Kapitel 3: Die Einladung
Blätter raschelten unter meinen Pfoten, als ich einen Schritt zurücktrat und mich schließlich auf den warmen Boden setzte. Grüßend neigte ich meinen Kopf. Schloss dabei meine Augen und hielt sie etwas gesenkter, damit nicht jeder sofort meine roten Augen erkannte. Misstrauisch spürte ich den Blick der Deltas auf mir. Es erinnerte mich wieder daran, dass die meisten mich nicht kannten. Zwar wussten die Rudel, dass es in dem schmalen Gebiet zwischen ihnen ein Wolf lebte, ein Ausgestoßener, von dem keine Gefahr ausging. Noch die meisten hatten mich noch nie gesehen. Besonders die jüngeren Krieger hatten noch nie einen Blick auf mich erhaschen können, da ich mich von ihren Grenzen meistens fern hielt. Auch mein letzter Besuch im Red-Leaf-Pack lag einige Monde zurück. So konnte man ihnen ihr Misstrauen kaum übel nehmen. Der schwarze Wolf jedoch, ihr Beta, kannte mich nur zu gut. Sein Name war Alexander. Er wurde von seinem Alpha, Lucian, immer geschickt, wenn sie doch mal meine Hilfe brauchten.
Mein Fell geriet in Wallungen, zog sich nach und nach unter die Haut zurück, während meine Knochen knackend brachen und sich innerhalb von Herzschlägen neu zusammen setzten. Ich spürte keinen Schmerz. Schon lange nicht mehr, da das Wechseln meiner Gestalt für mich eine Selbstverständlichkeit war. Ich wandelte mich oft, meistens mehrmals am Tag. Anders als die Rudelwölfe die manchmal Tagelang ihren Wolf nicht laufen ließen. Vielleicht war es für mich auch gut, dass ich ein Aussätziger war. Rubian hasste es Tagelang in mir fest zu stecken. Und manchmal war es schwierig ihn zu kontrollieren und zurückzuhalten, wenn wir das Gebiet eines Rudels gerufen wurden. Obwohl er das Spiel schon kannte.
Knackend endete meine Wandlung und meine baren Füße berührten den Waldboden. Unangenehm stachen einige der Blätter in die empfindlichen Sohlen. Brachte mich dazu, ein wenig das Gesicht zu verziehen und mein Gewicht zu verlagern. Einen Herzschlag lang war ich mit mir selbst beschäftigt. Ehe mich das überraschte Grunzen der Deltas meine Aufmerksamkeit zurück zu den Wölfen lenkte die vor mir standen. Ihre Augen waren weit aufgerissen und sie starrten mich an, mit einem Funken von Entsetzen in ihren Augen, an den ich mich über all die Jahre schon mehr als gewöhnt hatte.
Ich wusste wieso sie mich so anstarrten. Es war die typische Reaktion der Rudelwölfe wenn sie auf meinen Körper blickten. Ich war groß, ca 1,95. Hatte sonnengebräunte Haut die sich fest über ein durchtrainierten Körper spannte. Doch die Bräune war durchbrochen von zahllosen Narben an Armen, Beinen und Brust die sich strahlend weiß von meiner dunkleren Haut abhoben. Narben von zahllosen Kämpfen mit anderen Rouge, die mein gefährliches Leben nur noch betonten und von der Grausamkeit zeugten, der wir Rudellosen ausgesetzt waren. Aber das war es nicht, was die meisten dazu brachten mich anzustarren. Der wahre Grund war an meiner rechten Körperhälfte zu finden. Von der Schulter hinab bis zum Ellenbogen und über meine Brust und den Unterleib erhob sich eine riesige Narbe. Ein Fleck von Haut die im wahrsten Sinne des Wortes Wellen warf. Ein Mal von Flammen, die einst meinen Körper verbrannt hatten, als ich noch ein Junges war.
Sogar die Bernsteinfarbenen Augen des Betas glitten über mich, obwohl er die Narben schon kannte. Trotzdem sah ich jedes Mal ein schmerzliches Funkeln in seinen Augen, wenn er mich so sah, als versuchte er sich vorzustellen, was mir damals widerfahren war. Alexander kannte meine Geschichte. Er war einer der wenigen, dem ich sie anvertraut hatte. Ihm und seinem Alpha. Langsam wandten sich der Blick ab und die Augen des Schwarzen Wolfs richteten sich auf mein Gesicht. Ehe auch seine Knochen zu knacken begannen, verkündeten, dass auch er die Gestalt wechselte.
