3 ~ Kapitel 6
Durch die kleinen Fenster fielen die ersten Sonnenstrahlen als ich erwachte und entschied Brennholz zu suchen um den Kamin benutzen zu können.
Im Wald war es relativ ruhig. Bis auf den Uhu und anderen Frühaufstehern der Tierwelt konnte ich noch keinen Mucks vernehmen.
Ich sammelte so viel Holz wie ich in dem Korb tragen konnte und brachte sie nach Hause.
Azael lehnte an der Wand und betrachtete das Bild das über dem Kamin hing. Es dauerte bis er reagierte doch irgendwann als ich zum Kamin ging fragte er: „Wie war es so verlobt zu sein?"
„Fragst du das jetzt weil du es wissen willst, oder bist du mal wieder einfach nur ein Arschloch?", fragte ich interessiert zurück. Da ich keine Lust hatte, dass er mich deswegen in einen tiefen Abgrund von Gefühlen zog, wollte ich zuerst sicher gehen.
Er drehte sich nicht von meinem Gemälde weg, während ich begann Holz in dem Ofen zu stapeln nachdem ich den kalten extrem alten Ruß zur Seite geschaufelt hatte: „Ich habe es geliebt. Es war ein lockeres, sorgloses Leben und doch irgendwie Abenteuerlich."
„Du siehst auf dem Bild wirklich nett aus, Schwesterchen.", gab er mir zur Abwechslung mal ein Kompliment und stieß sich dann ab um zur Couch zu wandern: „Ich verstehe dich nicht."
„Weshalb?"
„Du hättest alles haben können...", begann Azael und seufzte: „Vater hat dich bevorzugt. Respektiert. Er hat sogar auf dich gehört. Es weiß nur er selber weshalb, aber er muss dich geliebt haben und du... du nimmst dir einen Menschen und sagst dich von ihm ab.", er schüttelte den Kopf und ich hielt einen Moment in meiner Tätigkeit Inne: „Du warst noch nie verliebt, HööAzael. Ich will nicht darüber reden."
Dem Mann entfuhr ein lustloses Lachen: „Weißt du wie viel ich machen muss nur um respektiert zu werden? Und du hast alles hingeworfen."
„Azael... scheiße nochmal. Er nutzt dich aus. Er nutzt uns alle aus. Es geht nicht um uns. Es geht darum, dass wir unser Leben andauernd riskieren, nichts dafür bekommen und alles nur weil er sagt, spring von den Klippen.", fuhr ich ihn an und suchte dann etwas zum Anzünden. Doch da ich nichts fand begann ich einfach ganz altmodisch mit Holz.
Er schnaubte: „Du musstest es auch nicht aushalten geächtet zu werden. Weil du nicht gewollt warst."
Ich musterte ihn einen Moment überrascht. Wir hatten darüber noch nie gesprochen. Wieso auch?
„Schau nicht so.", regte er sich auf: „Vater wollte mich nicht. Es war ein Unfall und das lässt er mich jedes Mal spüren."
„Aber er nutzt dich trotzdem aus Azael. Denk darüber nach.", ich seufzte und versuchte dann das Thema zu wechseln: „Wenn du so nett wärest könntest du Putzutensilien kaufen.", schlug ich vor.
Der Mann nickte: „Loominah schläft noch. Du solltest sie ruhen lassen."
„Dumm bin ich nicht.", nickte ich und deutete ihm dann, dass er gehen sollte. Ich wollte derweil Frühstück machen. Da Azael alles gekauft hatte, was ich brauchte, begann ich damit Fladenbrot im zu backen, während das Mädchen noch schlief. Allerdings wusste ich nicht, wie gut ich das noch konnte, ich hatte dieses schon lange nicht mehr gemacht. Es dauerte Stunden bis ich fertig war, noch einen Tee wärmte und die Marmelade auf den Tisch stellte die Azael ebenfalls bei seinem letzten Einkauf mitgenommen hatte.
Als Azael wieder zurückkam schlief Loominah immer noch, weshalb ich ihn nach oben schickte, um sie zu wecken.
Vermutlich würde er es sowieso nicht tun, aber das war dann sein Problem.
Es dauerte ein wenig bis mein Bruder wütend die Treppen hinunter stapfte: „Ich bin weg."
„Wo willst du hin?", fragte ich neugierig.
Er schnaubte einfach auf: „Mich abregen. Ich weiß doch auch nicht. Irgendjemanden umbringen. Oder so ähnlich.", dann war er auch schon weg und ich sah ihm mit hochgezogener Augenbraue hinterher. Seine Reaktion verwirrte mich.
„Morgen." Ich lächelte Loominah an, die gerade ins Zimmer kam und fragte interessiert. Sie sah mich fragend an: „Was hat Azael denn heute?"
„Ich weiß es nicht. Was hast du denn zu ihm gesagt?", ich zuckte mit den Schultern und nahm eine Schüssel in die Hand in der ich das Fladenbrot gelegt hatte: „Hier Frühstück. Hab ich selber gebacken. Als Stärkung fürs Zusammenräumen."
