8. ✧ Allererste Mission ✧
Der Raum in welchem Rin das köstliche Abendmahl serviert wurde war schlicht und an den beigen Wänden hingen einige Pergamentrollen, die mit einer japanischen Weisheit beschriftet worden waren. Der aromatische Duft des Katemeshi, welches für ihn zubereitet worden war, konnte man auch noch nach dem Essen intensiv im gesamten Raum und auch außerhalb dieses wahrnehmen. Rin war es gewohnt simple und nicht aufwendig zubereitete Mahlzeiten zu kosten, die sein Meister Hitachi ihm zubereitete, wodurch der Katemeshi, welcher aus gemischten Reis mit Getreide bestand, einfach zu verdauen war. Soeben betrat der Wirt gemeinsam mit seiner Gemahlin den Raum und bedachte den jungen Dämonenjäger mit einem freundlichen Blick, denn sie beide steckten große Hoffnung in ihn, dass er ihr Dorf von dem schrecklichen Desaster, von dem es befallen worden war, befreien könnte. Der Junge sah auf und blickte das Paar mit einem gelassenen und auch zugleich kühlen Blick an, woraufhin er großzügig entgegnete: »Vielen Dank für Speis' und Trank.« Die Frau, die ihr dunkles Haar zu einem ordentlichen Dutt gebunden trug, in dem eine kleine weiße Schleife als Schmuck steckte, lächelte und sah den Dämonenjäger durch zwei rotbraune Augen an, woraufhin sie freundlich erwiderte: »Wir sind dir dankbar, dass du junger Dämonenjäger aufgetaucht bist, um unser Dorf von dem Teufel zu befreien.« Ihr Mann zu ihrer Rechten nickte zustimmend und ging dann wenige Schritte auf den Blau-Türkishaarigen zu, wodurch er den Blick der dunkeltürkisen matten Orbe auf sich zog. »Niemand hier im Dorf würde uns glauben, wenn wir so etwas Absurdes wie das Erscheinen eines Dämons behaupten würden, aber nun da du hier bist, kann nichts mehr schlimmer werden.«, erzählte der Mann, dessen Falten auf der Stirn sich beim Sprechen runzelten. Rins Ausdruck schien sich nicht zu ändern und blieb zurückhaltend und leidenschaftslos. Er erhob sich von dem Stuhl, auf welchem er saß und bedachte das Ehepaar mit einem kurzen Blick, woraufhin er nickte und mit ruhiger Stimme versicherte: »Ich werde den Dämon beseitigen, verlassen Sie sich auf mich.« Und somit verschwand er in Richtung Tür, wobei sein Ohrring mit der chinesischen Glücksmünze beim Laufen hin und her schwang und sich seinen geschmeidigen Bewegungen anpasste.
Beim Aufschieben der leichten Tür kam ihn der frische Nachtwind entgegen, wobei er den Geruch von Metall in der Luft vernahm, welcher von dieser Seite des Hauses viel beißender roch, als zuvor, wo er das Dorf betreten hatte. Dieser Geruch war ihn von Beginn an nicht geheuer gewesen, doch nun löste es ein kurioses Gefühl in ihm aus, was ihn dazu bewegte seine Sinne zu schärfen und sich auf sein Umfeld zu konzentrieren. Er trat auf die gepflasterte Straße, wobei er beim näheren Umsehen an jeder Tür eine Papierlampe entdeckte, die ein orange-rotes Licht ausstrahlte und die schwarzen Schriftzeichen durch das helle Papier hervorhoben. Auf den meisten von ihnen stand eine Aufschrift, die böse Geister davon abhalten sollte in die Häuser einzudringen und alles Böse fern zuhalten. Rin ging durch die menschenleeren Straßen und sah sich ausgiebig um, wodurch er auf Ungewöhnliches achtete, bis er plötzlich ein merkwürdiges Geräusch hörte und sich umsah. Seine Augen versuchten die dunklen Ecken zu inspizieren und aufzudecken, ob sich etwas im Tiefen des Schattens aufhielt. Doch just setzte sich dann etwas auf seine Schultern, wodurch der Blau-Türkishaarige auf keuchte und mit geweiteten Augen die Taube ansah, die es sich soeben bequem gemacht hatte und gurrte. Der Atem Rins senkte sich erleichtert und stumm neigte er sein Haupt gen Boden, ehe er es wieder hob und den Vogel auf seiner Schulter anblickte.
