21
Als Nina die müden Augen öffnete, flogen die Erinnerung an vergangene Nacht an ihr wie eine Diashow vorbei. Sie riss die Lider auf, sprang aus dem Bett, schnappte sich etwas zum Anziehen und stürmte ins Badezimmer. Ihr Blick blieb an ihrem Spiegelbild hängen. Ihr welliges Haar fiel seidig über ihre Schultern, ihr Gesicht war gewaschen und sie trug ihren Lieblingspyjama, der - so war sie sich sicher - gestern noch in der Wäsche gewesen war.
Eine böse Vorahnung beschlich Nina und ihre Wangen färbten sich bei dem Gedanken daran augenblicklich rot. Er musste sie in ihre Wohnung gebracht und umgezogen haben. Verdammter Perverser, dachte Nina wütend und zog sich so schnell sie konnte die Straßenkleidung ihrer Wahl an - eine dunkelblaue Anzughose mit Nadeltstreifen und ein weißes Tshirt. Ihre Haare band sie in einen tiefen Zopf, bevor sie mit großen Schritten aus dem Bad stampfte und sich erwartungsvoll in ihrem Wohnzimmer umschaute.
Sie hatte gehofft, ihn dort anzutreffen, aber nicht wirklich damit gerechnet. Umso überraschter war Nina, als sie auf ihrer Couch den schlafenden Teufel erblickte. Ein verachtendes Geräusch entwich ihren Lippen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass der Teufel schlief. Was für ein Heuchler. Dass er ihr Leben ruiniert hatte, hielt ihn offensichtlich nicht davon ab, seinen Schönheitsschlaf auf ihrem Sofa auszuführen.
Nina lief auf den Teufel zu, wollte ihn mit einer saftigen Ohrfeige begrüßen, als sie plötzlich innehielt. Taehyung hatte bisher immer einen wütenden und einschüchternden, gleichgültigen oder aber belustigten und sarkastischen Gesichtsausdruck gehabt. Aber nun, für einen winzigen Moment seines ewigen Lebens, wirkte er ruhig. Er strahlte nicht die Ruhe aus, die er aus Arroganz oder Selbstsicherheit schöpfte, sondern eine, die echt wirkte. So als sei er mit sich selbst im Reinen. Und diese Tatsache brachte Nina fast zur Weißglut.
Sie holte Schwung, doch der Teufel war schneller. Seine Finger umschlossen ihr Handgelenk und hielten ihre flache Hand zurück. Taehyungs Lider waren nach wie vor verschlossen, doch seine Stirn legte sich in enttäuschte Falten, während seine Lippen zu zucken begannen. "Gewalt ist nie die Antwort, meine Liebe." Nina riss sich aus seinem Griff los und ballte die Hände zu Fäusten. "Du hast Recht.", presste sie aufgebracht hervor. "Gewalt ist die Frage. Und die Antwort ist ja." Sie boxte den Teufel in den Bauch, woraufhin sich dieser vor Schmerzen zusammenrollte. Für einen Moment hielt Nina besorgt inne, griff nach Taehyungs Oberarm und wollte ihn zu sich drehen, als dieser sie mit beiden Händen packte und zu sich herunter zog.
Der Teufel wusste nicht, womit er gerechnet hatte, denn als die junge Frau plötzlich auf seiner Brust lag, blieb ihm die Luft weg. Nina schien ebenso überrascht und verwirrt zu sein, wie der Teufel, denn die vielen Schimpfwörter, die sie ihm um den Kopf hatte werfen wollen, blieben ihr im Halse stecken.
Wunderschön. Als Taehyung realisierte, dass er schon anfing, wie einer dieser beschränkten Wesen zu denken, schubste er sie von seiner Brust auf den Boden. Nachdem ein dumpfer Aufprall ertönte, richtete sich Nina stöhnend auf. "Du willst es wirklich wissen, oder?!", brachte die junge Frau wütend hervor, nachdem sie ihre unpassenden Gefühle ihm gegenüber abgeschüttelt hatte.
