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TW; Bitte beachtet, dass in folgendem Kapitel das Thema der 'Verlust einer geliebten Person' behandelt werden. Diese Inhalte können emotional belastend sein. Zusätzlich gibt es Passagen, die in Kursivschrift verfasst sind - diese spiegeln die Gedanken und Gefühle der Autorin wider, die selbst einige der beschriebenen Erlebnisse ähnlich durchgemacht hat. Leserinnen und Leser, die mit diesen Themen persönliche Erfahrungen oder Schwierigkeiten haben, möchten vielleicht mit besonderer Vorsicht weiterlesen oder das komplette Kapitel überspringen.
[3107 Wörter]
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Ich sitze auf meinem Krankenbett, ein offenes Heft vor mir auf meinen Knien, das mir von Yoongi bei seinem letzten Besuch vor wenigen Stunden vorbeigebracht wurde, und meine Hand fliegt fast von alleine über das Papier. Es fühlt sich an, als würden meine Gedanken und Gefühle direkt aus meinem Herzen fließen und sich in Worte verwandeln, die ich sorgfältig festhalte. Nebenbei summe ich eine Melodie, die mir nicht mehr aus dem Kopf geht. Sie hat sich in meine Gedanken gebrannt, sanft und eindringlich zugleich, eine Melodie, die so vertraut und doch so neu ist, als hätte ich sie in einem Traum gefunden und beschlossen, sie in Wirklichkeit festzuhalten. Diese Melodie ist süß und melancholisch, spiegelt all die Emotionen wider, die mich in den letzten Tagen seit meines Erwachens überschwemmt haben. Jede Note erzählt eine Geschichte, weckt eine Erinnerung, beschreibt eine Sehnsucht. Es fühlt sich an, als würde ich durch sie nicht nur meine eigene Welt erkunden, sondern auch eine Sprache sprechen, die jeder verstehen kann, der jemals Verlust, Hoffnung oder die tiefe Sehnsucht nach Verbundenheit gespürt hat. Mit jedem Wort, das ich niederschreibe, und jeder Note, die ich summe, fühle ich mich ein Stück freier, ein Stück leichter. Es ist, als würde ich ein Ventil für all das finden, was in mir brodelt - die Unsicherheit, die Angst, aber auch die Liebe und die Hoffnung. Meine Lyrics sind geprägt von einer tiefen Verwundbarkeit, aber auch von einer Stärke, die mich selbst überrascht. Dieser kreative Prozess ist nicht nur ein Ausdruck meiner Gefühle, sondern auch eine Form der Heilung. Jeder Vers und jede Melodie hilft mir, ein Stück weiter auf dem Weg der Genesung zu gehen. Nicht nur körperlich, sondern auch emotional. Es ist, als würde ich mit jeder gesummten Note und jedem geschriebenen Wort ein kleines Stück meiner Seele flicken, die durch die jüngsten Ereignisse ein wenig zerrissen wurde.
Während ich hier sitze und meine eigenen Gefühle in Worte fasse, beginne ich, die Jungs auf eine Weise zu verstehen, die mir zuvor verborgen blieb. Ich begreife jetzt, warum sie sich oft stundenlang mit ihren Lyrics beschäftigen, sich austauschen und debattieren, bis spät in die Nacht. Es ist mehr als nur das Schreiben von Liedern - es ist ein Prozess des Entblößens der Seele, des Aufdeckens verborgener Emotionen und des Einfangens flüchtiger Gedanken in Worte. Ich sehe nun, wie sie es schaffen, ihre Gefühle, ihre Ängste, Freuden und Träume in einfache Worte zu packen, die dann in Lyrics gefasst werden. Es ist eine Kunst, die tiefes Einfühlungsvermögen und ein offenes Herz erfordert. Sie teilen Stücke ihrer selbst mit der Welt, verletzlich und roh, in der Hoffnung, verstanden und gefühlt zu werden. Und in diesem Moment, in dem ich selbst versuche, das Chaos meiner Gedanken und Gefühle in Verse zu gießen, fühle ich eine neue Art der Verbindung zu ihnen. Eine Verbindung, die nicht nur auf Freundschaft und gemeinsamen Erlebnissen beruht, sondern auch auf dem geteilten Verständnis der kreativen Entblößung, der sie sich als Künstler unterziehen.
