54. Cassiopeia
Mir ging es elend. Mit zitternden Händen griff ich nach meinem Handy und wählte Melodys Nummer. Schneller als gedacht war sie sofort dran. Als hätte sie gespürt, dass etwas war, fragte sie mich, ob alles bei mir in Ordnung wäre.
"Ich weiß es nicht! Mir ist schlecht und ich musste mich schon oft übergeben!
Erst dachte ich, ich hätte etwas Schlechtes gegessen, aber jetzt? Kannst du vorbeikommen?
Damian ist die ganze Zeit mit Leon zugange! Ich fühle mich so alleine!": sagte ich und hoffte auf eine positive Antwort.
Sie stimmte zu und wollte sich gleich auf den Weg machen. Ich schleppte mich in die Küche und machte mir einen Tee. Ich wollte nichts essen, denn ich hatte das Gefühl, es würde eh gleich wieder herauskommen. Eine Stunde später stand Melody vor der Tür und kam mit einer Tüte aus der Apotheke und einer sehr angespannten Miene rein.
Sie packte mich am Arm und zog mich mit ins Bad.
"Was ist los?" "Was schaust du so seltsam und was ist in der Tüte?": fragte ich sie und sie zog etwas heraus. Sie drückte es mir in die Hand und nickte zur Toilette.
Als ich auf das Päckchen in meiner Hand starrte, schüttelte ich mechanisch den Kopf. Das konnte nicht wahr sein. Es durfte nicht wahr sein.
In der Hand hielt ich einen Schwangerschaftstest.
Ich sah Melody panisch an.
"Meinst du wirklich?": fragte ich sie mit hoher Stimme und hoffte, dass ich sie missverstanden hatte.
"Cassy Schatz! Ich bin mir fast sicher! Dir ist dauernd schlecht und du bist müde! Was anderes fällt mir gerade nicht ein! Mach den Test, dann sehen wir weiter!": versuchte sie mich aufzumuntern.
Ich nickte und begann, die Folie aufzumachen, was mir aber nicht gelang. Melody nahm es mir aus der Hand und fummelte die Folie ab. Dann sah ich ihr zu, wie sie die Kartonage öffnete und den Test herauszog. Sie gab ihn mir und lächelte leicht.
Ich seufzte und ging zur Toilette. Seit gefühlten Stunden sahen wir auf den Test. Keiner von uns traute sich zu blinzeln oder woanders hinzuschauen.
Bis das Ergebnis feststand.
SCHWANGER
Ich konnte es nicht glauben und schüttelte den Kopf.
"Nein! Nicht jetzt! Ich bin doch viel zu jung! Wir hatten doch verhütet! Ich verstehe das nicht! Was mache ich denn jetzt?": fragte ich Melody weinerlich.
Melody nahm mich in den Arm und drückte mich fest an ihren Körper.
"Hey! Wir schaffen das! Du gehst jetzt erst nochmal zum Frauenarzt und lässt es dir bestätigen und dann sehen wir weiter!": hörte ich sie sagen. Ich fühlte mich wie in Watte. Alles klang dumpf. Langsam ging ich zu unserem Bett und legte mich darauf.
Ein Kind. Wie sollte ich ein Kind groß ziehen?
Ich spürte, wie die Matratze neben mir einsank und Melody sich neben mich legte. Vorsichtig nahm sie meine Hand und hielt sie fest.
"Hey! Wir schaffen das! Du bist nicht alleine! Du hast mich und das Rudel!
Außerdem ist Damian auch noch da! Er ist immerhin der Vater der Welpen!": sagte sie und ich schlug die Hände vors Gesicht.
"Damian! Ihm muss ich es auch noch sagen! "Was mache ich, wenn er es nicht will?": jammerte ich und schon liefen die Tränen. Ich fühlte mich so alleine mit der großen Verantwortung.
