𝟬𝟴 | 𝘋𝘦𝘮𝘰𝘯𝘴
BLCKBIRD - DEMONS
𝓓𝓮𝓶𝓸𝓷𝓼
OKTOBER - 2010
𝓕𝓪𝓻𝓶𝓱𝓸𝓾𝓼𝓮,
𝓢𝓸𝓶𝓮𝔀𝓱𝓮𝓻𝓮 𝓲𝓷 𝓚𝓮𝓷𝓽𝓾𝓬𝓴𝔂
Der Himmel färbte sich zartrosa, als sich die Gäste im weitläufigen Garten des Hofes versammelten. Frank stand bereits am Grill und hantierte mit routinierter Lässigkeit am Rost.
Die beginnende Dämmerung tauchte den Garten in ein warmes, goldenes Licht. Die kleinen Laternen, die überall aufgestellt waren, funkelten wie Glühwürmchen und verstärkten die gemütliche Atmosphäre.
Joe beobachtete Frank kritisch. Seine Augen verfolgten jede Bewegung, jeden Handgriff, als ob er Franks Fähigkeiten am Grill unter die Lupe nehmen wollte.
Frank spürte Joes Anspannung und ein leichtes Zucken seiner Mundwinkel verriet seinen Unmut. Trotzdem blieb er ruhig und konzentrierte sich weiter auf die Zubereitung.
Mit vereinten Kräften hatten die anderen eine improvisierte Sitzgelegenheit in Form eines Kreises geschaffen.
Gartenstühle, Kissen und Decken wurden zusammengetragen und bildeten nun einen gemütlichen Platz zum Beisammensein.
Chester ließ sich in einem bequemen Gartenstuhl nieder und schloss für einen Moment die Augen. Ein zufriedenes Lächeln huschte über sein Gesicht. Die Anspannung des Tages fiel von ihm ab und er fühlte sich völlig entspannt.
Chester starrte Jack an, der etwas abseits saß und tief an seiner Zigarette zog. Die Glut der Zigarette glühte auf und warf einen rötlichen Schimmer auf Jacks Gesicht. Seine Augen waren glasig und sein Blick wirkte leer, als wäre er mit seinen Gedanken ganz woanders.
Seit dem Vorfall im Wohnzimmer wirkte Jack seltsam distanziert. Er sprach kaum und mied den Kontakt zu den anderen.
Chester spürte, dass etwas nicht stimmte, und das beunruhigte ihn. Jack hatte noch nie geraucht und die Zigarette in seiner Hand wirkte wie ein Fremdkörper.
Er war froh, dass er selbst schon vor Jahren mit dem Rauchen aufgehört hatte. Er erinnerte sich noch gut an das Gefühl der Abhängigkeit und die Angst vor den gesundheitlichen Folgen.
Er war stolz darauf, sich von dieser Gewohnheit befreit zu haben.
Als er die Rauchschwaden beobachtete, die um Jack herum aufstiegen, wurde er unruhig.
Was, wenn Jacks seltsames Verhalten etwas mit seiner Vergangenheit zu tun hatte?
Er beschloss, später mit Jack zu sprechen und ihm seine Unterstützung anzubieten.
Der Duft von gegrilltem Fleisch und frischem Brot lag in der Luft und vermischte sich mit dem leisen Rauschen der Bäume. Die Stimmung war ausgelassen und die Zeit verging wie im Flug.
Doch langsam machte sich Müdigkeit breit. Die Gäste sehnten sich nach einem gemütlichen Bett und einer erholsamen Nacht.
Unter fröhlichem Gewusel wurden die Sachen zusammengepackt. Teller stapelten sich, Gläser klirrten, Kissen und Decken wurden weggeräumt.
Chester war etwas enttäuscht, als er bemerkte, dass Jack sich bereits ins Haus zurückgezogen hatte. Er hatte gehofft, noch eine Gelegenheit zu finden, mit ihm allein zu sprechen und die offenen Fragen aus dem Wohnzimmer anzusprechen.
