Kapitel 14: Innerer Konflikt
Bebend füllten sich meine Lungen wieder mit Luft. Ich hatte nicht einmal gemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte. Doch das war auch im Moment nicht wichtig. Wie gefesselt lag mein Blick auf der schlafenden Schönheit dort im Bett. So entsetzt wie auch auch war, so sehr mich dieses Gefühl auch lähmte, ich kam nicht darum zu leugnen, dass sie einfach perfekt in meinen Augen war. Sie schien wie ein Engel, herab gesandt von der Göttin, allein für mich. Und doch war ich zur Salzsäule erstarrt. Doch konnte ich keine Freude empfinden, jetzt wo ich sie nach 13 langen Jahren endlich vor mir sah. Der Moment, der der Glücklichste in meinem Leben sein sollte, wandelte sich in den Höllenschlund höchst persönlich und ich glaubte beinahe den grausamen Hauch des Schicksals und das gellende Lachen des Teufels in meinem Nacken zu spüren. Nein....
Mate, wie ein Echo erlang das Wort, das mein Wolf in meine Gedanken gewispert hatte. Hallte von den plötzlich leer gefegten Wänden meines Bewusstseins zurück. Nein. Wiederholte mein Kopf. Nein... Nein... NEIN! Ich merkte gar nicht wie ich einen halben Schritt von der Tür zurück trat und der Blick des Königs sich verwundert auf mich richtete. Für ihn musste es zweifellos so wirken, als hätte das öffnen der Tür mir den Geruch von Blut und Tod entgegen geschleudert. Besonders da mein gesamter Körper zitterte wie Espenlaub. Ich merkte nicht, wie ein hoffnungsloser, verzweifelter Glanz seine gelben Augen trübte, weil mein Blick noch immer auf der Frau dort im Bett haftete. Er konnte es nicht wissen. Wie sollte er auch? Für einen Wolf, war der Fund seiner Gefährtin das höchste Glück, was ihm widerfahren konnte, besonders für einen Lykaner, der ich im verborgenen war, denn für uns traf diese göttliche Gnade noch viel seltener ein als bei den Wölfen. Für mich stellte dieser Fund, aber die Geburt eines wahrhaftigen Alptraums dar. Warum.... Warum tat Selene mir das an? Womit hatte ich all dieses Leid verdient?! Was hatte ich falsch gemacht, dass sie unter all den Wölfen, all den Lykanern, gerade SIE als meine Gefährtin, meine Erastai auswählte?! Warum die Tochter dieser Bestie?! Mein größtes Verderben! Warum, Warum nur musste ich dieses Leid erfahren?! Ich wollte aufschreien vor Qual. Das durfte doch alles nicht wahr sein!
Zur gleichen Zeit, löste auch mein Wolf sich wieder aus seiner Starre. Ich spürte, wie der Lykaner grollend begann wieder in mir auf und ab zu tigern. Er war angespannt. Ich fühlte seine Wut, die Wut, die auch in meinem Inneren brannte. Man hatte uns verraten. Die Göttin hatte uns verraten! Gleichzeitig spürte ich aber den sanften Zug des Bandes, der uns näher zu ihr zerren wollte und gegen das wir uns knurrend stemmten. Das Band, was uns befahl jaulend vor schmerzen in das Zimmer zu stolpern. Sie in unsere Arme zu schließen und nie wieder loszulassen. Sie an uns zu ziehen und angesichts ihres Zustands in vollkommenen Schmerz zu vergehen und gleichzeitig dem wütenden grollen der flammenden Wut auf jenen, der ihr das angetan hatte.
