13 🖤• Beyza •🖤
Triggerwarnungen im Infokapitel lesen!
»Niko? Lenny?« Tialda stürmte mein Büro. »Bey? Oh, du bist also hier.«
»Ja«, ich verdrehte die Augen, »wo sollte ich auch sonst sein?«
Sie lehnte sich genervt in den Türrahmen und pustete sich anschließend eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht.
»Tja, keine Ahnung. Sag du's mir.«
»Was soll ich dir sagen?«, entgegnete ich mich hochgezogenen Augenbrauen. »Ich hab ja noch nicht einmal eine Ahnung, wovon du sprichst. Hat wieder jemand deine Chips geklaut?«
»Nein, niemand hat meine gottverdammten Chips geklaut!« Tialda stieß sich wieder vom Türrahmen ab und kam auf mich zu, um sich auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch zu setzen. »Mein Problem ist, dass ich weder Niko noch Lenya finden kann!«
»Okay, und was willst du dann von mir?«
»Ich verlange von dir, dass du die Smartphones der beiden ortest. Ich nehme mal an, dass du das kannst, oder?«
Natürlich konnte ich. Allerdings hatten wir uns ausdrücklich darauf geeinigt, nur in Notfällen zu derartigen Mitteln zu greifen.
»Klar kann ich.«
»Na, dann sollten wir keine Zeit verlieren!«
»Aber ohne triftigen Grund, werde ich das nicht tun.«
»Beyza! Das war keine Bitte, sondern eine Anordnung!«
»Wie war das mit«, ich zeichnete Anführungsstriche in die Luft, »wir sind alle gleichberechtigt und stellen uns nicht gegenseitig nach?«
»Bei Niko ist es mir egal. Wir wissen, dass sie häufiger mal dazu neigt, zu verschwinden. Aber für Lenya ist das ein untypisches Verhalten.«
»Tia, deine Schwester ist kein Kind mehr.« Obwohl ich zugeben muss, dass Lenny sich neulich ziemlich merkwürdig verhalten hat. »Im Prinzip geht es dich nichts an, was sie wann, wo oder mit wem tut.«
»Ich sage es jetzt zum aller letzten Mal, Beyza – es ist eine Anordnung und keine Bitte. Ich verlange von dir, dass du Lenny findest und mir sagst, wo sie sich gerade aufhält. Und ich dulde keine Widerrede!« Dann rauschte sie ab, wie eine vor Wut dampfende Lokomotive.
Großartig, weil ich ja nichts Besseres zu tun habe. Zumal mir die Tatsache, dass Nikolina sich noch nicht bei mir gemeldet hat, mir gerade mehr Bauchschmerzen bereitet.
Ich startete ein paar vergebliche Versuche, die beiden ausfindig zu machen, scheiterte jedoch kläglich. Nikolina hatte ihren Flug nach Amsterdam verpasst, während Lenyas Handy sich nicht orten ließ. Und das sorgte wiederum dafür, dass bei mir sämtliche Alarmglocken klingelten.
»Komm schon, Lenny«, murmelte ich kaum hörbar in mich hinein. »Wo bist du?«
Jeder Mensch hinterließ irgendwann eine Spur von sich. Also fing ich damit an, dem letzten Hinweis nachzugehen.
»Merkwürdig ...« Das besagte Showtheater, von dem Nikolina und Lenya vor ein paar Tagen gesprochen hatten, hat nie stattgefunden. »Da hat wohl jemand geflunkert.«
Ich schlussfolgerte daraus, dass die beiden unter einer Decke steckten. Von Nikolina war nichts anderes zu erwarten, aber von Lenya hätte ich nicht erwartet, dass sie mir schamlos ins Gesicht lügen würde.
»Wollen wir doch mal sehen, ob du vorsichtig gewesen bist, Lenny.« Neben den einfachen Dingen, wie Kreditkartenabrechnungen und der Ortung ihres Smartphones, checkte ich auch den Einsatz sämtlicher Gesichtserkennungssoftware an Flughäfen und Grenzkontrollen. Nach einiger Zeit wurde ich tatsächlich fündig und wusste sofort, dass es mein Todesurteil wäre, wenn ich sie vor ihrer Schwester decken würde.
