte er. "Es ist nichts, was ich jetzt auf dir abladen möchte."
Sie kniff die Augen zusammen, als versuchte sie abzuschätzen, was er dachte.
"Ich meine, wenn du mit mir nicht drüber reden willst, ist das vollkommen in Ordnung", erklärte sie dann leichthin. "Aber wenn du eine neutrale Meinung brauchen könntest, würde ich mich auf jeden Fall nicht als Therapeut ausgenutzt fühlen." Sie grinste, stand wieder auf und klopfte ihm auf die Schulter. "Und bis dahin sortiere ich mal die Kisten mit Neuerscheinungen, die ich hinten gesehen habe."
Remus sah ihr etwas nachdenklich hinterher, als sie in dem Raum verschwand, der schon sein Arbeitszimmer und Lukes Spielzimmer gewesen war und jetzt hauptsächlich als Lager für den Laden diente.
Die Entscheidung, ob er ihr Angebot annehmen wollte oder nicht, wurde ihm abgenommen, als sich die Tür öffnete und eine kleine Familie hereinkam, die sich sofort über den gesamten Laden verstreuten.
~~~~~
Der Nachmittag verging in einem Wirbel aus Kunden bedienen, Bücher sortieren und Papierkram erledigen und es wurde achtzehn Uhr, bevor Remus wirklich realisiert hatte, dass er vorbei war.
Er schloss die Tür ab, Yuna ging, nicht ohne ihn ein letztes Mal nachdenklich zu mustern und er überlegte kurz, hoch zu gehen, aber dann entschied er, doch noch weiter durch die Rechnungen zu wühlen, die er über Monate aufgeschoben hatte.
Gerade hatte er sich im Hinterzimmer wieder in die Ordner gewälzt, als jemand an den Türrahmen der offenstehenden Tür klopfte. Er sah auf. Es war natürlich Sirius.
"Ich war bei Quinn", sagte er. "Hab mich entschuldigt. Und meine Schicht nachgeholt."
Remus nickte nur stumm. Sirius schwieg einen Moment.
"Ich hätte das nicht sagen sollen", erklärte er dann. "Es war weder fair, noch hat es irgendeine reale Basis." Er schluckte. "Ich habe kein Problem mit Kreacher, weil er ein Hauself ist. Und rein rational weiß ich, dass du recht hast und ich ihn besser behandeln sollte." Er zuckte etwas hilflos mit den Schultern. "Alles in mir ist durcheinander, gerade", murmelte er dann. "Das Haus, Kreacher, Regulus - ich dachte, ich hab mit alledem abgeschlossen. Ich wusste immer, dass ich damit nicht fertig geworden bin, aber ich dachte, es ist nicht so schlimm, weil es eh alles in der Vergangenheit ist." Er holte tief Luft. "Und ich weiß, dass es keine Entschuldigung ist. Aber ich habe im Augenblick das Gefühl, dass ich mich gerade so über Wasser halten kann und ich weiß nicht, wie ich in der aktuellen Situation besser sein kann und es tut mir ehrlich leid, dass ihr da alle mit reingezogen werdet."
Remus seufzte leise, dann stand er auf, trat an ihn heran und nahm beide Hände in seine.
"Sirius", sagte er ruhig, bedacht, aber trotzdem deutlich. "Wir werden immer mit reingezogen. Du kannst das nicht verhindern. Und du musst das auch nicht verhindern, weil wir uns da ganz bewusst für entschieden haben. Aber zieh uns doch bitte von Anfang an mit rein. Friss es nicht immer in dich rein, dass es dir nicht gut geht, bis du so tief drin steckst, dass es aus dir rausbricht." Er seufzte tief und lehnte seine Stirn gegen Sirius'. "Ich kann das nicht mehr. Können wir nicht irgendwie eine Lösung finden, bei der wir nicht jedes Mal am Ende beide verletzt sind?"
Sirius' Finger fuhren sanft über seinen Handrücken.
