F Ü N F
F Ü N F
Verrat
Freitag 15. Mai, 18.30 Uhr
Mit einem dumpfen Röcheln zerrte Jimin an den Fesseln, ohne Chance, die Augen schreckensweit aufgerissen, panisch und gleichzeitig erfüllt von einer lodernden Erregung.
Er bekam keine Luft.
Die Hand um seine Kehle drückte zu. Gerade eben war es noch ein erotisches Spiel gewesen, eine Drohung, eine Möglichkeit, ein leichter steter Druck, der das Atmen erschwerte. Ein bisschen verrucht, nur ein bisschen...
Jetzt war es ernst. Jae presste die Finger um seine Kehle zusammen, schnürte ihm die Luft ab, sodass Jimin nur noch ein gurgelndes Röcheln zustande brachte. Gleichzeitig rammte er sich in ihn, mit jedem Stoß hart und so tief, dass Jimin sich stöhnend aufbäumen wollte, wenn er es denn noch gekonnt hätte. Und dann war da noch diese Hand, die ihn gnadenlos auf seinen Höhepunkt zutrieb, unbarmherzig jetzt fast und auf eine Weise, dass ihm unter anderen Umständen sicher alle Sicherungen durchgeknallt wären.
Oder vielleicht taten sie es auch jetzt.
Jetzt, wo Panik und Erregung auf einem Level waren, dass sie ihm gleichsam den Verstand zerschossen. Er hatte rasende Angst, konnte nicht nach ihm schlagen, weil seine Hände gefesselt waren, konnte nicht treten, weil er unter diesem schweren Körper eingezwängt war, konnte nicht –
Atmen!
Noch ein verzweifeltes Röcheln, sein Brustkorb brannte, seine Lunge, sein Sichtfeld verschwamm bereits – verrutschte, so wie er mit jeder Bewegung, jedem weiteren Stoß über das weiche Laken rutschte und schließlich raste das brennende Gefühl aus seinen Lungen wie ein Feuerball tief in seine Eingeweide und zerbarst dort in einem gleißenden Blitz.
Dann war die Hand weg und er kam zuckend zum Höhepunkt, keuchte dabei dumpf, bevor er endlich einatmete. Es klang wie ein Rasseln, weil sein Körper wie verrückt zitterte, sich einfach nicht kontrollieren lassen wollte, immer noch unter dem Nachbeben eines Orgasmus, wie er ihn nie zuvor erlebt hatte.
Hilflos schnappte er nach Luft, einmal, zweimal, es wurde kaum besser. Alles in seinem Kopf, jeder vernünftige Gedanke war Brei, aufgelöst in diesem alles vereinnahmenden Sinnesreiz. Er zitterte immer noch und gleichzeitig spürte er, wie diese überbordende Empfindung allmählich wieder Platz schaffte für alles andere, während der andere Körper sich von ihm löste. Lust, Euphorie, Angst, Glück, selbst Traurigkeit. Die unterschiedlichsten Gefühle vermischten sich zu einem verwirrenden Cocktail und holten ihn jetzt ein, alle gleichzeitig. Und er konnte nur zusehen, wie sie sich immer weiter auftürmten, wie ein Tsunami, und wie sie ihn schlussendlich verschluckten.
Jimin schluchzte und mit diesem Zugeständnis war der Damm gebrochen. Plötzlich liefen die Tränen ungehindert, strömten über seine Wangen, während er – ebenso wehrlos wie zuvor – versuchte etwas zu verbergen, was man gar nicht verstecken konnte.
Jae war immer noch bei ihm, wenn auch nicht so nahe, wie Jimin es sich gewünscht hätte. Wenn er ihn nur gehalten hätte, ganz fest. Aber das tat er nicht. Seine Hand fuhr durch Jimins feuchte Haare, glättete die hellen Strähnen, strich sie ihm aus der Stirn. Dann wanderten die Fingerspitzen federleicht über seine Schläfe und Jae beugte sich zu ihm herab.
