𝟬𝟯 | 𝘓𝘰𝘴𝘵
BLCKBIRD - DEMONS
𝓛𝓸𝓼𝓽
OKTOBER - 2010
𝓝𝓸𝔀𝓱𝓮𝓻𝓮
Die Sonne drang durch die zerbrochenen Fenster des Flugzeugwracks und tauchte das Innere in gleißendes Licht. Die Luft war stickig und roch nach Rauch.
Die fünf Jungs saßen noch immer regungslos auf dem Boden des Wracks, zum Teil in den zerfetzten Sitzen, und starrten sich mit leeren Blicken an.
Sie hatten überlebt. Aber was war passiert? Warum stürzte das Flugzeug ab? Und wo waren sie jetzt?
Dave erwachte als Erster aus seiner Starre. Langsam erhob er sich und schüttelte den Staub von seiner Kleidung. „Wir müssen hier raus, Jungs", sagte er entschlossen. „Wir müssen unsere Sachen holen und Hilfe holen."
Entschlossen kletterte er auf einen der zerfetzten Sitze, um in den Gepäckraum zu gelangen. Als er die Heckklappe öffnete, hüllte ihn eine dicke Staubwolke ein und er musste husten.
„Alles scheint in Ordnung zu sein", verkündete er schließlich und ein müdes Lächeln huschte über sein Gesicht. „Gott sei Dank!", rief Joe und riss die Arme in die Höhe. Erleichterung machte sich unter den Jungs breit.
„Okay, worauf wartet ihr noch?", ermunterte Chester sie und sprang ebenfalls auf.
Zustimmendes Nicken der anderen Jungs. Dave war schon mit seinem Koffer vom Sitz gesprungen, während Rob hektisch nach seinem suchte.
Joe trug als einziger einen winzigen Rucksack, der ihm kaum über den Rücken ragte, den er sich aber lässig über die Schulter geworfen hatte.
Vorsichtig kletterte Brad auf einen der Sitze, um an seine Tasche zu kommen. Sein Arm schmerzte noch von dem Sturz. Mit schmerzverzerrtem Gesicht zog er den Koffer aus den Trümmern und ließ ihn neben die anderen fallen.
Aus den Augenwinkeln beobachtete Brad, wie Chester sich abmühte, um an seine Tasche im Gepäckraum zu gelangen.
Chesters Körpergröße stand in krassem Gegensatz zur Höhe des Raumes, was Brad ein schelmisches Grinsen entlockte.
„Soll ich dir helfen, Bennington?", rief er mit spöttischem Unterton.
Frustration stand Chester ins Gesicht geschrieben, als er sich zu Brad umdrehte. „Nein, ich brauche keine Hilfe! Es wäre nur einfacher, wenn der blöde Gepäckraum nicht so hoch wäre", schimpfte er und wandte sich ab.
Amüsiert beobachtete Brad Chesters vergebliche Versuche, bis Dave ihn ärgerlich anstupste. „Hilf ihm doch!", rief er und deutete auf Chester, der halb im Gepäckraum zu verschwinden drohte.
„Warum?", erwiderte Brad mit gespielt unschuldigem Lächeln. „Er scheint doch klar zukommen!"
Daves verärgerter Blick ließ keinen Zweifel daran, was er von Brads Verhalten hielt. Seufzend fügte sich Brad in sein Schicksal. „Na gut, meinetwegen."
Er wandte sich wieder Chester zu, der erschöpft auf einem Sitz stand und die Hände in die Hüften gestemmt hatte. Anspannung stand auf seinem Gesicht.
„Soll ich dir wirklich nicht helfen?", fragte Brad und griff mit lässiger Leichtigkeit nach Chesters Tasche, die er im Handumdrehen hervorzog.
Dieser starrte ihn verblüfft an. „Gott sei Dank bist du groß...", murmelte er und riss Brad die Tasche aus der Hand.
„Danke", murmelte Chester und hielt die Tasche fest umklammert. „Aber ich hätte es auch alleine geschafft."
„Mag sein, aber es hätte länger gedauert", erwiderte Brad. „Und wir haben keine Zeit zu verlieren."
Chester seufzte. „Du hast recht", sagte er. „Lass uns gehen."
Nachdem die Koffer gepackt waren, herrschte betretenes Schweigen. Ratlosigkeit lag in der Luft. Wohin sollten sie jetzt gehen?
„Wir gehen einfach in eine Richtung und hoffen, dass wir jemanden finden", schlug Dave schließlich vor. Ein zaghaftes Nicken war die einzige Antwort.
