29 - meine Eltern
Nach dem ausgiebigen Frühstück ging wir nacheinander duschen und Eliah lieh mir wie die letzten Tage bereits Kleidung von ihm, welche mir zwar viel zu groß war, aber sie roch nach ihm und allein deswegen würde ich nichts daran ändern.
Wir hatten noch bei Maria und Jim vorbeigeschaut, doch keiner von ihnen war zuhause, weshalb ich kurzerhand entschied, dass wir uns gleich auf den Heimweg machen sollten. Ich würde sowieso wieder zurückkommen, da konnte ich immer noch mit ihnen sprechen.
Eliah bestand darauf mit dem Auto zu fahren und so saßen wir nun still in seinem Auto, während der Radio uns mit leisen Tönen umspielte. Ich konnte Eliah ansehen, dass es ihm noch immer nicht gefiel, dass ich nach Hause wollte und spätestens nach der Beichte mit dem Kuss schien es so als würde er meine Entscheidung vollends verabscheuen.
Er wusste jedoch, dass er mich nicht aufhalten konnte und so begleitete er mich lieber. Wahrscheinlich um Eren im Auge behalten zu können.
»Freust du dich meine Eltern kennen zu lernen?«, säuselte ich glücklich und griff nach seiner Hand, die zwischen uns auf der Mittelkonsole lag. Er verschränkte unsere Finger miteinander und nickte zögerlich. »Das habe ich ehrlich gesagt voll vergessen. Ich habe gar kein Geschenk.«
Überrascht drückte ich seine Hand besänftigend. »Du brauchst kein Geschenk. Wofür auch?«, fragte ich erstaunt nach. »Für deine Eltern.«, antwortete Eliah als wäre es das Normalste auf der Welt.
»Glaub mir, du musst einen Eltern nichts schenken.« Ich konnte nur den Kopf schütteln. »Bei Mum reicht es, wenn du ihr ein Kompliment zu ihrem Essen machst und mit Dad ein gepflegtes Gespräch über Fußball führst.« Eliahs Blick flog kurz panisch zu mir ehe er sich wieder auf die ohnehin leere Straße konzentrierte. »Ich habe absolut keine Ahnung von Fußball.«, beichtete mir mein Gefährte und man konnte geradezu sehen, wie ihm die Farbe aus dem Gesicht wich. Anscheinend ging es ihm näher als gedacht, dass er meine Eltern gleich kennenlernen würde.
»Oder ihr unterhaltet euch über Autos.«, versuchte ich ein anderes gemeinsames Gesprächsthema zu finden und zuckte mit den Schultern. Eigentlich war es nicht schwer ein Gespräch mit meinem Vater zu führen. Eliah schüttelte mit aufeinander gepressten Lippen den Kopf. »Motorräder?«, fragte ich hoffnungsvoll nach, doch abermals schüttelte Eliah den Kopf. »Egal, ihr werdet euch schon verstehen.«
»Ach und meine Schwester. Keine Ahnung, mach ihr ein Kompliment zu ihren Klamotten oder ihren Haaren. Dann mag sie dich eh.« Das brachte wieder ein zierliches Lächeln auf Eliahs Gesicht, wodurch sich der angespannte Gesichtsausdruck Gott sei Dank lockerte.
Sein Daumen strich sanft über meinen Handrücken und mit einer Handbewegung zeigte ich ihm an, dass er rechts die nächste Einfahrt nehmen musste. Irgendwie freute ich mich darauf Eliah meinen Eltern vorzustellen.
Sein Griff um meine Hand wurde fester, während wir langsam durch die kleine Siedlung fuhren, welche ausschließlich aus Häusern unserer Rudelmitglieder bestand.
»Das da vorne ist es.« Ich zeigte auf mein Haus und konnte nicht anders als zu lächeln. Ich freute mich so sehr endlich wieder zuhause zu sein.
Offensichtlich nervös parkte Eliah in unserer Einfahrt neben dem Auto meines Vaters und kaum war der Motor aus sprang ich vom Beifahrersitz. Eliah stieg ebenfalls aus und folgte mir zögerlich zur Haustür, welche im gleichen Moment von meiner Mutter aufgerissen wurde.