Indem ich versuche, meine eigenen Erfahrungen in Lyrics zu übersetzen, erkenne ich die Schönheit und Schwierigkeit dieses Prozesses. Jedes Wort muss sorgfältig gewählt werden, nicht nur, um die Tiefe des Gefühls auszudrücken, sondern auch, um denjenigen, der zuhört, zu erreichen und zu berühren. Es ist eine feine Balance zwischen dem persönlichen Ausdruck und der universellen Verständlichkeit. Diese Erkenntnis bringt mich ihnen auf eine ganz neue Weise näher. Ich verstehe nun die Stille, die manchmal nach dem Teilen eines neuen Liedes oder Verses zwischen ihnen herrscht - es ist eine Stille der Reflexion, des gegenseitigen Respekts und der tiefen Wertschätzung für die Bereitschaft, sich zu öffnen. Ich verstehe auch die Freude und Erleichterung, die sie fühlen, wenn ein Stück genau das ausdrückt, was sie fühlen, und die noch größere Freude, wenn es auch bei anderen Anklang findet. Ich verstehe die Leidenschaft, die Hingabe und manchmal die Qual, die das Schreiben von Lyrics mit sich bringen kann. Und ich bin dankbar für diese neue Perspektive, die mir erlaubt, sowohl ihre Kunst als auch meine eigene auf eine tiefere, persönliche Ebene zu schätzen.
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Ich lege das Buch vorsichtig zur Seite, ein leises Rascheln begleitet das Schreiben der Seiten. Die Worte, die ich niedergeschrieben habe, fühlen sich an wie ein Teil von mir, den ich nun für einen Moment hinter mir lasse. Mit einer Mischung aus Entschlossenheit und Vorsicht stehe ich auf. Jede Bewegung ist bedacht, ein stilles Bewusstsein für die Operationsnarbe, die sie quer über meinen Körper zieht, immer präsent. Obwohl der Schmerz mittlerweile meist nur ein flüsterndes Echo ist, mahnt er mich doch zur Vorsicht. Seit genau einem Tag bin ich nun die Infusionen los, eine kleine Freiheit, die mir erlaubt, mich endlich wieder duschen zu können und mich im Krankenhaus auf dem Stockwerk frei zu bewegen. Ein Privileg, das ich, trotz der Umstände, zu schätzen gelernt habe. Langsam, fast bedächtig, bewege ich mich zur Tür meines Zimmers und trete hinaus in den Flur. Das Krankenhaus wirkt zu dieser Stunde ruhig, doch das Leben hier steht nie wirklich still. Ich gehe vorbei an anderen Patientenzimmern, deren Türen mal offen, mal geschlossen sind, ein stummes Zeugnis der vielen Schicksale, die sich hinter ihnen abspielen. Während ich meinen Weg entlang des Flures nehme, begegne ich einigen Patienten, die, ähnlich wie ich, die kurze Freiheit eines Spaziergangs genießen. Wir tauschen Blicke aus, manchmal ein Lächeln, ein stilles Verständnis für das, was der andere durchmacht, ohne ein Wort zu wechseln. Krankenschwestern und Ärzte kreuzen ebenfalls meinen Weg, ihre Gesichter von der täglichen Arbeit gezeichnet, doch immer bereit, ein freundliches Wort oder ein Lächeln zu schenken.
>Guten Morgen, Ahri.< ,begrüßen mich einige von ihnen, und ich erwidere ihre Grüße, dankbar für die Freundlichkeit und Fürsorge, die sie mir entgegenbringen. Mein Ziel ist ein Zimmer am anderen Ende des Flures. Es ist ein Ziel, das ich mir gesetzt habe, nicht nur, um meine Beine zu strecken und meinen Kreislauf wieder auf Schwung zu bringen, sondern auch, um vielleicht ein paar Worte mit jemandem zu wechseln, der, wie ich, viel Zeit allein in einem Krankenzimmer verbringen wird.
