96 - ein Neubeginn?
»Soll ich sicher nicht mitkommen?«, fragte Eren zum vierten Mal, während Eliah mir in meine Jacke half.
»Ja, sicher.«, brummte mein Gefährte mittlerweile schon ziemlich genervt, ehe er sich plötzlich schwungvoll zu Eren umdrehte. »Ich kann auf meinen Gefährten und auf meine Kinder aufpassen. Also hör auf zu jammern. In ein paar Stunden sind wir zurück.«, knurrte Eliah deutlich mit den Nerven am Ende und machte eine Kopfbewegung, die Eren klar machte, dass er sich verpfeifen sollte. Eren zog daraufhin die Nase etwas kraus und nickte ergeben.
»Finn, kuscheln wir uns später auf die Couch?«, fragte er dann hoffnungsvoll und ließ seinen Blick kurz auf meinen Bauch wandern, der unter meiner dicken Jacke gut verborgen lag.
Eren musste Sehnsucht nach seiner Gefährtin haben, da er heute Nacht nicht bei uns geschlafen hatte. Er hatte anscheinend gespürt, dass Eliah und ich etwas Zeit für uns brauchten und hat stattdessen bis spät nachts mit Rolf Ferngesehen, ehe er in Enno Zimmer übernachtet hatte, das Mona auch ursprünglich für ihn vorbereitet hatte. Dafür war ich ihm wirklich dankbar.
Ich nickte ihm lächelnd entgegen und konnte dabei beobachten, wie er erleichtert ausatmete.
»Mum, wir sind zum Mittagessen voraussichtlich wieder da.«, rief Eliah in das Haus und deutete mir dann an die Haustür zu öffnen. Als wir ins Auto stiegen, konnte ich nicht verhindern nochmal nachzufragen, was meine Überraschung war. Doch auch diesmal zuckte er nur lächelnd mit den Schultern.
»Jetzt weiß ich, wie es Eren und Mona gehen muss, weil wir ihnen nie etwas sagen.«, murmelte ich leise, musste dabei jedoch grinsen. Ich selbst platzte vor Neugier, ob Eren einen Gefährten oder eine Gefährtin hatte, wobei ich weiterhin immer noch zu Gefährtin tendierte, da wollte ich mir gar nicht vorstellen, wie es Eren gehen musste.
»Was denkst du? Hat Eren einen Gefährten oder eine Gefährtin?«, fragte ich Eliah und verschränkte unsere Finger miteinander. Dieser zuckte mit den Schultern. »Vom Bauchgefühl her... puh... eine Gefährtin würde ich sagen.«
Ich nickte zufrieden. »Das denke ich auch.«, schmunzelte ich und beobachtete die vorbeiziehenden Häuser. Heute war das Wetter besonders schlecht. Die beinahe schwarzen Wolken hingen tief und wahrscheinlich würde jeden Moment ein Wolkenbruch losgehen. Wir hatten Glück, dass wir trocken ins Auto gekommen waren.
»Meine Überraschung ist aber nicht draußen, oder?«, fragte ich skeptisch ohne meinen Blick vom Fenster abzuwenden.
»Teils, teils.«, lachte Eliah und drückte meine Hand. »Lass dich einfach überraschen, Finn. Wir werden nicht nass werden. Zumindest nicht allzu stark.«, versicherte er mir grinsend und führte dann meine Hand an seine Lippen und hauchte einen kleinen Kuss auf meine Handknöchel.
»In zwei Minuten sind wir sowieso schon da.«, informierte er mich, als wir in eine kleine, mir unbekannte Siedlung einbogen. Gerademal vier Häuser zierten die Straße bis eine große Wiese mit einem ähnlich großem See kam, die an einem Waldrand mündete, vor dem ein fünftes Haus gebaut war, welches jedoch einen großen Abstand zu den anderen Häusern hatte.
Da die Straße in einer Sackgasse endete, überraschte es mich, dass wir tatsächlich bis zum Ende fuhren, wo Eliah in der Auffahrt des fünften Hauses parkte.
