Kapitel 32: Die Flucht
Ich spürte den Luftzug auf meiner Haut, spürte wie ich fiel. Herzschläge die sich in die Länge zogen. Zeitgleich setzte das Knacken meiner Knochen ein, als ich die Kontrolle meines Körpers Rubian überließ. Knochen brachen krachend unter der Kraft der Verwandlung, setzten sich innerhalb eines Augenblicks wieder zusammen und formten meine Gestalt neu. Das Blau in meine Augen verschwand, wurde durch glühendes Rot eines Alphas ersetzt. Es hatte keinen Sinn es länger zu verheimlichen. Die Maske war gefallen. Die Wahrheit ans Licht gekommen. Sollten sie es doch alle sehen. Sollten sie sehen, wer ich wirklich war. Der verdammte Alpha, der Sprössling des verstoßenen und ermordeten 10 Alphas. Fell spross auf meiner Haut, wurde von dem Wind zerzaust den er Fall mit sich brachte. Meine Nägel wurden länger, färbten sich Schwarz, Hände und Füße zu massigen Pranken, die nach dem Stein vor mir schlugen und sich knirschend in den roten Stein gruben.
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Rubian's POV
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Knirschend gruben sich meine Krallen in den Stein, ich spürte das schmerzhafte ziehen in den Muskeln und Sehnen meiner Krallen. Ich hörte wie die sich lösenden kleinen Steine unter mir, klackend wie Hufgetrappel, auf dem Pflaster aufschlugen. Sie rollten heillos durcheinander, verrieten meine Position wie eine Fanfare, doch das war mir egal. Es musste sein. Ich mochte ein Lykaner sein, besaß gesteigerte Heilkräfte und stärkere Knochen, die einiges aushielten. Doch ein Sturz aus dieser Höhe würden auch meine Knochen bersten lassen wie morsches Holz und eine Flucht unmöglich machen. Es war ein verzweifelter Versuch, aber die einzige Weg der uns geblieben war. Es war nicht viel, aber es half ein wenig meinen Sturz zu bremsen.
Es waren nur Herzschläge die vergingen, ehe mein Körper den Stein und Mörtel krachend folgte. Die Wucht ließ das Pflaster leicht zittern, presste mir die Luft aus den Lungen. Flammen explodierten vor meinen Augen, tränkten mein Blickfeld in alle erdenklichen rot und orangetöne, ehe sie zu nebeligen schwarz wurden. Schmerz, unvorstellbarer Schmerz, wie ich ihn seit Jahren nicht mehr gespürt hatte schoss durch meine Nerven. Und doch verblasste er zu dem, den ich tief in meiner Seele trug. Ich schmeckte Blut auf meiner Zunge, mein eigenes Blut. Wusste nicht woher es kam, doch es war mir auch egal. Einen Moment scharrten meine mächtigen Pranken unkontrolliert über das glatte Pflaster. Die Steine, die meine Pfoten aus dem Gemäuer gerissen hatten, sprangen klackernd zur Seite. Die Schatten griffen nach mir. Wollten mich herabziehen und versprachen Erlösung von all den Schmerzen die ich in mir trug. Wild schnappte ich in die Leere. Um mir selbst Kraft zu spenden, mir Mut zuzusprechen der Verlockung der Dunkelheit zu widerstehen. Langsam erlangte ich die Kontrolle über meinen Körper zurück. Sog die Luft tief in meine Lungen, spürte wie meine Flanken sich hoben. Knurrend, zog ich meine Pfoten unter meinen Körper, stemmte mich schwankend nach oben. Torkelte wie ein Kitz, dass das erste Mal unsicher die ersten Schritte machte. Krallte mich in den glatten Stein in der Suche nach halt, bis sich der Schwindel in meinem Kopf legte und mein Blickfeld sich langsam wieder aus Scherben zusammensetzte.
