Türchen 5 Das perfekte Weihnachtsgeschenk
Für E.
Weil du nur das Beste auf dieser Welt verdienst.
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„Weihnachten hier, Weihnachten da, jaja, alles ganz wunderbar", grummelt die junge Dame vor dem Bildschirm ihres Arbeitscomputers missmutig.
Die Weihnachtszeit hat begonnen, selbst im Büro wurde bereits feierlich geschmückt. Überall wird davon geredet. Was es an den feierlichen Tagen zu essen gibt, welche Geschenke für den jeweiligen Partner und die Familien geplant sind und so weiter. Ob im Büro selbst, in der Küche oder gar auf dem Klo. Nirgendwo hört man mehr was anderes. Aber wann soll man bitte schön die Zeit dazu haben, sich um all diese Dingen zu kümmern. Geschweige denn sich Gedanken darum zu machen. Genau das fragt Emilie sich, die nicht mal ein Sekündchen Zeit dafür hat, an das bevorstehende Weihnachtsfest zu denken.
„Ach scheiße, meiner Mutter sollte ich ja auch noch Bescheid sagen, was sie zu essen machen soll", spricht sie genervt zu sich selbst.
Sie greift zu ihrem Handy und will die Nachricht an ihre Mutter tippen. Aber wofür hatte sie sich jetzt entschieden? War es der vegane Kartoffelsalat oder doch die Kartoffelklöße mit Sauce und veganen Rouladen? In dem Moment bimmelt das Bürotelefon mit seiner schrecklichen Melodie. Völlig genervt knallt Emilie das Smartphone auf die Tischplatte und hofft, dass ihr Bildschirm den Aufprall überlebt hat. Sonst kann sie sich von ihrem Freund statt der Bücher direkt ein neues Glas wünschen. Mit überspitzter Freundlichkeit nimmt sie das Gespräch entgegen, schnappt sich gleichzeitig Zettel und Stift, um sich Notizen zu machen. Es ist ein anstrengendes Gespräch, der Kunde am anderen Ende der Leitung stellt viele Fragen doppelt und Emilie reißen bald die Nerven. Aber sie atmet tief durch und geht auf jede Frage ein. Zum Schluss verabschiedet sich der Kunde mit den Worten „ein fröhliches Weihnachtsfest". Emilie möchte ihm den Telefonhörer an den Kopf werfen. Normalerweise liebt sie ja die Weihnachtszeit – besonders den Weihnachtsmarkt, weil es dort die süßesten gebrannten Mandeln und die besten Crêpes zu kaufen gibt. Aber im Moment könnte sie bei der geringsten Andeutung an Weihnachten schon schreien. Sie hat Stress, viel zu viel Stress. Sollte sie vielleicht einfach eine Hütte im tiefsten Schweden buchen, sich Hund und Katze schnappen und dorthin verschanzen? Eigentlich gar keine schlechte Idee.
Auf ihrem Arbeitsrechner öffnet sie einen neuen Browser und tippt in die Suchleiste Waldhütte Schweden ein. Sofort wird ihr eine Website vorgeschlagen. Das in diesem Moment erneut klingelnde Telefon ignoriert sie gekonnt. Auf der Seite ploppen die Angebote auf, eines teurer als das andere. Die aufkeimende Freude verblasst sofort wieder. Das kann sie sich auf keinen Fall leisten. Es wäre das perfekte Geschenk für sie selbst gewesen, sie hätte ihrer Mutter schreiben können, dass sie nicht da wären, und hätte so viel weniger Stress. Allerdings müsse sie vorher eine Bank ausrauben und das kommt definitiv nicht in Frage.
Seufzend lehnt sie sich im Drehstuhl zurück und greift nach ihrer erkalteten Kaffeetasse. Dass die Brühe darin schmeckt, wie bereits getrunken, passt perfekt zu diesem Tag. Trotzdem würgt sie das Zeug herunter und widmet sich wieder ihrer Arbeit. Vielleicht passiert ja doch noch ein Wunder.
Am selben Abend sitzt sie eingemummelt in ihrer flauschigen grünen Decke, die sie einst von Jonathan zum Geburtstag bekam. Neben ihr schlummert der kleine Hund selig vor sich hin, irgendwo hört man die Katze herumtapsen. Auf ihrem Schoß ruht zugeklappt der Laptop. Sie kann diesen Einfall mit dem Urlaub nicht aus dem Kopf schlagen. Sie hat alles x-Mal durchgerechnet. Aber da Schweden über die Feiertage ziemlich beliebt zu sein scheint und es auch relativ kurzfristig wäre, ist das einfach nicht drin. Letztlich muss sie sich geschlagen geben und stellt den Laptop auf dem kleinen Glastisch vor ihr ab. Sie schlurft in ihren Kuschelsocken in die Küche und setzt heißes Wasser auf. Aus dem Schrank angelt sie sich einen Teebeutel mit gebrannte Mandeln Geschmack und Zucker. Mit frischem Tee bewaffnet kehrt sie danach zurück ins Wohnzimmer und verkriecht sich wieder unter die Decke. Als sie gerade den Fernseher einschalten und auf Netflix ihre Serie raussuchen will, klingelt ihr Handy. Leicht genervt schaut sie auf das Display, hat sie denn nie Feierabend? Mama leuchtet auf dem Display. Sie beißt sich auf die Unterlippen, um ihren Frust zu verdecken und nimmt den Anruf entgegen. Auf in die Essensdebatte. Doch ihre Mutter merkt schnell, dass irgendwas nicht stimmt.
„Was ist los, Mäuschen?"
„Nichts weiter, ich bin nur im Stress", winkt Emilie ab.
Einige Sekunden ist es still, sie glaubt ihr nicht.
„Ich habe mir ein paar Gedanken gemacht. Wie wir in diesem Jahr Weihnachten. Du erinnerst dich doch an meine Freundin, die das kleine Haus an der dänischen Küste hat, oder? Wo wir vor zwei oder drei Jahren waren. Ich habe mich gefragt, ob wir nicht über die Festtage dorthin fahren und unser Weihnachten und Neujahr in Dänemark verbringen wollen? Du fandest es so schön da und ich merke doch, wie gestresst du in letzter Zeit bist."
Emilie starrt für einen Moment ins Leere, ihr steht der Mund offen. Kann ihre Mutter zufällig ihre Gedanken lesen? Das ist ja beinahe gruselig. Selbstverständlich stimmt Emilie dem Vorschlag zu.
„Dann gebe ich ihr Bescheid, dass wir fahren werden. Ich hatte nämlich heute schon alles mit ihr besprochen."
Sie könnte gerade vor Freude platzen. Das ist das perfekte Weihnachtsgeschenk und sie weiß nicht, wie sie sich dafür bei ihrer Mutter bedanken soll.
„Indem wir uns ein wunderschönes Weihnachtsfest machen. Und andere Geschenke gibt es natürlich auch noch."
„Danke, danke, danke!"
„Ach und noch was, Mäuschen. Lass uns doch morgen nach der Arbeit auf dem Weihnachtsmarkt treffen, ein Crêpe essen und alles weitere besprechen. Was sagst du dazu?"
Auch dazu sagt sie selbstverständlich nicht nein.
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