»Wer wohnt hier?«, fragte ich überrascht und musterte das zugegebenermaßen sehr schöne Haus. Es erinnerte mich ein wenig an mein Elternhaus, wobei es von der Aufmachung her etwas in die Richtung von Rolfs und Monas pompösen Haus ging, ohne dabei jedoch "Wir sind reich." zu schreien.
Eliah antwortete mir nicht, sondern stieg einfach nur lächelnd aus und kam um das Auto herum um mir die Tür zu öffnen.
»Besuchen wir jemanden?«, fragte ich nochmals nach und griff dankbar nach Eliahs Hand, während er mir aus dem Auto half.
Wieder antwortete er nicht, sondern kramte in seiner Hosentasche, ehe er mir einen einzelnen Schlüssel entgegen hielt.
Verwirrt sah ich von dem Schlüssel zu ihm, ehe er beinahe schüchtern in Richtung des Hauses nickte.
Meine Hand zitterte leicht als ich den kühlen Schlüssel ergriff und langsam zur Haustür ging. Mit einem weiteren unsicheren Blick zu Eliah, wand ich mich wieder der Tür zu.
Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, aber ich zuckte überrascht zurück, als der Schlüssel die Haustür tatsächlich aufsperrte, sodass sie mit einem leisen Klack aufsprang.
Ich sah mit großen Augen zu Eliah, der mir nur andeutete, hineinzugehen, weshalb ich langsam die Tür aufdrückte, die immer mehr vom Innenleben preis gab.
Vom Flur konnte man direkt in das große Wohnzimmer blicken, das mit einer großflächigen Glasfront den Blick auf den nahen Wald freigab.
Meine Knie fühlten sich an wie Pudding als ich weiter hineintrat und mich beeindruckt umsah. Das Wohnzimmer ging in eine offene Küche über, die der von mir zuhause überraschend ähnlich sah und eine große Kücheninsel besaß, wie ich sie bei Mona zuhause so liebte. Direkt neben der Küche gab es einen Gang sowie eine Treppe, die in den ersten Stock führte.
Es gab noch keine Möbel und auch die Wände waren noch leer. Spätestens jedoch am Geruch konnte ich genau sagen, dass dieses Haus erst vor kurzem gebaut wurde und noch niemand hier gewohnt hatte.
»Ist Mona und Rolf ihr Haus zu groß geworden?«, schmunzelte ich, während ich mich um die eigene Achse drehte um nochmals das Erdgeschoss genau unter die Lupe zu nehmen.
»Nein.«, lachte Eliah und drückte die Tür hinter uns ins Schloss, ehe er mich in seine Arme zog. »Komm, ich zeig dir alles.«
Er nahm meine Hand in seine große und führte mich durch die Küche. Neben einer Speisekammer, gab es direkt neben an noch einen extra Raum zum Wäschewaschen, sowie eine Durchgangstür in die Garage.
»Das hier ist das größte Schlafzimmer.«, erklärte Eliah und öffnete eine Tür nicht unweit der Küche. Auch hier gab es eine Glasfront, die wie im Wohnzimmer, den Blick auf den Wald frei ließ, und ein geräumiges Bad, das direkt mit dem Schlafzimmer verbunden war, welches eine große Badewanne besaß.
»Die Glasfronten kann man aufschieben, dann kann man gleich in den Garten hinausgehen. Der Garten ist unglaublich groß und umfasst das Haus von drei Seiten.«, erzählte mein Gefährte und klang dabei beinahe Stolz.
»Genau gegenüber ist noch ein zweites Schlafzimmer oder ein Büro. Wie man es eben möchte. Mit einem Badezimmer.«, schmunzelte Eliah und öffnete auch zu diesem Raum kurz die Tür. Dieser hatte nur ein normales Fenster und eine Schiebetür, die wohl auch in den Garten hinausführte.
