2 ~ Kapitel 12
Nach dem Frühstück machten wir uns wieder auf den Weg in eine Richtung, die wir selber noch nicht so genau wussten welche es war. Gut das war eindeutig ein sehr verkrüppelter Satz. Ich musste meine Gedanken neu ordnen.
Die Fahrt verlief ruhig und langsam färbte sich der Himmel rot. Loominah saß auf der Rückbank, während mein Bruder sich neben mir nieder gelassen hatte.
Irgendwann fragte ich sie neugierig: „Was hat Aeron eigentlich genau zu dir über mich gesagt?"
„Nichts.", kam als Antwort. Doch da musste etwas gewesen sein. Mein Bruder diktierte mir, dass ich in eine Gasse abbiegen sollte. So fuhr ich dieser Ansage nach und fragte: „Wo bringst du Idiot uns hin."
Er grinste mich und Loominah kurz an: „Ihr werdet es schon früh genug erfahren."
Sie sah aus dem Fenster während ich mich wieder auf die Straße konzentrierte die sich durch einen beinahe märchenhaften Wald schlängelte.
Irgendwann als sich der Wald etwas lichtete, fuhren wir eine Abzweigung hinab bis er meinte: „Ich hoffe Sie hatten eine Angenehme Reise."
Ich parkte mit einem Abstand zu einem See, der sich vor uns erstreckte. Die Sonne tränkte das Wasser in blutrote Farben. Es sah aus als hätte ich einen Traum der schönen Art.
Ich stellte den Wagen ab, als Azael aus dem Auto stieg und im gleichen Zuge sein Hemd richtete. Vermutlich würden wir hier übernachten.
„Pinkelpause!", kündigte ich an und verließ ebenso das Auto.
Loominah blieb auf ihrem Platz und beobachtete die Natur, während ich mich mit meinem Bruder traf der mit einem lächelnd bekanntgab: „Ich habe mich während der Fahrt entschieden, dass wir zum New Yorker Flughafen fahren, ich denke der ist weit genug weg, um niemanden unserer Geschwister zu treffen. Dann haben wir morgen noch circa sechs Stunden Fahrt vor uns."
„Gut.", nickte ich und deutete auf die kleine, niedliche Holzhütte in der es vermutlich nur ein Schlafzimmer und ein Wohnzimmer mit integrierter Küche gab: „Woher wusstest du das?"
„Ich war schon mal hier.", erklärte er einfach und grinste dann zu Loominah, die immer noch im Auto saß. Er winkte ihr, dass sie kommen sollte, wenn sie was zum Essen haben wollte.
Ich schlug vor: „Du kochst. Ich habe keine Lust.", dann marschierte ich in Richtung des Hauses.
Als ich das Zimmer betreten hatte stellte ich fest, dass es tatsächlich aus einem Raum bestand, indem eine Couch ein alter Röhrenfernsehr und eine Küche mit Kücheninsel und vier Barhocker Platz gefunden hatten.
Ich steuerte den Kühlschrank an und sah hinein, ob es ein Bier gab... natürlich... als ob Azael ohne auskommen würde...
Nachdenklich holte ich mir eines heraus und ließ mich auf die Couch fallen als mein Bruder und Loominah die Hütte betraten: „Also kochen wir gemeinsam?", hörte ich die Stimme meines Bruders.
„Entweder du oder ich.", konterte sie, weshalb wohl Azael meinte: „Dann du. Ich schaue dir nur zu gerne zu.", sie machten sich auf den Weg in die Küche. Ich lehnte mich über das Sofa hinweg zu ihnen und sah zu wie sich mein Bruder mit seinem Hintern auf einen Barhocker setzte und Loominah wohl kochte.
Ich stieg über die Lehne hinweg und stellte mich zu den Holztheken: „Habe ich nicht eigentlich gesagt, dass du kochen sollst?", fragte ich unbeirrt meinen Bruder, der nur eine wegwerfende Bewegung machte: „Loominah kann das bestimmt besser. Außerdem sieht sie besser dabei aus als ich."
Die Erwähnte drehte sich alles andere als erfreut um und fuhr uns an: „Hör auf mich anzulügen."
„Ich verarsch dich nicht.", er lachte amüsiert und sah sie durchdringlich an: „Du könntest innerhalb von fünf Sekunden herausfinden ob ich lüge, und glaub mir ich lüge nicht. Ich bin in dieser Hinsicht ein sehr ehrlicher Mann. Wenn ich dich nicht attraktiv finden würde, wüsstest du es schon lange. Ich sage, was ich denke."
Loominah warf mir einen zweifelnden Blick zu, doch es war egal. Ich konnte ihr weder sagen, ob er log, noch konnte ich dies verneinen. Auch wenn ich nicht glaubte, dass er sie anlog. Das würde keinen Sinn ergeben.
