76 - drei Wochen
Mein Blick fiel als aller erstes auf Eliah, der flach auf dem Krankenbett lag. Seine Brust hob und senkte sich gleichmäßig und auf den ersten Blick sah es wirklich so aus als würde er nur schlafen. Sein entblößter Oberkörper zeigte keinerlei Verletzungen oder kleine Schrammen. Er sah ganz normal aus.
Meine Knie zitterten als ich näher an meinem Gefährten heran trat, meine Sicht war von meinem anhaltenden Tränen getrübt und vorsichtig griff ich nach seiner Hand.
Sie war warm, wie sonst auch immer und fühlte sich unglaublich gut in meiner an.
Würde ich seinen anhaltenden Schmerz nicht fühlen, würde ich tatsächlich sagen, dass es ihm gut ging.
Mein Zittern wurde immer schlimmer als ich nach dem Saum der Decke griff und sie über seinen nackten Oberkörper nach oben zog, damit er erstens vor anderen verdeckt war und ihm zweitens nicht zu kalt wurde.
Ich spürte Erens Präsenz direkt hinter mir. Ich spürte seine Wärme, die durch den wenigen Abstand auf mich überschwappte.
Doch das beruhigte mich nur wenig.
Mein Gefährte lag verletzt vor mir. Da konnte ich mir keine Gedanken um Eren machen.
»Ah, Finn.« Der gruselige Doktor betrat hinter Eren den Raum, ehe er meinem besten Freund anzeigte, das Zimmer zu verlassen. Eren haderte kurz, sah Hilfe suchend zu mir, doch als ich nickte, verließ er mit gesenkten Kopf den Raum.
Ich wusste, dass es Eren nicht passte, mich "alleine" zu lassen, aber auch wenn mir der Doktor unsympathisch war, musste ich ihm vertrauen. Immerhin vertraue Eliah ihm auch.
»Er hat Schmerzen.«, war das erste, was ich ihm sagte, nachdem wir alleine im Zimmer waren.
Der Doktor zog überrascht eine Augenbraue nach oben. »Ich habe alles untersucht. Er hat wieder äußere noch innere Verletzungen.«, murmelte er und trat an meinen Gefährten heran. Sein Hand tastete nach dem Puls und nach wenigen Augenblicken seufzte er.
»Er ist völlig gesund. Alle Werte sind super. Ich habe wirklich alles mehrmals kontrolliert.«
Seine Augen wanderten über Eliah, ehe er zu überlegend zu mir sah. »Wo hat er Schmerzen?«
Ich deutete mit meiner Hand auf die Stelle an seiner Brust, die bei mir schmerzte. Ich wollte ihn dort nicht berühren aus Angst ihn weiter zu verletzten, doch der Doc kannte keine Gnade und legte seine Hände direkt auf die Stelle und übte Druck aus. Augenblicklich keuchte ich schmerzvoll auf und stieß im nächsten Moment meinen Ellenbogen in seine Seite, sodass der Arzt etwas zur Seite taumelte.
»Das tut weh, verdammt.«, keifte ich und griff wieder nach Eliahs Hand um ihm etwas Komfort zu bereiten.
Er sollte spüren, dass ich da war und nicht von seiner Seite weichen würde.
»Ok, warte. Das schauen wir uns noch einmal genauer an.« Der Doktor begann unruhig durch den Raum zu laufen und sammelte einige Sachen zusammen, während ich vorsichtig zu Eliah auf die Liege rutschte und seine Hand in meine beiden Hände nahm.
Die nächste dreiviertel Stunde verging wie eine Sekunde.
Der Arzt seufzte schwer auf, legte das Gerät in seinen Händen weg und schüttelte den Kopf. »Nein. Nichts. Alles in bester Ordnung.«, murmelte er niedergeschlagen und strich sich durchs Gesicht.
Es war das erste Mal, dass ich mir den Arzt genauer ansah. Er war relativ alt und hatte ein sehr faltiges Gesicht. Der Arztkittel, den er trug, war unnatürlich hell im Gegensatz zu seinem dunklen Erscheinungsbild.
Er wirkte als hätte er schon viel erlebt.
»Warum wacht er nicht auf?«, fragte ich zögerlich und streichelte Eliahs Hand. Er sah so zufrieden und ausgeruht aus. Es fiel mir schwer wirklich zu glauben, dass er nicht nur schlief.
»Er ist ohnmächtig. Die starke körperliche Anstrengung hat ihn ausgelaugt. Sein Körper braucht Ruhe, deswegen hat er sich mehr oder weniger selber herunter gefahren.«, erklärte der Doktor und begann wieder etwas Ordnung in sein Arztzimmer zu bringen.
»Wann wird er wieder wach?«, fragte ich dann stattdessen und rutschte noch etwas näher an meinen Gefährten.
»Schwer zu sagen. Letztes Mal waren es gut zwei Wochen.«, antwortete der Arzt wage und schenkte mir ein knappes Lächeln.
