Tag 1
Tag 1
Es gibt keine Grenzen.
Weder für Gedanken, noch für Gefühle.
Es ist die Angst,
die immer Grenzen setzt.-Ingmar Bergman
September
Dienstag, 21:14 Uhr
Liebes Tagebuch,
es sind schon einige Wochen her seit dem letzten Eintrag. Nun sind die Sommerferien vorbei und die Schule hat seit wenigen Wochen wieder begonnen.
Der heutige Tag war "eigentlich" wie immer.
Ich saß in meinem Klassenzimmer und schrieb alles fleißig mit, was der Biolehrer uns mitzuteilen versuchte. Ich konnte ihn schwer verstehen, dabei saß ich in der ersten Reihe.
Die 'beliebten Leute' also diejenigen, die ganz hinten im Raum sitzen, meinten anscheinend nicht zuhören zu müssen. Lieber schrien sie durch dir Gegend und johlten was das Zeug hält. Es grenzte wirklich an einem Wunder, dass ich nicht taub geworden war.
Ich gab auf, dem Unterricht zu folgen. Ich verstand eh nichts.
Wir hatten sowieso in 10 Minuten Schulschluss.
Ich knabberte an dem Ende meines Kugelschreibers und überlegte mir, was ich heute zum Abendessen machen sollte. Lasagne? Oder doch lieber Spagetti Bolognese?
Ein lauter und schriller Laut durchfuhr meinen Körper. Ich lies vor Schreck meinen Kuli fallen und hielt mir stattdessen schnell die Ohren zu. Es war so laut und es tat in den Ohren schrecklich weh. Ich war nicht die einzige, der dieses Geräusch eindeutig zu laut war. Als ich mich umsah bemerkte ich wie einige meiner Klassenkameraden stöhnten und sich ebenfalls die Ohren zuhielten, ich meinte sogar den ein oder anderen Fluch zu hören.
Als ich zum Pult sah, stand dort unser Biolehrer, mit einer Trillerpfeife in der rechten Hand. Grinste er etwa? Woher hatte der Kerl überhaupt das Recht zu unterrichten bekommen?
,,So," begann er ,,da ich jetzt endlich eure Aufmerksamkeit habe, möchte ich gerne etwas mitteilen."
Obwohl ich den Kerl nicht ausstehen kann, muss ich ihm Recht geben. Ich hatte meine Klasse zuvor noch nie so ruhig erlebt. Aber es lag zum größten Teil auch daran, dass die meisten sich erst von der Pfeife erholen mussten.
,,Dieses Jahr wird es ein Projekt , im Fach der Biologie geben. Es werden Zwei-Mann- Gruppen gebildet."
Es wurde wieder unruhig. Ich hörte wie alle herumschrien und darüber stritten wer denn mit wem in eine Gruppe komme. Ich bekam ein flaues Gefühl im Magen. Ich mochte solche Projekte nicht. Ich blieb immer die einzige ohne Partner. Selbst Valentin bekam ab und zu Jemanden ab und er ist nun wirklich keine angenehme Person. Viel zu laut und er schwitzt bei so gut wie jeder Bewegung.
Wenn ich Pech hatte, dann müsste ich wieder mit ihm zusammen in eine Gruppe.
Ich sah den wütenden Gesichtsausdruck meines Lehrers und hielt mir schnell meine Ohren zu. Kurz darauf ertönte wieder das schrille Geräusch, der Trillerpfeife.
,,Ich war noch nicht fertig!" donnerte seine tiefe Stimme auf uns ein. ,,Eigentlich wollte ich euch ja selber entscheiden lassen wer mit wem in eine Gruppe geht, allerdings hatte ich mir eine Liste zurechtgelegt, falls ihr mir zu laut sein werdet. Und im Moment seid ihr mir zu Laut. Also werde ich nun die Namen vorlesen und dazu das Thema, über das das genannte Team einen Vortrag halten wird."
Man hörte Gestöhne aus allen Richtungen. Aber das schien unseren Lehrer nicht zu stören, es bereicherte in wohl eher. Mir war dies gleich. Ob ich nun eingeteilt wurde oder nicht, es macht sowieso keinen Unterschied. Unser Lehrer schaute auf die Uhr an seinem Handgelenk und dann auf die beschriebene Tafel. Sein Blick glitt durch die Reihen, bis dieser auf mir liegen blieb. Ich wusste was das bedeutete.