„Oh Gott", flüsterte er kaum hörbar, aber es klangt fast ein wenig belustigt. „So schlimm?"
Nein. Nein! Nicht schlimm! Verstand er denn gar nicht?!
„Oder so schön?" Der weiche Mund streifte Jimins Ohr. Das Flüstern nicht mehr als ein sanfter Hauch. Also verstand er doch.
Schon wieder hörte er Jae leise lachen, dann wurde er geküsst und Jae wischte behutsam die Tränenspuren von seinen Wangen. Nur langsam wurde es leichter. Immer noch waren da vereinzelte leise Schluchzer, wenn er einatmete, aber allmählich fing er sich wieder.
Unterdessen löste Jae die Fesseln, streifte bedachtsam das orangerote Seil von seinen Handgelenken und küsste die geröteten Hautstellen. Er seufzte.
„Du warst so wunderschön, Jimin."
Ja? Die Worte liefen wie ein wohliger Schauer über seinen Rücken und verdrängten die aufkeimende Verlegenheit wieder ein Stück weit. Trotzdem. Während er die Hand vorsichtig an Jaes Wange legte, war deutlich zu spüren, dass er immer noch leicht zitterte.
„Warum hast du nichts gesagt?", flüsterte er. „Warum hast du mich nicht... vorgewarnt?" Er wollte sich wirklich öffnen, wollte all das für Jae sein, was dieser sich wünschte. Weil es keinen anderen Mann gab, der ihn jemals so hätte fühlen lassen. Kein einziger, der imstande gewesen war, all diese verborgenen Sehnsüchte freizulegen. Weil er sich noch nie so begehrt gefühlt hatte.
Oder so vollkommen.
Womöglich hätte er es dann noch weitaus besser genießen können, wenn er nicht so abrupt, sondern mit mehr Vertrauen in diese Situation geraten wäre. Wenn er gewusst hätte, dass er sich nur fallen lassen musste. Er hob den Blick zu den dunklen Augen, die ihn nachdenklich fixierten.
Für Sekunden presste Jae die Lippen aufeinander und schob gleichzeitig Jimins Hand wieder weg.
„Weil ich es pur erleben wollten", raunte er dumpf und richtete sich etwas auf. „Rein. Willst du etwa sagen, dass es dir nicht gefallen hat?" Sein Ton wurde schärfer. „Warum machst du es jetzt kaputt?"
Verwirrt, weil er ohnehin noch viel zu aufgewühlt war und irgendwie auch ein klein wenig erschüttert, blinzelte Jimin. „So war es doch nicht gemeint – hey!" Er streckte erneut die Hand nach ihm aus und tatsächlich rückte Jae wieder näher, nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte.
„Tut mir leid", murmelte er jetzt auch. „Ich glaube es hat mich selbst auch mehr mitgenommen, als ich erwartet hätte." Damit beugte er sich hinab, stupste ihn leicht an und knabberte behutsam an Jimins Unterlippe.
„Wir brauchen mehr Alkohol, hm", entschied er schmunzelnd, wartete Jimins Antwort gar nicht ab, sondern machte sich jetzt von ihm los und stieg aus dem Bett.
Jimin ließ sich wieder in das Kissen fallen und atmete langsam aus, dann stahl sich nach und nach ein schiefes Grinsen auf sein Gesicht.
„Fuck", hauchte er, kicherte leise und schlug sich dann beide Hände vors Gesicht. „Fuck", schnaubte er nochmal. Das Lachen wurde lauter. Das war... nein! Jae war so abgefahren! Er konnte es immer noch nicht glauben. Und er war so...! Ihm war danach in ein Kissen zu schreien, irgendwas, nur um dem allem Herr zu werden. Das hier war wie eine Achterbahnfahrt. Sein Kopf, sein Körper, alles spielte verrückt und er konnte gar nicht genug davon bekommen.
„Was ist?", hörte er da und riss augenblicklich die Hände zurück. Das Grinsen war jedoch nicht zu stoppen.