Ich spürte Schmerzen in meiner Schulter, der Schulter auf der ich gelandet war. Unter anderen Gegebenheiten, hätte ich mich wieder sinken gelassen um meinem Körper die Möglichkeit zu geben die Verletzung zu heilen, doch jetzt konnte ich mir diese Schwäche nicht erlauben. Im Gegenteil, ich nahm den Schmerz an, ließ zu dass er mein Verstand mit einer ernüchternden Klarheit überflutete. Ließ die Instinkte, den ich mich so lange verwehrt hatte Besitz von mir ergreifen. Jahre lang hatten Richard und ich immer versucht einen möglichst gewaltfreien Weg zu beschreiten. Nicht nur um unsere Identität zu verschleiern, sondern auch um mit uns selbst im Reinen zu bleiben. Aber irgendwann kam für alle die Zeit, in der es keinen Ausweg mehr gab. Keine Möglichkeit zu verhandeln und ohne Blutvergießen durchs Leben zu gehen. Irgendwann kam die Zeit, in der man tat, was getan werden musste. Irgendwann, musste man sich mit Blut beflecken um sich selbst und alles was einem wichtig war zu beschützen. Diese Zeit war nun gekommen. Ich würde nicht mehr vor einem Kampf fliehen. Ich würde nicht mehr zurückweichen. Ich würde zu dem werden, für das mich alle hielten - einem Monster und der Schmerz würde mir dabei helfen.
Kurz warf ich einen Blick nach oben, sah die dunklen Silhouetten meiner Verfolger am Fenster stehen. Der Mondschein enthüllte ihre zum Teil entsetzten, zum Teil wütenden Gesichter. Ein Bild, was mir ein wölfisches Grinsen entlockte, was meine Zähne im Mondlicht funkeln ließ. Das habt ihr nicht erwartet was? Dachte ich spöttisch, ehe ich den Kopf in den Nacken warf und ein Heulen ausstieß, was von den Mauern zurückgeworfen wurde. Eine Botschaft, die nur eine Verstehen würde, meine Gefährtin. Ein Versprechen in der Nacht. Das Versprechen, was Richard ihr schon gegeben hatte, ich würde wieder kommen. Mir holen, was mein war und wenn ich dafür Blut vergießen müsste. Ich würde die Tyrannei von König Blackbone beenden. Rache nehmen, für alles was er mir und so vielen anderen angetan hatte. Ich würde nicht zulassen, dass er mich von ihr trennte. Niemals. Erst als das Heulen verklungen war, spannten sich meine Muskeln. Meine Pfoten rutschten ein wenig auf dem Pflaster, als ich mich abstieß und mit gewaltigen Sätzen lospreschte. In den Augenwinkeln konnte ich etwas sehen. Eine Einzelne Gestalt auf dem Balkon vor dem Ballsaal.
Mein Lauf währte nicht lange, ich sah zwei Gestalten auf mich zuhalten. Zwei schwarze Wölfe, die ich schon einmal gesehen hatte. Pechschwarz aber mit weißem Bauchfell. Die beiden Krieger, die Stropov begleitet hatten, als er Lucian und mich abpasste und zurück ins Schloss brachte. Ihr Fell war gesträubt, ließ sie größer wirken und doch waren sie im Vergleich zu mir verächtlich winzig. Ihre Ohren lagen flach am Kopf, drohend und doch sah ich die Unsicherheit in ihren Augen, als sie meine roten Seelenspiegel erblickten. Sie zögerten und ich nutzte dies zu meinem Vorteil. Knurrend spannte ich die Muskeln an. Meine Pfoten gruben sich in den Boden, der inzwischen von glattem Pflaster zu spitzen, stacheligen Kies übergegangen war, als ich mich abdrückte und mich auf einen der Brüder stürzte. Sie waren nicht meine Feinde, obwohl sie zu diesem verdorbenen Rudel gehörten, doch sie traf keine Schuld. Sie waren nichts weiter als Spielfiguren die das machen mussten, was man ihnen Befahl. Nichts desto trotz, sie standen mir im Weg. Sie standen zwischen mir und der unvollkommenen Freiheit, die dort draußen auf mich wartete.
