Türchen 17: Weihnachtsmarkt
Für A.
...weil du die tollste Autorenfreundin bist.
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Dichtes Gedränge zwischen den einzelnen Buden. Es ist teilweise kaum ein Durchkommen. Überall wollen die Leute Glühwein, Bratwurst und Co. Kaufen, sich unterhalten oder die Atmosphäre des Weihnachtsmarktes genießen. Irgendwo zwischen Buden und aufgestellten Tischen steht Anna, die sich immer wieder auf Zehenspitzen stellt oder auf ihr Handy starrt. Eigentlich war für hier ein Treffen geplant gewesen, doch ihre Verabredung ist bisher noch nicht aufgetaucht. Er ist schon fünfzehn Minuten zu spät und so langsam hat sie wirklich keine Lust mehr. Es ist kalt, es hat angefangen zu schneien und schon dreimal ist ihr irgendwer auf den Fuß gelatscht. Leider hat sie nichts dabei, um es der Person ins Gesicht zu werfen. Wieder schaut sie auf das Display ihres Smartphones, wo ihr nur ihr Sperrbildschirm entgegenleuchtet. Genervt verdreht sie die Augen und schiebt die Brille, die ihr hinuntergerutscht ist, zurück.
„Gleich geh ich nach Hause", murmelt sie wütend vor sich hin.
Selbst wenn sich bloß die Bahn verspätet hat oder ähnliches, kann man ja wenigstens mal anrufen. Aber so gar kein Zeichen von sich zu geben, findet Anna schon ziemlich frech. Kopfschüttelnd stellt sie sich ein letztes Mal auf die Zehenspitzen und versucht irgendwie, diese Massen zu überblicken. In der Hoffnung, dass er sie bloß übersieht. Kann ja mal passieren. Da leuchtet ihr Display auf, eine Nachricht von ihm. Schnell öffnet sie den Messenger und liest die Nachricht.
Sorry, hab doch was anderes vor. Vielleicht wann anders.
Und dieses „was anderes" ist vermutlich weiblich, schwarzhaarig und heißt Lena. Anna möchte ihr Handy am liebsten quer über den Markt pfeffern. Aber sie könnte sich jetzt kein Neues leisten. Dann kann sie ja jetzt auch gehen. Dabei hatte sie sich so sehr auf das Treffen gefreut.
„Dieser Vollarsch."
„Kein Kerl der Welt ist es wert, sich den Abend auf einem Weihnachtsmarkt versauen zu lassen."
Die unbekannte Stimme gehört zu einem Mädchen in ihrem Alter, welches plötzlich vor ihr steht. Sie hat braune lange Haare und trägt ebenfalls eine Brille. Anna hat diese Person noch nie zuvor gesehen.
„Ähm...?"
„Was? Ist doch so. Ich bin übrigens Vanni. Dein Name ist?", will die Unbekannte wissen und streckt ihr ihre Hand entgegen.
Zögerlich nimmt Anna diese.
„Anna."
„Cool. Nun, da du offenbar versetzt wurdest und meine Freunde mich auch im Stich gelassen haben, wie wärs, wenn wir diesen angefangenen Abend gemeinsam genießen?"
Anna blinzelt ein paar Mal. Eine völlig fremde Person fragt sie, ob sie zusammen auf dem Weihnachtsmarkt bleiben wollen. Nun, es ist besser als zu Hause in ihrem Zimmer zu sitzen und sich zu fragen, was Lena hat und sie nicht.
„Warum eigentlich nicht. Ich bin dabei."
Vanni grinst sie an und zieht sie an ihrem Handgelenk aus der Nische. Anna gibt einen überraschten Laut von sich. Sie hat keine Ahnung, wo Vanni jetzt hinwill. Sie wird durch die Menschen gezogen, stößt sich ständig an fremden Rücken, Ellbogen und Hüften. Vanni plappert irgendwas vor sich hin, aber Anna versteht kein Wort. Dafür sind die Geräusche und Gespräche des Weihnachtsmarktes zu laut. Plötzlich bleibt Vanni stehen und Anna prallt beinahe gegen sie.
