Kapitel 7 - Kali
Worte. Worte können fallen. Worte können alles verändern. Wörter besitzen Macht. Unser ganzes System besteht daraus. Aus Wörtern. Wörter bestimmen Leben und Lebensweisen. Sie sind die geheimen Herrscher des Offensichtlichen. Mit jeder Sprache verleihen wir ihnen Bedeutung, mit jedem Satz. Wer kann heute noch ohne sie auskommen? Ohne Wörter?
Jeder, der einsieht, welche Kraft und Macht in Wörtern steckt, wird lernen, diese zu nutzen. Für seinen eigenen Vorteil. Für das, was er will. Doch Wörter können nicht alles sagen. Es gibt Sachen, für die es keine Wörter gibt. Sachen, die gefühlt werden können und deswegen existieren, die aber nicht in Worte gefasst werden können. Warum also sollte etwas erst dann existieren, wenn es beschrieben werden kann? Wenn es in Worte gefasst wird? Was ist der Sinn und Zweck dahinter?
„Du hast es geschafft." Ich blicke den Jungen neben mir an und ziehe die Augenbraue hoch. „Er redet mit ihr. Mehr als nur ein paar Worte. Sie tanzen."
Mein Blick gleitet zu der Tanzfläche, auf der sich die beiden befinden und im Gleichklang der Musik bewegen. Ich nicke. Das stimmt. Sie tanzen. Sie scheinen vertraut. Irgendwas muss zwischen den beiden vorgefallen sein. Aber ich weiß nicht was. Ich weiß nur, dass er das Ganze wegen ihr gemacht hat. Die ganzen Spiele. Auch wenn ich den Sinn dahinter nicht verstehe, aber wer kann das schon? Gibt es überhaupt einen Sinn dahinter?
„Wollen wir sie weiter beobachten?" Fragend sehe ich ihn an. Was meint er damit? Er scheint die Frage zu spüren. „Ich meine, ob wir auch tanzen wollen. Den Abend nutzen. Wir müssen nicht, wenn du nicht willst."
Nein, nein, ich schüttle den Kopf und atme dann tief ein und aus. „Ist schon okay. Kannst du tanzen?"
„Ja. Sicher. Du?"
„Wir können es versuchen. Also versprechen kann ich nichts. Solange wir keine super athletische Tanzeinlage einlegen, sollte es aber gehen."
Gemeinsam laufen wir zur Tanzfläche. Tief atme ich ein und aus. Es ist okay. Natürlich ist es das. Ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht.
Und dann... Dann tanzen wir.
Eine neue Melodie stimmt an und ich setze mich auf einen der Barhocker. Tief atme ich ein und aus. Das Tanzen war schön, aber jetzt brauche ich etwas Erholung.
„Ein Wasser?" Ich blicke auf und sehe auf das Namensschild. Carmina.
„Ja, gerne", erwidere ich und atme tief ein und aus. Alles ist okay. Ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. Mein Tanzpartner kommt zu mir. Seine grauen Augen blicken mich geradeheraus an.
„Schon erschöpft?" Trotz dieser etwas spitzen Bemerkung lächelt er und so lächle ich auch. „Du magst Partys echt nicht oder?", flüstert er mir zu.
Mal ganz davon abgesehen, dass ich ursprünglich in einen ruhigen Raum geflohen bin....
„Ja. Vor allem Mottopartys. Vor allem, wenn diejenigen, die mich dazu gezwungen haben, hinzukommen nicht da sind."
„Ich bin doch hier", ertönt eine Stimme hinter mir und Assia lässt sich nieder. Kalel steht dicht hinter ihr. Ich drehe mich von den beiden weg. Atme tief ein. Und wieder aus.
„Schön dich auch mal zu sehen", ist alles, was ich über die Lippen bringe.
„Es tut mir leid, dass ich nicht eher zu dir gestoßen bin. Ich hatte zu tun. Zumindest..." Sie sieht mich an und schweigt dann. Daraufhin atme ich tief ein und aus. Ihr Blick schweift ab. Kalel hinter ihr versteift sich.
„Wo wart ihr?" Mein klagender Blick trifft sie. Kurz schaut sie zu Kalel.
„Wir mussten noch etwas klären. Wir haben versucht, uns zu beeilen, aber es ging nicht schneller." Assia wendet sich zu Carmina. „Hat mit den Getränken und so weiter alles geklappt?"
