
4 ~ Kapitel 6
Es war so, als würde ich hören, wie alle Geschwister ausgenommen Dantalion die Luft anhielten. Mein Herz raste. Ich krallte meine Finger in den Saum meines Kleides, und ließ mich langsam sinken, als Vater leise in den Raum trat.
Sein Mantel floss hinter ihm auf den Boden, elegant und doch so perfekt, dass es wieder gefährlich wirkte. Ich hielt die Luft an. Vater trat ein. Leise. So wie er es immer tat. In seinem Umfeld erstarrte sogar die Luft zu Eis. Ich leckte mir über die Lippen, als er an allen unseren Geschwistern vorbei ging und sich auf den Vorsitz des Tisches setzte.
Kalt und still ließ er einen Blick über jeden von uns schweifen. Erst musterte er Bryan abschätzend. Danach begutachtete er Loominah für eine geraume Weile. Schließlich blickte er zu mir und fuhr sich mit der Fingerkuppe nachdenklich über seine Lippen.
„Wie ich sehe, sind wir heute mehr als sonst. Wer möchte beginnen mir, unseren...", er machte eine Geste: „...sagen wir... Besuch zu erklären?"
Seine Stimme war kühl und passte perfekt zu seiner strammen männlichen Gestalt und diesen berechnenden Augen, die er hatte. Dantalion hatte seinen Blick bestimmt von ihm geerbt.
Der Erste der sich wieder fand, war mein älterer Bruder. Er wirkte wie der geborene Geschäftsmann, als er zu Marah deutete: „Wenn du zuerst das weniger Wichtige hören willst, frag Marah. Die wirklich wichtige Neuigkeit können dir Azael und Xenya erläutern."
Meine Entführerin... oder wie auch immer strammte die Schultern, als Vater seufzte: „Da ich annehme, dass letzteres etwas länger dauern wird, fände ich es gut, mit etwas einfacherem zu beginnen."
Marah erhob sich und ging schweigend mit meinem Dolch zu ihm. Als sie vor dem Teufel ankam, legte sie diesen auf den Tisch: „Ich bringe dir deine entflohene Tochter zurück.", dann deutete sie zu Bryan: „Und ein Mittel, mit dem du sie im Zaum halten kannst."
Ich sah zu Bryan und dann zu meinem Vater: „Das ist lächerlich, ich wäre auch freiwillig zurückgekommen.", ich wollte irgendwie erreichen, dass sie Bryan einfach gehen ließen. Vielleicht war es dumm, überhaupt einen Versuch zu wagen, doch ich wollte auch nicht nichts tun.
„Frag Azael. Ich war die letzten Tage mit ihm unterwegs, um genauso wie er, hier her zu kommen.", es war eine alte Angewohnheit. Vater hatte mich immer respektiert, weswegen ich sprechen hatte können, wie ich wollte. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich mich von Marah mitnehmen hätte lassen, wenn ich nicht hier sein wollen würde.", ich lehnte mich etwas vor und deutete auf Dantalion: „Das hätte höchstens Dantalion vermocht. Ich bin aus demselben Grund wie Azael hier.", zumindest hatte ich das vor gehabt. Im Moment sagte ich das, damit sie Bryan gehen ließen.
Mein Vater deutete Dantalion etwas, der sich seufzend von seinem Platz erhob. Ich wusste, was er vorhatte, und warum genau er das tun sollte, weswegen ich ebenso aufsprang und mich ihm in den Weg stellte. Kurz starrten wir uns an.
„Warum tanzt du nach seiner Pfeife?", ich flüsterte es und sah dann zu Vater: „Ich bin freiwillig hier. Wirklich."
Mein Vater nickte langsam und wir konnten uns wieder hinsetzen. Allerdings würde er Bryan nicht gehen lassen. Er nickte Marah zu: „Wunderbar. Du hast fantastische Arbeit geleistet.", dann wirkte er jedoch wieder desinteressiert und sah zu Azael und Loominah: „Und jetzt der...", er sah kurz zu Dantalion: „Wie hast du es genannt? Wichtige Neuigkeit?"
Aeron konnte sich einen Scherz nicht verkneifen und grinste: „Vater geht dir kein Licht auf, wenn du sie ansiehst?"
Der Angesprochene bedachte ihn nur mit einem kalten Blick. Ich war mir sicher, dass mein Vater das nicht zum Lachen gebracht hatte. Hatte er überhaupt schon einmal gelacht in meiner Gegenwart?
Unter den eiskalten Augen, die auf Aeron ruhten, erstarb sein Lachen und er verfiel wieder in ein Schweigen.
„Sie ist eine Lux. Das kann einem nicht entgehen. Aber warum ist sie hier. Azael, gibst du dich jetzt mit Himmelswesen ab?", er sah meinen Bruder kalt und ruhig an. Ich wusste nicht genau, was in seinen Gedanken vor sich ging, doch mir schien es so, als dachte er, dass Azael sich gegen ihn verschworen hatte. Mein Vater beugte sich etwas nach vorne: „Möchtest du mir etwas sagen?"
In der Gegenwart des Teufels, war Azael eine kleine Ameise. Es schien so, als würde er nicht nur einmal ansetzen, bis er schließlich: „Sie ist die verschwundene Lux.", herausbrachte.
Vater lehnte sich zurück und wirkte nun etwas entspannter: „Was genau soll ich mit einer entlaufenen Lux machen? Hat sie Informationen über den Himmel?"
„N...nein...", stammelte Azael.