Melody rutschte näher und nahm mich in den Arm. Sie wusste, dass sie momentan nichts sagen oder machen konnte und schwieg. Das ganze Geheule und die schlaflosen Nächte machten sich bemerkbar und somit schlief ich ein. Ich wachte später irgendwann auf und sah mich um. Melody lag neben mir und tippte auf ihrem Handy herum.
"Hey!": sagte ich leise und sie lächelte mich an.
"Ich habe für morgen Früh einen Termin bei meiner Ärztin gemacht! Sie gehört nicht zum Rudel, arbeitet aber mit unserem zusammen! Ich geh' mit dir hin, wenn du willst!": sagte sie und ich war ihr so dankbar. Ich lächelte und kuschelte mich an sie. Leicht streichelte ich meinen Bauch und stellte mir vor, wie er kugelrund aussehen würde. Da kam mir mein Traum wieder ins Gedächtnis.
War es ein Zeichen gewesen?
Der Tag verging schnell und ich wartete gespannt auf den nächsten Morgen. Wir hatten in Melodys altem Zimmer geschlafen, viel gequatscht und im Netz nach Babysachen gesucht. Es war erstaunlich, was es alles gab.
Der Morgen kam schneller als gedacht. Ich sprang unter die Dusche, um mich schnell wieder anzuziehen, um mit Melody das Haus zu verlassen. Ich wollte niemandem begegnen und gefragt werden, wohin wir wollten. Ich wäre mit Sicherheit, in Tränen ausgebrochen.
Somit saßen wir wenig später im Wartezimmer und ich war nervlich am Ende.
Gerade als ich aufstehen und gehen wollte, fiel mein Name.
Melody nahm mich an die Hand und zog mich mit ins Behandlungszimmer und drückte mich auf den Stuhl, der vor dem Schreibtisch stand.
Als die Ärztin kam, stand ich auf. Ich konnte nicht mehr und war mit meinen Nerven am Ende. Zielstrebig lief ich zur Tür.
"Cas! Bleib sofort stehen!": sagte Melody sauer. Sofort drehte ich mich um und sah sie wütend an.
"Du hast mir gar nichts zu sagen! Wenn ich gehen will, dann gehe ich! Ich halte das nicht mehr aus!
"Ich muss an die frische Luft, sonst ersticke ich!", sagte ich nach Luft schnappend. Ich spürte, wie es mir schwindelig wurde und krallte mich an der Tür fest.
Ich konnte nur noch entfernt Stimmen hören und dann ließ mich einfach fallen.
Als ich die Augen öffnete, lag ich auf einer Couch. Melody saß mir gegenüber und blätterte in einer Zeitschrift, bis sie mich bemerkte und aufsprang.
"Cassy! Es tut mir leid! Ich hatte dir viel zu viel Druck gemacht! Bitte verzeih mir! Es war meine Schuld, dass du eine Panikattacke hattest!" :schluchzte sie und drückte sich an mich.
In diesem Moment ging die Tür auf und die Ärztin kam rein.
"Melody! Es ist nicht deine Schuld! Du warst nur das I-Tüpfelchen dazu!": sagte sie und lächelte mich an.
"Also Cassy! Ich habe dir Blut abgenommen, um zu sehen, ob dir noch etwas anderes fehlt außer der eventuellen Schwangerschaft! Da du umgekippt warst, konnte ich sie dir ohne dein Einverständnis nehmen! Ich kann auf jeden Fall bestätigen, dass du schwanger bist!": erklärte sie und ich sank seufzend auf die
Couch zurück.
"Zudem brauchst du mehr Vitamine und Folsäure, da schreibe ich dir was auf!": sagte sie und begann ein Rezept auszustellen.
"Was ist, wenn ich das alles gar nicht will?"
"Es ist immerhin mein Körper und mein Leben!": sagte ich mit fester Stimme. Melody sah mich entsetzt an, aber die Ärztin lächelte mich nur an und lehnte sich in ihrem Sessel zurück.
"Cassy!": begann Melody. Doch die Ärztin ging dazwischen.
"Melody! Würdest du bitte draußen warten!": sagte sie, doch sie bewegte sich keinen Zentimeter.
