
Kapitel 41 - Milly Valyria
Ich kauerte mich vor Thyra hin. Sie krümmte sich vor Schmerzen. Aus ihren Augen traten Tränen. Joshua war zu ihr gekrochen und hielt sie in seinen Armen. Ich wusste, was meiner Freundin so zusetzte. Das war nicht die Verletzung, obwohl die auch schon viel zu grausam war. Skalli. Er war.... Ich konnte meine eigenen Tränen auch nicht mehr aufhalten. Mein Herz zersprang. Snowwing. Mein geliebter Schatz. Nein.... So viele Opfer … Alle.... Alle waren tot. Jetzt hatte ich wirklich alles verloren. Und das nur, weil ich Lyssa nicht das gegeben hatte was sie wollte. Weil ich nicht schnell genug gewesen war. Ich war an Thyra gelehnt und weinte in ihre Schulter. Auch sie weinte. Joshua war ebenfalls völlig in Gedanken versunken. Ich hoffte, dass er nichts Unüberlegtes tat. Der Phönix konnte zwar wiederbeleben. Aber ein ganzes Königreich würde er nicht schaffen können, ohne sich zu opfern, und das wollte ich unter keinen Umständen. Nicht noch ein Opfer!
Ich sah mich etwas um. Kain war inzwischen aufgestanden. Dass er nach diesem Angriff überhaupt wieder normal aufstehen konnte, grenzte an ein Wunder. Es war tröstlich, ihn halbwegs wohlauf zu sehen. Bis....
„Ich wusste es, du bist eine Verräterin!“, schrie er voller Zorn und hob seine Lanze, um einen Angriff auf Thyra zu starten. Nein! Ich sagte doch gerade nicht noch ein Opfer! Außerdem waren wir alle Freunde! Ich musste es schaffen, seinen Zorn zu besänftigen. Ich nahm all meine letzte innere Stärke zusammen, sprang auf die Füße und klammerte mich an ihn, noch bevor er überhaupt zuschlagen konnte.
„Hör auf! Bitte hör damit auf!“, rief ich verzweifelt, während die Tränen einfach weiter flossen. Er war wie erstarrt. Sein Arm mit der Lanze noch erhoben. Joshua hatte Thyra an sich gezogen. Beide sahen Kain entsetzt an. Dieser sah auf mich herab. Ich heulte verzweifelt.
„Wir sind Freunde! Sie ist der Feind! Lyssa! Nicht Thyra! Lyssa will, dass wir gegeneinander sind! Bitte Kain! Hör auf!“, jammerte ich.
Er zögerte. Schien unschlüssig, was er tun sollte. Dann endlich. Langsam ließ er die Lanze sinken. Seine ganze Aufmerksamkeit galt nun mir. Plötzlich und ohne Vorwarnung zog er mich an sich und hielt mich ganz fest. Ich starrte ihn an. Das war ich gar nicht von ihm gewohnt. Er war mit einem Mal richtig, liebevoll und zärtlich. „Es tut mir leid. Ich habe die Nerven verloren. Aber Lyssa hatte es ja angedeutet“, erklärte er mir.
Ich schüttelte den Kopf und vergrub mein Gesicht in seiner Brust. Ich zitterte am ganzen Körper.
„Warum wohl hat sie das gesagt? Weil sie unsere Gruppe entzweien will“, wimmerte ich.
„Wir müssen zusammenhalten.“ Er hielt mich einfach weiter fest. Strich mir durch das Haar und über den Rücken. Er war so sanft. Nie zuvor hatte er mich auf diese Art festgehalten. Es fühlte sich schön an, aber es war traurig, dass es unter solchen Umständen geschah. Vermutlich interpretierte ich in seiner Nähe zu viel rein, da meine Seele zu verletzt war. Er wollte mich nur beruhigen. Nun ja, das gelang ihm damit auch. Ich sah dankbar zu ihm hoch.