»Oben sind vier Zimmer.«, informierte mich Eliah, während wir langsam die Treppe erklommen, die nochmal eine großartige Sicht auf das geräumige Wohnzimmer bot. »Jeweils zwei sind durch ein Bad verbunden. Sie sind alle gleich aufgebaut, nur spiegelverkehrt.« Mit einem Lächeln führte er mich von Zimmer zu Zimmer, von denen je zwei links und rechts des Ganges waren.
Am Ende des Flurs war ein bodentiefes Fenster, das abermals den Blick auf den Wald freigab.
Vor diesem Fenster beendeten wir unsere Tour und Eliah legte seine Arme fest um meinen Körper, während wir den stärker werdenden Regen still beobachteten. Ich wusste doch, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis es zu regnen beginnen würde.
»Das Haus ist wirklich super schön.«, lächelte ich und schmiegte mich näher an ihn. »Aber wofür brauchen Mona und Rolf nochmal so viele Zimmer?« Ihre Kinder waren alle ausgezogen und ihre Enkelkinder würden wohl nie alle gleichzeitig da sein und selbst wenn brauchen sie wahrscheinlich auch nicht so viele Zimmer.
Meine Frage war offenbar ziemlich lustig, denn Eliah begann zu lachen und hauchte mir als er sich wieder etwas beruhigt hatte einen Kuss auf die Wange.
»Das Haus ist nicht für oder von meinen Eltern, Finn.«, grinste er, wobei seine Augen hell blitzten. Er war glücklich, das konnte man ihm deutlich ansehen.
Seine Nervosität, die plötzlich auf mich überschwappte, traf mich deswegen umso unvorbereiteter.
»I-ich habe dieses Haus bauen lassen. Für uns und unsere Kinder.« Er schenkte mir ein wackelndes Lächeln, ehe er weiter sprach. »Wenn mein Wolf... stirbt, bin ich kein Alpha mehr, dann habe ich kein Rudel und vor allem kein Haus mehr. Außerdem habe ich viele Feinde, die wahrscheinlich nur darauf warten, sich an mir rächen zu können und wenn ich nur noch ein Mensch bin, habe sie leichtes Spiel.« Er seufzte schwerfällig und zog mich näher an sich. »Ich habe dieses Haus für uns gebaut. Wir... du, ich und Eren... wir können uns hier ein Leben aufbauen. Ich kann in Dads Firma arbeiten und Geld verdienen, das ist schon abgeklärt, und der Wald, sowie die Wiese mit dem See, das gehört alles zum Haus, also uns. Der Wald ist groß, hier gibt es kein anderes Rudel. Ihr hättet eure Bewegungsfreiheit.«, erklärte er und wurde zum Ende hin immer leiser, bis ihm seine Stimme im wahrsten Sinne des Wortes in seinem Hals stecken blieb.
»I-ich weiß, dass das viel verlangt ist und ich dich damit wahrscheinlich gerade erschlage, a-aber i–« Ich küsste ihn. Presste meine Lippen fest auf seine, krallte meine Hände in seine Haare und zog ihn zu mir hinunter um den ohnehin innigen Kuss noch zu vertiefen.
Seine Hände hielten mich nah bei ihm, während seine Zunge sich spielerisch mit meiner duellierte, bis wir uns außer Atem lösen mussten.
»Deswegen hast du dich so von Jim verabschiedet.«, kombinierte ich. »Und deswegen hast du Ilka auch nicht mitgenommen.«
Eliah nickte vorsichtig. »Keiner weiß von etwas. Nicht einmal Jim. Ich habe ihm einfach nur gesagt, dass wir wegen der Geburt eine unbestimmte Zeit weggehen werden und er mich so lange vertreten soll. Er weiß nicht, wo meine Eltern leben und ich wollte nicht das Risiko eingehen, dass Ilka es herumerzählt.« Er lächelte mir wage entgegen und erst als ich verständnisvoll nickte, entspannte er sich.