Mit einem Seufzer des Bedauerns packte Chester seine letzten Sachen zusammen. Die Zeit schien ihm davonzulaufen und er würde bis zum nächsten Tag warten müssen, um das Gespräch mit Jack fortzusetzen.
Die Fragen und Gedanken schwirrten ihm im Kopf herum und er hoffte, dass Jack am nächsten Tag bereit sein würde, darüber zu sprechen.
Jimmy führte sie durch das Haus zu einem geräumigen Gästezimmer. Das Zimmer war mit einem bequemen Doppelbett und einer ausziehbaren Couch ausgestattet.
Kaum hatte Jimmy das Zimmer verlassen, begann der Kampf um die Schlafplätze. Um die Entscheidung herbeizuführen, spielten sie eine Runde Schnick-Schnack-Schnuck.
Die Spannung war greifbar, als ihre Hände durch die Luft wirbelten, jeder fest entschlossen, den Sieg zu erringen.
Rob war der Schnellste und rief triumphierend "Schnick-Schnack", noch bevor die anderen reagieren konnten. Blitzschnell sprang er auf das begehrteste Bett und ließ sich mit einem zufriedenen Grinsen darauf nieder.
Chester, immer der Clevere, nutzte die Gunst der Stunde und kuschelte sich kurzerhand neben ihn, die Arme lässig hinter dem Kopf verschränkt.
„Hey, was soll das?", protestierte Joe empört. Brad, der leer ausgegangen war, warf ihm einen mitleidigen Blick zu. „Ihr habt einfach zu lange gebraucht", erklärte er mit gespielter Entrüstung.
Chester konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen, als er den kleinen Kampf amüsiert beobachtete.
Joe hingegen blickte mit wachsender Verzweiflung zwischen Chester und Rob hin und her. „Aber ich will nicht mit dem da auf der Couch schlafen!", rief er verzweifelt und zeigte mit dem Finger anklagend auf Brad.
„Ach, Quatsch", brummte dieser mürrisch. „Du hast Glück, dass du überhaupt-"
In diesem Moment klopfte es an der Tür. Dave öffnete und Frank kam herein, lässig eine Pritsche unter dem Arm. „Hier", sagte er und warf das Bett achtlos in die Mitte des Zimmers. „Mehr Platz haben wir leider nicht."
Joe betrachtete das Feldbett mit gemischten Gefühlen. Immerhin war es besser als die unbequeme Couch, aber auch eng und spartanisch.
Dave warf Brad einen kurzen Blick zu, der immer noch etwas mürrisch dreinblickte. „Wir können uns das Sofa teilen", schlug er vor. „So wie früher auf dem College." Brad nickte mürrisch und Joe fügte sich in sein Schicksal.
Erschöpft von den Ereignissen der letzten Tage und mit schweren Gliedern fiel Chester ins Bett. Doch der Schlaf wollte sich nicht einstellen.
Seine Gedanken kreisten wie ein Sturm in seinem Kopf und die Bilder der vergangenen Tage flimmerten immer wieder vor seinen Augen.
Mit einem tiefen Seufzer und einem Gefühl der Resignation erhob er sich schließlich und schlich leise durch den dunklen Flur in Richtung Badezimmer. Die kalte Luft im Flur strich über seine Haut und ließ ihn frösteln.
Im Badezimmer angekommen, trat er vor den Spiegel und betrachtete sein Gesicht. Um seine Augen lagen tiefe Schatten, seine Haut war blass und fahl. Er fühlte sich wie ein Schatten seiner selbst.
Auf dem Rückweg zu seinem Zimmer bemerkte er, dass unter der Tür eines der Zimmer noch Licht durchschien. Neugierig blieb er stehen und lauschte. Aus seinem Inneren drangen gedämpfte Stimmen, aber er konnte nicht genau erkennen, wer es war und worüber sie sprachen.
Die Unsicherheit nagte an Chester. Sollte er anklopfen und fragen, ob alles in Ordnung sei? Oder sollte er die Privatsphäre der anderen respektieren und weitergehen?
Neugier und Sorge stritten in ihm. Schließlich fasste er sich ein Herz und öffnete die Tür einen Spalt breit, um einen Blick in den Raum zu werfen.