»Und? Hast du etwas gefunden?«
Wenn man in Gedanken vom Teufel sprach, stand er in den meisten Fällen direkt hinter einem. Ich wandte mich Tialda zu und stieß ein leises, nervöses Seufzen aus. Dass Nikolina wie vom Erdboden verschluckt gewesen war, war die eine Sache. Aber, dass Lenya sich ohne Tialdas Einwilligung in England aufhielt, die andere.
»Sie ist gestern in London gelandet.«
»Wie bitte?« Tialdas Augen weiteten sich merklich und ihre Hände ballten sich zu Fäusten, die sie wütend gegen meinen Schreibtisch donnerte. Dabei fiel mein Stifthalter um. Ich funkelte sie wütend an, währende ich meine verstreuten Kugelschreiber wieder einsammelte und in die den Halter zurücksteckte. »Ich habe mich wohl verhört. Sag mir jetzt bitte nicht, dass das wahr ist.«
»Ist es.«
»Wusstest du davon?«, zischte sie durch ihre Zähne hindurch. Sie war so geladen, dass ihre Wangen sich in ein tiefes Karmesinrot färbten und ich für einen kurzen Moment lang Angst hatte, sie würde augenblicklich in die Luft gehen, wie eine Atombombe.
»Natürlich nicht.«
»Wusste Niko davon?« Ihr Ton spitzte sich zu und ich war mir sicher, dass es kein gutes Ende nehmen würde, wenn ich ihr nicht spätestens jetzt die Wahrheit sage.
»Niko ist in Paris. Sie hat mich vor zirka drei Stunden, unter einer französischen Vorwahl, von ihrem Hotel aus angerufen. Ich habe die Sicherheitssysteme gecheckt und ein paar Ungereimtheiten festgestellt.«
»Was für Unregelmäßigkeiten?«
Ich schnaubte. »Jemand hat an den Überwachungskameras vor Nikos Hotelzimmer herumgepfuscht.«
»Und wer genau?«
Angestrengt versuchte ich, den dicken Knoten der Schuld, der sich in meiner Kehle gebildet hatte, hinunterzuschlucken. »Nun ja, ich hätte nie gedacht, dass dieser Kerl wirklich existiert. Da, wo ich herkomme, ist er eine Legende, oder«, ich blinzelte, »eher gesagt, ein Mythos.«
»Zeig ihn mir.«
Ich drehte meinen Laptop in Tialdas Richtung und tippte auf die Entertaste, um ihr die halb verzerrte Kameraaufnahme zu zeigen. Darauf zu sehen war eine verspiegelte Maske, mit einer fiesen Geisterfratze, die von einer dunkeln Kapuze eingehüllt wurde.
»Was zum Henker soll das darstellen?« Sie neigte den Kopf. Scheinbar versuchte sie, das Bild genauer zu analysieren. Allerdings scheiterte selbst ich kläglich daran, und ich war immerhin eine Spezialistin auf diesem Fachgebiet.
»Einen Geist.«
»Einen Geist?«, hakte sie skeptisch nach. »Und mehr hast du nicht?«
»Nein, weil er nicht wollte, dass wir mehr von ihm sehen.«
»Wie genau meinst du das?«
»Ghost ist in jeder Hinsicht ein Profi. Zumindest, wenn die Geschichten stimmen, die man sich über ihn erzählt.«
»Ein Profi wofür? Für billige Halloweenkostüme?«
»Ghost ist ein Killer. Niemand kennt seinen richtigen Namen und niemand hat je sein wahres Gesicht gesehen. Wenn er jemanden tötet oder verschwinden lässt, tut er das mit einer Präzision, als hätten seine Opfer nie auf diesem Planeten existiert«.