„Nichts, alles gut."
Jae setzte sich schmunzelnd auf die Bettkante, nippte von seinem Weinglas und hielt Jimin ebenfalls eins hin.
Umständlich rappelte sich Jimin auf, auch um seine Verlegenheit ein wenig zu überspielen. Er war echt nicht prüde, aber diese absolute Gelassenheit, mit der Jae agierte, fehlte ihm eindeutig noch. Er schnürte nackt durch die ganze Wohnung, wohlwissend, dass Jimins Blick ihm hungrig folgte. Wissend, dass er angestarrt wurde, weil Jimin sich überhaupt nicht sattsehen konnte, an diesem wundervollen Körper, der nahezu makellos schien. Und es war ihm gleichgültig. Nein – das... stimmte nicht, es war ihm nicht gleichgültig, er genoss es. So wie er es auch genoss, alles zu tun, wonach ihm der Sinn stand. Keine Tabus. Er sagte, was er wollte, tat, was er wollte und riss damit Stück für Stück jede Grenze nieder, die Jimin irgendwann besessen haben mochte.
Er nahm einen Schluck aus seinem Glas. Der Wein war vollmundig, schwer und bereits mit dem zweiten Schluck spürte Jimin, wie sich dieses angenehme Prickeln einstellte. Seine Toleranzgrenze bei Alkohol war quasi nicht vorhanden und er wusste, dass er damit vorsichtig sein musste, weil er sonst viel zu schnell betrunken sein würde. Trotzdem nahm er jetzt noch einen Schluck, vielleicht auch nur, um seine Nerven zu beruhigen, was dringend nötig war, wenn Jae ihn so ansah.
Schließlich stellte er das Glas weg und Jae kroch auf allen Vieren über ihn.
„Okay", raunte er dumpf gegen Jimins Hals, „wo waren wir stehengeblieben?"
Jimin kicherte, schlang die Arme um seinen Nacken und wollte ihn küssen, doch Jae entzog sich ihm.
„Mh-mh", machte er, löste Jimins Klammergriff wieder, schnappte sich stattdessen erneut das Glas und hielt es ihm hin. „Trink."
„Willst du mich betrunken machen?" Jimin kicherte, trank aber gehorsam, zuckte überrascht mit den Augenbrauen, während Jae das Glas noch etwas weiter anhob, sodass Jimin hastig schlucken musste. Als Jae das Glas wegnahm, leckte sich Jimin die Lippen.
„Ich bin auch so ganz brav", nuschelte er schmunzelnd. „Versprochen."
Jae grinste ebenfalls. „Wir werden sehen", sagte er, kroch jetzt zur Mitte des Bettes und zog Jimin ruckartig zu sich. Am Kopfende lagen immer noch die losen Fesseln auf dem Kissen, doch danach griff er dieses Mal nicht. Stattdessen hockte er sich einfach wieder auf Jimin, streckte seine Arme aus und glitt mit den Fingerspitzen über die nackte Haut zurück.
„Lass sie da", raunte Jae dumpf, beugte sich etwas hinab und zog eine feuchte, leckende Spur über Jimins Brust abwärts. Hörbar atmete Jimin ein, spannte sich für einen Moment an und leckte nervös über seine Unterlippe. Was würde er dieses Mal mit ihm machen? Und würde er ihn bestrafen, wenn er nicht einfach still liegeblieb? Fast reizte es ihn, das auszuprobieren. Seine Finger zuckten leicht, aber dann rückte Jae noch ein Stück tiefer und er hielt wieder still.
Oh Gott, ja, er mochte das, er mochte, wie Jae... der Gedanke entglitt ihm. Seufzend rollte sein Kopf herum, während eine dumpfe, bleierne Schwere sein Denken allmählich immer weiter ausschaltete.
„Jae...", raunte er außerdem. Aber er wusste dann nicht mehr, was er hatte sagen wollen. Der sündige Mund löste sich von seinem Körper, was Jimin frustriert aufstöhnen ließ.