Leise schlich er hinein, darauf bedacht, die Person nicht zu stören. Er sah jemanden mit dem Rücken zu ihm auf dem Bett sitzen, den Kopf in den Händen vergraben.
Ein beunruhigender Stich durchfuhr Chester, als er seinen Freund Jack erkannte. Jacks Schultern zitterten und ein leises Schluchzen war zu hören. Chesters Herz wurde schwer bei dem Anblick.
Vorsichtig näherte er sich Jack und legte ihm behutsam eine Hand auf die Schulter. „Jack", flüsterte er leise. „Es ist alles in Ordnung. Ich bin hier."
Jack zögerte einen Moment, dann drehte er sich langsam zu Chester um. Seine Augen waren gerötet und sein Gesicht von Tränen gezeichnet.
„Nein", antwortete er mit brüchiger Stimme und senkte wieder den Kopf. „Es ist nicht in Ordnung." Sein Tonfall war voller Schmerz und Verzweiflung.
Chester spürte, wie sehr Jack ihn in diesem Moment brauchte. Behutsam legte er den Arm um seinen Freund und zog ihn an sich. „Willst du darüber reden?", fragte er leise und mitfühlend.
Jack nickte leicht und lehnte sich an Chesters Schulter. In diesem Moment der Nähe und des Vertrauens empfand er Trost und Geborgenheit.
„Was hat dich vorhin so aufgewühlt?", fragte Chester sanft, bereit, Jack zuzuhören und ihm Hilfe anzubieten. Der Anblick seines Freundes, so bedrückt und voller Schmerz, berührte ihn tief.
Jack schniefte leise und wischte sich die Tränen aus den Augen. „Meinst du, ich war vorhin so abwesend?", fragte er zögernd, als wüsste er nicht, ob er seine Gefühle offenbaren sollte.
Chester nickte verständnisvoll und wartete geduldig auf eine Antwort. Dann stellte Jack eine Frage, die ihn aufhorchen ließ und tiefe Besorgnis in ihm auslöste.
„Hast du öfter solche Ohnmachtsanfälle?", fragte er mit besorgtem Unterton.
Chester seufzte tief und nickte traurig. „In letzter Zeit ja, leider", gestand er offen. „Diese Ohnmachtsanfälle werden immer häufiger und in solchen Momenten fühle ich mich völlig hilflos und ausgeliefert."
Er zögerte einen Moment und biss sich nervös auf die Lippe, bevor er weiterdachte.Ich sehne mich danach, dass dieser Zustand endlich aufhört und ich wieder die Kontrolle über meinen Körper bekomme."
Jacks Schluchzen verstummte und er starrte Chester mit intensiven Augen an, in denen sich tiefes Mitgefühl und Verständnis ausdrückten.
„Am liebsten würde ich einfach weglaufen", flüsterte Chester mit einem beklemmenden Gefühl in der Brust, „einfach immer weiter, bis ich niemanden mehr sehe und alles hinter mir lassen kann..."
Für einen Moment hing eine drückende Stille zwischen ihnen im Raum, die Luft war schwer und bedrückend.
Mit einem tiefen Seufzer durchbrach Jack das Schweigen. „Ich weiß genau, wovon du sprichst", gestand er.
Chester sah ihn überrascht an. „Auch ich kenne diese quälenden Anfälle nur zu gut. Die lähmende Starre, das Gefühl, innerlich zerrissen zu sein, die Alpträume, die mich nachts heimsuchen...".
Chester nickte zustimmend, aber seine Miene verfinsterte sich. In letzter Zeit häuften sich die Anfälle, kamen immer unerwarteter und ließen ihn völlig erschöpft zurück.
Plötzlich durchzuckte ihn ein Gedanke, und er schluckte schwer.
Seit dem Unfall. Seit Mike weg war.
Wie ein Blitz traf ihn die Erkenntnis: Der Unfall seines Freundes hatte ihn viel tiefer getroffen, als er zunächst zugeben wollte.
War es die Angst vor dem Verlust, die ihn in diese Panikattacken trieb? Oder war es ein viel tiefer liegendes Trauma, das durch Mikes Schicksal an die Oberfläche gespült wurde? Fragen, die ihn umtrieben und nach Antworten verlangten.