»Und wie genau stellt er das an, hm?«
»Indem er alles, was von ihnen existiert, auslöscht. Angefangen mit ihren Körpern, bis hin zu ihren Identitäten.«
»Könnten wir das vielleicht etwas genauer eingrenzen?« Geduld zu bewahren, war nicht gerade Tialdas Stärke. »Wer würde Niko verschwinden lassen wollen? Vielleicht die Hearts?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Niko hat viele Feinde. Aber an Ghost heranzukommen, ist nicht ganz so einfach, wie man sich das vorstellt. Man braucht schon mehr als nur Geld, um ihn davon zu überzeugen, einen Auftrag anzunehmen. Zumindest, wenn man den Erzählungen im Darknet Glauben schenken kann.«
»Was im Umkehrschluss heißt, dass Niko in Lebensgefahr schwebt?«
»Ich fürchte, ja. Im Moment können wir nichts für sie tun. Wenn Ghost nicht will, dass wir sie finden, dann werden wir sie auch nicht finden. Technik hin oder her. Er hat Fähigkeiten, die nicht nur unseren Horizont übersteigen, sondern auch alles, was wir über die Welt zu wissen glauben.«
Dann stieß plötzlich jemand die Tür auf. Es war Rion, der ohne ein Wort zu sagen das Büro stürmte, mich bei den Haaren packte und meinen Kopf mit voller Wucht gegen die Tischoberfläche schlug. »Du blöde Schlampe! Du wusstest davon, oder? Du hast gewusst, dass meine Schwester in Gefahr ist und gezögert, es uns zu sagen!«
Keuchend sah ich zu ihm auf. Dabei konnte ich deutlich spüren, wie sich eine warme, klebrige Flüssigkeit auf meiner Stirn ausbreitete und meine Augenbraue entlang nach unten lief. »Ja, ich wusste es. Allerdings habe ich mein Bestes getan, um sie wieder aus der Scheiße zu holen!«
Er legte seine Lippen an meine Ohrmuschel und raunte ein bedrohlich klingendes: »Wieso ist sie dann unauffindbar, hm?«
»Weil deine dämliche Schwester lieber zurück in ihr verdammtes Hotelzimmer gegangen ist, anstatt auf mich zu hören und sich in ein Taxi zu setzen, so wie ich es ihr aufgetragen hatte«, fauchte ich.
»Lass sie sofort los, oder ich knalle dich an Ort und Stelle ab!« Ich schielte zu Tialda, die Rion eine geladene Waffe an die Schläfe drückte. »Denk daran, du bist hier nur ein Gast und kein vollwertiges Mitglied unserer Organisation. Also benimm dich gefälligst und wage es ja nicht, unsere Gastfreundschaft noch ein weiteres Mal überzustrapazieren. Verstanden?«
Rion ließ von mir ab und wischte sich mit dem Handrücken über die laufende Nase. »Wenn ihr irgendetwas zugestoßen ist, dann ...«
»Ist es verflucht nochmal nicht unser Problem«, keifte sie dazwischen. »Niko hat schon immer ihr Ding allein durchgezogen, unabhängig davon, ob wir in ihre Pläne eingeweiht waren, oder nicht.«
»Ich kann nichts dafür. Sowohl Niko als auch Lenny haben mir dreist ins Gesicht gelogen. Und aus der Ferne kann ich nun mal nicht mehr tun, als mich in Sicherheitssysteme zu hacken oder irgendwelche Flugtickets zu buchen.«
»Bey, steh auf und geh zu Aurélien. Er hat vor einiger Zeit mal Medizin studiert und in einem Krankenhaus in Lion als Arzt praktiziert. Er soll sich das mal ansehen.« Tialdas Blick wanderte in Rions Richtung. Es war ihr mehr als deutlich anzusehen, dass sie wütend war. »Und wir beide unterhalten uns noch. Unter vier Augen.«
Ohne etwas zu erwidern, richtete ich mich auf und drückte meine Hand gegen die klaffende Wunde an meiner Stirn. Von mir aus konnten beide zur Hölle fahren. Ich würde mich künftig aus Nikolina und Lenyas Angelegenheiten raushalten. Wenn sie nicht dazu in der Lage waren, mir von vorneherein die Wahrheit zu sagen, dann war es auch nicht meine Aufgabe, ihnen zu helfen.
»Ich hoffe, sie tötet dich, Arschloch«, zischte ich und spuckte ihm dabei mitten ins Gesicht. Nicht meine beste Reaktion, aber der Kerl hatte nach seiner Aktion weitaus Schlimmeres verdient, als etwas Speichel an der Wange. Wäre Tolga noch hier, hätte er ihn ohne Wenn und Aber aufgeschlitzt.
»Geh jetzt, Bey. Ich kläre das mit ihm. Allein.«
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