Noch bevor sie begreifen konnten, was geschah, krachte ich in den einen der Brüder. Mein Schwung riss uns Beide zu Boden. Ein heilloses Durcheinander von Fell und Krallen. Kies flog beiseite und grub sich in unser Fell unter der Kraft des Aufpralls und unserem Gewicht. Ein erschrockenes Bellen entwich dem kleineren Wolf unter mir, der damit nicht gerechnet hatte. Meine Krallen gruben sich in das dichte Fell, drangen in die darunterliegende Haut und zogen blutige Spuren meines Angriffs hinein. Entlockten meinem Gegner ein gequältes Jaulen. Dabei wurde ich grade erst warm. Eine Bewegung in meinem Augenwinkel ließ mich kurz zur Seite blicken, sah wie sein Bruder sich verzweifelt auf mich stürzte. Sofort löste ich den Griff um mein Opfer, rollte mich zur Seite um dem Sprung auszuweichen und sofort danach wieder auf die Beine zu kommen. Ohne zu zögern fiel ich dem Krieger in den Rücken, stürzte mich auf ihn und grub meine Zähne in sein Nacken. Schmeckte sein Blut noch ehe ich den Griff weiter verstärkte. Es wäre ein leichtes Gewesen den Krieger zu töten, ein bestimmter Ruck meines massigen Schädels hätte ausgereicht um sein Genick zu brechen und mich seiner zu entledigen. Stattdessen bäumte ich mich auf, hebelte den Kleineren Körper nach oben, schleuderte ihn weg von mir. Ließ ihn wie eine Puppe durch die Luft segeln. Ein Flug der Krachend an der Mauer des Torbogens endete und ihn wie ein nassen Sandsack zu Boden fallen ließ. Regungslos blieb er liegen. Lediglich das schwache heben und senken seiner Flanke zeigte, dass er nicht Tod sondern einfach nur Bewusstlos war. Schnaubend, wandte ich mich dem Ersten wieder zu, der winselnd langsam wieder auf die Beine kam. Die Ohren immer noch flach an den Kopf gepresst, sah er mich an. Duckte sich und ich sah wie er die Rute unterwürfig zwischen die Hinterläufe klemmte. Angst spiegelte sich in seinen leuchtend braunen Augen, durch die ich mich selbst sah. Ein Tier, dem das Blut seines Bruders durch das kurze Fell seiner Schnauze rannte. Dessen Augen glühten wie Kohlen in der Nacht. Gierig nach Blut, das Fell auf den massigen Schultern einschüchternd aufgestellt. Fast konnte einem der kleine Krieger leidtun... aber auch nur fast. Auch ich hatte mich mal in seiner Situation befunden. Auch ich war Hilflos dem Zorn eines Tieres ausgeliefert gewesen, das nach meinem Blut gierte. Es hätte mir keine Gnade gewährt. Es hätte mich zerfetzt, getötet und wie eine Trophäe präsentiert. Und ein Teil von mir wollte auch diesem kleinen Krieger kein Erbarmen zuteil werden lassen. Doch ich war nicht dieses Tier. Ich war nicht diese Bestie.
Trotzdem Knurrte ich ihn an, machte einen Schritt auf ihn zu, beobachtete wie der kleine Krieger zu zittern begann. Ich merkte nicht, wie die Aura aus mir hinaus sickert und die Luft schwerer werden ließ. Meine Aura. Die Aura eines Alphas, eines Lykaneralphas, die absolute Unterwerfung forderte und den Krieger wimmernd dazu brachte sich noch tiefer an den Boden zu pressen, offensichtlich mit seinem Tod rechnend. Weiter Knurrend, entblößte ich meine Zähne, die von den Resten des Bluts einen gelblichen Schimmer angenommen hatten. Machte einen weiteren Schritt auf den Krieger zu ehe ich Krachend meine Zähne vor seiner Schnauze wieder zusammenschlug. Eine unmissverständliche Botschaft aussprechend: Stell dich mir nicht in den Weg.
Ein lautes Heulen hinter mir, veranlasste mich schließlich zurückzutreten. Ich sah die Schattenhaften Gestalten von Wölfen auf mich zuhalten. Anscheinend hatten meine Verfolger die Chance genutzt um aufzuholen. Unter ihnen entdeckte ich die bestialischen Gestalten von Lykanern. Offenbar hatten einige entschieden, dass ich zu gefährlich war um mich nur in der Wolfsgestalt zu jagen und sich für die Gestalt des Crinos entschieden, die kräftiger und Schneller war. Grollend, wandte ich mich ab. Ich hatte genug Zeit verschwendet. Ich musste weiter, den Wald erreichen bevor meine Jäger mich einholten und ich gezwungen sein würde preiszugeben, dass ich nicht einfach nur ein Werwolf war, sondern wie sie. Ein Geheimnis, was ich lieber noch etwas für mich behalten würde. Dem Wimmernden Krieger den Rücken zudrehend, setzte ich wieder in die Nacht, schlüpfte aus dem Torbogen in die Straßen der Stadt. Dem letzten Hindernis, bevor ich den Wald erreichen würde.