,,Mira, wärst du so nett und wischt die Tafel solange ich die Namen vorlese?" Er lächelte mich an, aber ich vertraue ihm nicht. Ich wusste, dass dieses Lächeln nichts mit Nettigkeit zu tun hatte. Es konnte es nicht.
Ich nickte und stand auf. Innerlich seufzte ich. Das war natürlich klar, dass seine Wahl auf mich fiel. Wer den sonst?
Der Biolehrer drehte sich um und kramte in seiner Tasche herum. Vermutlich suchte er nach der Liste, die er erwähnt hatte.
Ich hörte einige Beleidigungen die mir zugezischt wurden.
,,Schleimer!"
,,Lehrerschlampe!"
Und das hatte unser Lehrer wiedereinmal nicht mitbekommen. Ironischerweise stand ich währenddessen immer noch neben meinem Platz und unser Lehrer gerade einmal einen Meter von mir entfernt, also hatte er die Beleidigungen wirklich nicht gehört oder er ignorierte sie einfach.
Ich bemerkte eine Bewegung in meinem Augenwinkel und im nächsten Moment stolperte ich schon und landete unsanft vor den Füßen meines Lehrers. Schallendes Gelächter brach aus. Meine Knie schmerzten. Ich spürte wie mir die Röte ins Gesicht stieg.
,,Jetzt gehst du schon vor dem in die Knie?"
,,Blas ihm doch gleich einen, wen du schon da bist!"
Die Kommentare meiner Mitschüler versuchte ich zu ignorieren.
Auch mein Lehrer hatte sich umgedreht und lachte mit den anderen. Irgendwie kommt mir das falsch vor, sollte er mir nicht hoch helfen? Ich spürte wie meine Augen anfingen leicht zu brennen, aber ich schluckte das Gefühl hinunter. Ich werde nicht weinen! Sagte ich zu mir. Nicht hier.
Ich rappelte mich auf und ging zum Waschbecken, wo ich den Schwamm, der dort lag, nass machte. Die Schmerzen in den Knien ignorierend, machte ich mich dran die Tafel zu putzen.
Die Klasse hatte sich allmählich beruhigt und der Lehrer fing gerade an die Lister vorzulesen.
,,Saskia und Jackson, Fossilien" Ein Jubeln war zu hören.
,,Allison und Shirin, Charles Darwin"
Allison und Shirin sind beste Freunde, oder besser gesagt On-Off Freunde. Sie sind die beliebtesten der Klasse und ich habe das Gefühl, dass sie nur für ihren Ruf sozusagen ,,befreundet" sind. Zusammen sind sie stärker als alleine und das haben sie auch verstanden.
Es könnte ein Wunder sein, wenn man bedenkt, dass ihre Gehirne, dank des Alkohols und den Drogen, schon ganz verschrumpelt sein mussten. Der Stille nach zu urteilen, sind sie im Moment nicht befreundet, spätestens morgen wird das schon wieder anders aussehen.
,,Viktoria und Jackson, Bakterien"
Die beiden sind das Liebespaar der Klasse. Man sieht sie kaum einmal nicht knutschen. Die haben wahrscheinlich mehr Speichel des anderen im Mund, als ihr eigenes. Jetzt bin ich angewidert.
Das Thema passt zu ihnen.
Wie viele Bakterien sie wohl austauschen?
Vielleicht haben sich die Bakterien der beiden schon angefreundet und gehen während jedes Kusses einander besuchen. Vorstellen könnt ichs mir.
,,Jasmin und Valentin, Klonen"
Jasmin tat mir Leid, dass gerade sie Valentin bekommen musste. Sie ist eigentlich ganz nett. Sie ist eine der wenigen Personen, die normal mit mir sprachen. Ohne mich zu beleidigen, versteht sich. Das bedeutet nicht, dass sie jetzt meine Freundin ist oder so etwas in der Art. Sie ist eher ein Mitläufer der "beliebten Leute".
Aber sie kann nicht wirklich etwas dafür, sie ist anders als ich. Ihr ist es nicht egal was andere Leute über sie denken. Naja, kann man bei mir sagen, dass es mir egal ist? Ich habe keine andere Wahl, ich kann mich nicht anpassen.
