Kapitel 1- Willkommen in der Hölle
Wie stellt man sich eine Musterschülerin vor? Macht eine Musterschülerin immer ihre Hausaufgaben wie ein gutes Mädchen, lernt für Tests, nimmt in der Schule genügend Essen mit und passt im Unterricht auf? Dann war das genau das Gegenteil von dem, was Shirayuki Hana, oder kurz Yuki, war. Sie war völlig verpeilt, vergaß regelmäßig irgendwo ihren Kopf, erinnerte sich an nur die Hälfte der Hausaufgaben, die ihr aufgegeben wurden und überhörte ihren Wecker viel zu oft - Dieses ihrer Meinung nach verfluchte Objekt hatte sie bereits einmal (natürlich aus Versehen) aus dem Fenster geworfen. Sie war eine extrem chaotische Person auf dem Meisterrang, fand nie ihre Arbeitsblätter oder, wenn sie es tat, dann ers einige Tage später - völlig zerknittert und zerrissen irgendwo in den unendlichen Tiefen ihrer Schultasche. Obwohl sie länger schlief, als sie es wahrscheinlich sollte, litt sie dauerhaft unter Schlafmangel und schlief in Geschichte and Mathe ein. Ihre beste Freundin Hiko und sie hatten viel gemeinsam. Die beiden kannten sich schon sehr lange, seit dem sie in der Grundschule waren. Sie lernten sich in der dritten Klasse kennen, als Hiko mit ihrer Familie aus Solaris nach Starfell gezogen war. Sie liebten es beide, Anime zu schauen oder Manga zu lesen. Außerdem mussten sie sich zusammenreißen, damit sie nicht kotzen mussten, wenn jemand in der Klasse über Liebe sprach. Glücklicherweise hatten ihre besten Freunde in der Klasse 10-A andere Prioritäten (Videospiele, um genau zu sein). Das Wichtigste war, dass Yuki sich nie in ein Kleidungsgeschäft schleppen ließ. Nur über ihre Leiche. Und nur, wenn ihr Sarg mitgenommen wurde. Hinter der Fassade eines wilden, frechen jungen Mädchens verbarg sich jedoch eine traurige Geschichte. Yukis und Hikos Eltern wurden bei einem Terroranschlag in einem Restaurant getötet, als sie beide zwölf Jahre alt und erst in der siebten Klasse der Starfell-Akademie waren. Von da an mussten sie sich der Welt ganz allein stellen. Es gab eine Sache auf dieser Welt, die Yuki ständig traurig machte, und das war der Ursprung ihres vollen Namens. Shirayuki Hana. Er bedeutete "Schneeweiße Blüte" und das war eine schöne Bedeutung, aber ihr Name war eine Fusion der Namen ihrer Eltern, Yukiko Hana und Shiro Aihara. Sie wollte nicht daran erinnert werden, seitdem ihre Eltern gestorben waren. Normalerweise wäre sie in ein Waisenhaus gebracht worden, aber seltsamerweise schien jemand von der Situation zu wissen, in der sie sich befand und spendete jeden Monat Geld. Jeden ersten Montag im Monat befand sich ein Umschlag in ihrem Briefkasten, ohne eine Spur von demjenigen, der ihn geschickt hatte. Sie fand es seltsam, aber sie beschwerte sich nicht. Sie zog es vor, allein mit Hiko an ihrer Seite zu leben als in einem Waisenhaus mit allen möglichen fremden Kindern und anderen Menschen, die eventuelle, nervige Störfaktoren sein könnten. Einsamkeit war keine große Sache. Wenn sie sich einsam fühlte, ging sie zu Hiko oder einem anderen ihrer Freunde. Heutzutage ging sie in die zehnte Klasse der Starfell-Akademie (einer der besten Schulen von ganz Uscea) und war glücklich, dass sie wie jedes andere gewöhnliche Kind und ohne das Mitleid der anderen leben konnte. Sie wollte nicht von ihren Klassenkameraden und Lehrern mit diesem Mist überhäuft werden. Sie hasste es. Es würde sie nirgendwo hinbringen und auch nicht ihre Eltern zurückbringen, also lehnte sie es so gut wie möglich ab, darüber zu reden.
Heute war ein Tag, den sie gerne verschlafen hätte, denn ihr Schultag begann mit Kunst, Mathematik und Physik. Kunst war okay... aber Mathematik und Physik waren die schlechteste Kombination aller Zeiten. Biologie war heute das einzig Angenehme, Geographie, Musik und Geschichte waren verdammt langweilig. Außerdem war das Wetter draußen sehr kühl, regnerisch und windig. Typisches Frühlingswetter. Mehr oder weniger. Nicht, dass der Frühling ihre Lieblingsjahreszeit war; sie hatte keine. Einige von ihnen mochte sie mehr als die anderen. Obwohl sie fand, dass der Herbst eine spezielle Art von Charme hatte. Sie fand es seltsam, dass er so schön war, obwohl alles abstarb.