»Finn!« Überglücklich zog sie mich in eine feste Umarmung, die mir erstmal sämtliche Luft aus den Lungen drückte. Freudig schloss ich die zierliche Frau in meine Arme und sog ihren mütterlichen Duft ein, welcher auf der Liste meiner Lieblingsdüfte auf Platz drei hinter Eliah und Eren war.
»Hey Mum.« Ihre schwarzen Strähnen kitzelten wie früher als ich noch ein Kind war mein Gesicht und ich konnte sie nur noch fester an mich drücken.
»Finn, erdrück deine arme Mutter nicht.« Das Lachen meines Vater hallte durch den Raum und grinsend löste ich mich von Mama nur um in das freche Gesicht meines Vater zu blicken.
»Jaja.« Lachend tauschten wir kurz eine innige Umarmung aus und als ich mich wieder zu Eliah drehte hatte Mama ihn bereits in ein Gespräch verwickelt und hereingebeten.
Ich stellte ihnen Eliah noch einmal vor wie es sich gehörte und Mum führte uns gleich in die Küche, wo der Küchentisch gerade von Melinda gedeckt wurde. «Schätzchen, dein Bruder ist da. Deck gleich für mehr.«
Begeistert schoss der Blick meiner Schwester hoch und frech grinste sie zwischen mir und Eliah hin und her. »Grins nicht so blöd.«, murmelte ich nur und stieß ihr spielerisch gegen die Schulter, ehe wir beide in Gelächter ausbrachen.
»Hi, ich bin Melinda.« Mit einem süßen Lächeln winkte sie meinem Gefährten zu, der die Begrüßung lächeln erwiderte. »Hey, ich bin Eliah. Mir gefällt dein Kleid. Die Farbe schmeichelt deine Augen.«
Melindas Grinsen wurde bei Eliahs Worten breiter und frech pickste sie mir in die Seite und flötete ein »Ich mag ihn.«. Was hatte ich vorausgesagt? Anders lief es mit Melinda nie. Ein Kompliment und du hast ihr Herz gewonnen.
Wir setzten uns an den Küchentisch und ganz zu meiner Freude waren Dad und Eliah schnell in einem Gespräch vertieft und an dem entspannten Gesichtsausdrucks meines Vater konnte ich mit Sicherheit sagen, dass er kein Problem mit Eliah hatte.
Melinda plapperte mir mit uninteressanten Geschichten das Ohr ab, während Mum die letzte Schüssel auf den Tisch stellte und damit den Beginn des Essen einleitete.
Hungrig griff jeder zu und Eliah nutzte gleich die Chance nach der ersten vollen Gabel, die er gegessen hatte meiner Mutter ein Kompliment zu ihrem Kartoffelsalat zu machen. Schleimer.
Ich war meiner Familie sehr dankbar, dass sie weder versuchte mich zu blamieren noch, dass sie Eliah unangenehme Fragen stellten.
Das Essen war angenehm und je länger die Gespräche anhielten desto mehr wusste ich, dass sich meine Eltern gut mit meinem Gefährten verstanden, was mich extrem glücklich machte. Meine liebsten Menschen an einem Tisch.
Besser konnte ich mir ein Mittagessen nicht vorstellen.
Irgendwann hatte Melinda sich entschuldigt und überstürzt das Haus verlassen um sich noch mit Freunden zu treffen und erst dann bemerkte ich wie langweilig die Gespräche waren, die meine Eltern mit Eliah führten. Anscheinend fand Eliah die Themen jedoch alles andere als langweilig, wodurch mir ein weiteres Mal auffiel wie groß unter Altersunterschied doch war.
Ich half Mum den Küchentisch abzuräumen und konnte mir einen kleinen Freudenschrei kaum verdrücken als Mama aus dem Nichts Lavakuchen herausholte und jedem einen hinstellte. Natürlich nutzte Eliah auch dabei wieder die Chance ihr dafür mehrmals ein Kompliment zu machen.