NEIN!! brüllte Rubian im nächsten Herzschlag in meinem Kopf, ließ mich unter seiner bebenden Stimme zusammenzucken, die mit einem Mal die leere meiner Gedanken flutete. Niemals!! Jeder Wolf, aber nicht sie! Ich wähle mir einen Omega, aber niemals werde ich dem Band zu dieser Wölfin verfallen! Nicht der Tochter dieser BESTIE!! Rubians Worte, die Wut, die in ihnen erklang ließ mich wieder die Kontrolle über meinen Körper zurück gewinnen. Nein, niemals. Stimmte ich ihm stumm zu, als eine eiserne Maske sich über mein Gesicht legte, jede Regung darin verschluckte und das offenkundige Entsetzen verschwinden ließ. Niemals würden wir diesem Band zustimmen, ihm nachgeben. Es brauchte keine Worte. Keinen Austausch von Gedanken zwischen uns. Wir waren uns in diesem Punkt einig. Dieser Segen der Göttin, war ein verschleierter Fluch, der uns in den Abgrund reißen würde.
🐺
Meine Schritte hallten von den Wänden des Raums wieder als ich eintrat und an dem König vorbei zu der Frau, der Prinzessin der Wölfe und Lykaner schritt. Wiedr glitt mein Blick über das viel zu schöne Gesicht, doch dieses Mal empfand ich nichts. Keine Bewunderung, keine Anziehung zu dem engelsgleichem Antlitz. Es war, als hätten sich plötzlich Mauern, dicker und schwerer als Stahl um mein Bewusstsein und meine Gefühle gelegt, damit das Band nicht die Überhand gewann und es stattdessen in dicken, unnachgiebigen Ketten an einem Ort gefesselt, den ich versiegelt hatte mit vielen, unnachgiebigen Toren. Eisig und regungslos glitten meine Augen über sie, begutachteten die Verbände, die zu sehen waren ohne dass ich das dünne Laken zurückzog. Der Stoff der Verbände war zwar weiß, aber an manchen stellen, konnte man die gelblichen Spuren sehen, die durch den reinen Stoff blitzten und eine Ahnung von dem grauen erahnen ließen, die unter den Verbänden schlummerte. Schnaubend, betrachtete ich die Verbände genauer. Sie waren keine Tag alt, das konnte man erkennen, fast frisch gewechselt, vermutlich in der Abenddämmerung. Doch die Zeichen darauf, ließen schließen dass die Wunden entzündet waren und die weiße, eitrige Flüssigkeit sich langsam nach ihren Weg nach außen suchte. Langsam, streckte ich schließlich die Hand aus, legte sie auf die Stirn der schlafenden Schönheit und zog sie daraufhin fast sofort wieder ruckartig zurück. Kaum dass, meine Haut die ihre berührt hatte, konnte ich es fühlen, dass kribbeln war sich wie ein Schwarm von Ameisen ihren Weg in meine Adern suchte. Gerade noch rechtzeitig, verschluckte ich das wütende Knurren, was der Göttin gegolten hätte. So verzogen sich nur meine Mundwinkel leicht säuerlich und zeigten meine Zähne kurz blitzend.
Trotz der kurzen Berührung, die um ein Haar die Ketten, die ich um die Wirkung dieses verfluchten Bands geschlungen hatte zerbersten hatten lassen, konnte ich es ziemlich genau spüren, obwohl es vernebelt gewesen war. Das heiße Glühen ihrer Haut. Sie fieberte. Ihre Atmung war flach und schwach. Ihr Leben hing nur noch an einem seidenen Faden, soviel war sicher.
Gut so, lass sie sterben. Dann sind wir von diesem Fluch befreit und können unserer Wege gehen und niemals in dieses dunkle Reich zurückkehren! knurrte Rubian in meinem Kopf. Ich wusste, dass er recht hatte. Wenn ich sie sterben ließ, würde dieses Band mit ihr sterben und uns von jeglicher Bindung befreien. Dennoch zögerte ich. Konnten wir wirklich mit der Schuld leben unsere Gefährtin sterben zu lassen, nur um uns von dieser Bürde und der drohenden Gefahr zu befreien? Auch wenn Rubians Worte hart und grollend wie ein aufziehender Sturm gewesen waren, hatte ich doch den schmerzlichen Klang, den er zu verbergen versuchte herausgehört. Genau jener Schmerz. Jene belastende Schuld die ich auch jetzt, trotz dessen, dass ich mich so gut wie möglich davon zu distanzieren versuchte, verspürte. Konnte ich wirklich mit dieser Schuld leben? Zu wissen, dass ich sie retten konnte, aber es nicht tat, oder würde es mich ein Lebtag lang verfolgen? Gott, ich hasste es! Ich hasste diesen Konflikt in mir. Diese Zerrissenheit. Wie von selbst hob sich meine Hand, strich über meinen Nasenrücken in mein braunes Haar und zerzausten die Wilde Haarpracht nur noch mehr, als ich gequält stöhnte.