„Nicht..."
...aufhören.
Es war unglaublich schwer, die Worte zu formen, die in seinem Kopf herumflatterten.
„Shh", hörte er nur, spürte eine weitere Berührung, eine warme Hand, die über seinen Körper strich, die seine Arme behutsam wieder zurücklegte. Etwas kühles, feuchtes, berührte seine Haut, dem folgte ein brennender Schmerz, der aber sofort irgendwo in der samtigen Dunkelheit verschluckt wurde. Und dann... war da gar nichts mehr.
*
Das Aufwachen war anstrengend und unangenehm. Noch bevor Jimin die Augen öffnen konnte, wurde ihm klar, dass irgendwas nicht stimmte. Ihm war so unsäglich übel, er hatte höllische Kopfschmerzen und fühlte sich so ausgelaugt, dass er gar nicht wusste, ob er fähig war, sich zu bewegen.
Und kalt war ihm! Kalt genug, dass er am ganzen Körper zitterte, gleichzeitig waren seine Arme schwer wie Blei und er wusste gar nicht, ob er tatsächlich die Finger bewegte. Alles fühlte sich falsch und unwirklich an.
Blinzelnd versuchte er die Augen zu öffnen und nahm gleichzeitig einen seltsamen, dumpfen Laut wahr. Doch erst als er angesprochen wurde, wurde ihm bewusst, dass dieser Laut von ihm selbst gekommen war.
„Du bist wach, wie schön", säuselte eine sanfte Stimme, die irgendwo über ihm zu schweben schien.
Jae! War das Jae? War er ...? Ein brennendes Gefühl entstand in seiner Kehle, doch während er erneut blinzelte, um das Bild vor seinen Augen zu schärfen, sammelten sich Tränen in seinen Augen und wieder verschwamm alles. Warum? Was war nur los mit ihm? Warum fühlte er sich so elend? War er krank?
„Jae...", würgte er krächzend hervor. Bitte! Er musste doch sehen, was mit ihm los war! Er musste ihm helfen!
Etwas berührte seine Haare, warme Finger, die ihm die Strähnen aus der Stirn strichen, bevor sie auf sein Gesicht wanderten und dort die feuchten Tränenspuren wegwischten.
„Na, na", machte Jae außerdem. „Ganz ruhig, es wird gleich besser. Du musst ruhig atmen."
Versuchte Jimin, aber das war nicht so einfach, wenn das eigene Herz so raste, dass man Angst bekam, es könnte einfach explodieren. „Jae...", raunte er wieder, ein bisschen lauter, ein wenig deutlicher.
„Jungkook", sagte die sanfte Stimme über ihm nachdrücklich. Etwas Schweres drückte die Matratze in Höhe seines Brustkorbs hinunter. „Eigentlich heiße ich Jungkook, nicht Jae. Ich denke es ist an der Zeit, dass ich dir das sage, hm? Die Wahrheit, meine ich..."
Was? Was redete er denn da? Mit unendlicher Anstrengung rollte sich Jimin herum, wollte sich aufsetzen, was ihm jedoch nicht gelang und seine Arme... die funktionierten auch nicht, waren so schwer, dass er sie kaum von der Matratze heben konnte. Obwohl sie... für eine ganze Weile starrte Jimin auf das verschlungene Knotenmuster, aber es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis er die Zusammenhänge soweit verstehen konnte, dass sie auch Sinn ergaben.
Er war wieder gefesselt – warum war er jetzt wieder gefesselt?! „Jae!" Seine Stimme war brüchig und weinerlich.
„Ich sagte doch gerade, das ist nicht mein Name", wurde er nun deutlich strenger zurechtgewiesen. „Jungkook. Das ist doch nicht so schwer zu verstehen, oder?" Er stand wieder auf und durchquerte den Raum, sodass Jimin ihn aus den Augen verlor.