»Du solltest dich nicht so an mich anschleichen.«, wisperte er und beäugte die Taube mit einem kühlen Blick, die jedoch nur den Kopf schief legte und einen weiteren Ton von sich gab. Auf einmal erhob sich das Tier dann wieder in die Lüfte und flog in eine Richtung, wobei Rin nicht ganz deuten konnte, ob er ihr folgen sollte. Er war sich sicher, dass sie einem gewissen Instinkt folgen würde, wenn es sich dabei in erster Linie nicht um gewöhnliches Futter handeln würde. Mit leisen Schritten folgte er ihr also und achtete dabei stets auf die umliegenden Häuser und die dunklen Gassen, die sich zwischen den Gebäuden erkennbar machten.
Im nächsten Moment machte die Taube Halt und flog auf ein Hausdach zu, auf welchem sie sich nieder ließ und begann einige Körner und anderes von dem Dach zu picken. Es war ein offener Platz, auf dem Rin sich befand, welcher von einigen Masten umringt wurde, an welchen Seile mit leuchtenden Papierlaternen gespannt waren, die genauso aussahen, wie die an den Häusern. Die Masten waren alle miteinander verbunden und bildeten somit eine kreisartige Mitte, wobei Rin vermutete, dass es sich hiermit um den Dorfplatz der Bewohner handelte. Der metallige Geruch war hier am stärksten und hob sich von anderen Gerüchen wie der Qualm der Papierlampen und dem wohlriechenden Aroma des Essens der Gaststätte ab. Gerade bewegte sich Rin in die Mitte des Platzes, woraufhin plötzlich ein helles Licht auftauchte und einmal um die Masten kreiste, wobei es dabei durch den Wind, den es erzeugte, die Papierlampen zum Erlöschen brachte. Wachsam legte der Dämonenjäger sein Hand an den Griff seines Katanas und beobachtete das blendende Licht mit Argusaugen, das von einem Mast zum anderen huschte. Schon im nächsten Moment manifestierte es sich und nahm die Gestalt einer Kreatur an, die niemand geringeres als der Dämon sein konnte, den Rin vernichten sollte. Mit einem kalten Ausdruck auf dem Gesicht blickte er den Teufel an und musterte ihn. Auf dem Rücken des Dämons befand sich ein großer Spiegel, der an einigen Stellen rostete und das Ebenbild des Dämonenjäger unverzerrt wieder gab. Seine tiefroten, leeren Augen, die weder eine Pupille noch einen gewissen Glanz aufwiesen, blickten ihn finster an, während sich auf seinen Lippen ein breites verzerrtes Grinsen schlich. Seine raue und zugleich helle Stimme schallte mit einer Schadenfreude über den Platz, wobei sie überheblich rief: »Nun schicken sie also doch die besagten Dämonenvernichter, um mich zu töten.« Rins Ausdruck blieb weiterhin kalt und verharrte auf dem Äußeren des Dämons, dessen Oberfläche seiner Haut aus rostigen und veranzten Spiegeln bestand, die seinen Körper bedeckten. Dies erklärte also auch den metalligen Geruch, der in der Luft verbreitet war und das gesamte Dorf umgab. »Du bist wohl ein stiller Bursche. Schön, es macht sowieso keinen Unterschied mit dir zu reden oder nicht, denn ich werde dich töten und verschlingen.«, fuhr er großkotzig fort und streckte Rin seine rechte Hand entgegen, welche die Umgebung und einen Teil seines Körpers wieder spiegelte.