Eine karge Einöde breitete sich vor ihnen aus, öde Felder und dichte Wälder. Das Gras auf den Feldern war hoch und stachelig, die Bäume trugen braune, welke Blätter.
Die Straßen waren übersät mit tiefen Schlaglöchern und Rissen, voller Staub und scharfkantigen Steinen.
Die wenigen Wegweiser, an denen sie vorbeikamen, waren verblichen oder von Vandalen zerstört, die Buchstaben kaum noch zu entziffern.
Die sengende Hitze machte ihnen zu schaffen. Sie waren orientierungslos, ohne Erinnerung daran, wie sie hierher gekommen waren. Ein Gefühl der Gefangenschaft in der endlosen Einöde machte sich breit.
Joes Versuche, die Stimmung mit kindischen Spielen oder Anekdoten aus seinem Leben zu heben, scheiterten kläglich. Seine Scherze und Monologe führten immer wieder zu Streitereien zwischen den Jungs.
Chester folgte ihnen, aber sein Geist war woanders. Abgetrennt, wie in Trance, in seine eigenen Gedanken versunken, nahm er kaum wahr, was seine Freunde um ihn herum sagten.
Vergeblich versuchte er, sich auf ihre Worte zu konzentrieren, doch die Hitze und die Anstrengung der Wanderung zehrten an seinen Kräften. Müdigkeit machte sich breit und wichtige Informationen und Fragen versickerten ungehört in seinem Bewusstseinsstrom.
Nach endlosen Stunden erreichten sie endlich den Rand eines Waldes. Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel, die Luft war schwül und stickig. Staub klebte an Kleidung und Haut, ihre Gesichter waren von der Hitze gerötet.
Erschöpft und hungrig suchten sie ein schattiges Plätzchen, um ihre müden Körper auszuruhen. Knurrende Mägen und schmerzende Beine verlangten nach einer Pause.
„Ich muss mal", stöhnte Joe und ging unruhig hin und her.
„Dann geh doch!", blaffte Brad gereizt.
Joes Augenbrauen hoben sich erstaunt. „Was ist dein Problem?", fragte er mit angespannter Stimme.
„Mein Problem?", entgegnete Brad und wandte den Blick ab. „Du kannst doch nicht mitten im Wald ..."
„Warum nicht?", unterbrach Joe ihn. „Es ist niemand hier."
„Na ja, vielleicht kommt noch jemand", murmelte Brad. „Außerdem ist es unhöflich."
Joe seufzte resigniert. „Na gut", sagte er und wandte sich ab. „Dann gehe ich eben ein paar Schritte weiter."
Wortlos verließ er die Gruppe und suchte sich ein abgelegenes Gebüsch, um seine Notdurft zu verrichten.
Während Dave die Umgebung nach einem Hinweis absuchte, döste Brad unter einem Baum. Seine erschöpfte Gestalt kauerte unter dem Blätterdach, sein Atem ging schwer und regelmäßig.
Rob hingegen hatte sich in der Nähe eines umgestürzten Baumes niedergelassen. Mit gesenktem Kopf und geschlossenen Augen hing er seinen Gedanken nach.
Joe kehrte kurze Zeit später von seinem Business zurück und ließ sich mit einem tiefen Seufzer neben Brad fallen. Auch er schloss die Augen und versuchte, die sengende Sonne von seinem Gesicht fernzuhalten.
Ein müder Blick über die Schulter genügte Chester, um die Erschöpfung seiner Freunde zu erkennen. Sie sahen aus wie Zombies, die sich mit letzter Kraft vorwärts schleppten, die Gesichter gezeichnet von Müdigkeit und Hunger.
Er selbst fühlte sich wie ein Schatten seiner selbst. Seine Beine trugen ihn kaum noch, sein Kopf hämmerte und sein Magen knurrte unaufhörlich.
Mit letzter Kraft raffte er sich auf und ging auf Dave zu. „Hast du etwas gefunden?", fragte er mit brüchiger Stimme.
Dave schüttelte den Kopf, die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Nichts. Das Gelände ist einfach zu unwegsam, ich komme kaum voran."
Chester seufzte tief. Ratlosigkeit spiegelte sich in seinen Augen. „Was machen wir jetzt?", fragte er mit brüchiger Stimme.