Im Grunde war es für Jimin gar nicht zu verstehen. Die Panik schlug soeben in riesigen Wellen über ihm zusammen. Warum tat er das? Warum war er so? Was war passiert und was sollte das mit dem Namen?
„Mach... mich los...", krächzte Jimin endlich, strampelte ein bisschen und schaffte es mit jeder Menge Anstrengung, sich irgendwie in eine halbsitzende Position zu hieven, bevor er sich erschöpft an das Kopfteil lehnte.
„Bitte... Jae..."
„Weißt du, das... ist wirklich gerade sehr frustrierend für mich, Jimin. Du." Jetzt taucht er wieder in Jimins Sichtbereich auf und Jimin korrigierte sich rasch.
„Jungkook..."
Unruhig starrte er sein Gegenüber an, dieses unglaublich hübsche Gesicht, die dunklen Locken, die sich widerspenstig darum ringelten. Was hatte sich verändert und warum? Wozu ein falscher Name? Sein Blick irrte zu Jungkooks Hand und der kleinen schwarzen Stofftasche, mit der er jetzt zum Bett zurückkam.
„Bitte mach mich los."
„Ich glaube das kann ich nicht", erklärte Jungkook ruhig, setzte sich wieder auf die Bettkante und betrachtete ihn ruhig. „Noch nicht."
Mit einem Seufzen schloss Jimin die Augen und lehnte den Kopf an den weichen Stoff. Er verstand einfach nicht, was hier los war, warum Jae – Nein! Jungkook! – plötzlich so war, warum er ihm nicht half. War das auch ein Spiel? Wollte er ihm Angst machen? Nun, es gelang. Sein Herz hämmerte wie verrückt.
„Es geht mir nicht gut", flüsterte Jimin kaum hörbar. „Ich weiß nicht... ich glaube ich... bin krank. Kannst du... mir helfen... Jungkook..." Angestrengt öffnete er die Augen wieder und sah damit gerade noch, wie der andere mehrere Tabletten mit dem Boden eines Trinkglases zerdrückte, das Pulver dann über den Rand des Nachttisches in das Glas beförderte und selbiges schwenkte, sodass sich das Pulver im Inhalt auflöste.
„Sicher", sagte Jungkook nur, legte jetzt eine Hand in Jimins Nacken, zog ihn so in eine sitzende Position und hielt ihm das Glas hin. „Trink das."
Jimin wehrte sich. „Was ist das?", wollte er wissen.
„Orangensaft."
„Nein! Das... was du..."
„Etwas, womit es dir besser geht", unterbrach ihn Jungkook harsch. „Na los, trink jetzt." Er presste ihm das Glas an die Lippen, beinahe grob, fasste nun in seine Haare und grub die Finger hinein. „Mach mich nicht ärgerlich."
Allein der letzte Satz sorgte dafür, dass sich alles in Jimin sträubte. „Nein...", er schüttelte den Kopf, da rissen die Finger grob an seinen Haaren, sodass er überrascht aufkeuchte.
Das Glas schlug so hart gegen seine Zähne, dass Jimin Angst hatte, es würde an seinem Mund zersplittern. Kühle Flüssigkeit schwappte in seinen Mund.
„Trink jetzt", zischte Jungkook. „Und wehe du spuckst es aus. Ich werde richtig sauer, wenn du dich jetzt anstellst, verstanden?"
Überrascht über diese grobe Behandlung, schluckte Jimin tatsächlich, hustete und ein kleiner Schwall des Saftes drängte über seine Lippen und lief über sein Kinn. Jetzt presste Jungkook das Glas so hart gegen seinen Mund, dass Jimin ein leises, schmerzvolles Wimmern von sich gab. Er tat ihm weh – warum?
„Trink doch einfach", knurrte Jungkook wieder, kippte ihm noch mehr Flüssigkeit in den Mund und zerrte unnachgiebig an seinen Haaren. Hastig schluckte Jimin, schnappte dann nach Luft und atmete bebend ein, als Jungkook seine Haare wieder losließ. Tränen schossen ihm in die Augen.