"Ich wünschte, ich wäre mehr wie du", murmelte er leise. "Du hast immer die volle Kontrolle über dich. Du vergisst nicht, zu essen oder zu schlafen oder zu arbeiten. Du wirst nicht laut."
Remus verdrehte die Augen.
"Du musst nicht sein, wie ich", sagte er. "Ich bin ich genug für uns beide. Aber wir sind verheiratet, verdammt. Wir sind ein Team. Warum sagst du mir nicht, wenn es dir nicht gut geht?"
Sirius seufzte.
"Weil du immer so rational bist", gestand er leise. "Und ich in den Momenten, wenn es mir nicht gut geht, oft einfach nicht rational sein kann. Und dann passiert das, was vorhin passiert ist. Und es tut mir leid und ich will mich nicht für das, was ich gesagt habe, aus der Verantwortung ziehen. Aber ich konnte in dem Moment einfach nicht schnell genug verarbeiten, was in mir vorgegangen ist. Es war zu viel auf einmal."
Remus blinzelte irritiert. Er konnte nicht wirklich nachvollziehen, was Sirius meinte. Ihm selbst half es in so ziemlich jeder Situation, wieder rational auf das Ganze zu schauen. Ihm war ehrlich gesagt nie der Gedanke gekommen, dass das von Sirius' Seite nichts mit wollen zu tun haben könnte - sondern mit können.
"Ok", sagte er leise. "Geht es dir jetzt wieder besser?"
Sirius nickte.
Für einen Moment schwiegen sie beide.
"Kannst du mir nächstes Mal sagen, wenn du gerade nicht diskutieren kannst?", fragte Remus dann. "Dann weiß ich bescheid und dann reden wir später."
Sirius kniff skeptisch die Augen zusammen.
"Ich glaube nicht, dass Diskussionen so funktionieren", meinte er kritisch. "Einfach auf Stopp zu drücken und es auf später zu schieben." Remus lehnte sich ein Stück von ihm weg, um ihn betrachten zu können.
"Sirius, wie du und ich am besten Diskussionen führen, ist doch wohl unsere Sache, oder?", fragte er. "Ich bin ehrlich, ich habe keine Ahnung, ob es funktioniert. Aber es kann ja wohl kaum mehr in die Hose gehen als dieses Desaster von vorhin, oder?"
Sirius musterte ihn nachdenklich, dann nickte er.
"Versuchen wir es." Er lachte leise in sich hinein. "Das muss diese Kommunikation sein, von der immer alle sagen, wie wichtig sie in Beziehungen ist."
Remus verdrehte die Augen.
"Ich bin überrascht, dass unsere Ehe so lange halten konnte, wenn dir das jetzt erst auffällt", sagte er trocken. Sirius schmunzelte. Dann holte er tief Luft.
"Ok, wollen wir die Diskussion von vorhin jetzt noch einmal rational führen?", schlug er vor. "Weil ich konstruktive Kritik an deinen Argumenten hätte."
Remus stöhnte auf und er lehnte sich rückwärts gegen den Schreibtisch und verschränkte die Arme.
"Oh, Mann, jetzt geht's los..."
Es tut mir leid, dass das Kapitel so spät kommt!!! Ich bin aufgewacht zu einer überfluteten Küche, ironischer Weise am Tag meiner Hydraulik-Prüfung und habe über all dem Trubel ehrlich gesagt vergessen, dass heute Update-Tag ist. Danke für die Erinnerung, MoonyLuxyLight, die ich gerade nicht taggen kann, weil das in drei Versuchen jedes Mal mein Wattpad hat abstürzen lassen. Fühl dich getaggt xD
An alle, fühlt euch absolut frei, mich mit Nachrichten zu bombardieren, wenn ich an Update-Tagen nach neun noch nichts gepostet habe. Die Chancen stehen gut, dass ich es einfach vergessen habe und eine Erinnerung gut brauchen kann!
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