Agurith (Teil Sieben)
Etana führte Seiji in eine große Villa, deren Boden mit weichen Teppichen bedeckt war. "Dürfen wir... einfach so hinein platzen?" fragte Seiji unsicher und zupfte nervös an seiner Schuluniform. Etana nickte. "Dürfen wir. Komm schon." Sie stieg eine Treppe hinauf und ging am Geländer entlang zu einer schwarzen Tür, auf der ein Name in Gold geschrieben stand: Lucifer. Seiji war nervös. Etana klopfte an die Tür. Auf der anderen Seite war es still, bis sich die Tür öffnete und Seiji ihn sah. Lucifer. Und er sah kein bisschen so aus, wie er es erwartet hatte. Der Teufel hatte rabenschwarzes, teilweise sehr zerzaustes Haar, ein hübsches Gesicht mit definierten Gesichtszügen und blasser Haut. Sein Gesicht war... wunderschön. Abgesehen von den Narben, die es aufwies, war es sehr hübsch. Seine roten Augen beobachteten Seiji genau. "... Hallo Etana. Ich kann mir vorstellen, warum du hier bist.",
"Das ist Seiji", sagte sie. "Ich habe ihn in der Amaranth Road gefunden.", "Ich verstehe." Lucifer nickte. Für eine kurze Zeit wurden seine Augen glasig, bevor er tief seufzte und seinen Blick etwas besorgt senkte. "Danke, Etana. Gib mir einen Moment allein mit ihm." Etana nickte, drehte sich um und ging weg, und genau in dem Moment traf die Panik Seiji ins Gesicht. Sein Herz begann zu rasen. "Komm rein", sagte Lucifer, drehte sich um und verschwand im Raum. Seiji überlegte, sich umzudrehen und wegzulaufen, aber Lucifer würde es wahrscheinlich nicht gutheißen und würde ihn trotzdem finden, also distanzierte er sich schnell von diesem Gedanken. Stattdessen nickte er leise und betrat zögernd den Raum. Er schloss die Tür und hoffte, keinen Fehler zu machen. Lucifer klappte ein Gerät zu und schob es auf seinen Schreibtisch. Seiji brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass es sich um einen Nintendo DS handelte. Das überraschte ihn. Lucifer spielte auf einem Nintendo?
"Nun..." Der Schwarzhaarige wandte sich an Seiji. "... Depression, huh?" Seiji erstarrte. "W-woher weißt du ...?",
"Ich kontrolliere die Zeit", antwortete Lucifer. "Das erlaubt mir auch, Dinge aus der Vergangenheit zu sehen, wenn ich will. Es ist wie googeln. Ich suche nach bestimmten Dingen in der Vergangenheit, die etwas oder jemanden betreffen, und dann sehe ich sie in Form einer Vision." Er legte den Kopf leicht schief. "Du hast es schwer gehabt... Es tut mir leid, dass dir das passiert ist, Seiji-kun. Es muss wehgetan haben, oder? Die Narben an deinem Körper beweisen das." Seiji zitterte leicht. "...",
"Ich weiß, dass man normalerweise nicht darüber reden will." Lucifer drehte sich zum Fenster um. "Erinnerungen tun manchmal viel mehr weh als Narben." Seiji musterte ihn. Lucifer war anders. Irgendwie. Er schien weder bedrohlich noch böse, weder hasserfüllt noch aggressiv oder wütend. Er schien... normal zu sein. Seiji ballte die Hände zu Fäusten, als er es wagte, etwas zu fragen: "Kann ich den Leuten hier vertrauen...?" Lucifer sah ihn über die Schulter an. "Vertrauen ist subjektiv. Letztendlich liegt es an dir, das zu entscheiden. Du kannst eigentlich jedem auf dieser Erde vertrauen, aber nur wenige sind wirklich vertrauenswürdig. Diejenigen, die Verrat fürchten, haben Verrat gekannt. Wenn du also betrogen wirst, ist das eine Lektion fürs Leben, was auch nicht so schlimm ist, oder?" Seiji dachte einen Moment darüber nach und senkte dann den Kopf. Ein Schatten fiel über sein Gesicht. "... Was weiß ich überhaupt schon von Vertrauen... Ich habe ihn angelogen ... Ich dachte, er würde es nie verstehen... Ich habe ihm nicht vertraut...",
"Verzeihung?",
"Mein bester Freund... ich habe ihm nicht gesagt, was los ist... ich..." Er versuchte verzweifelt, die Tränen zu unterdrücken, die ihren Weg nach unten finden wollten. Er fiel auf die Knie, biss die Zähne zusammen und hielt ein Zittern zurück. "Ich habe ihm nicht... vertraut...! Ich habe ihm nicht gesagt, dass ich auf Selbstmordrisiko bin...!!" Lucifer schien nun zu wissen, wovon er sprach. Er drehte sich jetzt vollständig zu ihm um und war für einen Moment still. Vor Seijis Knien tropfte etwas auf den Boden. "Also... denkst du, Lügen und Verschweigen sind dasselbe?" Lucifer ging auf Seiji zu und fiel auf ein Knie, um eine von Seijis