»Damals als er siebzehn war?«, fragte ich überrascht und schluckte schwer als der Doc nickte.
»Das ist zwanzig Jahre her...«, kam es panisch aus meinem Mund und augenblicklich lehnte ich mich zu Eliah und drückte einen Kuss auf seine Stirn.
Bitte Eliah, komm schnell zu mir zurück.
»Ja, Eliah ist jetzt älter, deswegen kann es sein, dass es länger dauert, aber diesmal hat er dich und du hilfst ihm mehr als du denkst. Eure Verbindung ist wirklich sehr stark. Allein deine Anwesenheit bewirkt Wunder.« Er lächelte mich an.
»Ich bringe euch noch ein zweites Bett und richtige Decken. Möchtest du einen Tee, Finn?«
Zögerlich nickte ich und schenkte ihm ein kleines Lächeln.
Vielleicht war er doch gar nicht so schlimm wie gedacht. Vielleicht hatte ich mir viel zu voreilig eine Meinung von ihm gebildet.
Der Tee war das erste, was er mir brachte, ehe er wenige Minuten später ein zweites Bett in den Raum fuhr. Ich bedankte mich bei ihm und setzte mich wieder nah zu Eliah, eine dicke Deckte über uns ausgebreitet und nippte an meinem Tee.
Der Arzt zögerte einige Augenblicke, ehe er sich offenbar doch dazu durchrang und wieder etwas zu uns herantrat.
»Ich denke, dass ich anfangs einen falschen Eindruck vermittelt habe. Ich wollte dich nicht verschrecken und ich kann verstehen, warum du mich lieber auf Abstand hältst. Ich werde dir nicht zu Nahe kommen, keine Sorge. Ich möchte nur ein paar Antworten.« Schwach lächelte er mir entgegen.
Ein zierliches Lächeln bildete sich auf meinen Lippen und ich nickte auffordernd seine Fragen zu stellen.
»Wie ging es dir während der Degradierung?«
Meine Hand griff beinahe automatisch nach Eliahs.
»Es war schwer.«, antwortete ich wage.
Der Doktor nickte und fragte mich noch weitere, glücklicherweise harmlose Fragen, die ich alle mit gutem Gewissen beantworten konnte.
»Ich lasse dir noch etwas zu Essen bringen.«, lächelte der Arzt und verließ kurz darauf den Raum.
Es dauerte nicht lange, da betrat Eren mit einem randvoll gefüllten Teller den Raum und setzte sich auf das freie Bett, das der Doktor direkt an Eliahs Bett geschoben hatte.
Wir sprachen zum Glück nichts. Wir aßen stillschweigend - die Portion war zu groß für mich, weshalb Eren mir half.
Die nächsten drei Wochen vergingen zäh. Ich verbrachte jeden Tag bei Eliah und ging nur selten nach Hause.
Sein Zustand hatte sich nicht verändert und auch der anhaltende Schmerz war nicht weniger geworden. Der Doktor war am Ende seiner Möglichkeiten und wusste nicht mehr wie er Eliah helfen sollte. Selbst starke Schmerzmittel schlugen nicht an und mit jedem Tag der verging wuchsen meine Sorgen.
Außerdem wuchs mein Bauch.
Von einem Tag auf den nächsten hatte man plötzlich eine Wölbung gesehen.
Ich war beinahe vor Freude geplatzt. Doch die Erkenntnis, dass ich es Eliah nicht zeigen konnte, stimmte mich traurig.
Ich hatte ihm davon erzählt und seine Hand über die Wölbung gelegt, in der Hoffnung, dass er es vielleicht doch mitbekam.
Es fiel mehr schwer ohne ihm zu sein. Ich wollte seine schönen Augen wieder sehen, seine Stimme hören, in seinen starken Armen liegen.
Jemand anderem wollte ich davon nichts erzählen, auch wenn Eren mich schon mehrmals gefragt hatte. Irgendwie hatte er einen Narr an den Kleinen gefressen, was schon irgendwie süß war, aber Eliah als ihr Vater sollte als erstes davon erfahren. Ich wollte ihm die Freude nicht nehmen, indem er als letztes davon erfuhr.
Gut behütet versteckte ich deshalb meinen Bauch mit großen Pullovern von Eliah. Nur Ilka hatte ich darüber in Kenntnis gesetzt, die begeistert beinahe durch die Decke gegangen war. Sie wollte gleich einen Ultraschall machen, aber ich wollte damit warten bis Eliah wieder wach war. Er sollte dabei sein. Er freute sich so sehr auf unsere Kinder, da wollte ich ihm nichts vorwegnehmen.
Ich seufzte schwer und kuschelte mich wieder näher an meinen Gefährten. Wir waren immer noch in der Krankenstation, weil der Doc ihn lieber hier hatte als wo anders, da er im Fall der Fälle hier schneller und besser reagieren konnte.
Ich verstand seinen Standpunkt, aber dennoch hätte ich ihn gerne bei uns zuhause.