Ich schwebte im siebten Himmel während ich die Leckerei verzerrte und kaum war mein Teller leer saß ich wieder gelangweilt am Tisch. Die Gesprächsthemen waren nicht interessanter geworden, weshalb ich mich nicht einklinken wollte. Außerdem wusste ich nicht einmal wirklich worüber sie genau sprachen und ich wollte nicht einfach mit Halbinformationen in das Gespräch grätschen. Immerhin wollte ich mich vor Eliah nicht blamieren.
Plötzlich fühlte ich mich an meinem eigenen Küchentisch, innerhalb meiner eigenen Familie wie ein Außenseiter. Nur knapp konnte ich ein Seufzen verdrücken.
Eliah bemerkte offenbar mein Unbehagen und platzierte seine Hand von meinen Eltern unbemerkt auf meinem Oberschenkel und begann beruhigende Kreise auf meine Jeans zu malen.
Diese Geste zauberte mir ein Lächeln auf die Lippen.
»Na, wen haben wir denn da?« Eren.
Seine allzu bekannte Stimme hallte fröhlich durch den Flur und nur wenige Sekunden später erschien er mit einem breiten Grinsen nur in einer kurzen Shorts gekleidet und ohne Oberteil oder Schuhen in der Küchentür. Er war offensichtlich als Wolf unterwegs gewesen.
»Eren.«, pfiff ich fröhlich und schmiss mich ihm ungehalten in die Arme.
Seine starken Arme schlangen sich um meinen Körper, drückte mich an seine breite nackte Brust. Sein vertrauter Geruch stieg mir in die Nase, weshalb ich mein Gesicht in seiner Halsbeuge drückte um ihm noch näher zu kommen. Sein Griff wurde fester und auch er schmiegte sein Gesicht in meine Halsbeuge, wodurch seine Haare mich leicht kitzelten. Seine Wärme ging direkt auf meinen Körper über und erfüllte mich mit einem Gefühl von Heimat, das ich die letzten Tage vermisst hatte.
Ich konnte im Hintergrund meine Mutter tuscheln hören, doch ich ignorierte es einfach. Ich wollte mich am liebsten nie wieder aus dieser Umarmung lösen, doch ein Räuspern hinter uns, das eindeutig von Eliah kam, ließ Eren die Arme senken. Das enttäuschte Fiepen, das mir über die Lippen kam ignorierte ich gekonnt und nahm stattdessen meinen Platz neben Eliah wieder ein, welcher offenbar all meinen Bewegungen mit seinen Adleraugen gefolgt war.
Eliah erhob sich im selben Moment und ging auf Eren zu, der noch immer im Türrahmen stand. Kurzzeitig hatte ich Angst, dass Eliah auf ihn losgehen würde, aber als mein Gefährte Eren die Hand entgegenstreckte, konnte ich nur überrascht die Augenbrauen nach oben ziehen.
Eliah wollte anscheinend wirklich versuchen sich mit ihm zu verstehen. Das brachte mich sofort zum Lächeln. Es würde für mich nichts schöneres geben als wenn sich meine zwei Lieblingsmänner endlich verstehen würden.
»Ich denke, wir haben uns letztes Mal auf dem falschen Fuß kennengelernt.« Eren ergriff zögerlich Eliahs Hand und erwiderte den Handdruck.
»Ja, das denke ich auch.« Mein bester Freund klang komisch zurückhaltend als würde er versuche seine Wut zu zügeln und seine Gefühle zu verstecken. Was war letztes Mal zwischen ihnen vorgefallen? Eren reagierte nie so, was bedeutete, dass etwas schlimmeres geschehen sein muss.
Das stumme Blickduell, das Eliah und Eren daraufhin ausfochten, beobachtend fiel es mir plötzlich wie Tomaten von den Augen.
An dem Abend als Eliah in unser Revier eingedrungen war und Eren versucht hatte mich in Lukas Schlafzimmer zu behalten. Als ich die Treppe hinuntergestürzt war und Eren versucht hatte mich wieder in die Sicherheit des Schlafzimmers zu bringen. Erens zerschrammtes Gesicht. Das Blut.
Ich konnte sein blutiges Gesicht noch immer detailliert vor mir sehen.
Das war Eliah.
Er hatte Eren so zugerichtet.