„Meine Gestalten können eure Gedanken kaum lesen, wenn du das meinst. Sie haben Angst vor euch.", stellte das Mädchen dann fest und musterte uns einen Moment: „Und ich glaube dir nicht, egal was du sagst. Es hat mich noch nie irgendjemand begehrt. Ich war mit vierzehn in einen Tim Poppil verliebt. Er war übergewichtig, trug eine Brille und aß seinen eigenen Popel. Aber ich mochte ihn, weil er neu war und auch schon den Hänseleien der Beliebten zum Opfer gefallen war. Er war anders und deswegen habe ich ihm gesagt, dass ich gerne mit ihm etwas machen wollen würde.", sie verdrehte die Augen und erklärte dann weiter: „Ich war nicht sehr diskret, was meine Verliebtheit anging... ja, aber er hat mich eine Psychotante genannt, dann hatte er einen Asthmaanfall gehabt und wurde innerhalb von einer Woche beliebt. Nicht einmal so einer wollte mich. Jemand, der Niemanden haben konnte. Und dann kommst du...", sie setzte kurz ab, bevor sie weiter sprach: „...und meinst, du findest mich attraktiv. Das ist sehr unglaubwürdig.", dann wurde sie rot und drehte sich von ihm weg.
Bevor ich Adriel kennengelernt hatte, hatten mir alle eingeredet, dass mich niemand jemals lieben könnte. Dass es das alles nicht brauchte. Für mich war es ein ganz neues Gefühl gewesen. Ich glaubte, zu wissen, dass ich mich bei weitem unfähiger angestellt hatte, als es Loominah vermutlich getan hatte.
Mir wollte nicht klar werden, aus welchem Grund ich unter dem Fenster stand, bei dem ich diesen Mann kennengelernt hatte. Eigentlich sollte ich mich von ihm fernhalten. Was brachte es mir, mich mit ihm gut zu stellen?
Wir würden uns nicht mehr wieder sehen, sobald ich Paris wieder verlassen musste. Außerdem waren Freundschaften doch sowieso zum Scheitern verurteilt. Unsicher klopfte ich trotzdem an der Tür und hoffte einfach, dass er nicht daran dachte, dass ich vorbeikommen wollte.
Kurz musste ich warten und wägte in Gedanken ab, ob ich stehen bleiben, oder noch schnell weglaufen sollte. Doch noch bevor ich zu Ende denken konnte, nahm mir meine Entscheidung der junge Künstler ab, der die Tür öffnete und eine Geste ins Innere machte: „Mademoiselle."
Kurz lächelte ich unsicher und folgte ihm dann ins Innere. Allerdings war ich so unzufrieden mit meiner Entscheidung hierher zu kommen, dass ich mich sofort zu ihm umdrehte: „Ich wollte dir eigentlich nur sagen, dass das zwischen uns etwas einmaliges war."
Er schien mich nicht ernst zu nehmen, denn über seine Gesicht huschte eine amüsierte Grimasse: „Wenn ich es mir erlauben darf, stelle ich die These auf, dass du dir nicht diese Mühe machen würdest, wenn es eine Einmalige Sache gewesen wäre."
„Unterstellst du mir etwa, dass ich gekommen bin, weil ich etwas von dir will?", fragte ich etwas perplex. Ich hatte nicht erwartet, dass der Mann so etwas sagen würde. Mir kam es so vor, als hätte ich diesen Adriel unterschätzt.
Er lachte, schloss die Tür und ging an mir vorbei in sein Haus. Es handelte sich um nichts Besonderes.
Auf einem heruntergekommenen Tisch standen zwei hölzerne Kelche. Ich zog eine Augenbraue hoch, als ich diese entdeckte, denn er nahm sie gleich darauf zur Hand und hielt mir einen hin: „Ich werfe dir nur vor, dass du mich anlügst. Den Grund weiß ich allerdings nicht.", er lächelte und sah mich auffordernd an: „In vino veritas."
„Im Wein liegt die Wahrheit.", ich musterte den Becher skeptisch, nahm ihn dann jedoch an.
„Ich lüge nicht, aber es geht nicht darum, was ich will.", ich nippte vorsichtig am Rand des Bechers.
Er nahm im Gegensatz zu mir einen kräftigen Schluck und lehnte sich gegen einen Stuhl, der so wirkte, als würde er jeden Moment zusammenfallen: „Deswegen bist du hier. Lass mich raten. Du bist verheiratet?"
„Nein.", ich musste tatsächlich lachen, irgendwie lag in seiner Stimme ein Charme den ich nicht beschreiben konnte: „Meine Familie ist kompliziert."
Wenn ich zurückdachte was geschehen war, hätte ich bei der Meinung bleiben sollen, die ich gehabt hatte, als ich vor seiner Tür gestanden war.