Plötzlich, wie ausgelöst durch eine unsichtbare Hand, schossen Erinnerungen an das letzte Konzert durch Chesters Kopf. Tränen brannten in seinen Augen, als er Mike vor seinem inneren Auge sah, regungslos auf der Bühne liegend, sein Gesicht fahl, die Gitarre blutverschmiert.
Die Ohnmacht, die ihn in diesem Moment gepackt hatte, war allumfassend. Ein eisernes Band zog sich um seine Brust, das ihm die Luft abschnürte. Er hatte sich verantwortlich gefühlt, hilflos, als hätte er seinen Freund retten können.
Der Gedanke an das, was hätte sein können, lastete schwer auf seinem Herzen.
„Hast du diese Panikattacken seit Mikes Unfall?", fragte Jack mit einfühlsamer Stimme. Seine Stimme klang besorgt.
Chester nickte heftig, Tränen liefen ihm leise über die Wangen. „Ja, so scheint es", gestand er mit brüchiger, schmerzerfüllter Stimme. „Ich kann es nicht genau erklären, aber seitdem ist es immer schlimmer geworden."
Er fühlte eine Mischung aus Erleichterung und Traurigkeit, als er endlich darüber sprach. Es war eine schwere Last, die er wochenlang mit sich herumgetragen hatte. Ein dunkles Geheimnis, das ihn innerlich aufgefressen hatte.
Er hatte sich nie wirklich geöffnet und stattdessen seine Freunde oft angeschrien, wenn ihn die Angstattacken überkamen, aus Angst, sie würden ihn nicht verstehen.
Jack richtete sich auf und schaute ihm mit ernsten, aber mitfühlenden Augen in die Augen. „Ich verstehe genau, was du durchmachst", sagte er mit ruhiger Stimme.
„Erinnerst du dich noch an meine Panikattacken damals in der Schule?" Sein Blick wanderte suchend zu Chester, der ihn mit einem nachdenklichen Ausdruck betrachtete.
„Ja, ich erinnere mich gut daran", antwortete Chester nachdenklich.
„Deine vor Angst geweiteten Augen haben sich tief in mein Gedächtnis eingebrannt. Ich konnte die Intensität deiner Panik förmlich spüren, als würde sie dich innerlich zerreißen."
Jack seufzte tief und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Es war eine schreckliche Zeit für mich", gestand er leise. „Ich fühlte mich so hilflos und verloren, als würde mich die Angst erdrücken. Die Welt um mich herum verschwamm und ich hatte das Gefühl, jeden Moment in Ohnmacht zu fallen."
Mit einem tiefen Atemzug, der seinen Körper leicht zittern ließ, biss sich Jack auf die Lippen. „Ich habe es dir noch nie erzählt, aber ich trage seit Jahren die Last einer posttraumatischen Belastungsstörung mit mir herum", gestand er leise. „Ausgelöst durch einen schrecklichen Vorfall, der mein Leben für immer verändert hat."
Chester war sichtlich überrascht. Er hatte keine Ahnung, dass sein Freund mit so tiefen emotionalen Narben zu kämpfen hatte. Mitfühlend betrachtete er Jack, in dessen Augen sich tiefer Schmerz spiegelte.
„Ich nenne ihn meinen 'inneren Dämon'", fuhr Jack mit kaum hörbarer Stimme fort. „Ein Teil von mir, der mit den quälenden Erinnerungen und dem Schmerz zurechtkommen muss. Ich glaube, jeder von uns trägt einen solchen Dämon in sich, auch du, Chaz."
Chesters Gedanken wirbelten durcheinander. Nie zuvor hatte er darüber nachgedacht, dass auch er seinen eigenen inneren Kampf ausfocht.
Plötzlich spürte er eine Welle der Einsicht in sich aufsteigen. Es war eine Erkenntnis, die ihn einerseits nachdenklich stimmte, andererseits aber auch eine tiefe Verbindung zu Jack schuf.
Dämonen nannte er sie. Der Verräter.
Sein damals bester Freund.
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