Dave zögerte. Seine Stirn legte sich in Falten, während er die Situation analysierte. „Ich weiß es nicht", sagte er schließlich. „Vielleicht sollten wir versuchen, weiter zu marschieren. Aber wenn wir so weitermachen, brechen wir bald zusammen."
Chester nickte zustimmend. „Ich denke, wir sollten ein Lager aufschlagen", sagte er mit fester Stimme.
Daves Anspannung löste sich ein wenig. „Ja, du hast recht", sagte er. „Ein paar Stunden Ruhe werden uns gut tun. Dann können wir morgen mit neuer Energie weitermachen.
Chester nickte zustimmend und drehte sich zu seinen Freunden um. Ein müdes Lächeln huschte über sein Gesicht. „Ich denke, wir sollten hier in der Nähe unser Lager aufschlagen", verkündete er mit fester Stimme.
„Wir haben zwar keine Zelte dabei, aber das ist kein Problem. Unter freiem Himmel zu schlafen wäre doch eine willkommene Abwechslung, oder?"
Ein Lächeln breitete sich auf Robs Gesicht aus. „Das klingt gut", sagte er. „Es ist wirklich lange her, dass ich das letzte Mal unter freiem Himmel geschlafen habe."
Dave nickte zustimmend mit einem Lächeln auf den Lippen. „Ich bin dafür", sagte er. „Frische Luft und Sternenhimmel statt Zeltplane - das hat doch was Romantisches, oder?"
Brad hingegen wirkte skeptisch. Mit gerunzelter Stirn musterte er die Umgebung. „Aber was ist mit Insekten und anderen Tieren?", fragte er besorgt. „Ich will nicht von Mücken gestochen oder von Schlangen gebissen werden."
Chester versuchte ihn zu beruhigen. „Keine Sorge", sagte er. „Wir können ein Feuer machen, um die Insekten fernzuhalten. Außerdem gibt es hier nicht viele Schlangen. Wir werden sicher sein."
Brad zögerte einen Moment. Seine Augen wanderten unruhig zwischen seinen Freunden und dem dichten Wald hin und her.
„Gut", sagte er schließlich mit angespannter Stimme. „Aber wenn mich ein Käfer angreift, bist du dran!", rief er scherzhaft und wandte sich ab, um einen geeigneten Lagerplatz zu suchen.
Die Sonne versank langsam am Horizont, tauchte den Wald in ein warmes, goldenes Licht und ließ die Baumwipfel feurig aufleuchten. Abseits der Gruppe saß Chester, bewegungslos, den Blick in die Ferne gerichtet.
Seine Hände ruhten reglos im Schoß, sein Gesicht spiegelte die tiefe Erschöpfung wider, die seinen Körper wie ein dichter Nebel umhüllte.
Die eifrigen Bemühungen seiner Freunde, die um ihn herum ein Lager errichteten, schienen an ihm vorbeizuziehen.
Rob und Dave sammelten eifrig trockene Äste und Zweige, während Joe und Brad zum nahe gelegenen Bach gingen, um ihre Trinkflaschen mit frischem Wasser zu füllen.
Ein beklemmendes Gefühl machte sich in Chesters Brust breit, ein unangenehmes Ziehen, das ihn nicht zur Ruhe kommen ließ. Unfähig, den Blicken seiner Freunde standzuhalten, wandte er sich ab und ging wortlos davon.
Er betrat den Wald, seine Schritte wurden vom weichen Moosboden gedämpft. Ein dichtes Blätterdach spendete Schatten, nur vereinzelt drangen Sonnenstrahlen durch. Umgeben von schweigenden Baumriesen fühlte er sich seltsam verloren, allein mit seinen wirren Gedanken.
Die letzten Wochen waren ihm wie ein nicht enden wollender Alptraum vorgekommen. Alles schien schief zu laufen.
Er wusste nicht, wie er ohne Mike weitermachen sollte. An seiner Seite war alles leichter, selbst das Unerträgliche.
Mike, der stumme Begleiter, der ihn mit einem Blick verstand. Eine Verbindung, die sich tief in seine Seele eingegraben hatte.
Auf einer Lichtung blieb er stehen, den Blick zum Himmel gerichtet. Die Sterne funkelten kalt und klar und boten keinen Trost in seiner Verzweiflung.
Ein tiefer Seufzer entrang sich seinen Lippen, als er sich auf den weichen Boden sinken ließ. Überwältigt, mutlos, ohne Plan.
„Hallo?"
Erschrocken wirbelte er herum und sah einen Fremden auf sich zukommen.