Ein vages Lächeln traf ihn. „Na, war doch gar nicht so schwer." Behutsam strich er mit den Fingerknöcheln über Jimins Wange und sah ihm in die Augen. Schließlich nickte er zufrieden.
„Du machst das sehr gut. Und jetzt – austrinken."
Wieder hielt er das Glas an Jimins Lippen und dieses Mal wehrte sich dieser nicht. Er nahm drei oder vier größere Schlucke, auch wenn der Orangensaft ekelhaft bitter schmeckte und endlich schien Jungkook zufrieden. Er stellte das Glas zur Seite und Jimin kämpfte mit den Tränen.
„Was hast du mir gegeben?"
„Beruhigungsmittel", antwortete Jungkook unverblümt.
„Beruhigungsmittel!" Aber wozu denn? War er... wollte er...? Es war schwer, einen klaren Gedanken zu fassen, wenn man gefesselt in einem Bett lag und gerade gezwungen worden war, Medikamente zu schlucken, die man nicht kannte. Unwillig presste Jimin die Augen zusammen, blinzelte und wollte sich weiter aufsetzen, aber sein Körper ließ sich kaum koordinieren. Alles drehte sich, alles schwankte.
„Ich will...", stammelte er, aber auch dieser Gedanke ließ sich nicht einfangen und der Satz endete im Nichts. Langsam sank er seitlich weg und seufzte schwer, als sein Kopf wieder das Kissen traf.
„Siehst du", sagte Jungkook über ihm. „Schon viel besser."
Jimin antwortete nicht mehr, weil er es gar nicht konnte. Worte purzelten durch seinen Verstand wie bunte Murmeln, rollten herum, knallten hohl und sinnlos gegen seine Schädelwand und kullerten weiter. Er spürte wie er über das Bett geschleift wurde, murmelte sinnlose Laute, zu mehr war er jedoch nicht fähig.
„Ich wünschte, ich müsste das nicht tun", sagte eine Stimme, die irgendwo über ihm zu schweben schien. „Wirklich. Und es macht mich traurig, Jimin. Das ist die Wahrheit. Aber sieh dich an." Ein schweres Seufzen folgte. „Du bist wie alle anderen – das ist ernüchternd."
Was?! Mit einem leisen Wimmern drehte Jimin den Kopf, blinzelte, aber das Bild vor seinen Augen tanzte wie wild und sein Körper schien überhaupt nicht mehr zu ihm zu gehören.
„Der Junge vor dir", flüsterte Jungkook an seinem Ohr. „Er war dir sehr ähnlich, weißt du. So neugierig, so süß, ein kleines bisschen wie ein Kind, oder nicht? Und dabei so sündig." Er küsste Jimins Hals, atmete tief ein und bebend wieder aus. Sein warmer Atem strich über die nackte Haut. „Oh ich kann das genießen, du darfst das nicht missverstehen. Es ist auch für mich aufregend, aber... etwas fehlt, das siehst du doch ein, hm?"
Wieder blinzelte Jimin, wollte etwas sagen, konnte die Worte jedoch nicht formen. Sanfte Finger strichen über seine Wange.
„Ruh dich aus. Du brauchst deine Kräfte, es wird anstrengend genug werden."
Auch diese Worte ergaben für Jimin keinen Sinn, aber sie sollten es noch.
Beim nächsten Aufwachen zerbarst jeder schöne Schein. Jimin wurde munter, weil etwas recht unsanft an seinem Bein zerrte, doch bis er begriff, was es war, war es längst zu spät. Er war gefesselt, die Beine gespreizt und festgebunden, die Handgelenke fest verschnürt. Stöhnend warf er den Kopf herum, doch bereits beim ersten Laut legte sich eine Hand fest auf seinen Mund.
„Still", raunte Jungkook. „Wenn du schreist, muss ich dich knebeln, verstanden?"
Unwillig schüttelte Jimin den Kopf und starrte panisch in das Gesicht über ihm, als sich die Hand wieder zurückzog.