„Eigentlich ist gesunde Ernährung ja sehr wichtig. Aber Schokolade macht glücklich, also essen wir jetzt Schokobananen. Ist ja schließlich gesundes Obst drin", beschließt Vanni und stellt sich an einer Süßigkeitenbude an.
„Hab ich nichts gegen", entgegnet Anna.
Schokolade klingt wirklich nach einer Idee. Vanni übernimmt das Bestellen und Anna kramt ihr Geld aus ihrer Tasche.
„Lass stecken, du bist hier die mit dem gebrochenen Herzen."
Überrascht lässt Anna ihr Portmonee wieder in die Tasche sinken und nimmt dankbar die Schokobanane entgegen. Sie schmeckt köstlich, Anna hatte schon länger keine mehr gehabt. Was sie wohl mit ihm hier gegessen hätte? Da spürt sie auf einmal einen Schlag gegen ihre Schulter.
„Denk nicht an ihn", grummelt Vanni mit vollem Mund.
Woher weiß sie das? Misstrauisch kaut Anna auf ihrer Banane. Sie weiß noch nicht so ganz, was sie von dem Mädchen da vor ihr halten soll. Eigentlich ist sie ja ganz nett. Aber etwas komisch. Anna versucht, sich nicht weiter Gedanken zu machen und isst auf. Vanni schaut sich immer wieder um, als würde sie sich direkt die nächste Idee überlegen. Zwischenzeitig fängt es leicht an zu schneien. Die Schneeflocken landen auf Annas Brille und nach kurzer Zeit muss sie sie abnehmen, um die Tröpfchen zu entfernen. Vive geht es da ähnlich.
„Wollen wir weiter?", fragt sie kurz darauf lächelnd.
„Und wohin?"
„Ich weiß, wo es hier den besten Glühwein gibt."
Bei einer wärmenden Tasse Glühwein unter einem Unterstand kommen die beiden jungen Frauen das erste Mal so richtig ins Gespräch. Vanni erzählt Anna davon, dass sie eigentlich mit Freundinnen verabredet gewesen war. Allerdings war eine krank geworden und die andere fand es langweilig, nur zu zweit auf den Weihnachtsmarkt zu gehen. Weil Vanni sich aber so gefreut hatte, war sie einfach allein losgezogen. In der Hoffnung, vielleicht jemanden von ihrer Ausbildungsstelle zu treffen. Als sie Anna allein dort stehen sah, völlig frustriert und halb erfroren, hat sie die Chance ergriffen, nicht mehr allein sein zu müssen.
„Wenn man erwachsener wird, haben die meisten Leute kaum mehr Zeit. Ich konnte keine Alternative finden. Aber dann hab ich dich getroffen." Vanni lächelt Anna an, auch sie muss lächeln.
„Du hast Recht. Soll ich dir was sagen? Irgendwie ist es so doch viel schöner, als so ein mehr oder weniger Date mit einem Typen, der nicht mal den Arsch in der Hose hat, um richtig abzusagen. Ich muss sagen, dass ich erst etwas überrumpelt war von dir. Aber du bist wirklich cool."
Vannis Lächeln wird breiter. Sie ist genauso froh, eine Begleitung gefunden zu haben. Auch wenn sie ein sehr offener Mensch ist, war es trotzdem ein komisches Gefühl, allein durch die Massen zu laufen.
„Hast du Lust auf Schlittschuhlaufen? Ich lade dich ein", schlägt Anna vor und deutet mit einem Nicken auf die gegenüberliegende Eisbahn. Von dort ist Weihnachtsmusik zu hören.
„Sehr gerne."
Sie leeren ihren Glühwein und machen sich auf zur Schlittschuhbahn. Beide lächelnd, vollkommen zufrieden und mit einer jeweiligen neuen Freundin.
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