Heute wachte sie ausnahmsweise mal mit dem Klingeln des Weckers auf. Sie zog sich ihre Schuluniform an, bestehend aus einem weißen Bluse mit aschgrauer Jacke und einem grauen Rock. Sie hasste Röcke. Und sie hasste Kleider. Es gab nur ein Kleid, das sie liebte, und das war das lilafarbene, ärmellose und offene. Aber ihre Schuluniform hatte leider einen Rock, also musste sie ihn trotzdem akzeptieren. Sie stellte sich vor den Spiegel im Badezimmer. Ein Mädchen mit weißen, langen Haaren, blauen Augen und einer bleichen Haut sah ihr entgegen. Yuki kämmte schnell ihre Haare und packte ihre Schultasche, bevor sie zur Bushaltestelle an der Straße ging.
Im Bus konnte sie einen Platz am Fenster ergattern und ihre Tasche neben sich stellen. Sie setzte ihre On-Ear-Kopfhörer auf, steckte sie in ihr Handy und spielte ihre Skillet-Playlist ab. Musik war immer noch die beste Methode, um die Stimmung in Erwartung eines miserablen Tages aufrechtzuerhalten. Sie lehnte sich zurück und blickte aus dem Fenster, während der Bus wegfuhr und die Häuser und Straßen von Starfell an ihr vorbeizogen.
Plötzlich spürte sie ein leichtes Pochen in ihrer Brust. Es wurde stärker, schwoll an, wurde zu einem stechenden und dann zu einem nagendem Schmerz. Die Schmerzen raubten ihr den Atem. Sie krümmte ihre Hand über ihrer Brust; probierte krampfhaft zu atmen, aber sie presste ihre Zähne zusammen, als der Schmerz noch stärker wurde. Sie versuchte, so steif wie ein Gehstock auf ihrem Sitz zu bleiben, aber das machte es noch schlimmer. Sie keuchte... und dann, plötzlich, war es vorbei. Von einem Moment auf den anderen. Yuki hatte das letztes Jahr oft, aber es war weder so regelmäßig noch so intensiv gewesen. Am Anfang war es nur ein leichtes Stechen gewesen, das vielleicht ein- bis zweimal im Monat auftrat. Mittlerweile jedoch waren die Schmerzen auf mehr als das Doppelte an Stärke angestiegen und kamen mindestens einmal in der Woche über sie. Und das auch nicht regelmäßig. Yuki senkte ihre Hand. Sie hatte über die Möglichkeit nachgedacht, dass es eine Art Krankheit sein könnte und hatte die Symptome im Internet nachgeschaut. Sie fand viele verschiedene Arten von Ursachen und die meisten von ihnen wiesen auf eine gefährliche Krankheit hin. Sie hatte allen Grund zur Sorge... Und die Art und Weise, wie der Schmerz mit der Zeit stärker geworden war, erschien ihr so unwirklich, dass sie bereits darüber nachgedacht hatte, zum Arzt zu gehen, aber sie hatte es noch nicht getan.
Als der Bus bei der Schule ankam, stieg Yuki aus und ging durch das offene Tor und über den Schulhof zum Haupteingang der Schule, wo Hiko bereits auf sie wartete. "Ah! Guten Morgen, Schlafmütze!" Sie begrüßte sie mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Ihr langes, blondes Haar fiel ihr zu einem Zopf geflochten über die Schulter. "Also hat der Wecker dich diesmal pünktlich aus dem Bett geholt, was?", "Halt den Mund, Hiko." antwortete Yuki fest. Hiko lachte. "Was ist los, bist du mit dem falschen Fuß aus dem Bett gestiegen oder so?", "Mir geht es gut." antwortete Yuki. "Ich bin einfach nicht wirklich... voller Enthusiasmus wegen Mathe.", "Ah, das ist der Grund, warum du ein Gesicht ziehst, als ob du in eine Zitrone gebissen hättest.", "Ich hasse Mathe.", "Was du nicht sagst." Hiko drehte sich um. "Komm schon, wir haben erst Kunst, also kannst du dich später beschweren und meckern."
Sie gingen durch das Erdgeschoss die Treppe hinauf in den ersten Stock, wo sich die Kunsträume befanden. "Du wirst den ganzen Tag deine Freude haben, denke ich", sagte Hiko. "Mathematik, Physik, Geschichte, Geographie...", "Ja, absolut", kommentierte Yuki sarkastisch und setzte sich auf ihren Platz an der Fensterseite des Raumes. "Ich weiß, Montag ist dein Lieblingstag, Süße." Hiko setzte sich neben sie. "Naja... Freitag ist schlimmer. Wir haben alle Sprachen an einem Tag... und Mathematik..." seufzte Yuki. "Ich bin wenigstens dankbar, dass wir an keinem Tag eine Mathe-Doppelstunde haben, anders als letztes Jahr in der Neunten. Da war der Donnerstag mein Hasstag." Hiko lachte wieder.
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