Meine Verfolger holten auf, ich spürte es in meinen Pfoten. Der Boden unter ihnen vibrierte unter ihren Schritten. Doch das war kein Wunder. Sie kannten die Straßen besser als ich. Zwangen mich immer wieder die Richtung zu ändern und mich in die Schatten der Gassen zu verkriechen. Immer wieder Kreuzten Patrouillen meinen Pfad. Trieben mich wie Beute umher, weil ich es nicht riskieren konnte zu viele Kämpfe anzunehmen, weil dies meinen Jägern in die Hände spielen, der Abstand immer weiter schmelzen würde. Ich wusste, dass sie versuchten mich in den Straßen zu halten um mich an der Flucht in den Wald zu ändern. Immer wieder sah ich, wie die Wege aus der Stadt versperrt worden waren. Der Vorteil eines Rudel, das viele zählte. Ich dagegen war allein und die Trophäe dieser Jagd. Doch ich würde mich nicht zu einem Stück Beute herabstufen lassen. Ich war ein Wolf. Ein Lykaner, ein König des Waldes. Wenn sie mich haben wollten, dann mussten sie sich schon mehr anstrengen. Mit wirbelnden Pfoten bog ich um eine der Hausecken. Sah das Tor vor mir, die Ebene und den Wald dahinter. Auch die Krieger, die sich davor postiert hatten um mir den Durchgang zu verwehren. Doch dieses Mal bog ich nicht in die nächste Gasse ab. Kurz hinter mir hörte ich die Pfotenschritte meiner Jäger. Konnte aber für den Moment keinen Gedanken an sie verschwenden. Meine Augen hefteten sich auf das Tor, fokussierten den Wald dahinter. Den Ort, wo ich sie abschütteln würde. Ich zwang meine Schritte schneller zu werden, spürte wie die Muskeln unter meinem Fell sich noch mehr spannten, schmerzten. Mein Atem ging Stoßweise, durch das lange Laufen in der Geschwindigkeit. Mein Herz schlug schnell in der Brust. Aber ich musste weiter. Ich glaubte den Atem in meinen Nacken zu spüren, doch es war nur der Wind.
Die Krieger vor mir spannten sich an, stickten sich an mich anzugreifen. Ich sah wie ihre Körper sich spannten, duckten, bereit sich auf mich zu stürzen. Doch nicht mit mir. Fest drückten sich meine Vorderpfoten in den Kies, schienen einen Momentlang zu bremsen, während meine Hinterläufe sich weit unter meinen Körper schoben. Sie spannten sich, als ich mich abdrückte. Wind kitzelte mein Bauchfell, als ich sprang. Einen Moment lang glaubte zu fliegen, als ich über die Reihe die mich an meiner Flucht hindern sollte sprang. Ich hörte verwundertes Schnaufen, gefolgt von Jaulen und scharrenden Geräuschen, ehe meine Pfoten auf der anderen Seite aufsetzten und ich es riskierte einen Blick über die Schulter zurück zu werfen. Bemerkte zu meiner Erheiterung, dass meine Verfolger und die Wachen am Tor, überrumpelt von meinem Sprung in einem Durcheinander zusammengekracht waren. Ich wollte belustigt Schnauben, als ich sah wie die ersten sich wieder aufrappelten um sich wieder an meine Fersen zu heften. Doch ich kam nicht dazu. Etwas Krachte in meine Seite, nutzte die Ablenkung und die Gunst der Stunde. Einen Momentlang roch ich Ass und Blut, spürte eine Knochige, aber kraftvolle Gestalt auf mir, die mich kurz zu Boden drückte, nur Herzschläge, ehe das Gewicht verschwand. Hörte eine Fremde Stimme in meinem Kopf: Du gehst nirgendwo hin... Verräter... Doch bevor ich sehen konnte, wer das gewesen war, war die Gestalt verschwunden. Verschluckt von der Nacht, die sie ausgespuckt hatte. Was zum...? Ich kam nicht dazu meinen Gedanken zu Ende zu bringen, denn ein neues Gewicht viel auf meine Schultern, gefolgt von einem weiteren. Pranken nagelten mich am Boden fest, ich wand mich, um frei zu kommen, doch vergebens. Grollend war ich einen Blick nach oben, ehe mein Kopf in das feuchte, kalte Gras gedrückt wurde. Sah Bernsteinfarbende Augen, Stropov, in den etwas stand, was ich nicht deuten konnte - Bedauern. Dann hob der Beta seine Pfote und ließ einen Schlag auf meinen Schädel nieder gehen. Schmerzen explodierten, schlimmer als bei meinem Sturz und alles wurde Schwarz....
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