Hier heißt es: Wer sich nicht anpasst, der gehört nicht dazu. Und das machen sie nur zu gut deutlich. Valentin hingegen ist ein echter Plagegeist. Er ist zwar ebenfalls ein Mitläufer aber nicht annähernd so freundlich wie Jasmin. Eher das Gegenteil. Er gehört zu diesen Leuten, die sich in einer Gruppe unsagbar stark fühlen, aber alleine nicht mal ein Wort zu sagen trauen. Für mich war es schrecklich mit ihm in einem Team zu sein. Er pralt nahezu von seinen ach so tollen Freunden. Ich frage mich ob seine "Freunde" überhaupt wissen wie er mit Nachnamen heißt. Kann mir auch egal sein.
,,Lisa und Robin, Nervensystem des Menschen" ein genervtes Gestöhne war aus dem hinteren Teil des Raumes zu hören.
,,Mira und Lance, Erbkrankheiten"
Ich hielt in meiner Bewegung inne. Wie erstarrt sah ich auf die feuchte Stelle der Tafel, über die ich eben noch drüber gewischt hatte.
Das konnte doch nicht sein! Das durfte nicht sein!
Ich spürte wie mir alle Farbe aus dem Gesicht wich. Jeder! Es hätte wirklich jeder sein können! Aber nicht Lance Winchester! Bitte nicht der größte Aufreißer der Schule!
Plötzlich kam mir Valentin fiel sympathischer vor.
Voller Ehrfurcht drehte ich meinen Kopf, sodass ich über meine Schulter hinweg zu Lance sehen konnte.
Er war mindestens genauso geschockt wie ich. Er sah perplex zu unserem Lehrer und dann glitt sein Blick zu mir. Ich wich diesem wiederum aus, indem ich angestrengt zu Boden sah.
Einige Sekunden verharrte ich so, bis die Schulglocke, den Ende der Stunde verkündete.
Ich eilte, meinen Blick immer noch auf den Boden gerichtet, zu meinem Platzt und packte schnell meine Sachen. Ich war so konzentriert auf das Einpacken, dass ich erst gar nicht bemerkte wie sich Lance durch die Reihen drängte, um sich vor unserem Biolehrer aufzubauen. Erst als er anfing zu reden oder besser gesagt zu knurren, wurde ich auf ihn aufmerksam.
,,Ich habe nicht vor mit sowas" er drehte sich und zeigte mit dem Zeigefinger auf mich, ,,in einer Gruppe zu sein! Das ist ja Folter! Und schlecht für meinen Ruf!"
Ich musste zugeben, etwas verletzend war diese Aussage schon. Aber um Himmelswillen! Ich hatte ihn mir auch nicht ausgesucht!
,,Tut mir Leid Lance, aber deine Noten haben sich wirklich drastisch verschlechtert und wenn du nicht sitzenbleiben willst, musst du mit Mira in einer Gruppe, dieses Projekt vorbereiten." versuchte der Lehrer ihm zu erklären.
Lance ballte seine Hände zu Fäusten. Ich schluckte. Ich hatte kein gutes Gefühl, bei der ganzen Sache.
,,Kann ich nicht tauschen? Egal wer, aber nicht die!" versuchte Lance sich noch zu retten, aber sein Gegenüber schüttelte nur den Kopf.
,,Hör zu Lance, du bist kein kleines Kind mehr, du musst Lernen Dinge zu akzeptieren. Ich zwinge dich ja nicht sie zu heiraten. Du musst einfach nur ein Projekt mit Mira machen. Im Gegensatz zu dir, ist sie nämlich sehr gut in der Schule. Bitte Lance, mach hieraus keinen Konflikt, akzeptiere diese ganze Angelegenheit."
Lance schnaubte einmal und drehte sich wieder um, damit er seine Sachen holen konnte. Als er mich erblickte, wirkte er überrascht als hätte er vergessen, dass ich noch im Raum war. Doch fast Augenblicklich verwandelte sich sein Blick in Abscheu.
Ich hatte keine Lust auf einen Streit also stand ich auf und verließ den Raum ohne ein Wort zu sagen oder mich umzudrehen.
Den Rest des Tages sah ich Lance nicht mir.
Aber es macht mir dennoch Sorgen. Ich weiß nicht zu was er in der Lage ist. Wird er mir drohen? Dass ich alles alleine machen soll, ansonsten tut er mir etwas an?
So hat es Valentin und die anderen meiner alten Partner gemacht.
Ich sollte mich nicht wundern wenn es dieses mal auch so sein wird.
Aber warum muss es unbedingt Lance sein?
Mira
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