Groß und breitschultrig, mit dichtem, dunklem Bart, das Gesicht von Wind und Wetter gegerbt. Seine Augen, müde, aber wachsam, musterten Chester prüfend.
Eine abgewetzte Lederjacke und eine tief ins Gesicht gezogene Schiebermütze verliehen ihm ein raues, fast bedrohliches Aussehen.
„Kann ich dir helfen?", fragte der Fremde mit einer tiefen, rauen Stimme, die Misstrauen und Hilfsbereitschaft zugleich ausdrückte.
Chester war verblüfft. Einen Moment rang er nach Worten. Dann schüttelte er den Kopf. „Nein, danke. Ich bin nur hier, um nachzudenken." Der Fremde nickte bedächtig, als verstünde er die Bedeutung dieses stillen Augenblicks.
Zögernd brach er schließlich das Schweigen. „Ja, eigentlich wollte ich nur wissen, wo wir sind und wie ich am besten in die nächste Stadt oder Ortschaft komme."
Ein leichtes Lächeln huschte über das Gesicht des Mannes. „Du hast dich im Wald verirrt, mein Freund. Hier verirrt man sich leicht."
Eine kurze Pause, dann fuhr er fort. „Aber keine Sorge, ich kann dir helfen. Du bist zwar in Kentucky, aber ich nehme an, du kennst dich hier nicht aus, oder?"
Ein ungutes Gefühl beschlich Chester. Ein ungutes Gefühl, dass der Mann nicht die ganze Wahrheit preisgab. Es war schwer zu sagen, was es war, aber eine unbestimmte Spannung lag zwischen ihnen.
Vielleicht war es seine eigene Verletzlichkeit oder die undurchdringliche Aura des Fremden. Jedenfalls spürte er, dass er vorsichtig sein musste.
„Danke, aber nein, ich war noch nie hier", antwortete Chester höflich, seine Worte klangen gezwungen. Er stand auf und wandte sich ab, um zu seinen Freunden zurückzukehren.
Der Fremde war ihm unheimlich und er beschloss, auf Nummer sicher zu gehen und Abstand zu halten.
„Warte!", rief der Mann ihm hinterher, aber Chesters Schritte wurden nur noch schneller. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken.
Ohne sich umzudrehen, rannte er den schmalen Pfad zwischen den Bäumen entlang, getrieben von der Angst vor dem Unbekannten.
Ein Blick über die Schulter verriet ihm, dass der Fremde ihm noch immer auf den Fersen war. Sein mulmiges Gefühl verwandelte sich in eine bedrohliche Vorahnung.
Mit letzter Kraft beschleunigte Chester seine Schritte, rannte so schnell er konnte, mit brennenden Lungen und schweren Beinen. Mit der Hoffnung, den Fremden endlich abzuschütteln, bog er um eine Wegbiegung.
Plötzlich hörte er eilige Schritte hinter sich und drehte sich um. Der Mann war nur wenige Schritte von ihm entfernt und starrte ihn finster an.
„Was wollen Sie von mir?", fragte Chester leise, obwohl er seine Angst zu verbergen versuchte.
Der Mann blieb abrupt stehen und hob beschwichtigend die Hände. „Keine Sorge, mein Freund, ich will dir helfen", erklärte er mit ruhiger, fast sanfter Stimme. „Ich kenne mich hier aus und kann dir den Weg in die nächste Stadt zeigen."
Skeptisch musterte Chester den Mann. Seine Worte klangen freundlich, aber sein Instinkt warnte ihn. „Warum wollen Sie mir helfen?", fragte er misstrauisch. „Und woher weiß ich, dass ich Ihnen vertrauen kann?"
Der Mann seufzte leise und senkte den Blick. „Ich verstehe deine Bedenken. Es tut mir leid, wenn ich dich beunruhigt habe", antwortete er.
Er trat einen Schritt näher, und Chester roch den üblen Geruch von Alkohol und Tabak, der seinen Atem verpestete.
Sein Herz hämmerte in seiner Brust, Panik erfüllte seine Lungen. Instinktiv suchte sein Verstand nach einem Ausweg, einer Fluchtmöglichkeit.
Plötzlich überkam ihn ein Schwindelanfall, seine Beine wurden schwach und er taumelte. Er warf einen letzten verzweifelten Blick auf den Mann, der jetzt nur noch eine dunkle Gestalt vor ihm war, verschwommen und bedrohlich.
Dann umfing ihn die Dunkelheit, und alles versank in tiefer Schwärze.
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