Sie wollte ihm zeigen, dass sie ihn hasste und dass er nie hätte in ihr Leben kommen dürfen. Aber stattdessen verwandelte sich der lodernde Zorn in sekundenschnelle zu absoluter Verzweiflung. Tränen bahnten sich ihren Weg über ihre Wangen, als Nina auf die Knie fiel.
Sie schämte sich für ihre Emotionen, für die vielen Tränen, weshalb sie ihre Hände schützend vor ihre Augen hielt und den Kopf senkte. Wie hatte es nur so weit kommen können?! Sie hatte doch nur endlich wieder leben wollen!
Taehyung wusste nicht, was er tun sollte. Der Anblick, der sich ihm bot, brach ihm das Herz. Langsam stand er von der Couch auf und kniete sich neben sie. Der Teufel nahm ihre nassen Hände vorsichtig von ihrem Gesicht und verschränkte sie mit seinen. Nina wollte sich von ihm wegdrehen, doch der gutaussehende Teufel zog sie nach vorne, sodass sie widerstandslos in seinen Armen landete.
Schluchzend vergrub sie ihr Gesicht in seiner Schulter. "I-Ich bin eine Mörderin.", presste sie mit gebrochenem Herzen hervor. "I-Ich habe ihn gehasst, a-aber dass ich zu so etwas im Stande bin-", ihre Stimme brach ab, als ihr Schluchzen lauter wurde. "Komme ich jetzt in die Hölle? Ich will so nicht weiter leben.", murmelte sie unverständlich. "Wenn ich ein Leben genommen habe, habe ich dann überhaupt noch das Recht weiter auf dieser Erde zu verweilen?"
Der Teufel hatte ihre Emotionen schweigend hingenommen, er genoss die Wärme und Nähe, die von ihr ausgingen, doch solche Worte, konnte er nicht gleichgültig hinnehmen. Er drückte sie von sich weg und sah ihr in die wässrigen, roten Augen. "Du hast es mehr als jeder andere verdient zu leben, Nina. Höre ich dich noch einmal so etwas sagen, werde ich dich aber persönlich in die Hölle schleppen." Nina schniefte schwach, während der Teufel den Kopf grinsend zur Seite legte. "Darüber hinaus.... du hast niemanden getötet, meine Liebe. Der Bastard ist quietschlebendig."
Ninas Pupillen weiteten sich. Park Yim lebte? Er war nicht gestorben? Aber wie....?! "Ich weiß, ich weiß.", sagte Taehyung und fuhr sich gewinnsicher durch das volle Haar. "Du fragst dich jetzt bestimmt, wie du meine Bemühungen entschädigen kannst. Aber das war ich dir schuldig. Wobei, jetzt wenn ich darüber nachdenke, gäbe es tatsächlich etwas, was-" Nina stand ruckartig auf und stubste den Teufel grob mit ihrem Fuß an, sodass dieser das Gleichgewicht verlor und nach hinten kippte. "Du wusstest die ganze Zeit, dass er noch lebt und trotzdem hast du mich wie eine Idiotin dastehen lassen?!" Fassungslos stemmte die junge Frau ihre Hände in die Hüften, während ihr aufgebrachter Blick auf dem Teufel lag.
Dieser richtete sich stöhnend auf, kam Nina gefährlich nahe und hob die Mundwinkel leicht an. "Lass mich doch wenigstens ein bisschen Spaß haben.", flüsterte er, sodass sich Ninas Nackenhaare aufstellten. Sie würde sich aber sicher nicht vom Teufel ins Boxhorn jagen lassen. "Spaß hattest du glaube ich genug, als du den schlafenden Zustand einer jungen Frau ausgenutzt hast." Taehyungs Augenbrauen sprangen nach oben, als er ihre zweideutigen Worte hörte. Er ahnte, worauf sie hinaus wollte, spielte aber der Unterhaltung willen den Unwissenden. "Ich weiß nicht, was du meinst."
"Ach nein?", hakte Nina zweifelnd nach, nun war sie an der Reihe die Augenbrauen hoch zuziehen. "Ich dachte, du erinnerst dich immer an alles."
