59 - Heuchler
Lukas Augen glühten in starken Rot. Seine Haltung wurde größer, mächtiger. Seine Hände ballten sich so sehr zu Fäusten, dass sie bereits weiß waren.
»So lasse ich nicht mit mir reden! Auch du darfst das nicht!«, knurrte er mit tiefer Stimme und machte einen Schritt in meine Richtung. Nur eine Handbreite trennte uns noch voneinander.
»Ach und ihr dürft am laufenden Band meinen Gefährten schlecht machen?! Ich bin es leid wegen Eliah schief angeschaut zu werden. Ich bin nicht Eliah, ich bin sein Gefährte und ich kann absolut nicht nachvollziehen, wieso ausgerechnet das mich genauso in ein schlechtes Licht stellt. Du kennst mich besser als jeder andere und vertraust mir trotzdem nicht. Du vertraust mir sogar so wenig, dass du mich rausschmeißen möchtest, weil du weißt, dass ich dann keinen Fuß mehr über die Grenze setzten kann, weil sich das Rudel gegen mich stellt. Du sagst, dass du weißt, dass ich nichts dafür kann, dass Eliah mein Gefährte ist und dennoch behandelst du mich als wäre ich ein Schwerverbrecher. Als wäre es eine Straftat, dass ich meinen Gefährten gefunden habe! Ich kann verstehen, dass du so wenig wie möglich mit Eliah zu tun haben möchtest, aber ich? Lukas, ich?« Ich schüttelte den Kopf und wand mich von ihm ab. Der Schmerz über Lukas fehlendes Vertrauen saß tief und dass Eren mir noch dazu in den Rücken gefallen war, verstärkte das alles.
»Finn, es tut–« »Es tut dir leid? Nein, dir tut das ganz sicher nicht leid! Ich kenne dich, Lukas. Vergiss das nicht!«
Wütend funkelte er mich mit seinen roten Augen an und in jedem anderen Moment hätte ich Respekt davor gehabt, aber gerade saß der Groll und die Wut zu präsent als das ich mir gerade darüber Gedanken machen könnte.
Ein tiefes Knurren kam aus seiner Kehle, ehe er das Wort erhob.
»Macht meines Amtes verbanne ich dich, Finn, hiermit aus meinem Rudel!«
Kaum hatte er seinen Satz zu Ende gesprochen wurde mein Körper von einem messerscharfen Schmerz durchzogen, der mich schreiend zu Boden sinken ließ. Mein Körper stand augenblicklich in Flammen, mein Innerstes blutete, mein Herz brach und verteilte seine Einzelteile in meinem ebenso gebrochenen Körper.
Der Schmerz wurde von Minute zu Minute schlimmer. Schreiend krümmte ich mich auf dem Boden meines Kinderzimmers und hoffte, dass es gleich vorüber war. Doch der Schmerz blieb auch weit über das Verstummen meiner Schreie hinaus.
Nur unterbewusst bekam ich mit, wie meine Eltern und Eren in mein Zimmer stürzten. Wie Eren begann mit Lukas zu diskutieren und meine Mutter schützend ihre Arme um mich legte und mit meinem Vater versuchte beruhigend auf mich einzureden.
Es lief alles wie in Zeitlupe und nur der Schmerz in meinem Inneren war präsent. Alles andere rutschte verschwommen in den Hintergrund.
Das plötzliche, tiefe Alphaknurren von Lukas ließ Eren verstummen und selbst meine Eltern neben mir zuckten unter Lukas Ton zusammen. Ich nicht. Er war nicht mehr mein Alpha. Er hatte keine Wirkung mehr auf mich und auch, wenn mein Omega zurückzucken und seine Unterwürfigkeit zeigen wollte, reagierte ich nicht. Diese Machte wollte ich Lukas über mich nicht geben.
»Morgen bist du weg, Finn.« Damit drehte sich mein ehemals engster Vertrauter weg und verließ das Haus. Das laute zuknallen der Haustür signalisierte uns das Lukas wirklich gegangen war und das allein beruhigte meinen Omega bereits etwas.
Dad, der selbst am ganzen Körper zitterte, hob mich in seine Arme und legte mich vorsichtig auf meinem Bett ab. Mum zog die Decke über meinen Körper und strich meine Tränen mit liebevollen Bewegungen von meiner Wange.
»Finn, ich–« »Eren, du solltest gehen.« Dads forscher Tonfall ließ Eren sichtlich zusammenzucken, ehe er ergeben nickte und mit einem letzten Blick zu mir wie Lukas das Haus verließ. Es dauerte einige Augenblicke bis man hörte wie er die Haustür schlossen. Offenbar hat er doch noch mit sich gehadert, ob er wirklich gehen sollte.
»Mein kleiner Junge.«, flüsterte Mum und strich mir mütterlich durch die Haare. Auch Dad setzte sich zu mir aufs Bett und strich mir beruhigend über den Rücken.
»Ich fahre dich morgen zu Eliah, ja?« Die raue Stimme meines Vater drang in mein Ohr und eigentlich wollte ich den Kopf schütteln. Ich wollte nicht zu Eliah. Er sollte zu mir kommen und mich holen und mir sagen, dass zwischen uns alles gut war. Aber mir blieb keine andere Möglichkeit. Ich wusste nicht, was Lukas tun würde, wenn ich nach morgen immer noch da wäre.
Deswegen nickte ich zögerlich.
»Es... tut mir l-leid.«, schluchzte ich und drängte mich näher an meine Eltern. »Nein, Finn. Dafür brauchst du dich nicht entschuldigen.«, säuselte Mama und strich mir ungehindert weiter durch die Haare.
»Habt ihr es gehört?«, fragte ich zögerlich nach und konnte dabei meine Augen nur schwer offenhalten.