Meine Eltern waren weiterhin völlig aus dem Häuschen und nur wenige Tage nach unserem Telefonat hatte ich ein Paket bekommen. Gefüllt mit Babyklamotten von mir und Melinda.
Mum hoffte sehr, dass zumindest eines der Kleinen hineinpassen würde, weil sie unsere Klamotten unbedingt an ihren Enkeln sehen wollte.
Ich fand die Geste süß und die kleinen Strampler in meinen Händen zu halten, ließ die Vorfreude weiter wachsen.
Bernard, Eren und sogar Jim hatten mir geholfen, das Gästezimmer, welches direkt gegenüber unseres Schlafzimmers lag, auszuräumen und in ein zartes grün zu streichen. Die weißen Wände waren meiner Meinung nach nicht ansprechend genug und ich wollte, dass unsere Kids sich in ihrem Zimmer wohlfühlten.
Auf kurz oder lang mussten wir uns sowieso eine Lösung überlegen.
Die ersten Jahres wäre es wahrscheinlich kein Problem die vier in einem Zimmer unter zu bringen, aber spätestens wenn sie zu Teenagern herangewachsen waren, wäre es schon schön, wenn jeder ein eigenes Zimmer haben könnte.
Zusammen mit Melinda hatten wir schon neue Möbel für die Kleinen ausgesucht, welche nur noch der Zustimmung Eliahs brauchten, bevor wir sie kauften.
Ich hatte sogar ein Telefonat mit Eliahs Mutter Mona. Sie wollte sich nach unserem Wohlbefinden erkundigen und fragte dabei natürlich gleich nach dem Baby.
Eliahs Eltern wusste dato immer noch nur von einem Kind. Ich fühlte mich nicht in der Position es ihnen zu sagen. Eliah war ihr Sohn und er sollte das Recht haben es ihnen zu sagen, weshalb ich Mona über die Gesundheit unserer Kinder in der Einzahl berichtete.
Sie war ebenfalls voller Freude und konnte es kaum erwarten unser Kind kennenzulernen.
Alles wäre so schön, wenn Eliah endlich aufwachen würde. Wenn er endlich wieder zu mir kommen würde.
Ich ließ meine Fingerkuppen über seine nackte Brust wandern und genoss dabei die Wärme, die von ihm ausging.
Seine Haut fühlte sich auf meiner so gut an und die Lust mit ihm zu schlafen wurde in seiner Nähe immer penetranter.
Ilka meinte, dass das in meinem Stadium der Schwangerschaft völlig normal war und es sich auch noch länger hinziehen würde. Vielleicht sogar bis zum Ende der Schwangerschaft so bleiben würde.
Dazu kam noch, dass die Kinder sich wohl nach der Nähe ihres Vaters sehnten, wodurch meine Lust nur noch verstärkt wurde.
Es fiel mir oft schwer, mich einfach nur an ihn zu kuscheln. Ich wollte ihm so viel näher sein, aber ich würde seine Situation nicht ausnutzen, denn er reagierte auf mich.
Er entspannte sich, wenn ich in seiner Nähe war und wurde unruhig, wenn ich ging. Sein Herz schlug schneller, wenn ich ihm nahe kam und oft zog sich eine Gänsehaut über seinen Körper, wenn ich ihn streichelte. Mehr als nur einmal hatte er auch eine sichtbare Erektion.
Oft hatte ich mit dem Gedanken gespielt, ihm Abhilfe zu verschaffen, aber ich konnte mich nicht dazu durchringen.
Eliah war weiterhin verletzt. Sein Schmerz war immer noch genauso stark wie am Anfang.
Da konnte ich nicht so rücksichtslos sein und nur an meine Lust denken.
Irgendwann würde Eliah aufwachen und sich gut um meine Nöte kümmern. Das wusste ich.
Müde kuschelte ich mich an meinen Gefährten und driftete langsam in den Schlaf als ein Brummen mich aufhorchen ließ.
Eliah begann sich etwas zu bewegen. Sein Kopf rutschte hin und her und seine Hand, die ich in meiner hielt, drückte meine.
Ein knappes Keuchen kam über seine Lippen und obwohl es kein Wort war es eine Wohltat wieder etwas von ihm zu hören.
Ich wollte gerade etwas sagen, da tastete sich seine zweite Hand zu mir, fuhr sanft über meine Wange, ehe er mich küsste.
Er hatte seine Augen nicht geöffnet, was mich etwas enttäuscht stimmte, weil ich seine Augen gerne gesehen hätte, doch seine Lippen auf meinen machten das wieder weg.
Nachdem wir uns langsam aus dem sanften Kuss lösten, lehnte er seine Stirn gegen meine und lächelte sanft.
Seine Stimme war kratzig und nur ein Hauchen, doch sie endlich wieder zu hören, ließ mein Herz höher schlagen.
»Ich wusste immer, dass wir Gefährten sind, Emilia.«
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