„Warum tust du das?", brachte er eben so heraus. „Warum...?"
„Weil du mir keine Wahl lässt!", knurrte Jungkook wütend. „Weil du...!" Er brach ab, raufte sich die Haare, dann sprang er wütend auf. „Schau was du anrichtest!", fauchte er nun. „Du machst alles kaputt! Alles!"
„Ich hab nichts getan...", wimmerte Jimin.
„Ich hab nichts getan...", jingelte nun auch Jungkook höhnisch, rollte dabei mit den Augen, wiegte den Kopf und fegte wütend aus dem Raum. Als er zurückkam, hatte er erneut die schwarze Tasche bei sich, nur dass er dieses Mal eine Spritze herausnahm.
Panisch riss Jimin an seinen Fesseln. „Was..? Nein! Jungkook, nein, tu das nicht... bitte... Du musst das nicht tun, ich werde-"
„Einen Scheiß wirst du", fuhr Jungkook ihn an, verpasste ihm noch in der Sekunde eine schallende Ohrfeige, was Jimin zunächst so erschütterte, dass er tatsächlich einen Moment lang ganz reglos dalag. In der Zeit packte Jungkook seinen Arm, kniete sich halb darauf, um ihn ruhig zu halten und jagte die Nadel in seinen Arm.
Und jetzt begann Jimin doch zu toben. Es war ein wilder Mix aus wütendem Schreien, Weinen und nutzlosem Aufbäumen. Mit all den ebenso nutzlosen Fragen, warum er das tat und was hier geschah. Vielleicht wusste er es da bereits und wollte es nur nicht wahrhaben. Die Angst kroch jetzt in jeden Winkel seines Körpers, ließ ihn zittern, während die Droge, die ihm verabreicht worden war, dafür sorgte, dass sein Wille aufzubegehren, allmählich brach. So wie die Wirkung einsetzte, war Jungkook wieder bei ihm, flüsterte in heiseren Worten auf ihn ein, während er ihn berührte, küsste, streichelte. Es war ein Albtraum. Ganz leise, fast liebevoll begann Jungkook zu erzählen. Von einem unschuldigen Jungen, der alles ins Rollen gebracht hatte. Er redete ohne Atempause, als würden die ganzen Worte wie von allein nach oben drängen und endete bei Taehyung.
„Du hast ihn gesehen, hm?", murmelte Jungkook und streichelte erneut Jimins Wange. „Im Fernsehen. Diesen wunderschönen Jungen... und du...", er beugte sich hinab und hauchte einen Kuss auf Jimins Lippen, „...bist genauso." So sanft er mit ihm umging, so enorm schien die unterschwellige Wut in ihm zu kochen.
„Ihr seid alle so", knurrte er jetzt, grub die Zähne in Jimins Hals, bis dieser leise jammerte und küsste die Stelle dann vorsichtig. Unwillig rieb seine Stirn über Jimins nackte Haut.
„Wunderschön und rein, aber all das ist nur Fassade. Wenn man sie abreißt, Stück für Stück, kommt alles zum Vorschein, alle ruchlosen Gedanken, wie schamlos ihr euch anbiedert, ohne Furcht. Dabei hättest du dich fürchten sollen, Jimin. Aber nein, ihr lasst es einfach geschehen, jeder von euch. Widerstandslos. Ihr beginnt euch erst zu wehren, wenn ich euch dazu zwinge, hm? Das macht mich unglaublich wütend", hauchte er und küsste ihn erneut.
„Warum muss es immer so enden? Warum immer auf diese verlogene Weise? Jetzt willst du es nicht mehr, ich weiß, jetzt willst du nicht mehr hier sein, mich nicht kennen. Du willst nicht, dass ich dich berühre, dass ich dich küsse..." Er atmete bebend ein und aus, leckte über seine Haut, küsste die Stelle hinter seinem Ohr. Der Mund verharrte dort.
„Jetzt willst du nicht mehr, dass ich dich ficke... Warum? Ist es jetzt nicht mehr gut? Macht es dich nicht mehr an?"