Mit einem leichten Grinsen auf den Mundwinkeln stand ich da, verschränkte meine Arme vor der Brust und sah zu wie die Konturen sich unter einem leisen Stöhnen verschoben, bis leicht keuchend ein etwas kleinerer, schwarzhaariger Mann vor mir stand, dessen Körper genauso durchtrainiert war wie mein eigener. Auch seine Haut war gebräunt und von Kampfnarben geziert. Seine Haselnussbraunen Augen blitzten vergnügt, als er den Blick zu mir hob um meinen, in der Menschengestalt blaugrauen zu begegnen.
"Hallo, Alexander." hob ich an. Meine Stimme war tief und rau. Glich einem tobendem Sturm, der mir selbst manchmal einen Schauder über den Rücken jagte, weil ich es nicht gewohnt war meine Stimme zu hören. Wie auch, wenn ich fast nie sprach. Alexander mir gegenüber grinste und ich sah wie seine Augen kurz jeglichen Glanz verloren. Er sprach zu den beiden Deltas, die kurz darauf sich abwandten und langsam, noch einen Blick auf mich werfend, in den Büschen verschwanden.
"Nomade, eine Freude dich wieder zusehen." grinste Alexander, dessen Stimme viel weicher klang, als man es bei seiner dunklen Gestalt hätte vermuten lassen und ließ auch mich ein wenig schmunzeln, obwohl ich noch immer die Arme vor der Brust verschränkt hatte. Seine Hand hob sich, strich durch das kurzgeschnittene Haar. Und einen Moment fragte ich mich tatsächlich, wie ich im Gegensatz zu ihm aussehen musste. Mit dreckiger Haut, meinen wilden, schulterlangen brauen Haaren, die das letzte Mal vor vielen Monden einen vernünftigen Schnitt erhalten hatten und einem ebenso wilden, ungepflegten Bart. Es war immer wieder seltsam, wie mich das treffen mit Rudelwölfen dazu brachte, mich an solche kleinigkeiten zu erinnern, die sonst nicht vollkommen belanglos für mich waren.
Also ich finde, wir sehen gut aus. kommentierte Rubian in meinem Kopf und ich kam nicht darum, ein wenig die Augen zu verdrehen. Natürlich war meinem Wolf herzlich egal wie schäbig meine Menschengestalt aussah, solang unser Pelz in der Sonne glänzte. Mein Gedankengang ließ ihn knurren. Anstatt dich damit zu befassen, solltest du lieber fragen, was Alexander und seine Wölfe in unserem Gebiet verloren haben. Und wieso sie uns das bisschen Beute was wir haben auch noch stehlen. Auch wenn ich das Gesicht verzog, wusste ich das Rubian recht hatte. Noch während mein Wolf sprach, fiel mein Blick auf das Tote Kaninchen, neben Alexanders Füßen. Ärgerliche Falten glitten angesichts des schlaffen Körpers auf mein Gesicht und ich holte bereits Luft.
Doch Alexander war schneller. Anscheinend war er meinem Blick gefolgt. "Bitte, es ist nicht so wie es aussieht." hob er an und hatte die Arme beschwichtigend vor seine Brust gehoben. Dennoch kniff ich meine Augen misstrauisch zusammen. "Ich wollte dir das Kaninchen bringen, bitte glaub mir, Richard." ein flehender Unterton hatte sich in seine Stimme geschlichen, während meine Augenbrauen sich weiter zusammenzogen. Es war selten, dass man meinen Namen mir gegenüber verwendete.
"Warum..." zischte ich leise, obwohl ich die Antwort bereits kannte. Es gab nur einen Grund, wieso Alexander in mein Gebiet kommen würde und mir auch noch Beute bringen wollte. Es war ein Zeichen des Respekts. Und ein alter Ritus des Wolfvolks um sich Einlass in das Haus eines Anderen zu erkaufen. Doch meistens, brachte man dabei Beute von seinem eigenem Gebiet mit und stahl sie nicht von dem des Gastgebers. Etwas was mich doch etwas misstrauischer machte. Dennoch spannte sich mein Körper nicht weiter an, im gegenteil, leise seufzend schüttelte ich schließlich den Kopf. Auch wenn ich die Antwort kannte, wollte ich sie von Alexander hören. Mein Blick heftete sich starr auf ihn. Brachte Alexander dazu unruhig von einem Bein aufs Andere zu treten.
"Nomade..." hob er schließlich an. "Mein Alpha bittet dich in sein Haus. Wir brauchen deine Hilfe... Er wird dir alles erklären. Nimmst du seine Einladung an?"
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