
Kapitel 9
Midnight traf erst spät nachmittags ein, da sie ihre Unterrichtsstunden noch halten musste, ehe sie aufbrechen konnte. Da Toshinori ihr geschrieben hatte, dass ein Schüler sie gerne begleiten würde, falls sie vorhatte Shota zu besuchen, kam sie zuerst in die Unterkunft, um ihre Sachen vorbeizubringen und den Jungen mitzunehmen. Leider hatte es sich jedoch unter den Schülern herumgesprochen, dass sie ins Krankenhaus fuhr, sodass am Ende eine große Gruppe bei der Tür auf sie wartete. Natürlich konnte nicht jeder mitkommen, und sie gab ihnen zu verstehen, dass sie untereinander ausmachen mussten, wer sie begleiten durfte. Maximal zwei weitere Schüler würde sie mitnehmen, neben Shinsou. Mehr Platz war nicht im Auto und mehr würde Aizawa, falls er wach war, auch nicht an Besuch ertragen können.
Nach einer kurzen Diskussion und einem anschließenden Schere-Stein-Papier-Spiel, saßen Eijiro und Izuku auf der Rückbank und Hitoshi auf dem Beifahrersitz. Auch wenn die beiden Jungs sich auf den hinteren Plätzen unterhielten und versuchten, die anderen in das Gespräch mit einzubinden, klappte es nicht. Weder Shinsou noch Kayama hatten Lust auf einen Plausch, dabei war sich Midnight ansonsten für keinen Spaß zu schade, doch im Moment war ihr nicht danach. Sie sah müde aus, und machte sich nicht einmal Mühe, es zu verbergen.
Erst als sie im Krankenhausflur auf den müden Present Mic trafen, verhielt sie sich wieder etwas mehr so, wie man es von ihr gewohnt war. Sofort fiel sie dem Kollegen um den Hals und drückte ihn an sich, ehe sie ihn losließ und ein Lächeln aufgesetzt hatte. „Du siehst furchtbar aus", scherzte sie, „ich dachte Eraser ist derjenige, der im Krankenbett liegt." Auch wenn es unpassend war, sich so zu verhalten, wollte sie dennoch ein bisschen die angespannte Stimmung lockern, die Hizashi ausstrahlte und ihn etwas aufmuntern. Es tat ihr furchtbar leid, dass sie nicht schon viel früher hatte hier sein können und er mit all dem allein sein musste. Natürlich war Nemuri die erste Person gewesen, die Hizashi angerufen hatte, noch während Aizawa auf dem OP-Tisch gelegen hatte, und man ihm selbst so viel Blut wie möglich abgezapft hatte.
Tatsächlich hatten die Schüler ihren Englischlehrer noch nie so müde und niedergeschlagen erlebt. Auch wenn er sich zu einem Lächeln bemühte, als er die vier entdeckt hatte, merkte man ihm an, wie schwer es ihm viel, die Mundwinkel nach oben zu ziehen und das Lächeln mehr einer Grimasse ähnelte. Obwohl Yamada oft auch übermüdet und überarbeitet nach seinen unzähligen Shows zum Unterricht erschienen war, hatte er stets vor Energie gestrotzt und es geschafft, seine Schüler mitzureißen, wenn er wollte. Im Moment jedoch hatten Eijiro, Izuku und Hitoshi das Gefühl, dass sie sich um einen weiteren Lehrer Sorgen machen mussten. Midnight hatte wirklich recht. Er sah furchtbar aus.
„Ach du weißt ja selbst, wenn man ab einem bestimmten Alter nicht jeden Abend Faltencreme aufträgt, merkt man das schnell", versuchte Yamada seine Freundin ebenso leicht aufzuziehen, ehe er sich an die Jugendlichen wandte, „ah, und ihr seid das Begrüßungskomitee, little Listeners? Ihr habt Glück, er war vorhin kurz wach!"
„Echt? Das ist ja toll!", verkündete Kirishima freudig und grinste breit. „Wie geht es ihm?", wollte Izuku wissen und sah kurz zu Shinsou, der den Kopf gehoben hatte und zu Mic sah. Vermutlich war er immer noch so verschreckt wie die letzten Tage, weswegen Midoriya das Fragen für ihn übernommen hatte. Auch wenn Hitoshi nie um Hilfe gebeten hätte, war er doch froh, dass Izuku ihm das abnahm.
„Geredet hat er nicht viel, er war nur kurz wach und wollte wissen, wie es den Schülern geht, und ist dann wieder eingeschlafen, nachdem ein paar Knochen geheilt wurden, aber laut den Ärzten geht es ihm immer besser", erklärte der Voicehero und wirkte etwas entspannter, nachdem er diese Worte ausgesprochen hatte. Da er die letzte Zeit immer alleine gewesen war, war es für den Blonden eine Abwechslung, endlich wieder Gesellschaft zu haben, die bei Bewusstsein war und mit der man reden konnte. „Er freut sich bestimmt, dass ihr nach ihm sehen wollt", fügte er an und grinste schief, weil die Schüler ihn etwas stutzig ansahen, „was er natürlich niemals zugeben würde, aber erzählt ihm nicht, dass ich ihn verraten habe!"
Kurz darauf führte der Englischlehrer sie zum Zimmer des Undergroundheros. Midnight betrat als erste den Raum, dicht gefolgt von Shinsou. Da beide plötzlich innehielten, liefen Kirishima und Midoriya unbeabsichtigt in sie hinein. „Zum Teufel, Shota!", brüllt Present Mic hinter ihnen, „ich war nicht mal ne halbe Stunde weg!" Sofort drängelte sich Hizashi an ihnen allen vorbei.