Mama bejahte meine Frage. »Können... dürfte wir die Narben sehen?«, fragte Dad vorsichtig und richtete sich neben nir etwas auf.
Meine Hände zitterten stark als ich den Knopf meiner Hose löste und sie an einer Hüfte etwas nach unten zog sodass mein Hüftknochen frei lag.
Zeitgleich zogen meine Eltern hörbar die Luft ein, ehe Dad mit zaghaften Bewegungen über die rosa Haut strich.
»War der Sex wenigstens gut?«
Augenblicklich kam ein Lachen über meine Lippen, welches sich mit meinen Schluchzern vermischte. Dad lachte genauso, nur Mum verzog leicht das Gesicht.
»Schau nicht so, Liebling. Ich habe ihn zum Lachen gebracht.«, rechtfertigte sich Dad auf ihren anklagenden Blick hin, was mich weiterhin Grinsen lässt.
Dad rutschte neben mir auf mein Bett und machte es sich auf meinem Kopfkissen bequem. Mum tat es seinem Beispiel gleich und legte sich ebenfalls zu mir.
Die Anwesenheit meiner Eltern lenkte mich etwas ab und je müder ich wurde, desto mehr klomm der Schmerz langsam ab und bereits im Halbschlaf bekam ich noch mit wie Melinda sich ebenfalls zu uns legte.
Ich wurde frühmorgens von starkem Hunger geweckt. Die Sonne blitze erst schwach über den Horizont als ich mich langsam aufsetzte.
Dad lag tief schnarchend neben mir und auch Melinda schlief noch eng an unseren Vater gekuschelt.
Meine Knie fühlten sich weich an als ich meine Beine über die Bettkante schwang und zögerlich aufstand.
Der Schmerz über meinen Rauswurf wiegte schwer auf meinen Schultern, aber zumindest fühlte sich mein Körper nicht mehr an als würde er in Flammen stehen.
Noch immer in den Klamotten von gestern trat ich die Treppe hinunter in die Küche. Melancholie machte sich in mir breit als ich den Blick über das Wohnzimmer schweifen ließ. Es war wohl das letzte Mal, dass ich das hier sehen würde. Ab heute werde ich nie wieder nach Hause zurückkehren.
Ein leises Rumpeln aus der Küche zog meine Aufmerksamkeit auf mich. Mit leisen Schritten trat ich in de Raum, nur um meine Mutter dabei zu sehen, wie sie Muffins backte.
»Mum? Es ist sechs Uhr dreißig. Warum bist du schon am backen?«
Überrascht als hätte sie mich nicht sowieso schon kommen hören, sah sie auf und schenkte mir ein kleines Lächeln.
Ihre Augen waren rot und zeigten deutlich, dass sie geweint hatte. Ihre Haare waren etwas zerzaust und auch ihre Klamotten waren zerknittert.
»Guten Morgen, Liebling. Das sind deine Lieblingsmuffins. Bevor du gehen musst, sollst du sie nochmal zuhause essen können.« Ihre Augen schimmerten verdächtig und auch meine brannten. Mit einem leisen Schluchzen zog ich meine Mama in die Arme. Wir klammerten uns aneinander fest, inhalierten den Duft des anderen und genossen die enge Zweisamkeit. Unzählige Minuten standen wir beieinander bis Mama sich wieder löste und mir zärtlich über die Wange strich.
»Du darfst uns zwar nicht besuchen, aber dafür werden wir euch umso öfter besuchen. Ich möchte sowieso noch das Haus sehen in dem meine Enkelkinder irgendwann aufwachsen werden.« Ihre Augen strahlten bei dem Thema und ein glückliches Lächeln erschien auf ihren Lippen.
Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals, wodurch ich nur nicken konnte. Zumindest ersteres konnte ich ihr erfüllen.
»Setz dich. Ich mache dir einen Tee und Pancakes, ok?« »Danke Mama.« Ich drückte ihr einen sanften Kuss auf die Wange und ließ mich am Küchentisch nieder.
Trotz dem Schlaf war ich ausgelaugt und fühlte mich schlapp und schwach.
»Wie fühlst du dich?«
Ja, wie fühle ich mich? Schlecht? Schwach? Kaputt? Allein.
»Allein. Ich fühle mich allein.«, antwortete ich leise und fuhr mit der Fingerkuppe einen Kratzer in der Holzplatte nach. Melinda hat vor einigen Jahren aus lauter Trotz ihre Gabel über den Küchentisch gezogen. So war diese Furche entstanden.
Mum seufzte leise. »Es ist gut, dass du heute gleich zu Eliah kommst. Dann kann er dich in seinem Rudel aufnehmen und dann fühlst du dich auch nicht mehr so allein.« Sie schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln und stellte mir die heiß dampfende Tasse hin.
»Guten Morgen.« Dad trat gähnend in die Küche und lehnte sich sofort zu mir um mir einen Kuss auf die Schläfe zu drücken. »Wie hast du geschlafen? Wie geht es dir?« Seine Augen, noch klein vom Schlaf, sahen mir besorgt entgegen, während seine Hand väterlich über meinen Rücken strich.
»Ich habe ganz gut geschlafen. Trotzdem fühle ich mich ausgelaugt und... allein.« Mein Blick verfing sich in meinem Tee, der ruhig in der Tasse vor sich hinzog. So ein Tee müsste man sein - der hatte keine Sorgen.
Dad seufzte leise, drückte meine Schulter und wand sich dann Mum zu. Mit einem kleinen Lächeln küsste er sie sanft.
Es war schön meine Eltern so zusammen zu sehen. Es weckte Hoffnung in mir, dass Eliah und ich auch bald so sein konnten.
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