Jimin blinzelte. Wirre Worte stapelten sich in seinem Kopf, doch ganz gleich wie sehr er sich bemühte, alles was über seine Lippen drang, war lediglich ein leises Röcheln.
Vielleicht machte das Jungkook noch wütender, denn jetzt packte er ihn grob am Kinn und zwang seinen Kopf herum.
„Ist es nicht so?! Hm?! Sag schon! Ist es nicht so!" Wutentbrannt funkelte er ihn an und seine Hände strichen hinab auf Jimins Hals.
„Jetzt willst du mich nicht mehr", hauchte er, „aber ich werde jeden Makel wieder reinwaschen", bevor er ihn beinahe bis zur Besinnungslosigkeit würgte und sich dann an ihm verging. Aber das war erst der Anfang.
In der Folge verlor Jimin jedes Zeitgefühl und jeden Halt in der Realität. Manchmal flößte ihm Jungkook irgendwelche Flüssigkeiten ein, manchmal zwang er ihn, etwas zu schlucken. Hin und wieder verabreichte er ihm weitere Injektionen was in der Gesamtheit dazu führte, dass Jimin keine Chance mehr hatte, sich gegen irgendwas zu wehren. Es gab Stunden, in denen war er klarer, dann konnte er deutlich wahrnehmen, was mit ihm geschah, weinte und bettelte, doch es half nichts. Größtenteils aber war er wie paralysiert, unfähig sich irgendwie zu artikulieren und den Launen seines Peinigers schutzlos ausgeliefert. War er wütend, wurde er geschlagen, war er aufgeregt, angeschrien. Manchmal war Jungkook tieftraurig, dann kümmerte er sich liebevoll um all die Blessuren, die Jimin davontrug aber bereits im nächsten Moment konnte das umschlagen. Manchmal war er wie von Sinnen, dann verletzte er ihn, leckte an den blutigen Schnitten, würgte ihn, schlug ihn. Zweimal konnte Jimin hören wie dabei Knochen brachen und als er schrie wurde er wieder gewürgt, bis er das Bewusstsein verlor.
Ein paar Mal tauchte er aus so einem Dämmerzustand auf und registrierte nur am Rande den schweren Körper, der auf ihm lag, spürte die wilden, harten Stöße, die heiseren Atemzüge und das gepeinigte Krampfen seines Körpers. Zu anderen Gelegenheiten sorgte Jungkook dafür, dass er richtig wach war.
Er wurde vergewaltigt, mehrfach, und er nannte es so, weil es ohne seine Zustimmung geschah. Dabei spielte es keine Rolle, dass es Jungkook mehrmals schaffte, ihn in einen Höhepunkt zu treiben. Wenn überhaupt, war das das Schlimmste daran. Dass er in eine Erregung und deren Erfüllung gezwungen wurde, ohne es zu wollen. Sein Innerstes mochte sich nach außen kehren, doch konnte er sich Jungkooks Griff nicht entziehen und musste so eine weitere gewaltsam forcierte Ekstase durchleben, während bittere Galle seine Kehle hinaufkroch.
Manchmal ließ ihn die pure Erschöpfung wegdämmern und er erwachte, weil er behutsam gesäubert wurde. Ein oder zwei Mal verpasste ihm Jungkook genug Drogen, dass Jimin einfach wegdriftete und in gnädiges Vergessen sank. Außerhalb dieser Zeit war der Schmerz so allgegenwärtig, dass er sich bereits fest in seinem Kopf verankert hatte, aber er reichte nicht mehr aus, um seinen wabernden Verstand zu durchdringen. Er war einfach immer da, immer, genau wie Jungkook. Er war der Einzige, der dafür sorgen konnte, dass es aufhörte und je länger es dauerte, desto größer wurde Jimins Wunsch, Jungkook würde dem allen endlich ein Ende setzen.
Vielleicht musste er ihn ja nur darum bitten.
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