„Ja", bestätigt Carmina und schaut nochmal in einem Notizbuch nach. „Alles soweit. Vielleicht bräuchten wir Nachschub an Eiswürfeln oder Orangen und Zitronen. Du hattest von Melonen geredet?"
„Wir kümmern uns drum. Ich sag dem Einkaufsteam schnell Bescheid und dann... Melonen, richtig. Ich wollte welche holen. Ausprobieren, wie es schmeckt und ankommt." Assia bleibt kurz stehen, ehe sie wieder verschwindet.
„Was für ein schneller Besuch." Augenverdrehend wende ich mich meinem Wasser zu. Diese Kühle erfrischt mich. Es tut gut, etwas zu trinken.
„Sie scheint viel beschäftigt zu sein", meint der Junge neben mir und mir fällt ein, dass ich seinen Namen nicht kenne, zumindest habe ich mich nicht nach ihm erkundigt. Aber wie soll man jemanden nach seinem Namen fragen?
„Ja. In der Tat." Ich hebe das Glas an und flöße mir Wasser ein. „Wie heißt du eigentlich?"
„Felin und du?" Er bestellt sich auch etwas zu trinken. Einen Mocktail. Mit Ananas obendrauf. Sunrise Avenue. Okay, nur Sunrise, aber bei Sunrise muss ich fast automatisch an Avenue denken.
„Kali, aber solltest du es nicht eigentlich wissen." Ich nehme noch einen Schluck, ehe ich ihn ansehe. „Nicht böse gemeint, ich dachte nur, ich hätte euch meinen Namen gesagt."
„Okay, Kali. Das Wasser ist kalt." Ich sehe ihn an. Waren das Fragen oder Feststellungen? Oder etwas anderes?
„Wenn du vorhast in Metaphern zu sprechen, kann ich dir leider nicht folgen. Aber ja. Ja, das Wasser ist kalt. Angenehm kalt. Besser als heiß. Wenn es heiß ist, kannst du dich verbrennen."
„Wer von uns beiden redet jetzt in Metaphern?" Er lacht auf. Das Lächeln ist zwar ehrlich, aber dennoch...
„Es war keine Metapher. Ich liebe Tee, aber wenn du dir die Zunge verbrennst, tut es weh." Ich nehme noch einen Schluck. „Und dies ist auch keine Metapher."
„Klar." Seine grauen Augen mustern mich und ich schlucke. Was wollte er?
„Aber was willst du hier?", bringe ich hervor. Mal ganz davon abgesehen, dass wir uns schon näher waren. Schließlich haben wir getanzt. „Ich meine, erzähle mir etwas über dich." Konnte diese Situation noch unangenehmer werden?
„Meine Lieblingsfarbe ist blau. Wobei grün auch schön ist. Ich mag deine Augen, Kali." Und ich schließe meine. Was wollte er mir damit sagen? Das alles ging mir etwas zu schnell. Mit dem nennen seiner Lieblingsfarbe, ohne, dass ich ihn nach ihr gefragt habe, hat er eine Grenze überschritten. Nicht wissentlich wahrscheinlich, aber dennoch. Früher, im Kindesalter war die Lieblingsfarbe eine der ersten Fragen, die du stellst. Aber jetzt... jetzt ist die Frage nach der Lieblingsfarbe etwas Besonderes. Für mich bedeutet es, jemanden anzunehmen. Jemanden in meinem Freundeskreis zu akzeptieren. Akzeptieren, dass ich mit ihm zu tun habe. Diese Frage ist eine Frage, die das Akzeptieren einer Person als sich mit sich trägt. Und jetzt kommt er und eröffnet mir seine Lieblingsfarbe, ohne, dass ich danach gefragt habe. Wobei... nein, mit meiner Aussage, dass er etwas über sich erzählen soll, war nicht seine Lieblingsfarbe gemeint.
„Alles okay? Willst du was trinken? Also was anderes als Wasser?", reißt er mich aus meinen Gedanken und hält mir ein Glas hin. Sein Glas. Das Glas mit der Ananas.
„Ja. Schon okay. Wobei", ich nehme mir die Ananas, „die Ananas auch gut ist." Damit beiße ich in sie hinein und anstatt mich mit wütenden Augen anzustarren, lächelt er. Was ist eigentlich sein Problem?
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