Kapitel 34: Ein Licht in der Dunkelheit
Ich wusste nicht wie lange ich schon gefangen war. Wie sollte ich es auch wissen? Gefangen in der Dunkelheit, die nur von dem fahlen Licht der Fackel erhellt wurde, wenn jemand die vergitterte Tür aufstieß. Gefangen in einer Zelle die nach meinem Blut, meinem Schweiß und anderem Stank. Angekettet, an die Wand. Gehalten von den silberbeschichteten Ketten, die jede Bewegung, jeden Versuch sich zu befreien, zu einem Höllentrip machten, selbst wenn ich irgendwo die Kraft gefunden hätte, es zu versuchen. Doch nie ließ man mir viel Ruhe. Ich wusste nicht, ob man mich beobachtete, doch wann immer ich mit flatternden Augenlidern aus der Dunkelheit zurückkehrte, vergingen nur Herzschläge, ehe die wahnsinnigen Augen des Königs an dem Gitter auftauchten und die Schlüssel sich klackernd im Schloss drehten. Immer wenn ich erwachte begann die Tortur von vorn. Immer wieder rissen seine Krallen meine Wunden auf, gruben sich immer tiefer in mein Fleisch. Tief genug, dass man meine Knochen zwischen der zerfetzten Haut erkennen konnte. Mehr und mehr brach mein Wille. Ich verlor die Kraft anzukämpfen, mich gegen die Schreie die in meiner trockenen Kehle aufstiegen zu wehren. Verlor das Gefühl für meinen Körper. Spürte wie der Tod bereits lauernd über mir schwebte, sein eisiger Atem mein Nacken streichelte und wusste, dass es nicht mehr die Dunkelheit war, die mir Erlösung versprach, sondern der Sensenmann selbst, der mich lockte.
Ich war allein. Blut, klebte wie eine zweite Haut an mir. Bäche, manche versiegt und stumme Zeugen der Grausamkeit, die man mir hier unten zufügte. Andere frische, glänzende Bäche, die sich zwischen den versiegten Bächen hindurch schlängelten und auch den letzten Rest meiner Haut verschlangen. Mein Atem ging schwer, rasselnd. Das gurgelnde Röcheln eines Sterbenden. Mein Körper war Taub, sogar die verzerrenden Schmerzen waren kaum mehr als ein lückenhafter Nebel, der nur gelegentlich über mich streifte. Silber und Eisenhut hatten meine Nerven betäubt, meine Muskeln gelähmt. Ließen mich hier hängen, wie eine Puppe, deren Puppenspieler sein Werkzeug zurückgelassen hatte. Die Fäden nicht mehr sanft gezupft wurden und den Körper zucken und tanzen ließen. Mein Lykaner war fort. Gefangen irgendwo tief in mir. So weit, dass ich Rubian weder fühlen noch hören, mich seiner Kräfte nicht bedienen konnte. Gebannt durch die giftigen Substanzen, die früher oder später den Tod besiegeln würden. Ohne ihn, konnte ich meine Qualen nicht teilen. Ohne ihn, würden meine Wunden nicht schnell genug heilen.
Doch ihn traf keine Schuld an unserer, nein, meiner Situation. Er hatte mich gewarnt, als hätte er die Zukunft sehen können. Das unausweichliche Schicksal, was uns einholen würde, wenn wir hierher zurückkehren würden. Hier, in die Lande, wo vor so vielen Jahren alles seinen Anfang genommen hatte. Wo der Kreislauf von Schmerzen, Blut und Tod einst seinen Anfang genommen hatte - in der Nacht der großen Jagd. Dem verschlingenden Feuer, was alles verbrannt hatte, was es sich hatte greifen können. Er hatte mich gewarnt und tief in mir hatte ich es gewusst, dass er Recht gehabt hatte. Jahre lang hatte er es immer wieder gesagt: Lass die Vergangenheit ruhen. Lass uns unser Leben leben, in der Würde die wir uns erkämpft haben. Und doch hatte ich nicht auf ihn gehört. Was hatte ich mir davon erhofft? Warum hatte ich entgegen jeder Vernunft zugestimmt? Ich hatte es doch besser gewusst. Hatte es tief in mir gespürt, dass es falsch war. Und doch war ich gekommen. War dem Ruf gefolgt. Warum? Hatte ich wirklich auf Vergebung gehofft?