Als ich leise die Tür hinter mir schließe und in das Zimmer trete, finde ich meine Tante vor, wie sie aus dem Fenster schaut. Ihr Blick ist nachdenklich, fast verloren in der Weite des Himmels, der sich jenseits des Glaspaneeles erstreckt. Die Nachricht von ihrer Einlieferung hatte mich gestern Abend erreicht, kurz nachdem Hoseok gegangen war. Es fühlte sich an, als würde mein Universum für einen Moment stillstehen, eingefroren von der plötzlichen Sorge, die mich umklammerte.
>Tante Ji.<, sagte ich sanft, um sie nicht zu erschrecken. Sie drehte sich zu mir um und ihr Gesicht erhellt sich in einem schwachen Lächeln, das mich trotz der offensichtlichen Erschöpfung, die darin mitschwang, erwärmt.
>Ahri. Meine Süße.<, erwidert sie mich einer Stimme, die trotz ihrer Schwäche voller Wärme ist. Ich nähere mich und ziehe einen Stuhl an ihr Bett, während ich ihre fragile Gestalt betrachte. Die Krankheit hat ihr in den letzten Jahren zugesetzt, doch ihr Geist scheint ungebrochen.
>Ich habe von deinem Zusammenbruch gehört.<, beginne ich vorsichtig und unsicher, wie tief ich in die Wunde ihrer Erkrankung schneiden darf. Sie hat seit Jahren gegen den Krebs gekämpft, eine Schlacht, die ihr mal mehr, mal weniger zu schaffen macht.
>Ach, das war nichts.<, winkt sie ab, obwohl wir beide wissen, dass es mehr als nur ein kleines Hindernis war.
>Ich bin schon durch Schlimmeres gekommen.<, ihre Tapferkeit in solchen Momenten inspiriert mich immer wieder, lässt mich meine eigenen Probleme in einem anderen Licht sehen.
Wir reden eine Weile, teils über sie und ihre Behandlung, teils über mich und mein Leben außerhalb dieser Krankenhausmauern. Sie fragt besonders nach Hoseok, nach Jimin und den anderen, zeigte echtes Interesse an meinem Alltag, als wäre es das Normalste der Welt, dass wir hier zusammen sitzen, anstatt uns über ihre Erkrankung Sorgen zu machen. Es ist eine seltsame Mischung aus Normalität und Ernst, die unsere Gespräche immer begleitet. Sie möchte von meinen Projekten hören, von meinen Plänen für die Zukunft und ermutigt mich, trotz aller Herausforderungen, meinen Weg zu gehen.
>Du hast ein großartiges Talent, Ahri. Nutze es.<, sagte sie mit einer Bestimmtheit, die keine Widerrede duldet.
Als es an der Zeit ist zu gehen, drückte ich ihre Hand und verspreche, sie am morgigen Tag wieder zu besuchen.
>Pass auf dich auf, Tante Ji.<, sagte ich, meine Stimme belegt von den Emotionen unseres Gespräches über den Anschlag, der mich getroffen hat. Sie nickt, ein stilles Einverständnis in ihren Augen.
>Du solltest auch mehr auf dich aufpassen, meine Süße.<, ich verlasse das Zimmer mit einem Gefühl der Dankbarkeit für die Stärke und den Mut, die sie mir gibt. Meine Tante Ji, trotz ihrer Krankheit eine Säule der Stärke und Zuversicht, hinterlässt in mir eine unauslöschliche Spur von Hoffnung, in der sich ein kleiner dunkler Punkt immer mehr ausbreitet, je weiter ich mich von ihrem Zimmer entferne.
Während ich langsam den Flur entlang zurück in mein eigenes Zimmer laufe, kann ich das nagende Gefühl in der Tiefe meines Magens nicht abschütteln. Es ist mehr als die kühle, sterile Krankenhausluft, die mir entgegen strömt, es ist ein Gefühl der Unruhe, das mich umklammert. Jeder Schritt scheint schwerer zu werden, als wären meine Füße plötzlich aus Blei. Die kurze Strecke zurück in mein Zimmer fühlt sich an wie eine Ewigkeit, gefüllt mit Sorgen und Zweifeln. Mein Besuch bei Tante Ji, so warm und aufmunternd er auch war, hat in mir eine tiefe Sorge hinterlassen. Trotz ihrer unerschütterlichen Tapferkeit und dem Lächeln, das sie mir schenkte, konnte ich die Erschöpfung nicht übersehen, die in ihren Augen lag. Die Art, wie sie über ihren Zusammenbruch sprach - minimalisierend, fast als wäre es eine Lappalie - konnte nicht verbergen, dass es ernst war.
Schwerwiegender, als sie zugeben wollte.
Das schlechte Gefühl, das ich jetzt habe, ist nicht nur Sorge um ihre Gesundheit. Es ist die Angst vor dem, was ungesagt bleibt. Die Momente des Schweigens zwischen uns, in denen so viel mehr lag als bloße Ruhe. Es war, als ob wir beide an der Schwelle zu einer unausgesprochenen Wahrheit standen, zu groß und zu schmerzhaft, um sie in Worte zu fassen.
Als ich mein Zimmer erreicht und die Tür hinter mir schließe, lasse ich mich erschöpft auf das Bett fallen. Die weißen Wände um mich herum fühlen sich plötzlich zu nah, zu erdrückend. Die Besorgnis um meine Tante vermengt sich mit der eigenen Angst vor der Zukunft, vor dem, was noch kommen mag. In diesem Moment erlaube ich mir, die Fassade der Stärke, die ich für Tante Ji aufrechterhalten habe, fallen zu lassen. Die Tränen, die ich zurückgehalten habe, finden ihren Weg über meine Wangen, stumm Zeugnis ablegend von der Last, die ich trage. Es ist eine Mischung aus Angst, Liebe und der tiefen Verbindung, die mich um meine Tante trotz allem Leid zusammenhält.
Ich weiß, dass ich stark sein muss, für sie, für mich. Aber gerade jetzt, in der Stille meines Krankenzimmers, erlaube ich mir, diese Stärke für einen Moment beiseitezulegen und einfach zu fühlen. Die Hoffnung, die ich bei unserem Gespräch zu spüren glaubte, scheint unter der Wucht meiner Sorgen zu verblassen. Doch tief in mir weiß ich, dass ich, wie meine Tante, diesen Weg weitergehen muss, mit Tapferkeit, Hoffnung und dem Glauben daran, dass nach jedem Sturm wieder die Sonne scheint.
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Ich sitze hier, stumm und regungslos, am Bett meiner Tante und beobachte, wie ihr Gesundheitszustand mit jeder vergehenden Minute zu schwinden scheint. Meine Hand umfasst ihre, fühlt, wie die einstige Wärme langsam entweicht, ein beängstigendes Zeichen der Realität, die wir beide nicht mehr ignorieren können. Der Raum, umgeben von dem leisen Summen der Maschinen, bietet eine seltsame Mischung aus Frieden und unausweichlicher Traurigkeit. Draußen weicht das Licht der Dämmerung der Dunkelheit, eine symbolische Darstellung des Wandels, der sich direkt vor meinen Augen vollzieht. Es fühlt sich an, als würde jede verstrichene Minute ein Stück von ihr mitnehmen. Stück für Stück, bis ich fürchte, wird nichts von der Frau, die ich so sehr liebe, übrig bleiben. Ich wünsche mir, ich könnte etwas sagen, irgendetwas tun, um dies zu ändern, um die Zeit zurückzudrehen oder sie wenigstens anzuhalten. Aber die Worte, die einst Trost spendeten, schienen nun verloren in der Schwere dieses Moments. Ihre Atmung, die mir in der Vergangenheit so oft Sicherheit gab, ist nun ein rasselndes Flüstern, das jede Hoffnung auf eine Wende zum Besseren zu leugnen scheint. Ich beobachte, wie sich ihre Brust hebt und senkt, jeder Atemzug ein Kampf, ein stilles Ringen um mehr Zeit. Das Krankenhauszimmer, Zeuge so vieler Geschichten von Leben und Tod, scheint mich in einer Umarmung zu halten, die zugleich tröstet und erstickt. Erinnerungen an bessere Tage, an ihr Lachen und ihre unerschütterliche Stärke flackern vor meinem inneren Auge auf. Doch so kostbar diese Erinnerungen auch sein mögen, sie können den Schmerz des Abschieds nicht mildern.
Verloren im Strudel meiner Gefühle, unfähig, mich von dem wachsenden Schmerz zu befreien, erkenne ich, dass dieser Abschied unvermeidlich ist - ein unausweichlicher Teil des Lebens. Doch dieses Wissen macht es nicht leichter. In der Stille des Raumes, nur durchbrochen vom unregelmäßigen Piepen der Maschinen und den schwachen Atemzügen meiner Tante, sitze ich hier. Ich bin eine stille Wächterin an ihrem Bett, Zeugin eines Kampfes, der nicht zu gewinnen ist. Und dennoch bleibe ich, gehalten von der Liebe und der tiefen Verbindung, die wir teilen, bis zum letzten Moment und darüber hinaus.
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Die Nacht hat sich unendlich in die Länge gezogen. Jede Sekunde eine kleine Ewigkeit und dennoch scheint es, als wäre sie im Flug vergangen. Hier sitze ich, noch immer an der Seite meiner Tante, unfähig mich von ihrem Bett zu entfernen. Unfähig, sie in diesen letzten Stunden alleine zu lassen. Die Dunkelheit außerhalb des Fensters hat dem ersten Licht des Morgens Platz gemacht, doch in diesem Zimmer hat sich die Dunkelheit auf eine andere, viel tiefere Weise niedergelassen. Während die Welt da draußen erwacht, fühle ich mich wie in einem Zwischenraum gefangen, irgendwo zwischen Hoffnung und Abschied, Leben und dem Unausweichlichen. Die Stille der Nacht, die nur von dem gelegentlichen Seufzen oder dem leisen Piepen der Maschinen unterbrochen wurde, hat sich wie ein schwerer Mantel um meine Schultern gelegt. Die Zeit hier an ihrer Seite zu verbringen, während sie zwischen den Welten schwebt, hat mir eine seltsame Art der Klarheit gebracht. Es gab Momente, in denen die Stille so erdrückend war, dass ich dachte, ich könnte sie nicht ertragen. Doch dann gab es Augenblicke der stillen Kommunikation, in denen ich fühlte, dass wir trotz allem verbunden waren, über Worte hinaus. Ich habe in dieser Nacht so viel nachgedacht. Über das Leben, über die Vergänglichkeit und darüber, wie kostbar und zerbrechlich unsere Zeit hier ist. Meine Tante, die einst so voller Leben und Kraft war, liegt nun so still, und es erinnert mich daran, wie wichtig es ist, jeden Moment zu schätzen.
Während die ersten Sonnenstrahlen zaghaft den Raum erhellen, wird mir schmerzlich bewusst, dass meine Tante nicht mehr die Kraft besitzt, länger am Leben zu bleiben. Es war ein stiller, fast heiliger Moment, in dem die Zeit selbst innezuhalten scheint. Mit einer zitternden Hand streckte ich mich nach den Monitoren aus, die bis jetzt ihren schwachen, aber beständigen Puls überwacht haben und schaltete sie aus. Die ständigen Pieptöne, die ein künstliches Zeichen ihres Lebensrhythmus waren, verstummen und lassen eine tiefe Stille zurück, die alles zu umhüllen scheint.
Ich wende mich wieder meiner Tante zu und schenke ihr ein liebevolles Lächeln, ein stummes Versprechen, dass alles in Ordnung sein wird, auch wenn mein Herz unter der Last dieses Versprechens zu zerbrechen droht. Ich halte ihre Hand fester, ein stummer Zeuge ihrer letzten Momente, ein Ankerpunkt, der sie vielleicht noch ein wenig bei mir hält. Die Stille im Raum ist jetzt nicht mehr von den Maschinen durchbrochen, sondern nur noch von unserem gemeinsamen Atmen - ihres flach und zögerlich, meines tief und zittrig. Ich spüre, wie sie sich mehr und mehr entspannt, als wäre das Abschalten der Maschinen eine Erlaubnis, sich endlich zu erlauben, loszulassen. Und dann, in einem Moment, der sich gleichzeitig endlos und flüchtig anfühlt, spüre ich, wie ihre Hand in meiner ihren letzten Druck verliert. Ihr Atem, der so lange gekämpft hat, verstummt sanft und ich weiß, dass sie gegangen ist. Die Wärme weicht langsam aus ihrer Hand und mit ihr scheint ein Teil von mir zu gehen.
Ich sitze da, stumm und doch voller unausgesprochener Worte, Gedanken und Gefühle, die sich in meinem Inneren aufbauen. In diesem Moment der tiefsten Traurigkeit finde ich auch einen seltsamen Frieden. Das Wissen, dass sie jetzt frei ist von Schmerz und Leid. Ich lasse ihre Hand langsam los, lege sie sanft neben sie und stehe auf, um das Fenster zu öffnen. Die frische Morgenluft erfüllt den Raum, als würde sie die Seele meiner Tante auf ihrer Reise begleiten. Während ich zurück zu ihrem Bett gehe und mich ein letztes Mal zu ihr hinunterbeugte, flüstere ich ein stilles 'Auf Wiedersehen, grüß Mama und Minho von mir.'
In diesem Moment der tiefsten Verbindung zwischen zwei Seelen weiß ich, dass sie immer einen Teil meines Herzens mit sich nehmen wird.
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Ich verlasse das Zimmer meiner Tante, die Stille hinter mir lassend und bewege mich wie in Trance durch den Krankenhausflur. Meine Beine tragen mich mechanisch zur Schwesternstation. Dort angekommen, blicke ich in die besorgten Gesichter der Krankenschwestern.
>Acht Uhr neununddreißig.<, mit einer Stimme, die mir fremd und weit entfernt erscheint, teile ich ihnen den Zeitpunkt des Todes meiner Tante mit. Die Worte kommen automatisch, doch ihre Bedeutung wiegt schwer auf meiner Seele.
>Wie bitte? Was?<, fragte eine der Krankenschwestern, die in mein verschwommenes Blickfeld trat.
>Acht Uhr neununddreißig. Das ist der Zeitpunkt des Todes meiner Tante.<, hauchte ich weiter und krallte meine Fingernägel tief in meine Handinnenfläche. Ich spürte das Zittern meiner Hände und fühlte, wie mein Körper mir einen Schauer einjagte.
In diesem Moment, als die Realität dessen, was geschehen ist, zu mir durchzudringen beginnt, höre ich bekannte Stimmen um die Ecke hallen. Jin und Jungkook erscheinen im Gang, ihre Gesichter erhellen sich beim Anblick von mir, doch ihre Freude weicht schnell der Besorgnis, als sie meinen Zustand wahrnehmen. Die Welt um mich herum beginnt zu schwanken, die Farben verblassen und die Geräusche des Krankenhauses verschmelzen zu einem entfernten Rauschen. Ich spüre, wie mein Körper nachgibt, die emotionale und physische Erschöpfung der letzten Stunden, Tage und Nächte fordert ihren Tribut. In einem Moment des klaren Bewusstseins realisiere ich, dass ich zusammenbreche, doch es ist, als würde ich aus der Ferne zusehen, unfähig, etwas dagegen zu unternehmen.
Das Letzte, was ich wahrnehme, bevor die Dunkelheit mich umfängt, sind Jin und Jungkook, die hastig auf mich zulaufen - ihre Stimmen voller Panik. Dann verliere ich das Bewusstsein und sinke in einen bodenlosen Schlaf, weit entfernt von dem Schmerz und der Traurigkeit, die mich zu verschlingen drohen.
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