„Das ist sehr lieb von dir, aber ich habe keinen Hunger.", antwortete sie mir.
Ich nahm mir ein Brotstück und musterte sie kurz. Sie war noch im Nachtgewand, doch das konnte man schnell ändern. „Gut. Ich möchte heute zum Grab gehen. Möchtest du mitkommen?"
Ich wusste nicht so recht, ob ich wirklich alleine hingehen wollte. Meine Gefühle waren so groß und die Tatsache, dass ich durch den Entzug sensibler war, machte mich wahnsinnig.
Sie sah mich verdutzt an: „Wenn du das möchtest, komme ich mit."
Ich nickte: „Ich möchte nicht alleine hingehen.", ich sah sie lächelnd an und frühstückte dann fertig. Wir entschieden uns erst ein wenig im Haushalt zu machen und begannen in den Schlafzimmern um Dreckfrei schlafen zu können. Da das Haus ewig leer gestanden hatte, war viel zu tun.
Am späten Nachmittag wanderten wir dann durch den Wald auf die Lichtung, auf der ich ihn begraben hatte. Um uns herum herrschte Stille. Nur der Wind blies über die Blätter hinweg. Ich hatte gedacht, dass Adriel hier lieber seinen ewigen Schlaf nahm, als auf einem Friedhof.
Der gemeißelte Stein, der sein Grab markierte, war mit wuchernden Pflanzen überdeckt. Daneben stand noch ein kleinerer Stein. Es begrub nicht nur mein Kind, sondern einfach mein ganzes Leben.
Ich hatte auf dem Weg ein paar Wildblumen gepflückt, um sie auf das Grab zu legen. Die ersten Momente war es überwältigend. Ich stand einfach davor. Ich wusste nicht so recht, was ich sagen sollte.
Schließlich legte ich einfach die Blumen auf das Grab und sagte zu Loominah: „Er würde mir jetzt vorwerfen, dass ich unkreativ bin.", ich schüttelte amüsiert den Kopf: „Er war ein echter Künstler."
Ich schluckte nachdenklich und setzte mich ins Gras und deutete ihr, dass sie sich neben mich setzten sollte. Das war noch ein positiver Aspekt, daran dass er nicht am Friedhof lag.
Meine neu gewonnen Freundin ließ sich neben mir nieder und musterte den Grabstein nachdenklich: „Es muss schön sein, jemanden so sehr zu lieben. Ich kann es mir gar nicht vorstellen."
Ich sah sie lächelnd an: „Als er gelebt hat, war es wundervoll. Es war unglaublich.", ich lachte bei dem Gedanken an ihn: „Wir haben in der ersten Nacht, nachdem wir uns kennengelernt haben, miteinander geschlafen. Ich dachte nicht dass wir uns danach noch einmal sehen... Und dann... Ja irgendwie ist alles so schnell gegangen.", ich sah sie nachdenklich an: „Erst war es irgendwie eine Liebelei. Und dann... Er hat mich einfach gefragt, ob ich ihn heiraten möchte. Ich hätte es mir nie gedacht.", ich nahm nachdenklich ihre Hand: „Es ist ein schönes Gefühl. So eindringlich und sinnlich. Und dann... Dann war ich schwanger. Mir ist es an dem Tag aufgefallen, als er gestorben ist. Er hat es nie erfahren.", ich sah zu den zwei Gräbern: „Ich weiß nicht aus welchem Grund ich immer noch so trauere... Ich weiß nicht woran es liegt, aber ich kann einfach nicht glauben, dass es so enden musste."
Nach dreihundert Jahren war es doch lächerlich noch so festzuhalten, wie ich es tat. Wieso tat ich das?
„Ich werde mein Bestes geben.", versprach sie mir: „Vielleicht kannst du ihn bald wieder in die Arme schließen."
Sie war das gutherzigste Mädchen, das ich je gesehen hatte, das ich je kennenlernen durfte. Und ich fand das unglaublich.
„Das wäre schön.", ich sah sie ehrlich dankbar an: „Ich hätte es aber nicht verdient. Dein Leben ist viel Wertvoller. Viel... Du bist unglaublich weißt du das? Ich habe dich entführt und enttäuscht und du willst mir die Liebe meines Lebens zurückholen, die ich schon damals nicht verdient habe."
Ich hatte getötet. So oft. Gefoltert. Mit Freude. Ich hatte mit Dantalion ganze Kriege ausgelöst...
„Du bist die einzige Freundin die ich je hatte.", stellte ich schließlich noch fest.
Sie sah mich mit großen Augen an. Erst glaubte ich, dass sie mir nicht glaubte, doch dann fiel sie mir um den Hals und drückte mich ganz fest an sich. So viel Liebe und Zuneigung in einer Umarmung war seit langem fremd für mich geworden, doch es fühlte sich unglaublich gut an.