Loominah musterte Azael. Man konnte ihr ansehen, dass sie meinen Bruder hübsch fand, doch das war etwas das einfach in der Familie lag.
Azaels Grinsen wurde schon beinahe unverschämt breit, doch statt weiter zu flirten und meinte: „Weißt du was ich denke...", er musterte ihre Figur und ihre schneeweißen Haare. Sie war ganz und gar nicht hässlich. Um ehrlich zu sein, war sie unglaublich hübsch. Sie hatte eine perfekte Figur, lange leicht gewellte weiße Haare und schön geschwungene Lippen. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass diese Klassenkollegen sie wirklich hässlich gefunden hatten. Er fuhr fort als er aufgestanden war und sich ihr von hinten näherte, langsam aber doch: „Ich denke, dass die weibliche Seite dieser inkompetenten menschlichen Wesen einfach nur eifersüchtig auf deine Einzigartigkeit ist, und die männliche Seite sich ihnen nur angeschlossen hat, weil sie Angst haben, dass du sie nicht willst und die anderen Mädchen dann nichts mehr von ihnen wollen.", er war bei ihr angekommen: „Du solltest wirklich mehr Selbstbewusstsein entwickeln, Süße. Du bist eine der attraktivsten, heißesten und vor allem reinsten Frauen, die ich in meinen knappen fünfhundert Jahren bis jetzt gesehen habe.", dann drehte er sich wieder um kurz bevor er sie berührte und setzte sich zurück auf seinen Platz: „Am liebsten würde ich jeden, der auch nur irgendwas anderes behauptet hat qualvoll ausbluten lassen."
„Sei nicht immer gleich so... freundlich.", meinte ich und mischte mich dann auch ein: „So ungerne ich diesem Idioten, der wohl oder übel mein Bruder ist, recht gebe, aber du bist wirklich nicht hässlich. Ganz im Gegenteil. Du bist einzigartig. Menschen kommen mit sowas einfach nur nicht klar."
Sie begann Gemüse zu zerschneiden und meinte: „Alles was ich will, ist, dass ich irgendwann einmal normal bin. Das ist mein größter Wunsch seit ich denken kann. Ich habe mich nie so gefühlt, als würde ich irgendwo reinpassen. Ich will einmal dazu gehören.", sie seufzte und ärgerte sich mit einer Zwiebel.
Theatralisch stieß Azael sich von der Theke ab und breitete seine Hände schwungvoll aus: „Herzlich Willkommen bei den Freaks.", seine Augen fachten kurz rot auf: „Wir haben allerdings gelernt damit umzugehen. Unsere Fähigkeiten wurden uns so antrainiert, dass wir uns wohl leichter getan haben.", er schien kurz in seinen Erinnerungen zu sein: „Xenya und Dantalion sind die Einzigen von uns, die teilweise auch von Vater aufgezogen wurden. Wir anderen mussten alleine auf der Erde klarkommen. Ich habe mir auch nicht immer leicht dabei getan, mich zwischen den Menschen einzufinden."
„Und ich wurde beinahe als Hexe verbrannt.", ich überlegte und atmete tief durch: „Das traurige daran ist, dass auch wenn ich mit meinen Fähigkeiten und dem Wissen über meine Herkunft aufgewachsen bin, habe ich fast geglaubt, dass ich eine Hexe bin. Wir hatten es nicht einfacher als du. Du musst nur lernen damit umzugehen und zu leben. Vielleicht entkommst du uns... oder die Leute deiner Eltern holen dich aus unserer Gefangenschaft.", ich zuckte die Schultern: „Niemand weiß was geschehen wird."
Sie wirkte nicht überzeugt, sagte jedoch nichts mehr dazu, stattdessen fragte sie nach: „Als Hexe verbrannt? Wo denn?"
Es war süß, dass sie nach dem „Wo" fragte.
Azael war es, der sie aufklärte: „Eher wann. Schwesterchen ist über fünfhundert Jahre alt."
Fünfhundert Jahre in denen ich mein Leben verschwendet hatte.
„Ihr seid unsterblich?", fragte sie verblüfft.
Azael nickte und erklärte: „Ja, aber wir glitzern leider nicht in der Sonne. Ich wette, damit würde ich ein paar Bellas ins Bett kriegen. Die wollen eh unbedingt."
Nun drehte er sich herum und ging zu der karierten Couch, die in dem Zimmer stand: „Du bist übrigens auch unsterblich. Zumindest im Himmel. Auf der Erde alterst du."
Nun schwieg sie. Ich glaubte, dass sie erst einmal Zeit brauchte, um das alles zu verarbeiten. Es waren nun doch recht viele Informationen gewesen, die sie seit gestern erhalten hatte. Ich konnte mir kaum vorstellen, wie voll ihr Kopf war.