Händen zu nehmen und sie in beiden zu halten. "Huh...?" Seiji sah ihn an. "Eine Lüge ist etwas, was du sagst. Nicht etwas, das du nicht sagst. Eine Lüge ist ein Akt der Selbstverleugnung, weil man seine Realität der Person übergibt, die man anlügt, diese Person zu seinem Herrn macht und sich von da an selbst dazu verurteilt, die Art von Realität vorzutäuschen, die der Ansicht desjenigen Menschen vorgetäuscht werden muss... Diejenigen, die die Welt anlügen, sind von da an die Sklaven jener Welt. Das Verschweigen der Wahrheit ist jedoch an und für sich nicht dasselbe wie eine Lüge. Es kommt auf den Grund an, warum man sich dazu entscheidet, ein Stück Wahrheit in sich selbst zu verbergen, wenn man versucht, sich durch diese Aktion zu schützen. Es ist zu spät, eine Lüge zurückzunehmen, aber nie zu spät, um die Wahrheit zu enthüllen, die man versteckt hat. Das ist ein entscheidender Unterschied. Jeder hat etwas, von dem er nicht möchte, dass die Welt es weiß, weil er Angst hat, wie die Welt darauf reagieren würde. Es macht keinen Sinn, Leute dafür zu verurteilen. Verschweigen kann jedoch schnell zu einer Lüge werden, wenn das Verbergen der Wahrheit, der Person, vor der man sie versteckt, Schaden zufügen kann, oder besser gesagt, wenn man ihm diese Information schuldet, es ist einfach nicht von Grund auf dasselbe. In deinem Fall ist es keine Lüge. Es ist wahr, Lügen sind manchmal moralisch und Verschweigen manchmal nicht... Es hängt schließlich wirklich von den Umständen ab. Glaub mir, ich kenne dieses Gefühl, wenn du jemandem sagen willst, was los ist, aber es nicht kannst, weil es zu schmerzhaft ist, sich der Möglichkeit zu stellen, dass sie sich von die abwenden würden. Ich bin der letzte, der dich dafür verurteilt. Im Leben dreht sich alles um Entscheidungen und Fehler, niemand hier ist wirklich eine Ausnahme. Weine nicht... das ist nicht nötig.",
"Lucifer..." Seiji wischte sich mit seiner freien Hand über sein Gesicht und suchte nach Halt, indem er sich an Lucifers Fingern festhielt. "Warum bist du so nett zu mir...? Wir kennen uns kaum...",
"... ich habe viel Mitgefühl für gebrochene Menschen", sagte Lucifer und lächelte leicht. "Sagen wir einfach, ich mag es nicht, wenn Menschen in einer Ecke ihres Zimmer sitzen, sich die Augen aus dem Kopf weinen und merken, dass niemand weiß, wie unglücklich sie sind. Ich finde das nicht gut. Ich möchte nicht, dass die Leute weinen und wissen, dass es niemanden interessiert. Denn wenn sie weinen... hat das immer einen bestimmten Grund. Weinen ist trotz aller Widrigkeiten kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Zeichen davon, dass man ein Herz hat. Du bist nicht stark, weil du deine Tränen zurückhalten, lächeln und alles einsperren kannst, sondern du bist stark, wenn du weinst, dann deine Tränen weg wischst und weiter machst, als ob nichts passiert wäre. Es ist so als würde man in einem Kampf eine reingedonnert bekommen. Es tut weh und du gehst zu Boden, aber du stehst wieder auf und versuchst es noch einmal. Du musst nur lernen, was seine Tränen wert ist und was nicht. Es ist zu früh, um zu weinen... noch ist nichts verloren." Seiji sah Lucifer ins Gesicht. Und genau hier und jetzt wusste er, dass dieser Typ, egal was passiert, gut war. Er kümmerte sich nicht um die Mythen, Legenden und Geschichten, die über ihn geschrieben oder erzählt wurden, sie alle waren eine Lüge. „Bist du stark genug, um aufzustehen?", fragte Lucifer. Seiji atmete tief ein und nickte, bevor Lucifer ihn wieder auf die Füße zog. „Hebe deinen Kopf, Seiji. Es ist nicht zu spät, um von vorne zu beginnen. Wirf dein Leben nicht weg, es hat noch nicht wirklich begonnen... Ich verspreche dir, ich werde mein Bestes geben, damit du dich besser fühlst. Okay?" Seiji sah ihn an und lächelte leicht. "Danke, Mr. Lu- ",
"Würdest du wohl bitte diesen Mr-Mist lassen? Nenn mich einfach Lucifer." Lucy schüttelte den Kopf. "Du brauchst dich übrigens nicht zu bedanken. Ich mache es gerne." Er klopfte auf Seijis Schulter. "Du lächelst. Das ist schon ein großartiger Anfang und ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, junger Mann." Seiji wurde rot und sah weg. "...Oh, äh...j-ja... richtig... "
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