„Danke.", sie sagte es voller glück in der Stimme: „Ich werde dich nicht enttäuschen."
Das glaubte ich auch nicht. Sie würde ihr Bestes geben und das bedeutete mir schon genug. Ich ließ sie noch nicht los, sondern strich ihr über den Rücken: „Du schaffst das bestimmt. Und ich glaube auch dass du es überleben wirst. Ich möchte dass du überlebst."
Es wäre nicht fair noch jemanden zu verlieren. Was würde ich machen wenn sie starb und es nicht schaffte? Dann war ich wieder ganz alleine.
„Du hättest dich gut mit ihm verstanden...", ich musterte seinen Grabstein nachdenklich und konnte mir nun einzelne Tränen nicht mehr verkneifen: „Adriel hat in allem das gute gesehen. Sogar in mir. Sogar in Vater. Er wäre ein toller Vater gewesen. Ich habe es nicht einmal geschafft mein ungeborenes Kind zu schützen."
Ich glaubte, dass dieser Fakt beinahe am meisten Last auf meinem Herzen war.
Sie rückte zurück, um mich aufmunternd ansehen zu können.
„Wie hättest du auch? Ich bin mir sicher du hast alles getan, was in deiner Macht stand.", stellte sie fest.
Doch es war nicht genug gewesen. Sonst wäre mein Kind wohl noch am Leben. Trotzdem nickte ich. Ich war ihr dankbar für diese Worte, und seufzte: „Ich habe genauso viel Angst davor in die Hölle zu kommen, wie du wahrscheinlich. Ich weiß nicht wie mein Vater reagieren wird."
„Ich habe keine Angst.", sagte sie: „Natürlich mache ich mir darüber Gedanken, was auf mich zukommt. Und am Anfang hatte ich große Angst. Aber ich... nun..."
Sie sollte Angst haben. Es war besser meinen Vater zu fürchten, als ihn zu unterschätzen.
„In New York... ich wollte nicht fliehen. Ich wollte nur etwas ausprobieren. Ich habe im Central Park auf euch gewartet. Es klingt komisch, aber du und Azael seid für mich die erste Familie, die ich seit langem hatte. Ich fühle mich bei euch wohl und sicher. Und mit euch bin ich so frei, wie nie zuvor.", sie lachte und sprang mit einem Satz vom Boden auf, um sich ganz oft im Kreis zu drehen, bis ihr schwindelig wurde: „Ich habe New York gesehen und ein Café in Alabama. Jetzt bin ich in Frankreich. Ich muss keine Tabletten gegen meine eigene Psyche nehmen. Ich hatte keine Herzanfälle mehr, seit ich bei euch bin. Niemand klebt mir Kaugummi in die Haare.", dann kniete sie sich wieder vor mich auf den Boden: „Selbst wenn ich sterbe. Habt ihr zwei mir endlich ein schönes Leben ermöglicht. Ich habe alles, was ich je wollte."
Es war schön zu hören, dass ich ihr nicht ihr behütetes Leben komplett zerstört hatte. Ich lächelte sie sanft an: „Meine Kindheit und Jugend war auch nicht einfach. Dantalion hat mich hart trainiert, nachdem Mutter gestorben ist. Und ich habe zu Beginn aus Spaß gemordet. Von meiner Familie wurde das natürlich gefordert. Schließlich als Dantalion bereits einen Auftrag von Vater bekommen hatte und nicht da gewesen war, hat mich die Inquisition geholt. Wenn du willst bekommen wir zusammen deine Fähigkeiten in den Griff."
„Ich weiß nicht, ob Hilfe von außen etwas bringt.", stellte sie fest und sah mich fragend an: „Oder kennst du dich mit meinen Fähigkeiten aus?"
Ich hatte mich nie so wirklich für Lichtwesen interessiert. Langsam schüttelte ich den Kopf: „Aber Azael kennt sich vielleicht aus. Er hat dich wirklich gerne, vielleicht kannst du ihn dazu bringen dir zu helfen."
Sie wurde rot wie eine Tomate. Das war so niedlich. Die Beiden waren mindestens ineinander verliebt.
„Ich weiß nicht... Ich will ihm nicht auf die Nerven fallen.", sie legte sanft ihre Finger auf ihre zarte Wange. Ich musterte sie einen Moment nachdenklich und nickte: „Ich glaube nicht, dass du ihn nervst. Ich glaube, dass er dir gerne hilft, wenn du ihn fragst. Solange er mehr Zeit mit dir verbringen kann.", ich sah wieder zu dem Grab neben mir und erhob mich langsam.
Sie erhob sich ebenfalls: „Möchtest du gehen?"
„Nein.", ich sah lächelnd zu dem Grab: „Aber wenn ich nicht gehe, dann gehe ich vielleicht nie und mein Leben ist zu lang dafür.", ich lachte: „Unsterblichkeit ist etwas ätzendes."
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