Kapitel 11 - Kerumi
"Du willst schon gehen, Kerumi? Dabei hat der Spaß noch gar nicht begonnen." Der herausfordernde Ton, welcher in seiner Stimme mitschwingt, ist nicht zu überhören. Langsam hebe ich den Kopf und sehe ihm in die Augen.
"Als ob ich es nötig hätte, vor dir zu flüchten, Hiao." Ich mag ihn nicht besonders. Allerdings weiß ich, dass dies auf Gegenseitigkeit beruht, auch wenn er so tut, als wäre er mein allerbester Freund.
Seine Miene verfinstert sich. Er versucht gar nicht erst zu verbergen, dass er mich am liebsten töten würde. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass er mich für irgendeinen Zweck braucht, weshalb er mich nicht töten wird.
Von einer Sekunde auf die nächste steht er plötzlich vor mir. Bevor ich überhaupt reagieren kann, hat er mir schon seine Faust in den Magen gerammt und weiße Flammen züngeln über meine Kleidung.
Ich keuche auf und krümme mich vor Schmerzen. Seine Magie macht mir in dem Moment keine Angst, kurz darauf lösen sich seine Flammen auch schon wieder auf. Danach knie ich auf dem Boden und atme unregelmäßig, meine Lunge kann gerade nicht mehr als einen Fingerhut Luft aufnehmen.
"Ich mag es nicht besonders, wenn man mich beleidigt, Kerumi. Ich weiß, dass du mich nicht magst, aber ich brauche deine Hilfe. Wenn du mir hilfst, und du deine Arbeit gut ausführst, dann kann ich dir alles geben, was auch immer du willst."
Seine Stimme ist schön. Das kann ich über ihn sagen. Man hört, dass er ein Mann ist, eine gewisse Tiefe in seiner Stimme bestätigt dies. Nichtsdestotrotz ist seine Stimme auch nicht zu tief.
"Wofür brauchst du meine Hilfe? Soll ich deine Schuhe putzen?" Ich will nicht für ihn arbeiten, egal was er mir dafür anbietet.
"Sehr witzig. Nein, ich hatte an etwas Aufregenderes gedacht. Durch einen blöden Zufall ist einer meiner Insassen ... abhanden gekommen. In ihm schlummert großes Potential, auch wenn er selbst dies noch nicht weiß. Aus diesem Grund ist er besonders gefährlich. Ich könnte ihn zwar besiegen, allerdings will ich meine Magie nicht jedem dahergelaufenen Staran zeigen. Möglicherweise weiß er sogar schon, was ich alles kann, dann könnte er sich einen Plan gegn mich ausdenken.
Du, du bist jedoch ein unbeschriebenes Blatt für ihn. Ich weiß dass du sehr stark bist, eventuell könntest du sogar zehn Minuten gegen mich durchhalten. Aus diesem Grund würde ich dir gerne diesen Häftling überlassen. Wenn ich so darüber nachdenke, was du in letzter Zeit so gemacht hast, dann kommen ein Haufen Tote in Erinnerung. Ich denke, keiner von ihnen ist wirklich einernsthaftes Problem gewesen. Deshalb glaube ich, dass dich ein Kampf mit einem Staran, der seit 13 Jahren nicht verloren hat, interessieren könnte."
Ich horche auf. Mir ist kein Fall bekannt, bei dem ein Staran 13 Jahre überlebt. Ich muss zugeben, dass dies interessant klingt. Vielleicht überlege ich es mit noch einmal. Allerdings birgt so ein Kampf auch ein ziemliches Risiko, weshalb ich eher wieder in Richtung ablehnen gehe.
"Ich weiß, dass ein gewisses Risiko nicht verleugnet werden kann. Nichtsdestotrotz werde ich dir auch helfen, du kannst also davon ausgehen, dass dir nicht all zu viel zustoßen wird." Es wirkt, als hätte er meine Gedanken gelesen. Missmutig betrachte ich ihn.
Sein selbstzufriedener Ausdruck macht mich nervös. Auch die Tatsache, dass er etwas größer ist als ich, stimmt mich unzufrieden. Seine honigfarbenen Augen fixieren mich. Seine Hände hängen locker nach unten, allerdings merke ich, dass er jederzeit einen Angriff abwehren könnte.
"Hilfst du mir, oder nicht? Du weißt, ich werde mein Versprechen halten und dir alles besorgen, was innerhalb meiner Reichweite liegt."
