Kapitel 9 // ... wo auch immer wir unsere Ziele sehen
Was tat ich hier nur? Wieso war ich nur hierher gekommen? Was hatte ich bloß vor? Verzweifelt schmiss ich meinen Koffer an die Wand, sodass er aufklappte und sich eine Flut an verschiedenen Sachen über das Zimmer ergoss. Die Erzfeinde besuchen gehen, auf diese Idee konnte nur ich kommen. Und noch dazu einen Doppelmord planen. Das war das komplette Gegenteil von dem, an das ich früher geglaubt hatte. Ich war das komplette Gegenteil von der Person, die ich vor Jahren einmal gewesen war.
Ein Vase bretterte gegen die Wand und zerbrach in tausende Einzelteile. Scherben flogen durch die Gegend und Wasser spritzte durch den Raum. In Sekundenschnelle war ich durchnässt, doch es interessierte mich herzlich wenig. Nur kurz darauf hatte ich meinen Koffer vom Boden gezerrt und erneut gegen die Wand geschleudert. Mein Herz bebte wie wild vor Wut und ich wollte alles kurz und klein schlagen, was mir nur im Weg stand. Kurz danach flogen die Stühle und der Tische durch den Raum und durchs Fenster hinaus.
Nach einiger Zeit, als es wirklich nichts mehr zum Zerschlagen für mich gab, sank ich auf den Boden. Um mich herum waren Scherben, Splitter und Wasser. Alles war zerstört. Ich hatte wieder alles zerstört. Wieso nur? Wieso bekam ich es nie richtig auf die Reihe? Hätte ich damals nicht diese Ermittlung gegen die Vorgaben begonnen, wäre Claire nie etwas geschehen. Wäre ich bloß einen Tag früher fertig geworden und hätte es verfrüht weitergereicht. Wären sie bloß mir und nicht ihr begegnet. Mein Leben war doch auch so schon so gut wie vorbei ohne sie. Ohne mich hätte sie nur diesen nervigen Klotz am Bein losgeworden. Es wäre so perfekt für alle gewesen. Doch stattdessen saß ich hier und wollte jemanden umbringen. Ich wollte tatsächlich jemanden umbringen. Ich, der jahrelang für Recht und Ordnung gesorgt hatte und Mörder, egal welches Motiv sie auch hatten, nie verstanden hatte. Doch von mir war auch so nicht viel übrig.
Mein Blick fiel auf eine der größeren Scherben, die aus dem Spiegel gebrochen waren. Eine kleine Scherbe, in der ich mich widerspiegelte. Ein winziger Ausschnitt aus meinem ehemaligen Selbst, der einzige, der noch entfernt an damals erinnerte. Mein Haar war grau geworden und ganz schon mit Ende dreißig. Die Lachfalten in den Mundwinkel schienen auf meine Stirn gewandert zu sein. Ich konnte überhaupt nicht mehr lächeln, auch wenn ich es früher so geliebt hatte. Es war kaum etwas von mir übrig. Ironische und gemeine Kommentare, vermischt mit ewigwährender Überheblichkeit waren das, was mich nun ausmachte. Nicht mehr und nicht weniger. Ich war jämmerlich, schlichtweg jämmerlich. Ich wusste nicht einmal mehr, wer ich wirklich war. Fröhlichkeit und Herzlichkeit hatten sich in Wut und Verbitterung verwandelt. Ich liebte es, andere Menschen zu ärgern und meinen Feinden zu schaden. Ich wollte die Leute um mich herum zerstören, so wie sie es getan hatten. Nicht mehr und nicht weniger. Auch irgendeine Weise hatte ich über die Jahre wohl mich selbst verloren. Irgendwo, in den alten Zeiten. Zum Glück war bald alles vorbei. Ich brauchte nicht mehr zu kämpfen, denn da gab es nichts mehr. Ich hatte sowieso schon alles verloren.
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