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Ihre Ohren rauschten wie die sich ein Wettrennen leistenden Wellen am Meer. Sie hörte schon beinahe das Geschrei der Möwen und schmeckte Salz auf ihren Lippen, während sie mit großen Sprüngen über den weichen Sand hüpfte. Plötzlich tropfte eine dicke warme Flüssigkeit auf ihre Nase - hatte sie etwa eine Möwe angekackt?
Ninas Blick fokussierte sich und sie erkannte, dass es sich bei der warmen Flüssigkeit nicht um Möwenschiss, sondern Blut handelte. Langsam hob sie ihren rechten Arm, versuchte den schweren Mann von sich zu rollen. Mit einem Plumpsen fiel Park Yim auf den beigenen Teppich und der helle Stoff färbte sich augenblicklich rot. Was hatte sie getan? So schnell, dass ihr schwindelig wurde, richtete sich Nina auf und fühlte mit zitternden Fingern den Puls des Mannes. Er lebte noch.
"Hervorragend, Kleine.", ertönte die Stimme des Teufels direkt neben ihr. Er hatte sich ebenfalls über den bewusstlosen Körper gebeugt und begutachtete fasziniert, wie sich die Blutlache immer weiter ausbreitete. "Was jetzt? Blausäure?" Entsetzt schubste die junge Frau Taehyung zur Seite, sodass dieser sich stolpernd aufrichtete.
"Er lebt doch noch!" "Du hast recht, du hättest ihn mehr mittig treffen oder härter zuschlagen müssen. Aber mach dir nichts draus. Für das erste Mal, exzellente Arbeit.", erwiderte der Teufel mit einem großen Grinsen auf den Lippen, welches Nina ihm gerne ausgekratzt hätte. "Wir müssen ihn retten!" Tränen der Verzweiflung begannen über ihre Wangen zu rennen. Wie hatte das nur passieren können? Sie war doch keine Mörderin!
"Ihn retten? Und wie gedenkst du das zu tun? Willst du etwa den Notarzt rufen? Der den lieben Herrn Park dann in seiner eigenen Wohnung findet? Viel Erfolg dabei.", entgegnete Taehyung gleichgültig, so als würde er über das Wetter reden. "Er hat mich belästigt! Er wollte mich vergewaltigen! Es war Notwehr.", wandte Nina verzweifelt ein, aber der Teufel hob nur sarkastisch grinsend die Augenbrauen.
"Schätzchen, deine ganze Firma hat ein Video gesehen, in welchem du Geschlechtsverkehr hast. Du wurdest gedemütigt und hochkant rausgeschmissen. Die Polizei wird herausfinden, dass der Bastard hier das Video verbreitet hat, eins und eins zusammenzählen und annehmen, dass du ihn aufgesucht hast, um dich zu rächen." Nina stellte hysterisch fest, dass der Teufel richtig lag. Es sah schlecht aus.
"Aber irgendwas müssen wir doch tun!", rief sie planlos und fuhr sich überfordert mit den Fingern durch das helle Haar. Taehyungs Gesicht nahm besorgte Züge an. "Du hast Recht. Ein warmes Bad würde dir womöglich gut tun." "Was?", schrie Nina panisch. "Wie könnte ich jetzt baden gehen?!" Der Teufel musterte die junge Frau, ehe er sie sanft, aber bestimmt an den Oberamen packte und ihr tief in die geweiteten Augen blickte. "Du bist blutverschmiert, Nina. So sehr ich dir auch sagen würde, dass du hinreißend aussiehst, das ist nicht sein Blut, sondern deins."
Nina blickte an sich herab und betrachtete erschrocken ihre rot gefärbten Hände, während vereinzelt dunkelblaue Scherben in ihren Handflächen steckten. Sie hatte den schneidenden Schmerz nicht gespürt, so groß war ihre Angst, eine Mörderin zu sein. Aber jetzt, als sie das Porzellan in ihrer Haut sah, schossen ihr die Tränen in die Augen. Ihre Sicht verschwamm - es war einfach zu viel. Ihre Beine gaben nach und sie sank auf ihre Knie.
Der Teufel beobachtete die junge Frau. Ihr Leben war ruiniert. Er hatte persönlich dafür gesorgt. Sie war ein Engel gewesen, doch durch seinen Einfluss konnte selbst der reinste und aufrichtigste Mensch fallen. Nina war der lebende Beweis dafür. Taehyung spürte einen stechenden Schmerz in seiner Brust, als er sie so gebrochen vor sich sah.