Er strich mir über die Wange und ich spürte, wie mein Gesicht rot wurde und mein Herz raste. Das wäre so ein schöner Moment gewesen, wenn die Trauer sich nicht wieder in mein Herz gesetzt hätte. Nein, anders. Sie war immer da. So viele Menschen hatten ihr Leben verloren. Skalli und Snowwing ebenfalls. Mal ganz zu schweigen von den ganzen anderen Chocobos. Ich senkte wieder den Kopf. Thyra und Joshua hatten es jetzt auch geschafft, aufzustehen. Meine Freundin hatte sich von dem ersten Schreck erholt und reagierte jetzt mit Verzweiflung. „Willst du dich an mir rächen? Dann tue es! Stich zu! Wenn ich tot bin, wird Lyssa uns nicht mehr folgen können!“, schrie sie Kain an und Tränen liefen ihren Wangen entlang.
„Thyra warte“, begann ich zaghaft. Ich wusste, wie sehr sie verletzt war, und die Reaktion von Kain hatte ihr sicher noch mehr geschadet. Der Dragoon ließ mich los und trat auf die Braunhaarige zu. Nein... Bitte nicht.... Es war doch genug....
„Du willst also wirklich sterben, ja? Ist das wieder einer deiner Tricks?“, fragte er herablassend. Thyra schüttelte heftig den Kopf. Ihre Augen waren von den vielen Tränen schon stark gerötet.
„Das ist kein Trick! Ich will das nicht mehr!“, rief sie. Kain hielt dagegen, aber ich hörte ihn kaum mehr. Ihr Streit brach über mich herein und schien mich fortzuschwemmen. Ich war überfordert.
Genug.... Es waren zu viele Opfer. Nicht weiter.... Nicht noch mehr.... Nein.... Das alles sollte....
„Aufhören! Alle aufhören!“, brach es dann so laut ich konnte aus mir heraus. Genug war genug. Meine Freunde zuckten zusammen. Ich hatte nicht bemerkt, dass meine Stimme sich kurz verändert hatte und um mich herum für einen kleinen Augenblick ein seltsames Licht erschienen war. Ich stand nur da und schrie alles raus, was mich belastete. Ich konnte nicht mehr.
Dunkler Kain
Millys Verzweiflung und all diese Zerstörung zusammen mit Lyssas Erscheinen hatten dafür gesorgt, dass ich endlich meine Ketten sprengen konnte. Nun war ich am Zug. So wie er mich zuvor immer ausgesperrt hatte, so tat ich es jetzt mit ihm. Ich hörte den Feigling ganz leise im Inneren an die
„Tür“ klopfen. Na ja, ich war mir sicher, dass er eher hämmerte, aber für mich war es lediglich ein leises Klopfen. Es war vergeblich. Jetzt war ich dran und Thyra würde für Millys Tränen bezahlen. Mein armer Engel war mit den Nerven am Ende.
So viele Menschen waren gestorben. Ihr geliebter Chocobo ebenfalls. Sie hatte jetzt endgültig alles verloren. Es wurde Zeit, den Spieß umzudrehen. Zeit für Rache. Dafür musste aber zuerst diese dreckige Verräterin weg. Sie allein war schuld an allem. Doch als ich zum entscheidenden Schlag ausholen wollte, da warf sich Milly in meine Arme und hielt mich zurück. Ich sah auf sie herab. Warum? Sie sollte dieses Biest hassen. Dann fiel es mir ein. Nein, Milly konnte niemanden hassen. Dafür war ihr Herz zu rein und unschuldig. Sie war wahrlich ein Engel. Ich musste sie schützen. Um jeden Preis. Ich zog sie fest an mich. Sie sah überrascht zu mir hoch. Ich war nicht solch ein Feigling wie das Weichei in mir. Niemals würde ich sie auf Abstand halten. Ihr Herz war dabei, zu brechen. Sie brauchte mich als Stütze. Dafür musste ich mir aber etwas einfallen lassen, damit sie mir weiter vertraute. Ich wollte schließlich nur das Beste für sie. Ich musste sie beruhigen.
„Es tut mir leid. Ich habe die Nerven verloren. Aber Lyssa hatte es ja angedeutet“, erklärte ich. Natürlich hatte ich keinesfalls vor, Thyra einfach so davonkommen zu lassen. Ich wollte nur Milly beruhigen. Ihr zierlicher Körper zitterte in meinen Armen. Ihre Worte über den Zusammenhalt in der Gruppe überhörte ich einfach. So war sie nun mal. Es war okay. Sie durfte so sein. Aus ihren traurigen Augen sah sie mich an.