Die Finger des Dämonenjäger verkrampften sich und umschlangen den dunkelroten Griff seines Sonnenschwertes. Die Erbarmungslosigkeit in Rins dunklen türkisen Augen stach hervor und mit gewissenhaften Bewegungen setzte er sich in Gang und steuerte auf den Dämon zu, welcher bereits seinen Arm nach hinten zog, um wahrscheinlich zum Angriff überzugehen. Seine Füße huschten geschwind über den Boden, wirbelten etwas Staub auf, welcher sich mit dem Nebel vermischte, der langsam aber stetig von seinem Katana aufstieg, dass er aus seiner dazugehörigen Scheide zog. Rin umkreiste den Teufel und passte den Moment ab, an welchen er glaubte seinem Gegner am meisten Schaden zuzufügen. Gerade blitzten die Spiegel am Körper des Dämons auf, woraufhin er mit seiner Faust zum Schlag ausholte und erkannte, dass sein Opfer außer Sichtweite geraten war. Der Dämonenjäger war von der einen auf die anderen Sekunde verschwunden und nicht auffindbar gewesen. Dies war Rins Gelegenheit gewesen, um einen perfekten Treffer zu landen. Er schwang sein Schwert, visierte den Schwachpunkt seines Gegenübers an und führte sein Katana auf den aus Spiegel bestehenden Hals zu, wobei sein Ohrring mit der chinesischen Münze und den darunter befindenden Fädenbündel wild flatterte. Just wandte sich der Dämon um und lächelte ihn mit einem breiten und hässlichen Grinsen an, weshalb der Blau-Türkishaarige geschockt die Augen weitete und die Faust des Anderen schon auf sich zufliegen sah. Es entstand ein klirrendes Geräusch als das Katana und die Spiegel aufeinander prallten und die beiden sich gegenseitig voneinander abstießen. Rin landete akkurat auf dem unebenen Boden und sah auf und somit in die leeren und schadenfrohen Augen des Dämons, welcher breit grinste und überheblich erwiderte: »Ich sehe jeder deiner Bewegungen in meinen Spiegel. Und dein kleines Schwertchen ist gegen meinen harten Körper nutzlos. NUTZLOS HÖRST DU?!« Der Ausdruck in dem Gesicht des Blau-Türkishaarigen wirkte desinteressiert und skrupellos, woraufhin er erneut losstürmte, um den Dämon in die Enge zu treiben. Rins Bewegungen wurden immer durchgängiger und waren immer schwieriger um sie mitzuverfolgen, doch durch die Spiegel an dem gesamten Körper des Teufels fiel ihm diese Hürde leicht. Er suchte nach einem Schlupfloch in den geschickten Regungen des Jungen und bahnte sich dann mit seiner Faust seinen Weg durch. »Spiegelschlag: Gefängnis!«, rief er und schlug durch den Nebel des Schwertkämpfer durch, um ihm am Leibe zutreffen, doch dann als er nicht damit gerechnet hatte, kam ihm Rin entgegen, indessen seine Klinge direkt auf ihn zustieß. »Nebelatmung; erste Form: hängender Himmel, ferner Dunst«, wisperte der Junge und stach mit der Spitze seines Schwertes direkt in verspiegelten Hals des Teufels. Ein klirrendes Geräusch hallte über den Platz, gemeinsam mit einem überraschten Keuchen seitens der finsteren Kreatur und kurz darauf lichtete sich der Nebel, der von dem Sonnenschwert Rins aufstieg. Doch der Nacken des Dämons war nicht durchtrennt.
Ungläubig blickte der Dämonenjäger auf das Bild vor sich, was ihm einen munteren Teufel mit kaum einer Verletzung zeigte. Und ehe er überhaupt reagieren konnte, um auszuweichen, verpasste sein Gegenüber ihn einen harten Treffer in die Magengrube und ließ ihn über den staubigen Platz rutschen, wobei er sich einige Male überschlug. Seine Brust hob und senkte sich langsam bei jedem Atemzug, den er machte und seine Augen versuchten sich auf den Dämon zu fixieren, der aus seiner Sichtweite geraten war. Wie konnte es sein, dass er ihm keinen Schaden zugefügt hatte, wenn er doch gespürt hatte, das der Spiegel unter seiner Klinge nachgab?! Die Schritte des Dämons wurden lauter und Rin konnte wahrnehmen, wie der Teufel sich immer näher auf ihn zubewegte. »Ich sagte, dein Schwert ist nutzlos, Junge. Aber keine Sorge, ich werde dich hier und jetzt erledigen, damit ich dich endlich los bin.«, sprach der Dämon in seiner rauen Stimme und holte wieder mit seinem Arm aus, um Rin den finalen Treffer zu versetzen. Mit einem Schrei, welcher Schmerzen beinhaltete, stieß sich der Blau-Türkishaarige von dem unebenen Boden ab und rollte sich zur Seite, wobei er versuchte sich mühsam aufzurappeln und dem Teufel entgegen zu treten. Seine Hand schwitzte, wodurch er Schwierigkeiten hatte den Griff seines Katanas richtig zu packen. Sein Gegner war mächtiger als Rin es sich erdacht hatte. Er war sich sicher, dass er ihn mit nur einem einzigen Schlag vernichten müsste, da er sonst keine Gelegenheit fand um das vom Unheil betroffene Dorf zu befreien. Schwächelnd richtete er sich auf und hinkte aus dem Angriffsfeld des Dämons, doch seine Bewegungen waren langsam und schleifend. »Gut! Hier ist dein Gnadenstoß!«, brüllte der Dämon mit einem breiten siegessicheren Grinsen und stürmte auf den verwundeten Jungen zu, während seine Faust schon bereit zum Schlag war. Rin beobachtete wie sich der verspiegelte Teufel ihm rasant näherte und innerhalb weniger Sekunden töten würde, bis ihm etwas in den Sinn kam.