Langsam bückte er sich neben sie, hielt ihr rechtes Handgelenk für einen Moment fest zwischen seinen Fingern, bevor sie schlafend zur Seite sackte. Die langen Finger des Teufels glitten über ihre Handflächen und wie durch ein Wunder verschwanden zunächst die Scherben und anschließend verheilten die tiefen Schnittwunden im Nu.
Taehyung richtete sich stöhnend auf, bevor sein aufmerksamer Blick zu dem Bastard flog, aus welchen langsam aber sicher das Leben wich. So sehr der Teufel den Mann auch sterben lassen wollte, um ihn anschließend bis in die Ewigkeit in der Hölle zu quälen, so wusste er, dass er nicht sterben durfte. Also bückte er sich über den Totgeweihten, legte seine Handfläche auf seine Brust und im nächsten Moment riss Park Yim die Lider weit auf. Ein fieses Lächeln schlich sich auf Taehyungs Lippen, als er das Entsetzen in den Augen des Mannes sah.
"B-Bin ich etwa tot?!", krächzte Park Yim schwerfällig, als er in die rote Iris des Teufels blickte. "Tot? Noch nicht, du erbärmlicher Bastard. Aber es wird nicht lange dauern, da wirst du dir wünschen, an dem heutigen Tag gestorben zu sein." Mit dem Zeigefinger stieß der Teufel den Mann zwischen die Augenbrauen und sofort wurde Park Yim wieder bewusstlos. "Verdammtes, Arschloch.", fluchte Taehyung kopfschüttelnd, als er den Kopf des Mannes drehte und die geschlossene Wunde entdeckte. "Ich bringe für dich die Hölle auf Erden."
Er wandte sich wieder der schlafenden Nina zu und musterte ihr blutverschmiertes Gesicht und Haar. Ihre Mimik war schlaff und ausdruckslos und dennoch war ihre Gesichtsmuskulatur angespannt. Er wusste, dass er für all das Leid und den Schmerz in ihrem Leben verantwortlich war.
Als er sie in jener Nacht auf der Parkbank gesehen hatte, hatte er beschlossen ihre reine Seele zu nehmen, sie zu ruinieren - das, was ein Teufel nunmal tat. Er hatte sich damals, als er auf die Erde geschickt worden war, geschworen, unschuldige Seelen zu zerstören. In all den Jahren hatte er sich einzelne Menschlein herausgepickt, sie manipuliert und nach seinen Wünschen geformt.
Aber bei Nina war es anders. Er wusste nicht, wann er aufgehört hatte, den Pakt erfüllen zu wollen, wann er angefangen hatte, einen Platz in seinem Herzen für sie zu haben. Feststand lediglich, dass er es bereute sie angesprochen zu haben. Ihr Leben war ein schlechter Witz gewesen, doch durch ihn war es ein Albtraum geworden.
Taehyung schob seine rechte Hand unter ihre Oberschenkel, während sein linker Arm sich um ihren oberen Rücken legte. Ohne Mühen hob er die junge Frau hoch. Ihr Kopf fiel an seine Brust und Taehyung war dankbar, dass das Blut an ihr bereits getrocknet war. Ein ruinierter Anzug hätte gerade noch gefehlt. Der Teufel schloss die Augenlider und als er sie wieder öffnete, standen sie in Ninas Schlafzimmer.
Zögerlich legte er sie auf das gemachte Bett und streckte seine Finger aus, um lose Strähnen aus ihrem Gesicht zu wischen. Taehyung hielt inne und betrachtete Nina mit schmerzenden Herzen. Er sollte sie alleine lassen. Würde er nicht mehr in ihrer Nähe sein, würde sie bestimmt ein schönes, ruhiges Leben leben und irgendwann vielleicht sogar bedingungslose Liebe finde, nach der sie sich so sehr sehnte.
Aber tief im Inneren wusste der Höllenwächter, dass er sie nicht hinter sich lassen konnte. Er war egoistisch. Solange sie ihm etwas bedeutete, konnte und würde er sie nicht in Ruhe lassen - selbst wenn es das Beste für sie beide wäre. Darüber hinaus hatten sie einen Pakt, den man nicht einfach so annullieren konnte.
Seine Finger strichen über das getrocknete, dunkle Blut und plötzlich verspürte er den Drang, ihr das Blut, den Dreck und Schweiß vom Körper zu spülen.
Räuspernd richtete er sich auf. Er war vielleicht der Teufel, aber er wollte kein Perverser sein und sie beim Schlafen beobachten oder sogar waschen. Er war ein Gentleman. Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, drehte er sich um und schloss die Schlafzimmertür hinter sich.
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