Ich will immer noch nicht. Das Risiko ist mir zu groß. Ein Staran, der seit 13 Jahren im Gefängis gewesen und noch nie verloren hat, das ist sogar mir zu steil. Ich weiß jedoch, dass Hiao eine Widerrede nicht dulden wird.
"Ich schlage dir einen Deal vor, Hiao." Bevor ich weiß, was ich überhaupt tue, habe ich es scho gesagt. "Wenn ich zehn Minuten in einem Kampf gegen dich durchhalten kann, dann lässt du mich in Ruhe. Sollte ich nicht so lange durchhalten, werde ich den Job annehmen."
Sein selbstzufriedenes Lächeln ist verschwunden. Kritisch sieht er mich an. Schließlich antwortet er ruhig und todernst auf meine Frage.
"Du glaubst, nur weil ich das vorher so gesagt habe, dass du wirklich eine kleine Chance gegen mich hast? Na gut, aber ich sage dir was: es wäre besser, du würdest dich sofort auf den Weg machen, dann wärst du in besserer Form. Eins ist klar, du wirst diese Herausforderung auf keinen Fall gewinnen."
Schon hebt er seine Hände. Weiße Flammen züngeln um meine Füße. Nun spüre ich ihre Hitze, Hiao meint es ernst. Sogleich überziehen wieder Schuppen meine Hände. Blitzschnell springe ich aus den Flammen hervor und attackiere Hiao.
Bevor ich auch nur auf einen Meter an ihn herankomme, bildet sich plötzlich eine riesige Feuerfaust neben mir und ich werde durch deren Schlag zur Seite geschleudert. Nach kurzer Flugzeit knalle ich gegen eine Hauswand und ich werde von Bruchstücken begraben.
Schnell rapple ich mich wieder auf, dann klettere ich die Hauswand hoch. Ohne Druck sieht mir Hiao nach. Kurz bevor ich oben bin, geht plötzlich das ganze Haus in Flammen auf. Panisch lasse ich das Fensterbrett unter meinen Händen los und ich stürze in die Tiefe. Allerdings komme ich nicht am Boden auf, denn ich drücke meine Füße gegen die Wand, dann springe ich zur anderen Seite.
Hiao folgt mir mit seinem Blick und dann beschwört er eine Flammenklinge. Einen Augenblick später ist meine neue Kletterwand zweigeteilt, überdies brennt sie. Fluchend lasse ich auch diese Wand wieder los und ich komme letzendlich am Boden auf. Selbstverständlich stehe ich bei der Landung, das ist für ich so leicht wie Wasser trinken.
Eine drei Meter hohe Flammenwand kommt auf mich zu. Sie ist seitlich so lang, dass ich es nicht schaffen würde, wegzurennen. Hinter mir ist die Hauswand, mir bleibt also nur eipne Fluchtmöglichkeit. Kurzerhand springe ich über die Wand hinweg, auch wenn dabei meine Füße leicht angesengt werden.
Großer Fehler! Die Flammenwand wird knapp von einem zweiten Angriff gefolgt und nun bin ich in der Luft, ich kann also nirgendwohin. Hiao denkt vermutlich, dass er mich mit diesem tückischen Angriff fertig machen kann, doch ich lasse mich einfach in die Flammen fallen. Die Schuppen an meinem Körper sind feuerfest, ich bin der einzige, der es bisher gewusst hat.
Kurz darauf spüre ich die prickelnde Wärme, die Flammenwand zieht einfach über mich hinweg. Meine Kleider geben dabei zwar den Geist auf, allerdings geschieht ansonsten nichts. Danach gehe ich in eine Sprinterposition. Währenddessen kann ich kuzzeitig Masaos verwunderte Blicke spüren.
Im nächsten Moment sprinte ich auf ihn zu, meine rechte Hand spanne ich an und ich drehe sie. Durch die Drehbewegung und die Krallen am Ende meiner Fingern erzeuge ich einen menschlichen Bohrer. Mit dieser Technik könnt ich rein theoretisch jeden Felsen durchbohren. Sollte Hiao ausweichen, so würde ich ihm hinterherjagen, um ihn dann mit meiner anderen Hand auszuschalten. Mein Plan ist so gut, dass ich ungewollt grinsen muss.
Hiao hüllt seinen Körper in weiße Flammen. Es sieht aus, als würde seine Haut zu Feuer werden, seine Augen beginnen orange zu glühen. Als ich bei ihm ankomme, strahlt er eine enorme Hitze aus, weiters bleibt er bei meiner Attacke einfach stehen. Dies verunsichert mich etwas, sodass ich kurz meine Geschwindigkeit drossle. Diesen Moment nutzt jedoch Hiao. Blitzschnell schlägt er mir in den Nacken, wodurch ich einfach auf den Boden klatsche. Mir bleibt kurz die Lut weg.