»Du bist nicht sauer?«, fragte er vorsichtig nach und spannte sich dabei wieder etwas an.
Ich schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich kann verstehen, warum du so gehandelt hast. Außerdem ist Herb mir sowieso lieber als Ilka. Er ist viel ruhiger.« Eliah lachte und zustimmte mir zu, ehe er mich ein weiteres Mal sanft küsste.
»Mum und Dad sollen hiervon aber trotzdem wissen. Ich möchte, dass sie uns und ihre Enkelkinder besuchen kommen können.« Eliah nickte sofort und als ein leichter Rotschimmer auf seine Wangen trat, musste ich bereits wissend grinsen. »Sie wissen es schon, habe ich Recht?«, lachte ich und als er ergeben nickte, schlug ich ihm gegen die Schulter.
»Deine Mutter war diejenige, die mir dabei geholfen hat, das Haus zu entwerfen. Und dein Vater hat aus meinem Haus schon alles wichtige zusammengepackt und bringt es mit, sobald sie uns besuchen, wenn die Kleinen da sind."
»Du hast wirklich alles durchdacht.«, bewunderte ich und musste dann lachen. »Die Küche hat eindeutig Mama ausgesucht.« Eliah stimmte mir lachend zu und bestätigte damit meinen Verdacht, ehe er meine Stirn küsste.
Mein Blick fiel wieder in den Wald hinaus, der vom Wind geschüttelt wurde.
Ich hatte wirklich kein Problem mit Eliah hierher zu ziehen. Das Haus war super schön, der Wald wirkte einladend und ohne einem anderen Rudel ein Schlaraffenland der Möglichkeiten. Unsere Kinder konnten dort von Eren und mir alles wichtige lernen, das man wissen musste, wenn man ein Wolf war und sich richtig austoben. Außerdem hatten unsere Kinder dadurch die Möglichkeit auf eine normale Schule zu gehen und nicht nur auf die im Rudel.
Früher wollte ich immer unbedingt auf eine normale Schule gehen, aber unser Rudel lag einfach zu weit von der nächsten weg. Ich hätte auch gerne mehr Kontakt mit Menschen gehabt, denn es lag einfach in der Natur von uns Wölfen gesellig zu sein. So wie wir unser Rudel brauchten, so brauchten wir auch sozialen Kontakt und manchmal hätte ich auch gerne Freunde außerhalb des Rudels gehabt.
»Was passiert mit dem Rudel, wenn du kein Alpha mehr bist?«, fragte ich leise ohne den Blick vom Fenster abzuwenden.
»Nichts. Das Rudel bleibt solange bestehen, bis entweder ein neuer Alpha meinen Platz einnimmt oder Jim als mein Stellvertreter stirbt.« Er zuckte mit den Schultern. »Niemand weiß, dass ich nicht da bin und selbst wenn würden sie sich nicht trauen anzugreifen, weil sie wissen, dass mein Rudel viel zu stark ist. Solange niemand weiß, dass ich bald ein hilfloser Mensch sein werde, droht meinem Rudel keine Gefahr.«
»Vielleicht nimmt unser Sohn irgendwann deinen Platz ein.«, lächelte ich und schniefte gerührt. Allein die Vorstellung, dass mein Sohn irgendwann sein eigenes Rudel hatte, ließ mich unglaublichen Stolz empfinden.
»Das würde ich mir sehr wünschen.«, lächelte Eliah und klang dabei genauso gerührt wie ich.
Plötzlich kam mir noch ein Gedanke. »Das zweite Zimmer unten ist also für Eren.«, schmunzelte ich und sah zu meinem Gefährten auf.
Eliah begann wieder zu lachen und nickte. »Glaub ja nicht, dass er auf dem gleichen Stockwerk wie unsere Kinder schläft.« Er schüttelte bestimmt den Kopf. »Nö, der darf ruhig bei uns unten bleiben, damit ich ihn auch wirklich im Auge behalten kann.«
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