Doch am Ende war es nun egal, ich war verloren. Mein Schicksal, dem vor dem ich all die Jahre geflohen war, holte mich nun doch ein. Der Tod, der mir vorherbestimmt war. Dem Schicksal, dem ich mich inzwischen ergeben hatte...
🐺
Ein weiterer schwerer Atemzug glitt aus meinen Lungen. Sandte nur noch dünne Nebelschwaden durch die stinkende, kalte und modrige Zelle. Ein weiteres Zeichen dafür, dass die Flamme des Lebens in mir langsam erlosch, sowie auch die Kälte, die mir immer mehr in den Körper kroch. Schwer sanken meine Augenlider herab, jeglichen Kampfeswillen verloren. Ich wollte sie für immer schließen, dem Wispern von Gevatter Tod nachgeben. Doch war da immer noch etwas in mir, etwas, was nicht loslassen wollte. Vor meinen Augen sah ich sie. Das Bild der Frau, von der ich geglaubt hatte, dass sie mir nie vergönnt sein würde. Die feinen, sanften Gesichtszüge, eines Engels umrahmt von den schwarzen, gewellten Haar, den liebevoll schimmernden, grünen Augen, die roten Lippen, die so verzückende, winzige Grübchen auf ihre Wangen zauberten, wenn sie Lächelte. Mein Leben, mein Herzschlag, meine Gefährtin - Aurelia. Die Tochter des teuflischen Dämons der für die Pein und die Qual verantwortlich war. Die Tochter, dessen Vater mich Tod sehen wollte. Und doch, traf sie keine Schuld an den Sünden ihres Vaters. Konnte ich sie mit so einem Monster allein lassen? Nein... wer wusste schon, was er ihr antun könnte. Ich musste sie in Sicherheit wissen.... Rasselnd zwang ich mich wieder Luft zu holen, zwang mein Herz holpernd in meiner Brust weiter zu schlagen. Ich konnte noch nicht aufgeben... noch nicht...
Als hätte mein Entschluss die Zahnräder des Schicksals, der göttlichen Fügung erneut angeworfen, drang ein neues Geräusch an meine Ohren. Erst leise, dann stetig Lauter werdend. Eilige Schritte, gemischt mit dem gleichmäßigen trappeln von mächtigen Pfoten, die von den Gang vor meiner Zelle zurückgeworfen wurden. Lautes Knurren, überraschte, entsetzte Schreie, gefolgt von metallischen Klirren und dumpfen Schlägen, gleich eines Sandsacks der auf Stein aufschlug.
Immer näher kamen die Geräusche, verklangen schließlich vor meiner Zelle. Einen Moment beherrschte gespenstische Stille, in der nur mein eigener, viel zu schwerer Atem an meine Ohren drang. Dann erklang ein gequältes Knurren, gefolgt von dem unverkennbaren knacken von Knochen.
„Hier?" kaum, dass das Knacken geendet hatte, erklang einen grollende, tiefe Stimme vor meiner Zellentür. Schatten bewegten sich, verschlangen das Licht der Fackeln und sperrten es aus meinem Gefängnis aus.
Ein ungehaltenes Knurren antwortete. Gefolgt von einem Schlag gegen die metallische Tür, dessen Echo donnernd durch die Stille hallte und mich veranlasste leise stöhnend den Kopf etwas mehr zu heben. Eine winzige Bewegung, die so viel meiner spärlichen Kraft forderte.