Ich konnte ihren Dank für die Beruhigung deutlich erkennen. Sanft strich ich ihr über die Wange und eine leichte Röte erschien auf ihrem Gesicht. Still grinste ich in mich hinein. Ja, ich war alles, was sie jetzt brauchte. Ich musste sie nur von allen fortbringen. Doch ihre Augen wurden erneut traurig und sie senkte den Kopf. Sie hatte zu viel Schmerz erlitten. Der Phönix hatte der Verräterin auf die Beine geholfen. Da standen sie jetzt und sahen mich an. „Willst du dich an mir rächen? Dann tue es! Stich zu! Wenn ich tot bin wird Lyssa uns nicht mehr folgen können!“, rief Thyra endlich. Aha, jetzt wollte sie auch noch provozieren? Das konnte sie gerne zurück haben. Ich ließ Milly los. Sie sollte nicht dazwischenstehen.
„Du willst also wirklich sterben, ja? Ist das wieder einer deiner Tricks?“, fragte ich sie herablassend.
Thyra schüttelte den Kopf. „Das ist kein Trick! Ich will das nicht mehr!“, rief sie. Natürlich wollte sie das nicht. So wie sie Milly auch nicht mit dem Eis hatte erschlagen wollen. Sie tat so auf liebe Freundin, aber war letztlich nur ein Feind.
„Ich kann dir deinen Wunsch gerne erfüllen, falls du dich nicht vorher gegen uns stellst und dazu entschließt, mir in den Rücken zu fallen“, verkündete ich. Die Braunhaarige bebte. Ja, genau. Da hatte ich sie wohl direkt bei der Wahrheit erwischt. Sie konnte mich nicht täuschen.
„Ich bin keine Verräterin. Ich kann nichts für die Verbindung“, weinte sie jetzt.
„Deswegen sollst du es ja auch beenden!“ Ich glaubte ihr kein Wort. Diese Tränen waren nicht echt. Nur eine Maske. Das war alles ein Hinterhalt. Gerade als ich ihr die nächsten Worte um die Ohren hauen wollte, ging Milly dazwischen.
„Aufhören! Alle aufhören!“, schrie sie. Wir mussten alle zusammenzucken. Ihre Stimme war anders. Kraftvoller. Noch dazu schien sie von innen heraus zu strahlen. Dieses Licht.... Es zog mich teilweise an, beunruhigte mich aber auch.
„Es sind zu viele! So viele wurden getötet! Meine Freunde, meine Familie! Snowwing!“, bei dem Letzten brach ihre Stimme kurz und ein Schluchzer entwich ihr. Sie blinzelte die Tränen weg und schüttelte den Kopf.
„Nein, ich will das nicht mehr! Wenn ihr jetzt alle anfängt zu sagen, dass es eure Schuld ist und ihr deswegen sterben müsst, dann sollte ich ja von euch allen als allererste damit anfangen!“, rief sie. „Milly...“, brachte Thyra kurz hervor. Doch die Weißhaarige war nicht zu bremsen. „Mich wollte Lyssa haben! Meine Kraft! Wegen meiner Schwäche passiert das alles doch überhaupt!“, schrie sie.
Es schien absolut alles aus ihr heraus zu brechen. Der ganze Schmerz bahnte sich seinen Weg nach draußen. Ich hatte nie damit gerechnet, dass sie einmal so laut werden könnte. Und trotzdem spürte ich dabei keinen Anflug von Bösartigkeit. „Aber ich muss.... ich muss einfach weiter machen. Wenn ich jetzt aufgebe und mich töten lasse, dann würde ich diejenigen traurig machen, die ich verloren habe. Ich habe Angst. Ich will nicht kämpfen. Dennoch...“, sie brach ab und wischte sich über die Augen. Dieses Licht, diese Stärke. Ich war geblendet. Ich war fasziniert. So sehr, dass ich spürte, wie die innere Tür, die ich errichtet hatte, einige Risse bekam. Nein! Er durfte jetzt nicht raus! Ich war noch nicht fertig. Ich zwang mich dazu, Milly nicht anzusehen. Ich musste dagegen halten. Ich hatte noch etwas vor. Aber sie war.... so schön und.... so unendlich stark.
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