22.7.2017
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Ben Cock - So Cold
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Liebes Tagebuch,
Ich fühl mich unwohl gerade. Wir sitzen bei mir. In meinem Wohnzimmer. Mir gegenüber sitzt meine Mutter und ich kann ihren bohrenden Blick förmlich spüren. Ty sitzt neben mir. Diesmal darf er mitlesen. Zumindest am Anfang.
Seit zwei Tagen habe ich das Buch in die hinterste Ecke meines Regals verbannt, in der Hoffnung, dass meine Gedanken woanders sein würden. Dass das Bedürfnis weiterzuschreiben, dir alles zu erzählen, sich mindern würde.
Stattdessen hast du mich von deinem Platz im Regal ausgelacht und mich verhöhnt. Hast mich dazu angetrieben weiter zu schreiben. Verdammtes Mistbuch.
Und jetzt sitze ich hier und muss Ty erneut wegschicken, damit ich in Ruhe die Sachen schreiben kann, die ich ihm niemals sagen würde. Er soll nicht wissen was ich von ihm halte, was ich über ihn denke. Sonst würde er mich zu sehr vermissen.
Aber die Gegenwart und die Zukunft gehen dich nichts an. Bevor du die Vergangenheit nicht kennst will ich nicht zulassen, dass du oder irgendjemand anders über mein jetziges Ich urteilt. Also lass mich weitererzählen...
Nachdem ich wieder bei mir zuhause angekommen war, schrieb ich ihm, dass ich ein paar Tage Ruhe bräuchte. Er antwortete simpel. 'Denk dir eine Person, die du mehr als alles andere hasst, dann bin ich zufrieden'. Belustigt von seinen Bemühungen tat ich was er sagte.
Die Person, die ich am meisten hasste, und es auch immer noch tue, war ich selber. Aber nicht dieses ich, das gerade schreibt. Nein, die dunkle Seite von mir, die Seite, die Menschen grundlos verletzt. Die Seite, die vermutlich sogar Ty verletzen würde. Den einzigen Menschen, der mir etwas bedeutet.
Ich schätze Selbsthass muss eines der normalen Symptome der Depression sein. Wieso sollte man sich sonst umbringen wollen. Aber vielleicht ist es auch etwas komplett anderes. Vielleicht bin ich gar nicht depressiv, sondern hasse einfach nur mich Selbst. Vielleicht habe ich einfach nur Angst vor dieser dunklen Seite. Aber möglicherweise heißt diese Angst genau Depression. Ich habe keine Ahnung.
Ich habe generell wenig Ahnung von dem was mich eigentlich so krank macht. Ich habe Angst davor und ich weiß dass es böse ist. Und ich hasse es. Aber mehr weiß ich auch nicht. Eigentlich traurig.
Aber dieser Hass hilft mir nicht wie Ty es gesagt hatte. Er brachte mich nicht dazu hierzubleiben. Jedenfalls damals nicht.
Ich glaube ein paar Tage - Zwei oder drei - später klingelte er das erste Mal wieder an der Tür. Nach zwei Uhr. Das bedeutete, dass er wieder zur Schule gegangen war. Schade, dass er es nicht durchgezogen hatte. Es war so einfach wenn man einmal damit anfing. Einfach krank stellen. Dort ein paar Mal husten, hier mal eine Schmerztablette nehmen.
Meine Eltern bekamen wenig mit. Sie sind nie zuhause. Gehen morgens um sieben aus dem Haus und kommen dann abends um zehn wieder. Da bleibt nur noch das Wochenende. Oder solche Tage wie heute, an denen sie sich frei genommen haben um dann doch den ganzen Tag am Tisch zu sitzen und nichts zu tun. Ich verstand sie einfach nicht. Aber ich verstand auch mich selbst nicht.
Ich erinnere mich selbst nur noch schwach an seine exakte Wortwahl, als er mir erklärte wie mir der Hass helfen solle. Ich glaube er wusste, dass ich meine dunkle Seite und somit mich selbst am meisten hasste. Er muss es gewusst haben, sonst hätte er andere Worte benutzt.
"Ich weiß du verstehst nicht wie dich dieser Hass retten soll.", sagte er mir. Und er hatte Recht. Das hatte er immer. Ich glaube ich habe genickt oder so. "Aber willst du wirklich diese verhasste Person gewinnen lassen. Wenn du weg bist, dann wird sie glücklich sein." Ich verstand ihn nicht.
Wie konnte er trotz all der Scheiße auf der Welt immer noch positiv denken. Sein Blick veränderte sich als hätte er plötzlich einen Gedanken gefasst.
"Warum bin ich hier, Liv? Warum hast du es mir gesagt?"
"Weil du mein Anker bist, du bist das einzige was mich hier hält. Ich dachte wenn du es wüsstest würdest du nicht einfach weggehen und mich verlassen"
"Aber du willst doch gehen. Du willst mich verlassen. Du musst doch wissen was du mir damit antust. Bleib. Bitte. Das ist es wert. Wir sind es wert."
"Wie schaffst du es, dass du alles so positiv siehst? Du scheinst nicht zu sehen, wie beschissen die Welt doch ist." Ich glaube mit diesem Satz haben die Tränen wieder angefangen meine Wangen hinunter zu fließen. Denn daraufhin nahm er mich in den Arm und hielt mich.
Es war keine romantische Umarmung und die wünschten wir uns glaube ich beide in diesem Augenblick nicht. Er hielt mich einfach nur. Auf seine eigene, beschützerische, unglaublich intensive Seite. Und er wusste dass ich genau diese Art Umarmung brauchte.
Ich weiß noch dass ich schluchzte als ich ihm meine Gedanken an diesem Tag offenlegte. Er sah mich mit großen Augen an. Er hatte ja keine Ahnung. Für ihn war dieses Gebiet unbekannt, doch er hatte sich trotzdem dazu verschrieben mir zu helfen.
Und mittlerweile weiß ich, dass alleine der Gedanke jemanden zu haben, der dir hilft, schon heilen kann. Er kann weder Erinnerungen löschen noch Gedanken oder Entscheidungen verändern, aber er alleine kann als Schmerzmittel wirken. Für einen Moment kann er alles ausblenden. Alle Probleme.
Und diesen Moment habe ich in den letzten Wochen öfters erleben dürfen. Als ich ihm gestern gesagt habe, dass diese Momente mich an den Tod erinnern. Schön, keine Probleme und endlich leise. Keine Stimmen, weder in meinem Kopf, noch überall um mich herum, wurde er wütend.
Das war eins der seltenen Male, in denen er weinte. Die Tränen waren überall. Tropften auf meine Hände die über seine Wangen wischten in der Hoffnung den Tränenfluss zu stoppen. "Scheiße Liv. Ich kann dir so viele Momente von diesen geben wie du willst." Das waren seine Worte, doch ich konnte sie nicht ernst nehmen. Nicht mehr nach seinem Verrat.
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Ich wünschte ich hätte dieses Leben mit dir gehabt. All diese Momente. Aber die andere Seite war stärker. Das war sie immer. Auch wenn ich sie bei dir kontrollieren konnte. Sie hätte jederzeit alles zerstören können. Das wollte ich nicht. Nie.
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Puh das Kapitel kam schnell. Danke an alle meine aktiven Leser. Ihr zaubert mir jeden Tag ein Lächeln aufs Gesicht. Freue mich immer auf Wattpad zu schauen dank euch.
Olivia und Tyson... Hab lange darüber nachgedacht und beschlossen, dass die Namen irgendwie doch zusammenpassen :)
xoxo Hannah
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