Kapitel 20- Allein gelassen
Nach der Schule war Hiko nett genug, um die Klamotten wieder mitzunehmen, die Yuki in der Turnhalle benutzt hatte. Sie steckte sie einfach in ihre eigene Tasche und trug sie nach Hause. Am Schultor trafen sich die beiden nochmal wieder. "Na dann bis morgen", sagte Hiko.
Yuki nickte. "Ja. Lass uns morgen zusammen nach Rauco gehen. Um ehrlich zu sein, ich bin ziemlich aufgeregt wegen des Trainings.",
"Ich auch." Hiko lächelte. "Vergiss deine Schlüssel nicht!",
"Werde ich nicht! Etwas so Wichtiges wie das werde ich nicht vergessen!", "Das werden wir sehen!" Hiko lachte. "Na denn! Ich bin weg! Ciao!", "Sayounara, Hiko!" Yuki winkte ihrer Freundin nach, als sie davon spazierte, bevor sie sich umdrehte und in die andere Richtung losging.
Die Dunkelheit kroch schon langsam über die Welt. Sie verschluckte nach und nach das ganze Licht und ließ die Sterne aufsteigen. Yuki steckte die Hände in die Taschen und ging die Straße entlang zum S-Bahnhof. Zu diesem Zeitpunkt war niemand mehr hier, da die Schule bereits seit mindestens zwei Stunden vorüber war. Yuki ging gern nach Hause, wenn es dunkel war, sie konnte nicht genau sagen warum. Vielleicht, weil sie es einfach genoss, die Sterne zu betrachten.
Als sie weiter die Straße entlang ging, hörte sie plötzlich eine Stimme. Sie summte zuerst etwas, bevor sie anfing zu singen. Yuki blieb stehen und hörte zu. "It's now or never, don't surrender, we came too far to die..." Sie kannte die Stimme von irgendwoher, aber ihr fast geschmolzenes Gehirn gab ihr noch keinen Zugang zu der Verbindung. "So claim your weapon, this ain't heaven, we came here now to fight...",
"Wer singt denn da?" Yuki rannte in die Richtung, aus der die Stimme kam. Wind kam auf und spielte mit ihren Haaren. "It's now or never, don't surrender, we came too far to die... so claim your weapon, this ain't heaven, we came here now to fight..." Die Stimme war weich und leicht und die Worte wurden vom Wind getragen, als ob er deren Flügel wäre. Die simgende Person machte eine kurze Pause. Dann ging es noch leiser weiter: "Can we ever know... Claim your weapon now... All we have is now... All we have is now!" Yuki war nah dran. Sie erreichte ein hohes Gebäude und blickte hinauf. Sie sah eine Person auf dem Dach sitzen. Schwarzes Haar wehte im Wind und war zu einem Pferdeschwanz gebunden. "Yurai...?"
Yuki war verwirrt. Was machte Yurai hier und warum sang sie?
Willst du hoch? fragte Yukira in ihrem Kopf.
"Ich dachte, du schläfst", antwortete. Yuki.
Tat ich auch. Das ist richtig. Aber mir wird langsam langweilig. Also. Willst du da rauf, ja oder nein?
Yuki war überrascht. "Warum bietest du mir deine Hilfe an? Ich dachte du vertraust mir nicht."
Tue ich auch nicht, nur um das klar zu stellen. Ich biete lediglich meine Hilfe an, weil ich meinem Container gegenüber keine Bitch sein will. Zufrieden?
"Muss ich wohl, denke ich... Also ja. Bring mich da rauf."
Du solltest ernsthaft aufhören, jede Art von netter Geste in Frage zu stellen. kommentierte Yukira genervt. Um Yuki bildeten sich Schatten und zwei schwarz gefiederte Flügel wuchsen aus ihrem Rücken. Sie waren mit scharfen Eiszapfen besetzt. "Wow cool."
Benutze sie einfach. Beweg deinen Hintern schon nach oben. "Entschuldigung, ich bin noch nie mit Flügeln geflogen, okay? Es wäre sehr nett von dir, wenn du mir vielleicht ein paar Anweisungen geben könntest, wie ich sie benutze!"
Du bist unhöflich. Jeez. Kannst du fühlen, dass die Flügel ein Teil deines Körpers sind?
"Ja... ich habe das Gefühl, dass sie immer schon dort waren..."
Na also. Du kannst sie bewegen. Yuki bewegte die Flügel. "Ja... sie scheinen eine Einheit mit meinem Körper gebildet zu haben."