Um sich selber abzulenken, verkündete sie nun laut: „Kochen mit Loominah!", sie begann zu kochen und erzählte uns alles was sie benutzte und tat. Mein Bruder beobachtete sie ganz genau, während ich mein Bier zu Ende trank und mich dann gegen die Theke lehnte.
Es dauerte etwas, aber bald war das Essen fertig und das Mädchen stellte uns das Essen vor die Nase: „Chili con Carne. Ohne Carne und ohne Chili. Bon appétit!"
Sie setzte sich zu uns an die Theke um uns besser ansehen zu können jedoch auf die andere Seite.
Ich lächelte sie an, doch Azael kam mir zuvor: „Merci Mademoiselle. Parlez-vous français?"
„Oui. J'adore cette langue.", antwortete sie und fragte dann lächelnd: „Kannst du noch andere Sprachen?"
„Deutsch, Italienisch, Osmanisch, Latein Russisch, Gälisch... halt jede Sprache in dessen Ländern ich schon gelebt habe oder längere Zeit als nur ein Jahr verbracht habe.", erzählte er nachdenklich: „Ich habe aufgehört zu zählen. Kannst du denn überhaupt Russisch. Du wirst es nötig haben in St. Petersburg."
„Russland?", fragte sie nun mit leuchtenden Augen. Ich kostete von dem Gericht, dass sie uns serviert hatte und nickte: „Ja das Land mit den vielen Russen."
„Da wo sie alle Russisch sprechen.", fügte Azael hinzu und ich nickte noch einmal: „Russland."
Mein Bruder grinste sie an: „Wir fliegen aber nicht nach Russland, sondern werden anders über die Grenze kommen. Am besten du machst deinen Lichttrick.", er machte eine Handbewegung, als würde jemand in Luft aufgehen.
„Ich weiß nicht, wie es geht. Es passiert einfach.", warf sie ein.
Ich lächelte sie aufmunternd an: „Du wirst es bestimmt noch lernen."
Azael hob seine Hand wie ein Schuljunge: „Ich bringe es dir bei, mein Sonnenstrahl.", dann nahm er demonstrativ einen Bissen: „Schmeckt wirklich gut, was du da gezaubert hast."
Nickend stimmte ich ihm zu: „Wirklich köstlich."
Ein Lächeln huschte über ihre Lippen und dann war es kurz still. Ihr schien ein wenig durch den Kopf zu gehen bis sie fragte: „Gibt es auch noch andere meiner Art auf der Erde?"
Ich wusste nicht wie ich es ihr beschreiben konnte, also erklärte ich: „So jemanden wie dich, glaub ich, hatte es noch nie gegeben.", ich musterte sie einen Moment und erklärte dann: „Es gibt Wesen aus dem Himmel auf der Erde. Sonst wären wir hier wohl überflüssig, denn zwischen Himmel und Hölle herrscht ein seit tausenden von Jahren laufender Krieg.", Azael unterbrach mich und verdrehte die Augen: „Von dem sich Schwesterchen hier... fern hält.", dann machte er eine Geste: „Lux können nur schwer auf der Erde überleben. Ich weiß nicht, wie du es geschafft hast. Es ist alles recht kompliziert."
„Aber ihr, die Kinder des Teufels, könnt hier überleben?", fragte sie interessiert nach.
„Jap.", stellte Azael fest und warf eine Nudel in seinen Mund, wie man es mit Popcorn manchmal machte, wenn man versuchte cool zu sein: „Unser Vater ist der Kaiser der Hölle. Seine Kinder müssen schließlich etwas von seiner Macht geerbt haben."
Sie fragte nun weiter: „Wenn euer Vater der Kaiser der Hölle ist, seid ihr dann seine Thronerben?"
„Dantalion ist der Kronprinz.", erklärte Azael. Er war nicht zufrieden mit dieser Tatsache, doch bevor er Herrsche der Hölle wurde, musste er erst gegen meinen älteren Bruder und dann gegen mich bestehen.
„Das heißt, er wird einmal der Teufel? Ist der Teufel also nicht rot und hat einen Schwanz? Und er lebt nicht für immer?"
„Er ist unsterblich, aber sehr wohl verwundbar.", sagte ich: „Solange ihn niemand umbringt, stirbt er auch nicht. Und der Einzige der einen guten Grund hätte sich mit ihm anzulegen ist Dantalion. Er ist aber wie alle meine Geschwister. Ein Schoßhündchen, das Springt, wenn er sagt spring.", ich sah zu Azael: „Habe ich nicht recht?"
„Absolut.", stimmte mir jemand zu, der jedoch nicht im Raum sein sollte, und mir schon gar nicht zustimmen sollte. Scheiße!
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