Dantalion seufzte in sich hinein, hielt sich kopfschüttelnd die Stirn und schien verzweifelt zu sein. Ich konnte es ihm nicht einmal verübeln. Es war nicht so, als wüsste ich nicht, weshalb Vater gerade Dantalion und mich bevorzugte. Wir waren einfach nie so... eingeschüchtert gewesen. Wir hatten unseren Respekt, aber so jämmerlich wie Azael hatte ich mich noch nie angestellt.
Vermutlich lag dieser Fakt daran, dass mein Bruder und ich im Gegensatz zu allen anderen zum Teil in der Hölle aufgewachsen waren. Irgendwie hatten wir ihn doch als richtigen Vater angesehen und deshalb hatte die Erkenntnis so geschmerzt, dass er uns alle nur ausnutzte.
Als der Teufel Dantalion aufforderte ihm zu sagen was los war, beugte sich dieser zu ihm und begann zu flüstern. Umso mehr Vater erfuhr, umso heller leuchteten seine Augen auf. Schließlich warf er ein: „Loominah. Die verschollene Hybriden Tochter von Abner."
Nun ergriff tatsächlich wieder Azael das Wort, auch wenn Loo ihm hilflose Blicke zuwarf, wandte er sich nur an den Teufel: „Sie hat ihr Leben auf der Erde verbracht. Sie hat keine Ahnung vom Himmel oder ihrer Familie. Aber sie hat beeindruckende Fähigkeiten."
„Und wichtige Eltern.", stellte mein Vater ruhig fest und schätzte das Mädchen mit Blicken ab: „Kannst du auch selber sprechen? Welche kleinen Tricks kannst du mir denn zeigen?"
Aeron warf ein: „Du solltest sie nicht auch noch dazu bewegen, sonst löst sie sich in Licht auf, weil sie es sich doch noch anders überlegt hat."
„Sie scheint mir nicht flüchten zu wollen. Sie sieht mir sehr willig aus. Ich bin erstaunt. Gute Arbeit Xenya.", der Mann sah zu mir. Ich hatte nicht einmal etwas gesagt, aber ich nahm das Lob einfach hin.
Azael schien das weniger zu passen: „Sie kann ihre Fähigkeiten noch nicht kontrollieren."
„Sie weiß aber was sie kann oder?", der Teufel sah zu meinem Halbbruder und lehnte sich zurück. Er sah wieder zu ihr: „Oder habe ich unrecht?"
„Sie kann Gehirn... in sowas wie Mus verwandeln.", warf Aeron in den Raum. Er schien schon wieder vergessen zu haben, dass der Teufel im Raum saß.
„Das ist eine seltene Fähigkeit der Lux-Noctis.", erklärte Dantalion, als wäre es ihm egal. Ich machte eine Geste und sah meinen Vater direkt an: „Sie kann angeblich Tote wieder zum Leben erwecken.", ich verschränkte meine Arme und lehnte mich vor: „Glaubst du wirklich, ich würde kommen, damit du mich lobst und mit offenen Armen empfängst?", ich wollte auf den Punkt kommen.
„Deswegen bist du hergekommen?", lachte Aeshma und grinste: „Du glaubst doch nicht wirklich, dass Vater das zulässt."
Ich ließ mich nicht aus der Fassung bringen und sah meinen Vater aufgebracht an: „Wenn du es schaffst ohne Mutter zu leben, ist das deine Sache, aber ich möchte meinen Verlobten zurückhaben. Dann lasse ich mit mir darüber reden, dass ich wieder für dich arbeite.", es war gewagt, aber ich wollte es probieren. Wir waren hier und wenn es nicht geschah, dann eben nicht. Ich würde alles geben um meine Liebe zurückzubekommen. Mein Leben.
Mein Vater schien sich zu amüsieren und blickte mich an: „Während meiner gesamten Existenz habe ich nur zwei Lux kennengelernt, die diese Gabe geerbt haben, meine liebe Xenya.", dann musterte er Loominah jedoch nachdenklich, als würde er es sich noch einmal überlegen. Schließlich stützte er sein Kinn in seine Hände ab und lehnte sich vor: „Da allerdings einer davon ihr Onkel und der andere ihr Vater ist, ist die Wahrscheinlichkeit durchaus da, dass sie es auch kann.", er schien sich nun zu begeistern und lächelte: „Deine Mutter ist auch sehr begabt. Du hast gute Gene. Wer weiß, was alles in dir steckt."
Azael nickte: „Wenn ich sie trainieren könnte..."
Doch Vater unterbrach ihn mit einer Handbewegung und legte den Kopf schief: „Darüber sprechen wir, wenn wir wieder zuhause sind.", der Mann wandte den Blick nicht von ihr ab und fragte: „Aber man kann mir bestimmt mehr erzählen über ihre Fähigkeiten. Xenya?"
Ich runzelte die Stirn. Warum fragte er nicht Azael? Wollte er nicht wahr haben, dass sein Bastard-Sohn auch einmal etwas erreicht hatte?
„Frag Azael. Er weiß es besser, und er möchte es dir, im Gegensatz zu mir, auch erzählen.", warf ich einfach ein und lehnte mich zurück. Ich würde Loo nicht weiter ausliefern. Sie war mir eigentlich ans Herz gewachsen und tat mir leid. Es tat mir leid, dass ich Azael geholfen hatte.
Vater wollte Azael wohl wirklich keine Anerkennung zukommen lassen. Er musterte das Mädchen abschätzend und blickte dann zu mir, als hätte ich ihn nicht gerade unzufrieden gemacht: „Ich habe eine geliebte Tochter zurückgewonnen.", er erhob sich von seinem Stuhl: „Und darf eine ganz neue Tochter in meinen Reihen begrüßen. Herzlich Willkommen in der Familie, Loominah."
***
-Fortsetzung Folgt-
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