Tse. Jetzt schlage mit ihnen und flieg.
"Bist du sicher, dass ich das beim ersten Mal hin bekomme? Ich möchte wirklich nicht runter fallen und mir alle Knochen brechen."
Wenn du nicht allzu dumm bist, kriegst du das hin. Hör endlich auf zu reden und mach einfach!
"Du bist noch ungeduldiger als ich." Yuki seufzte und schlug mit den Flügeln. Sie spürte, wie sich ihr Körper in die Luft erhob. "Wow... das ist großartig! Ich... ich kann fliegen!"
Benimm dich nicht wie ein kleines Kind. Konzentriere dich, oder du fällst wirklich runter!
Yuki ignorierte Yukira, breitete die Arme aus und stieg immer höher in die Luft. Sie fühlte sich frei. Frei wie nie zuvor. Sie spürte, wie der Wind um sie herum heulte und ihr Herz raste wie ein Pferd auf einer Rennbahn. Als sie das Dach des Gebäudes erreichte, landete sie vorsichtig. Ihre Flügel verschwanden. Yurai hatte ihre Augen geschlossen und ihre Hände auf ihre Brust gelegt. "It's now or never, don't surrender, we came too far to die... So claim your weapon, this ain't heaven, we came here now to fight..." Plötzlich, als sie ihr Lied fortsetzte, verschmolz etwas mit ihrer Stimme. Sie zitterte stark, als müsste sie sich die Tränen zurückhalten. "All we have is now... Came too far to die... Claim your weapon now... Came here now to fight..." Ihre Stimme verklan gwie ein Echo und verstummte. Yuki wartete einen Moment, bevor sie sich räusperte. "Das war ein wunderschönes Lied. Wirklich." Yurai sah über ihre Schulter. "Oh... Yuki... du bist es.",
"Ja..." Yuki ging zu ihr und setzte sich vorsichtig neben sie. „Ich hoffe, ich störe nicht.",
„Nein, schon in Ordnung..." Yurai lächelte, aber Yuki war sich sicher, dass sie es vortäuschte. „Wo kommst du denn her?",
„Ich war in der Nähe", antwortete die Weißhaarige. "Ich war nach der Schule noch bei der Badminton-AG, deshalb bin ich später erst gegangen.",
"Achso..." Yurai ließ die Beine baumeln.
"... Hast du.. an etwas gedacht, als du dieses Lied gesungen hast?" fragte Yuki.
"Hm? Warum?" Yurai hob die Augenbrauen.
"Naja... am Ende... klang es so, als hättest du fast geweint. Ich kann mich auch täuschen, aber das kam mir so vor...",
"Heh... du bist scharfsinnnig." Yurais Lächeln verschwand . Sie hob ihren Blick in die Ferne, zu den silbernen Sternen hinauf und dem Licht, das die Straßen von Starfell beleuchtete. "Ich habe an IHN gedacht.",
"Wen?",
"Meinen besten Freund... Wir sind so eng zusammengewachsen, als wären wir Geschwister.", "Ich verstehe... und warum? Bist du traurig? Ist er tot?" Yurai schwieg einen Moment. "Nein... er ist nicht tot", sagte sie dann. "Er ist irgendwo da draußen. Vielleicht sieht er im Moment genau dieselben Sterne wie wir. Ich weiß, dass er immer noch da ist... aber er ist weiter weg als jemals zuvor." Sie seufzte.
"Von wem sprichst du? Wenn es dir nichts ausmacht, wenn ich frage... Du musst nicht mit mir darüber reden, wenn es weh tut." Yurai schüttelte den Kopf. "... ich verurteile dich nicht dafür, neugierig zu sein. Es ist keine Sünde... wissen zu wollen, was andere traurig macht..." Yurai schloss die Augen. "Sein Name ist Assaku", erklärte sie. "Weißt du... meine Vergangenheit ist keine, an die ich gerne zurückdenke... Ich wurde als Kind einer abergläubischen Familie geboren und ich war die einzige mit schwarzen Haaren. Mein Vater hielt an dem Glauben fest, dass schwarzhaarige Kinder der ganzen Familie Unglück bringen würden.",
Was? Wer kommt auf sowas?",
"... Menschen sind manchmal seltsam, daran besteht kein Zweifel... Wie auch immer... mein Vater hat mich geschlagen, wann immer er konnte und hätte mich fast verhungern lassen. Er gab mir so wenig Essen wie möglich. Genug, um mich am Leben zu erhalten. Aber mir ging es echt mies... Eines Tages, als er mich mal wieder verprügelt hat, habe ich mich verändert.",
"Du bist ein Dämon geworden...", vermutete Yuki. Yurai nickte. "Ja... ich war so verängstigt und verzweifelt, dass ich mich in einen Dämon verwandelt habe. Meine Angst hat das Glas des Zimmers, in dem wir uns befunden hatten, zerbersten lassen und die Glasscherben flogen scheinbar ohne Grund auf meinen Vater zu... Die Wunden, die ihm zugefügt wurden, waren sehr tief. E ... hat nicht überlebt.",
"Also, du hast ihn versehentlich getötet."