Deswegen wollte mir im Nachhinein niemand sagen was passiert war. Weil mein Gefährte meinen besten Freund angegriffen hatte.
»Du warst das.« Meine Stimme klang gefährlich ruhig.
Mit zitternden Knien rutschte ich vom Stuhl und ging langsam auf Eliah zu, welcher überrascht zu mir hinunter schaute.
»Du hast Eren damals so zugerichtet.« Allein der Gedanke daran, dass mein Gefährte meinem besten Freund so etwas angetan hatte trieb mir Tränen in die Augen.
»Er hat dich angegriffen.«, antwortete Eliah gleichgültig und wusste anscheinend genau wovon ich redete. Sein Gesichtsausdruck war kalt, doch in seinen Augen konnte ich Sorge sehen.
»Er wollte mich beschützen!«, zischte ich und stieß dem fast Vierzigjährigen wütend und verletzt gegen die Brust. »Du hattest kein Recht ihn anzugreifen.«
»Finn, er hat nichts falsch gemacht.«, versuchte Eren mich zu beschwichtigen und legte mir seine Hand auf die Schulter. Ich wollte es nicht wahrhaben, aber die Berührung beruhigte mich. Eren hatte schon immer eine beruhigende Wirkung auf mich gehabt. »Er hat der Situation entsprechend reagiert. Ich hätte es an seiner Stelle wahrscheinlich nicht anders gemacht.«
»Ja, aber ohne sich vorher darüber zu vergewissern, ob es überhaupt angebracht ist!«, keifte ich Eren an, der offensichtlich angepisst seine Hand wieder von meiner Schulter nahm und ein 'Beruhig dich, Alter' murmelte. Doch ich wollte mich nicht beruhigen. Eliah hatte meiner Familie wehgetan.
»Ist es nicht genau das was du Henrik vorwirfst?! In unvorhergesehen Situationen richtig zu handeln? Und du ihn dennoch bestrafen wolltest, weil er das Richtige getan hat?« Meine Stimme überschlug sich beinahe vor lauter Wut und ein Schluchzen am Ende verschluckte nahezu das letzte Wort.
Fang jetzt nicht an zu weinen Finn, ermahnte ich mich selbst.
»Finn, bitte. Die Situation hat ganz anders gewirkt. Du kannst das nicht mit Henrik vergleichen.« Eliah sah nun sichtlich überfordert aus. Seine Augenbrauen waren verzweifelt zusammengezogen und seine Augen schimmerten matt.
In jedem anderen Moment hätten mir meine Worte leid getan und ich wäre ihm wahrscheinlich in die Arme gefallen, aber gerade ging es darum, dass er Eren verletzt hatte und das konnte ich nicht dulden.
»Raus! Ich will dich heute nicht mehr sehen!« Mein Finger zitterte als ich stur in Richtung Haustüre zeigte und Eliah damit verdeutlichte endlich zu verschwinden.
»Lieblings, denkst du nicht, dass du etwas überreagierst?« Mamas liebliche Stimme kitzelte in meinen Ohren und anstatt mich zu beschwichtigen machte es mich nur noch rasender. »Nein!«
»Finn. Chill. Du willst das nicht wirklich.« Eren legte wieder seine Hand auf meine Schulter, doch ich schüttelte sie ab. »Doch!«
Mein Blick lag stur auf Eliah in dessen Augen ich den Schmerz klar sehen konnte. Sein Blick berührte mich, doch die Wut war viel zu präsent als dass ich ihm in diesem Moment vergeben konnte.
»Raus!«, wiederholte ich lauter und deutete abermals Richtung Haustür.
Eliah nickte, ließ den Kopf hängen und drehte sich meinen Eltern zu. »Vielen Dank für das Essen. Es hat mich sehr gefreut Sie kennen zu lernen.« Sein aufgesetztes Lächeln bröckelte etwas und mit klar sichtbaren Tränen in den Augen und ohne auf eine Antwort zu warten ging er mit großen Schritten an Eren vorbei in den Eingangsbereich.
»Bitte komm morgen wieder zu mir.«
Es war nicht mehr als ein Hauchen, aber ich wusste, dass er es gehört hatte.
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