Als sie den Raum betraten hatten sie erwartet ihren Lehrer schlafend im Bett vorzufinden, doch stattdessen stand er schwankend daneben und versuchte gerade seinen eingegipsten Arm in ein schwarzes T-Shirt zu zwängen, und hing halb darin fest, weil er seinen anderen Arm nicht wirklich gebrauchen konnte. Eigentlich hätten sie damit rechnen müssen, dass Eraserhead, sobald er wieder genug bei Kräften war, vermutlich alles andere als im Bett oder in einem Krankenhaus bleiben wollte. „Halt die Klappe und hilf mir lieber", murrte der Dunkelhaarige, der mit dem Kopf unter dem Shirt steckte und damit noch nicht gesehen hatte, dass er Besuch hatte. Er wollte einfach nur raus aus dieser Krankenhauskluft und so schnell wie möglich weg von hier. Aus diesem Grund hatte er auch die Möglichkeit genutzt aufzustehen, sobald Mic den Raum verlassen hatte. Eigentlich hatte er auch vorgehabt, so schnell wie möglich abzuhauen. Er wollte einfach allein sein.
Midnight schritt kurzerhand auf ihn zu und versuchte ihm zu helfen. Dabei kam sein einbandagierter Oberkörper zum Vorschein, ehe Nemuri es schaffte, den Dunkelhaarigen so in das T-Shirt zu stecken, dass der verletzte Arm eben darunterblieb und der andere durch den Ärmel gesteckt wurde. „Dir auch einen schönen Tag", grüßte sie ihn und drückte ihm ein Küsschen auf die Stirn, als er sie verwundert ansah, als würde er gerade einen Geist sehen, „du hast Besuch!" Damit zeigte sie auf die drei Schüler, die an der Tür standen und nahm ihn danach gleich in ihre Arme, um ihn sachte zu drücken. „Ich lass dich nie wieder los", murmelte sie leise dabei.
Noch immer konnte man den Verband unter dem Shirt hervorblitzen sehen. Shinsous Blick hing daran fest, während seine Hände leicht zu zittern begannen. Erneut musste er an all das Blut denken, dass an seinen Händen geklebt, und dass sein Lehrer verloren hatte. Plötzlich wurde es Hitoshi fürchterlich heiß und gleichzeitig auch kalt. Seine Umgebung begann zu rasen, und er wollte einfach nur mehr weg von hier. Es wäre wohl besser gewesen, gar nicht mitzukommen. Ohne weiter nachzudenken, wandte er sich um und drängelte sich an seinen Mitschülern vorbei, hinaus zur Tür, und begann den Flur entlang zu laufen.
Verwirrt starrte Aizawa dem Jungen hinterher und versuchte Kayama abzuschütteln. Er dachte kurz darüber nach ihm zu folgen, doch ein Schritt nach vorne brachte ihn ins Straucheln. Noch war er nicht vollkommen sicher auf seinen Beinen, die nach jedem Schritt nachzugeben drohten, was er schon zuvor bemerkt hatte, als er nach seiner pinken Trainingshose gesucht hatte. Glücklicherweise fing Hizashi ihn auf, ehe er zu Boden stürzen konnte. Gemeinsam mit Nemuri hievte der Blonde den Verletzten zurück ins Bett. „Was ist mit ihm?", fragte Shota verwundert. Am liebsten wäre er ihm nachgelaufen, aber dafür reichten seine Kräfte noch nicht. Stattdessen drückten seine beiden Freunde ihn zurück in sein Kissen und deckten ihn zu, damit er nicht mehr auf die Idee kam, erneut aufzustehen.
„Shinsou hat dich gefunden ... es ist wohl ... noch immer ein bisschen viel für ihn", erklärte Yamada und reichte Aizawa ein Glas Wasser, damit er etwas Flüssigkeit zu sich nahm und eine Tablette runterschlucken konnte, die er ihm ebenfalls hinhielt. „Mach dir keinen Kopf", fügte er schnell an, als er den schuldbewussten Blick sah, den der Dunkelhaarige aufgesetzt hatte. Laut den Ärzten könnte die Macke nach wie vor aktiv sein, was dem Voicehero große Sorgen bereitete, daher wollte er alle bösen Gedanken so gut es ging von ihm fernhalten.
„Keine Sorge, wir suchen ihn gleich!", erklärte Eijiro und stieß Izuku in die Seite, deutete mit dem Kopf zur Tür, ehe er sich wieder an seinen Lehrer wandte und die Faust in die Luft streckte, „das wird schon wieder!" Natürlich entging auch den beiden Jugendlichen Eraserheads Blick nicht. Außerdem fühlten sie sich im Moment doch etwas unwohl, vor allem da ihr Lehrer im Moment so vollkommen anders wirkte, als sie es gewohnt waren. Diese Situation verlieh dem sonst so strengen Klassenlehrer etwas sehr Verletzliches und sie waren sich sicher, dass es Aizawa ebenso unangenehm war wie ihnen, weswegen es gewiss kein Fehler war, erst einmal nach Shinsou zu suchen. Außerdem hatten Midnight und Mic so etwas Zeit mit ihm allein.
„Geht aber nicht zu weit weg, ja? Wir wissen immer noch nicht, was der genaue Grund für den Angriff der Liga war, also gilt nach wie vor Vorsicht", mahnte Midnight die beiden Jungen, bevor sie nickten und verschwanden.
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