"Melody! Das war keine Frage! Raus jetzt!": sagte sie bestimmend und Melody verschwand geknickt. Sah aber nochmal zu mir, bevor sie die Tür schloss. Doch ihren Blick konnte ich nicht deuten.
"Cassiopeia! Ich kann mir vorstellen, wie du dich fühlst! Du bist nicht die erste junge Frau, die erfährt, dass sie schwanger ist! Du hast Angst und das kann ich voll und ganz nachvollziehen! Du musst nichts überstürzen! Es bleibt deine Entscheidung, aber du solltest mit jemanden reden! Vielleicht auch mit dem Vater! Du musst das nicht alleine durchstehen! Du hast Freundinnen und das ganze Rudel hinter dir!"sagte sie und drückte meine Hand.
Mir kamen die Tränen und ich wollte nur noch alleine sein.
"Ich will jetzt gehen!": sagte ich und stand auf.
Ich erwartete, dass sie mir noch einen Vortrag hielt, doch sie nickte nur Verständnisvoll zu.
"Geh erst mal nach Hause und ruhe dich aus! Wenn du willst, kannst du jederzeit zu mir kommen oder mich auch anrufen!": sagte sie und gab mir eine Visitenkarte und lächelte mir nochmals zu. Ich ging zur Tür raus und blieb auf dem Parkplatz stehen. Tief atmete ich die Luft ein, denn ich hatte das Gefühl, gleich wieder zu ersticken.
"Du willst wirklich abtreiben?"
"Hat Damian nicht ein Mitspracherecht?": fragte Melody von der Seite und ich sah sie wütend an. Meine Augen wechselten die Farbe und ich musste mich unter Kontrolle halten, um mich nicht zu verwandeln.
"Es ist mein Körper und mein Leben! Ihr müsst den Welpen ja nicht austragen und gebären! Aber gut zu wissen, auf welcher Seite du stehst, Melody und ich dachte, wir sind Freundinnen, aber dir scheint Damian wichtiger zu sein als ich.
Klar ihr seit beide Wölfe, aber was mit mir ist, ist euch total egal! Na los, sag es ihm doch! Sobald er hier auftaucht, bin ich hier weg!": brüllte ich und ballte die Fäuste.
"Du kannst nicht immer weglaufen, wenn es schwierig wird!": entgegnete sie und das war es für mich vorbei.
Ich drehte mich um und ging einfach weg. Ich hatte keine Lust mehr auf sie und wollte sie weit von mir weg haben. Anscheinend kam ihr es, was sie gerade gesagt hatte, denn sie rannte mir nach.
"Cassy! Ich habe das nicht so gemeint! Es tut mir leid! Aber es geht um das Rudel! Du weißt, wie wir Wölfe sind!": versuchte sie sich zu erklären. Ich blieb kurz stehen und sah sie giftig an.
"Genau das ist das Problem! Ich bin keine Gebärmaschine, dass euer Rudel auffrischt!": sagte ich und ging wieder weiter.
"Das sagt doch keiner!": rief sie mir hinterher.
"Doch! Genauso kam es bei mir an und jetzt lass mich in Ruhe! Ich suche mir jemand anderen zum Reden!"
Ich lief in den Wald. Dort begann ich zu rennen und rannte immer weiter. Bis ich nicht mehr konnte und mich ins Gras warf. Ich ließ meinen Tränen freien Lauf. Ich schluchzte und fing an zu schreien. Letztendlich stand ich auf und schlug auf den Baum ein. Ich schlug so fest ich konnte, bis mich jemand von ihm weg zog.
Meine Hände zitterten und erst jetzt bemerkte ich den Schmerz. Blut tropfte auf das Gras und versickerte im Boden.
Ich sank mit der Person zu Boden, die mich beruhigend hin und her wiegte. Solange, bis ich mich wieder beruhigte.
"Es tut mir leid! Es tut mir so wahnsinnig leid!": flüsterte die Person und ich schmiegte mich in die Arme, die mich hielten.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro