Kapitel 4
Einige Stunden später, hatte mich ein bisschen mit meinen Mittbewohnern unterhalten. Sie alle wurden wegen Mord verurteilt. Aber irgendwas passte nicht. Ich hatte sie nach dem Tathergang gefragt und keiner konnte mir eine präzise Antwort geben. Es könnte zwar sein, dass sie am Tatzeitpunkt unter Drogen standen, aber sie sahen nicht so aus, als würden sie Drogen nehmen. Ich weiß nicht, wie lange sie schon hier waren, das habe ich mich nicht getraut zu fragen, aber hätten sie mir dann nicht gesagt, dass sie was genommen haben? Sie könnten natürlich auch Alkohol getrunken haben, aber würde man dann jemanden umbringen?
„Mino." Ich drehte mich zu meinem Mitgefangenen um. Er hieß Yunan, hatte braune Haare, die ihm wirr vom Kopf standen und dunkelbraune Augen. Er wollte sich neben mich setzen, stieß dabei jedoch gegen eine Metallstange von dem oberen Bett des Hochbettes, auf welchem ich lag. „Du sagst auch nix", beschwerte er sich und setzte sich schließlich neben mich. Yunan war blind, er konnte von Geburt an nichts sehen. Er meinte zwar, ich soll ihn so behandeln wie alle anderen Menschen auch, aber von den Anderen habe ich gehört, dass er in manchen Situationen trotzdem gerne vor Gegenständen, mit denen er zusammenstoßen könnte, gewarnt werden möchte.
„Ich weiß, das klingt komisch, aber irgendwie ist das seltsam. Dass wir uns alle nicht an unsere eigenen Taten erinnern können, mein ich, oder kannst du?" Er sprach genau die Frage aus, die auch schon in meinem Kopf gewesen war. Da die Anderen, also Collin, Fynn und Ivo gerade von zwei Polizisten ins Bad begleitet wurden, hatten wir die Möglichkeit, uns ungestört zu unterhalten.
„Ich kann mich erinnern", fing ich an, „an alles." Ich blickte zu ihm hoch, direkt in seine Augen. Obwohl er blind war, schien es, als würde auch in meine sehen. „Wie? Du kannst dich erinnern?", fragte er erstaunt und richtete seinen Blick nach vorne. „Ich habe einen Schrei gehört und dann war da dieses Mädchen." Bei der Erinnerung an sie lief es mir kalt den Rücken runter, „Sie hat ihn getötet, nicht ich!" Ich sah bittend zu ihm, ich hoffte, er würde mich verstehen. „Ich bin unschuldig", versuchte ich klarzustellen. Er blickte weiterhin nach vorne. „Yunan, sag doch was, bitte", flehte ich schon fast.
„Ich kann mich an so gut wie nichts erinnern, ich habe nur eine Stimme gehört, mehr nicht", antwortete Yunan mir endlich. „Was für eine Stimme?", hakte ich nach. Ich sah ihm gebannt zu, wie er überlegte. „Eine Mädchenstimme", er schaute zu mir, „sie hat gelacht." Ich erkannte, wie sein Blick unsicherer wurde. „Sie hat gelacht, darüber, dass sie diesen unschuldigen Menschen getötet hatte. Oder war ich der, der ihn getötet hat?" Wieder war ich geschockt. „Wie kannst du sowas sagen, du hast ihn nicht getötet", meine Worte halfen nicht wirklich um ihn zu beruhigen. „Mino! Was, wenn doch?" Er stand auf und lief im Raum auf und ab. „Was, wenn ich ihn wirklich getötet habe?" Er sah mich verzweifelt an. „Mit dem Wissen leben zu müssen, dass ich vielleicht jemanden umgebracht habe, das kann ich nicht"
„Was ist hier los?" Collin, Fynn und Ivo traten ins Zimmer. Hinter ihnen wurde die Tür von einem Polizisten zu gemacht und anschließend verschlossen. „Über was redet ihr?", fragte Collin. „Mino kann sich erinnern." Fing Yunan sofort mit dem Wesentlichen an. „Was?", fragten Ivon und Fynn synchron.
Ich erzählte ihnen, was ich wusste und was mir an ihren Geschichten aufgefallen war. Am Ende stellte sich heraus, dass keiner von ihnen Drogen genommen hatte, aber Fynn und Ivo waren beide vor dem Tatzeitpunkt trinken gewesen. Wie stark sie betrunken waren, wusste keiner der beiden.
Mittlerweile ging schon die Sonne auf, ich war todmüde. „Kann ich schlafen?", fragte ich und legte mich schon mal auf mein Bett. „Nein Mino, gleich gibt es Frühstück und danach dürfen wir für zwei Stunden raus, das willst du nicht verpassen, glaub mir." Die Antwort von Fynn war wenig motivierend. Ich richtete mich also wieder auf. Ich sah die Jungs fragend an, da ich nicht wusste, was ich jetzt tun soll. Ivo sah auf die kleine Uhr, die neben unserer Tür hing und teilte mir mit, dass derjenige, welcher uns zu Frühstück bringen würde, bald da sein musste.
Wenn man vom Teufel spricht. Die Tür wurde aufgeschlossen und kurze Zeit später standen zwei Männer im Raum. Meine Mitbewohner wussten alle, was zu tun war, aber ich nicht. Ich blieb einfach auf meinem Bett sitzen und wartete, bis mich jemand aufforderte etwas zu tun. Diese Aufforderung erhielt ich schließlich von einem der Anzug tragenden Männern, die auf mich warteten. „Willst du auch etwas Essen oder nicht?", fragte mich einer der Männer genervt. Ich stand also auf und ging in Richtung Tür.
Kaum war ich durch diese getreten, wurde sie auch schon wieder hinter mir verschlossen. Wir gingen einen weißen Gang entlang. Keiner sagte etwas. Bis wir schließlich vor einer Tür standen. Die zwei Männer bei uns schlossen sie auf und wir traten ein. Der Raum, in dem wir immer essen, so wie ich erfuhr, war hier.
Es standen drei längliche Tische im Raum, an jedem saßen unzählige Häftlinge und aßen. Ich folgte Yunan, der mit seinem Blindenstock den Weg zur Essensausgabe suchte. Ich half ihm, indem ich ihn leicht am Rücken in die richtige Richtung schob.
An der Ausgabe angekommen bekamen wir alle einen Teller mit zwei Brotscheiben und einmal Wurst und Käse dazu. Wir setzten uns an einen freien Platzt und aßen. Schon nach einem Bissen stellte ich fest, dass es furchtbar schmeckte. Ich legte mein Stück Brot mit der Wurst drauf wieder auf den Teller. „Was gibt es eigentlich zum Mittag und Abendbrot?", fragte ich und blickte in die Runde. „Mittag gibt es nicht und zum Abendbrot entweder Suppe oder wieder Brot, manchmal sogar noch mit Frischkäse". Bei dem Wort Frischkäse, schmunzelte Fynn verdächtig. Ich war trotzdem geschockt. Wie soll ich das hier bitte überleben?, fragte ich mich und starte entgeistert auf meinen Teller.
Nach dem Essen wurden wir kurz in unsere Zelle gebracht, um uns andere Sachen anzuziehen. Die Sachen, die wir anziehen sollten, bekamen wir immer nach dem Frühstück in auf unsere Betten gelegt.
Nach ungefähr einer halben Stunde, wurden wir wieder von einer Wache nach draußen geführt. Wie ich schon an meinem Ankunftstag gesehen hatte, war das ganze Gelände von Zäunen und Stacheldraht umgeben, dazu auch noch sehr klein. Ich wurde von Yunan und Fynn einmal über den Hof geführt und sie hatten mir alles erklärt.
Nachdem wir wieder rein geführt wurden, legte ich mich ins Bett. Ich war hundemüde. Ich wollte nur noch hier raus, raus und wieder mein schönes ruhiges unkompliziertes Leben leben.
„Ich will hier weg!", sprach ich meinen Gedanken laut aus. „Wer will das nicht?", fragte Collin, „Ich bin schon seit einem Monat hier" Er blickte zu Boden. Fynn sah ihn bemitleidend an und ging zu ihm, um sich neben ihm, auf sein Bett, zu setzten. „Ich bin auch fast seit einem Monat hier", sprach Fynn und sah ebenfalls auf den Boden. „Dann lass doch Abhauen", schlug ich vor. Alle guckten mich mit einem verwirrten und verständnislosen Blick an. „Also ich mein, was haben wir zu verlieren?", frage ich. „Unser Leben", warf Collin ein. „Aber, leben wir denn jetzt gerade?" Ivo sah fragend in die Runde: „Das ist doch kein Leben hier, oder?" Ich war überrascht, dass er zu mir halten würde, aber ich konnte ihn verstehen. Für Leute, die ihr Leben richtig leben wollen, ist das hier die Hölle. „Ich würde mitmachen, wenn es euch keine Umstände bereitet." Yunan stand unsicher in der Ecke und hatte seinen Blick zu Boden gerichtet. „Warum sollte es uns denn Umstände bereiten?", fragte ich ihn. „Ich bin blind, ich kann nichts sehen. Eigentlich hindert euch das nur, aber ich möchte, Fynn und Collin umstimmen, selbst wenn ich am Ende nicht mitkomme oder es nicht schaffe."
„Du wirst das schaffen", ermutigte ich ihn, „ganz sicher, ich werde selbst dafür sorgen!" Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen. „Okey, ich komme auch mit", stimmte Collin zu. „Ich habe ja dann im Prinzip keine andere Wahl", entschied sich somit auch Fynn.
Die ganze Nacht hatten wir geplant und ich hatte wiedermal nicht geschlafen, aber diesmal machte es mir nix. Der Gedanke in ein paar Tagen hier raus zu sein, heiterte mich und auch alle anderen ein wenig auf. Aber das mit der Flucht verbundene Risiko blieb.
Hier ist der nächste Teil für euch :)
lg Ami
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