"Das tue ich. Aber ich weiß nicht, worauf du hinaus willst." Herausfordernd blinzelte der Teufel Nina an. "Du weißt nicht worauf ich hinaus will?", wiederholte die junge Frau und starrte Taehyung fassungslos an. "Falls du dein gesäubertes Gesicht und deinen frisch gewaschenen Pyjama meinst, gern geschehen." "Gern geschehen?!" "Ich habe dir doch nicht mal deine Unterwäsche ausgezogen, sondern nur deine dreckige Straßenkleidung. Ich verstehe dein Problem nicht." "Mein Problem?!"
Taehyung sah Nina besorgt und gleichzeitig belustigt an. "Hast du einen Riss in der Festplatte oder was sollen die stupiden Wiederholungen meiner Sätze?!" Beschämt wandte sich Nina von dem Teufel ab und lief in Richtung Küche. Sie machte sich schnell ein Glas Wasser und als sie wieder ins Wohnzimmer kam, stand Taehyung noch genau dort, wo er eben gestanden hatte. "Ein Glas Wasser wäre doch nicht nötig gewesen.", sagte er charmant lächelnd und lief auf sie zu. Er wollte das Wasserglas in seine Hand nehmen, doch Nina zog es zur Seite und trank so schnell sie konnte den vollständigen Inhalt aus.
Perplex starrte der Teufel die junge Frau an, während diese zufrieden das Glas zur Seite stellte. "Das ich so etwas Unverschämtes noch miterleben darf.", kommentierte Taehyung Ninas Gastfreundschaft kopfschüttelnd und ließ sich zutiefst enttäuscht auf dem Sofa nieder.
Verachtend stieß Nina die Luft aus. Er tat ja so, als sei er neunzig Jahre alt. Nina hielt die Luft an. Apropos... wie alt war er eigentlich? Er war der Teufel, dass bedeutet, dass er mindestens- sie stockte und schüttelte hastig die unangenehmem Gedanken aus ihrem Kopf. "Was jetzt?", wollte sie rasch wissen und verschränkte die Arme ineinander.
Fragend legte der Teufel den Kopf schief. "Was passiert jetzt?", fügte Nina hinzu und spürte wie die Hitze in ihr aufstieg. "Ich meine mit dir und mit mir - mit unserem Pakt." Der Teufel musterte Nina nachdenklich. Sie hatte schon bei ihrer ersten Begegnung die richtigen Fragen gestellt.
"Ich habe gewonnen, Nina.", sagte er monoton. Normalerweise freute er sich und feierte solch einen Triump mit einer leckeren Schokotorte, aber diesesmal war ihm nicht danach. Im Gegenteil, ihm war furchtbar übel. Er hatte ihre Seele gewollt und nun würde er sie bekommen. Er hatte sie seit der ersten Sekunde an manipuliert, sie die schlimmen Dinge der Welt sehen lassen und dann, als sie dachte, es könnte nicht schlimmer werden, ein Stückchen weiter den Abgrund hinunter gestoßen. Er hatte sie immer wieder mit kleinen, auf einem Silbertablett servierten, Zuckerwürfeln gefüttert, weshalb sie durchgehalten und Hoffnung gehegt hatte. Er hatte sie so weit getrieben, dass sie aus freien Stücken einen Mann umgebracht hatte. Er war wahrhaftig der Teufel.
Ninas Augen weiteten sich kaum merklich, aber die nackte Angst in ihrem Blick war nicht zu übersehen. Er hatte gewonnen? Natürlich hatte er das. Er war schließlich der Teufel.
"Und jetzt? Wirst du mich töten?", wollte sie mit bebender Stimme wissen.
Taehyungs Augen waren so dunkel wie eh und je. "Ich werde dich in Blausäure auflösen und dann deine Seele in der Hölle einsperren." Ninas Pupillen weiteten sich vor Schreck so sehr, dass der Teufel dachte, sie würden jeden Moment auf den Fußboden kullern. Es waren ihre Worte gewesen, doch sie nun aus seinem Mund zu hören, war alles andere als witzig.
"Meinst du das ernst?", wollte sie zögernd wissen, doch da packte der Teufel sie auch schon an den Schultern und beförderte sie wieder in die ewige Dunkelheit.
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