Yurai nickte wieder. "Ja... Dieser Vorfall hat meiner Mutter bestätigt, dass ich ein "verfluchtes Kind" bin. Sie hat mich am Arm gepackt und aus dem Haus gezerrt. Es war bitterkalt draußen und ich war kaum angezogen... Sie schloss die Tür ab und ließ mich in der rauen Winternacht zurück.",
"Wie grausam..."
Yurai öffnete wieder die Augen. "Ich habe gefroren. Meine Kleidung hat mich nicht vor Kälte geschützt... Ich wäre gestorben, wenn Assaku mich nicht gefunden hätte.",
"Er hat dich zufällig gefunden?",
"Ja." Yurai nickte. "Ich war damals sieben oder acht Jahre alt... Unser Haus hatte einen kleinen Garten und ich blieb an der Haustür und fror. Assaku ging die Straße herunter, als er mich gesehen hat... Lieb wie er war hat er mir seine Jacke gegeben... Deshalb fror ich nicht mehr. Ich erinnere mich noch an diesen Tag... Ich fühlte mich glücklicher als nie zuvor. Als Assaku die blauen Flecken und Spuren des Missbrauchs bemerkte, die ich an meinem Körper hatte, wurde er ziemlich wütend... Er lebte schon eine ganze Weile alleine und bot mir an, mit ihm zu kommen.",
"Er hat das wirklich getan?",
"Ja..." Yurai musste lächeln. "Assakus Vergangenheit war noch grausamer als meine. Er hat mir einmal erzählt, dass er als Kind an Schizophrenie litt. Seine Mutter hat ihn dann in die Psychiatrie von Oakmoore geschickt.",
"Die ist inzwischen verlassen", murmelte Yuki. "Ich war sehr klein, als das in der Zeitung stand... Alle Leute dort sind gestorben, richtig? Sie wurden ermordet." Yurai nickte. "Ja... Das hat Assaku getan. Er hatte nicht vor, das zu tun, aber er... ist durchgedreht." Yurai faltete die Hände. "... Einer der Therapeuten dort hat sein Vertrauen ganz leicht gewonnen. Er war freundlich und nett und er schien wirklich vertrauenswürdig zu sein. Aber er hat Assaku gefoltert.",
"WAS?!",
"Ja ... er hat ihm Elektroschocks gegeben, um seine Halluzinationen zu unterdrücken. Aber... es hat nie geholfen. Also musste Assaku das immer wieder durchmachen, isoliert von seiner Mutter. Er hatte Angst und er war verzweifelt... Er verwandelte sich ziemlich schnell in einen Dämon und... ist Amok gelaufen. Er hat alle getötet und ist weggelaufen... Assaku hat die Fähigkeit, Blut zu kontrollieren. Sie ist ausgebrochen, als er aufgrund dessen, was passiert ist, ein Psychopath wurde... Vertrauen ist wie Papier. Wenn es einmal zerknüllt wurde, kann man es nicht mehr glatt streichen... "Yurai seufzte noch einmal. "Das Lied, das ich gerade gesungen habe... war sein Lieblingslied. Er hat es immer für mich gesungen, damit ich ruhig schlafen konnte... Er sagte, es hätte ihm in dunklen Tagen immer Hoffnung gegeben. Jetzt, wo er weg ist... gibt es so viel, was sich verändert hat.",
"Warum ist er gegangen?" fragte Yuki. Yurai sah sie an und Traurigkeit war deutlich in ihren Augen zu sehen. "... Schmerz verändert Menschen. Die traurige Wahrheit ist schließlich... wir vermissen alle jemanden. Und sie vermissen uns nicht zurück... weil sie tot sind oder sich verändert haben."
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