„Ja..." dieses Mal antwortete eine sanfte, zitternde Stimme. Eine Stimme, die ich kannte und mein Herz ein wenig schneller schlagen ließ. Mir ein schwaches Lächeln auf die gebrochenen Züge zeichnete. „Ich kann ihn riechen.... So wie Blut. Göttin lass uns rechtzeitig kommen..."
Wieder erschütterte ein kräftiger Schlag die massive Kerkerpforte, ließ die Angeln leidig ächzten, als wollte sie der zitternden Stimme meiner Gefährtin nachdrück verleihen, daran erinnern, dass sie nicht viel Zeit hatten.
Klirrend, wurde ein Schlüssel in das Schloss geschoben, ehe es mit einem lauten Klacken aufsprang. Narrend schwang langsam die schwere Tür auf. Ein wenig Furchtsam machte mein Herz einen Satz, ließ mich zusammen zucken. Wann immer diese Tür aufgeschwungen war, hatte sich das Tor zur Hölle für mich geöffnet. So war es kaum verwunderlich, dass sie Furcht in meinem Inneren wieder zu keimen begann, obwohl die Stimmen bereits verraten hatten, dass dies nicht der gewohnte Besuch war. Trotzdem wurde meine Atmung schneller, flacher. Ein Teil von mir wollte sich in die Besinnungslosigkeit fliehen, umso dem Ungewissen zu entkommen.
Ein leichtes Zittern überrollte mich. Mein Blick viel auf die schemenhaften Gestalten, die dort in der Tür standen. Das Licht in ihren Rücken, hüllte ihre Gesichter in Schatten. Ließennur erahnen, wer dort stand. Ein ganzer Trupp. Vier Wölfe flankierten die Gestalten, wobei zwei von ihnen die anderen Beiden überragten, einiger humanoider Silhouetten. Eine große, breitschultrige Gestalt verdeckte fast vollkommen die der zitternden, kleinen Frau vor ihm. Während eine schmalere, fast knochige, über seine Schulter in die Zelle spähte. Einer der Wölfe, langbeinig und schlank, mit dünnem Fell und leuchtend roten Augen, schob sich langsam nach vorn. Das Rot war getrübt, Nebel des Stummen Entsetzens, was der Wolf angesichts meines geschundenen Bildes empfand. Die Bewegung des Alphawolfs sorgte dafür, dass auch die restliche Truppe sich aus ihrer Starre löste und einer nach dem Anderen sich mit zögernden Schritten in die Zelle wagte. Nur der Zweite Wolf verharrte, wandte sich ab und warf einen wachsamen Blick zurück in den Gang aus dem meine Retter gekommen waren.
„Richard! Bei der Göttin, Richard..." Inzwischen war die schlanke Gestalt meiner Gefährtin näher getreten, an dem Alphawolf und den beiden menschlichen Schemen vorbei gestürmt. Zittern legten sich ihre schlanken Finger auf meine Wange, obwohl sie sich dafür strecken musste. „Was hat er dir nur angetan?!?" Schwach konnte ich die schmalen, schimmernden Bäche sehen, die aus ihren Augenwinkeln entsprangen und feine Rinnsale auf ihre Wangen zeichneten.
„Au...relia..." schwach, kaum mehr als ein lautloses Wispern, verließ ihr Name meine Lippen. Ein fast unwürdiger Klang, angesichts der Erleichterung die ich empfand, jetzt wo ich sie sah. Ich spürte ihre Hände auf meiner Haut, die Wärme, die sie in mir auslöste. Konnte schwach ihren Geruch wahrnehmen, der sich durch den Gestank meines Bluts hindurch zwängte, ihn überlagerte.
„Shhh..." ihre Stimme bebte, unterdrückte das Schluchzen, was in ihrer Kehle aufstieg. „Schon deine Kräfte... Wir holen dich hier raus. Halte noch ein wenig durch.... Bitte..."
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