»Wenn ihr bereits am Boden liegt und euch nicht mehr bewegen könnt Jungs, dann dürft ihr die Hoffnung nicht aufgeben.«, sprach der Mann mit dem dunklen Haar und fläzte sich in den Schneidersitz auf die Veranda, wobei er seine beiden Lehrlinge behutsam anblickte. Der Rothaarige, welcher außer Puste war und röchelnd vor sich hin keuchte entgegnete dann fragend: »Ah- aber Meister Hitachi. Was sollen wir denn dann tun?« Der Mann lächelte kurz und strich sich über seinen Dreitage-Bart, worauf er gewitzt antwortete: »Man sagt, dass das beste Feuer am hellsten leuchtet, wenn die Umstände am schlimmsten sind.« Schlapp richtete sich Tsuyoshi auf und dachte über die Worte seines Meisters nach. Kurz darauf gab er jedoch jammernd zurück: »Ich verstehe es immer noch nicht! Es sagt mir nicht, was ich machen muss.« Nicht verratend was die Antwort der Lösung ist, lehnte sich ihr Meister zurück und verschränkte sorglos seine Arme hinter dem Kopf, woraufhin er erwiderte: »Denk scharf nach, denn dies ist der Schlüssel um einen Kampf zu gewinnen.«
»Man sagt, dass das beste Feuer am hellsten leuchtet, wenn die Umstände am schlimmsten sind.«, murmelte Rin vor sich hin und packte den Griff seines Katanas fester, während er entschlossen seinen Blick nach vorne richtete. Unter Schmerz biss er seine Zähne aufeinander und rückte in seine gewohnte Kampfstellung. »Und dieser Augenblick ist genau jetzt!«, fuhr er fort und stürmte dem Dämon entgegen, welcher nicht zurückwich und selbstsicher lachte – wissend dass der Junge unter seinem Schlag zerbersten würde. »Nebelatmung; zweite Form: achtschlagiger Dunst!«, presste Rin zwischen seinen Zähnen hervor und wirbelte mit seinem Sonnenschwert in der Luft herum, wobei er acht Hiebe verursachte, die dem Dämon einigen Schäden am Hals und an den Armen zufügte, die ihn schwächeln ließen. Und im nächsten Moment schwang Rin sein Katana ein weiteres Mal, indessen er einen qualvollen Schrei zwischen seinen Lippen entließ, der durch die Schmerzen an seinen Körper entstand. Ächzend zischte er, während sein Ausdruck harsch und erschöpft wirkte. »Nebelatmung; dritte Form: Sprühnebelgischt!«, zischte der Blau-Türkishaarige mit letzter Kraft hervor und bewegte mit einem riesigen Nebelschwaden seine Klinge auf den Hals des Teufels zu, welche langsam aber stetig den Spiegel durchtrennte. Einige Teile seiner Oberfläche brachen heraus und gingen klirrend zu Boden, während der Dämon todesängstlich schrie: »Nein! Nein! Du wirst meinen Kopf nicht abschlagen, du bist zu schwach dafür! ZU SCHWACH-« Doch schon im nächsten Moment trennte sich das Haupt vom Körper des Teufels und rollte über den Boden, während der Rest von ihm zu lodern begann und sich in Luft auflöste. Der Geruch von Asche mischte sich mit dem des Metalls der Spiegel und dem abartigen Blutgeruch des kopflosen Dämons – oder eher seinen Überresten. Es war vorbei. Es war endlich vorbei. Kraftlos ließ Rin sein Katana zurück in seine Scheide gleiten und brach wenige Sekunden später auf dem staubigen Boden zusammen, wobei ihm eine Träne über die Wange lief und sich mit dem trockenen Untergrund vermengte. Rin wurde kalt und zitterte, indessen seine Gliedmaßen schmerzten, weshalb er nicht einmal die Kraft dazu aufbrachte sie zu bewegen. Sein Atem ging unregelmäßig und stockte ab und zu beim Ausatmen, als er versuchte ordentliche Züge zu nehmen. Und wenige Sekunden später schloss er vor Erschöpfung die Augen und ruhte auf den Boden, während der Wind sanft um ihn herum wehte und ihn in den tiefen Erholungsschlaf wiegte.
✧・゚: *✧・゚:* ding ding ding *:・゚✧*:・゚✧
• Es ist Zeit für ein Gerücht aus der Ära der Taishō-Epoche •
Das Dorf in welchen Rin den Spiegeldämon bekämpfte, trägt den Namen "Tsumago", welches im Übrigen ein reales Dorf ist, welches der Autorin als Vorlage zur Umgebung diente.
Fortsetzung folgt in Kapitel 9:
✧ Ein Wiedersehen ✧
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