"Sie ist verloren, oder?" hörte ich die Stimme des Königs, geschlagen und Schwach hinter mir erklingen. Ich hatte nicht bemerkt, dass er näher getreten war und mich beobachtete. "Nun .. es war ein Hoffnungsschimmer, wenn auch ein kleiner. Ich danke euch Nomade, ich bitte euch, beendet ihr Leiden mir fehlt die Kraft dazu." der Schmerzliche Klang des Mannes, der mein größtes verderben sein konnte, zerriss mich nur noch mehr. Die Augen immer noch geschlossen, glitt meine Hand zurück aus meinem Haar zu meinem Nasenrücken, als ich einen Entschluss fasste.
"Nein..." hob ich leise an, spürte wie der Blick des Königs, der sich bereits abgewandt hatte, zu mir zurückkehrte.
"Wie bitte?" zischte er nun deutlich verärgert. "Du wagst es ihr den Gnaden des Todes zu verwehren?!" ich spürte wie der Raum bebte, nachdem ein Krachen erklungen war. Zweifellos hatte der König in seinem aufsteigenden Zorn irgendetwas durch den Raum geschleudert oder zerschlagen. Sein Blick auf meinem Rücken war brennend. So brennend, dass ich glaubte, dass er sich jeden Augenblick auf mich stürzen würde um mich zu zerfetzen und so seinem Ärger Luft zu machen. Dennoch umhüllte mich eine erfüllende Gelassenheit, die ich selbst von mir nicht einmal kannte. Sie war nicht vorgetäuscht, sie war so echt wie die sterbende Prinzessin vor mir. "Nein." wiederholte ich mit ebenso gelassener Stimme, ehe ein Knurren den Raum zum beben brachte. Ich spürte einen Luftzug und Instinktiv wich ich dem wütenden Schlag des Königs aus, indem ich mich fast elegant seitlich davon drehte und meine Hand ausstreckte. Fest schloss sich meine Hand um sein Handgelenk, hielten den Hieb nur Zentimeter vor dem Gesicht seiner Tochter auf, die sonst die Krallen ihres Vaters zu spüren bekommen hätte, auch wenn sie nichts davon gespürt hätte. Meine Augen trafen auf seine, immer noch spürte ich diese eisige Ruhe. "Ich kann sie retten." meine eigene Stimme erklang mir auf einmal Fremd, als hörte ich sie von weit entfernt und wäre nur Zuschauer in diesem kuriosen Schauspiel. "Bringt mir frisches Wasser, eine Leere Schüssel und frische Verbände. Und dann geht. Lasst mich allein. Niemand darf diesen Raum betreten, bis ich ihn verlasse!" wies ich an. Meine Stimme ließ keinen Widerspruch zu, so fest und unnachgiebig klang sie. Ich sah wie Hoffnung die glanzlosen Augen des Königs fluteten. Eine Hoffnung, wie ich sie noch nie gesehen hatte und die zeigte, wie wichtig ihm sein Kind war. Die finsteren Wolken seines Zorns hatten sich genauso schnell verzogen, wie sie erschienen waren. Ohne zu bemerken, dass ich ihm gerade einen Befehl erteilt hatte, nickte er langsam, ehe ich sein Handgelenk los ließ und er gar Fluchtartig aus dem Raum verschwand.
Was tust du? klagte Rubian leise in meinem Inneren.
Ich begehe vermutlich den größten Fehler meines Lebens...
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