Bevor ich mich wieder hochrappeln kann, schließt sich seine Hand um meine Kehle. "Du hast verloren, Kerumi.", haucht er mir ins Ohr. Dann spüre ich ein schnell stärker werdendes Brennen an meiner linken Seite des Halses.
Es zischt und der Geruch nach verbrennendem Fleisch erfüllt die Luft. Ein stechender Schmerz breitet sich von meinem Hals aus, ich versuche mich aus Hiaos Griff zu befreien, doch er ist zu stark. Nach wenigen Minuten ist es jedoch vorbei. Hiao lässt mich los und ich falle keuchend zu Boden.
Während ich versuche, zu Atem zu kommen, frage ich Hiao: "Wie lange habe ich durchgehalten?"
"Nicht lange genug."
Ich fahre mit meiner Hand zu meinem Hals und betaste ihn vorsichtig. An der linken seite meines Halses ist eine raue Oberfläche, doch allein mit den Fingern kann ich nichts erkennen. Obwohl ich eigentlich von nicht brennbaren Schuppen eingehüllt bin, so kann ich dennoch klar die verbrannte Stelle ertasten. Allerdings habe ich keine Ahnung, wie feuerfeste Schuppen brennen sollen.
"Das ist ein Feuermal. Damit kannst du meine Kraft jederzeit benutzen, wenn du sie brauchen solltest. Allerdings aktiviert es sich nur in Extremsituationen, oder ich aktiviere es für dich, wenn ich merke, du könntest Hilfe brauchen, du kannst es also nicht zum Spaß einsetzen. Weiters kann ich dadurch jederzeit zu dir kommen. Überdies kann ich ungefähr erkennnen, was du so treibst."
"Nun gut, ich mache wie versprochen deine Drecksarbeit. Wo hast du den Sträflig denn zuletzt gesehen?"
"Nun, er wurde am Gefängnisdach gesehen, dann ist er im Wald verschwunden. Dadurch haben wir seine Spur verloren. Allerdings haben ihn ein paar meiner Männer am Ausgang einer Höhle entdeckt. Ich weiß nicht wie viele von ihnen überlebt haben, doch dort ist ein Unbekannter zu ihm gestoßen, der ihm jetzt hilft. Der Häftling ist an der Schulter verletzt, also hätte er alleine nicht mehr lange überleben können. Wir können nur vermuten, warum er Hilfe bekommen hat, doch wir gehen davon aus, dass der Unbekannte ihn für Lösegeld zurückbringen möchte."
"Nicht gerade zuverlässige Informationen. Welche Kräfte hat dieser Staran? Was kann der anonyme Helfer?" Nachdenklich blicke ich Hiao an, mittlerweile habe ich mich von dem Schcok von vorhin erholt.
"Nun, der Flüchtige hat versteckte Kräfte, sie haben sich bisher noch kaum gezeigt. Er ist sehr akrobatisch und kann gut kämpfen, außerdem kann er in ernsten Situationen einen kühlen Kopf bewahren und ist generell ein kluger Kerl. Wir wissen, dass irgendwelche Kräfte in ihm schlummern, allerdings haben wir nicht die geringste Ahnung, was für eine Art von Kräften diese sein könnten.
Sein Unterstützer ist Neuland für uns, ein unbeschriebenes Blatt, über das noch keinerlei Informationen durchgesickert sind. Niemand scheint ihn zu kennen und keiner hat ihn schon einmal gesehen. Er ist einfach aufgetaucht und hilft aus uns unbekannten Gründen dem Sträfling."
Hiaos Stimme zeigt keinerlei Emotionen. Trotzdem ist seine Stimme nicht monoton, er kann seine Gefühle bloß sehr gut verbergen. Ich vermute jedoch, dass er ziemlich nervös ist, weil sein Beruf auf dem Spiel steht. Sollte der Flüchtige nicht gefasst werden, bevor es gewisse Personen erfahren, so könnte auch Hiaos Kopf rollen.
"Du brauchst keine Angst zu haben, ich werde den Flüchtigen bald erwischt haben. Dann melde ich mich sofort bei dir."
"Ich habe keine Angst, außerdem bekomme ich sowieso vieles mit, da ich dir ja ein Mal verpasst habe. Ich möchte dir übrigens noch etwas zeigen. Da deine SChuppen überraschenderweise feuerfest sind," ich werfe ihm einen schelmischen Blick zu, "passt diese Technik perfekt zu dir", vervollständigt er schließlich seinen Satz. "Bleib einfach ganz ruhig und erschrecke dich nicht, es sollte nicht wehtun..."
"Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass du ein Klasse Psychologe wärst? Deine stete positive Denkweise ist echt überzeugend." Mein Witz scheint ihn nicht zu beeindrucken. Stattdessen spiegelt sein Gesicht pure Konzentration wider.
Plötzlich spüre ich ein Brennen an der gleichen Stelle, wo soeben das Feuermal aufgetaucht ist. Zu Beginn züngeln nur kleine weiße Flammen daraus hervor, doch kurz darauf bedecken sie meinen ganzen Körper, ich fühle mich ungefähr so, wie Hiao zuvor ausgesehen hat, eingehüllt mit Flammen. Ich spüre, wie mich eine nie dagewesene Kraft durchflutet, als würde mein Blut durch Feuer ersetzt werden.
Dies ist also der Zweck der Markierung. Nun verstehe ich erst, was Hiao vorhin gemeint hat, als er mir seine Kraft als Unterstüzung angeboten hat. Auch wenn ich selbst Feuer nicht kontrollieren kann, weiß ich in diesem Moment der Stärke genau, was bei welcher bewegung passiert und wie ich den Flammen meinen Willen aufzwingen kann.
Erstaunt führe ich einige Aktionen aus, doch Hiao unterbricht mich jäh. Fasziniert blicke ich immer wieder an mir herunter. Ich weiß zwar, dass mir die Flammen rein theoretisch weh tun können, doch ich spüre auch, dass sie mir gehorchen. Weiters strahlen sie keine Unangenehme Hitze aus, sie wirken eher wie ein kontrolliertes Kaminfeuer im Winter, oder wie ein warmer frischer Kräutertee. Ein Gefühl der Glückseligkeit durchströmt mich, meine Gedanken sind sehr confus.
Schließlich höre ich am Rande meines Bewusstseins, die Flammen haben mich in eine Art Rauschzustand versetzt, dass Hiao mit mir redet. Ich versuche mich zu konzentrieren, dennoch kann ich nur Wortfetzen verstehen: "Dein Wille ... helfen, die Kraft ...dich an!"
Ich fokussiere mich stärker auf Hiaos Stimme, meine Neugier treibt mich an. Wer weiß, vielleicht hat er ja etwas Wichtiges zu mir gesagt. Je härter ich mich anstregne desto schärfer werden meine Sinne. Nach wenigen Augenblicken finde ich wieder zu mir. Ich bekomme wieder allles normal mit, weiters fühle ich mich auch wieder gesund.
"Gut gemacht. Du kannst es kontrollieren, allerdings musst du dich stark konzentrieren. Genauso, wie du das Feuer befehligen kannst, kann es dies bei dir ebenso.Mit der Zeit hast du den Bogen raus." Er sieht mich an, als wäre ich ein Schüler, der endlich einmal die erste Übung geschafft hat, dafür jedoch ewig gebraucht hat.
Bevor ich jedoch noch weitere Übungen versuchen kann, verschwinden die Flammen plötzlich. Wieder beginnt Hiao zu sprechen: "Solltest du den Flüchtigen wirklich finden, dann kannst du das Mal aktivieren und die Flammen werden mich rufen. Sie wissen genau, was sie tun müssen und du wirst den Befehl einfach ausführen, als hättest du das ein Jahr lang geübt, verstanden?"
Ich nicke. All die Information, welche ich bereits erhalten habe, werden schön langsam zu viel für meinen Kopf. Hiao merkt mir offenbar an, dass mein Gehrin erschöpft ist. Dennoch zeigt er keinerlei Mitgefühl, sondern sagt nur:
"Wenn soweit alles klar ist, dann werde ich mich mal zurückziehen." Nachdem er den Satz beendet hat, beginnt er zu brennen. Allerdings brennt er wirklich und nicht so wie vorher nur seine Haut. Die Flammen scheinen ihn wegzuradieren. Seine Arme verschwinden bereits, sein Körper bekommt ebenfalls schon Löcher.
Allerdings sehe ich kein Aschehäufchen, also wird ihm vermutlich nichts passieren. Kurz bevor er verschwindet, spricht er noch einmal mit mir:
"Ach ja, fast hätte ich es vergessen. Der Name des Flüchtigen lautet Joa."
Mit diesen Worten löst er sich zur Gänze auf und ich stehe alleine in der Gasse.
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