18
Er wusste nicht wie ihm geschah - es passierte alles so plötzlich. Die Flügel, die sich in seinen Rücken brannten, die unaushaltbaren Schmerzen, ihre zarten Berührungen und dann ihre weichen Lippen auf seinen.
Taehyung vergaß alles um sich herum - die unerklärlichen Probleme mit seinen Kräften, den Schmerz und ihn, der ihn offenbar bestrafen wollte - nahm ihr Gesicht in seine Hände und erwiderte den leidenschaftlichen Kuss. Alles rückte in den Hintergrund, selbst als sie sich letztlich voneinander lösten.
Erleichtert, dass er den Kuss erwidert hatte, blickte Nina zum Teufel hinauf und es verschlug ihr den Atem. Der Anblick war unbeschreiblich. Der Teufel trug nach wie vor ein prächtiges Paar Feuerflügel auf dem Rücken, doch seine Augen hatten wieder die Dunkelheit der Nacht angenommen. Ganz anders als noch vor wenigen Sekunden, wirkte der Teufel nun stark, ruhig und kontrolliert. Er strahlte Macht und Erhabenheit aus.
"Du hast mir nicht gesagt, dass du Flügel hast.", keuchte Nina nun endlich, während sie sich lose Haarsträhnen hinter die Ohren strich. "Nun, du hast mich auch nicht gefragt.", lächelte Taehyung verschmitzt, ehe er nach ihren Händen griff und sie im nächsten Moment wieder in ihrer Wohnung landeten.
Nina stolperte nach vorne und verspürte prompt einen nur allzu bekannten Würgereiz. Sie wollte dem Teufel dafür ordentlich eine reinhauen, jedoch war sie zu sehr damit beschäftigt ihren Mageninhalt nicht über seinen Füße zu entleeren. "Mach das noch einmal-", drohte sie daher mit zusammengepressten Lippen und ließ sich erschöpft auf den Wohnzimmerteppich fallen.
Taehyung, der es sich mit überschlagenen Beinen auf der Couch bequem gemacht hatte, verzog lediglich angeekelt das Gesicht. "Behalte bloß dein Abendessen drinnen, ich habe schließlich ein Vermögen dafür ausgegeben."
Nina schnaubte aufgebracht, beließ es aber vorerst dabei. Es gab wichtigeres zu besprechen. "Was sollte das? Warum hast du mich schon wieder dorthin gebracht?!" Stöhnend lehnte sich Taehyung zurück. Und da war es wieder: das diskutierfreudige Menschlein.
"Das habe ich dir doch schon gesagt.", antwortete der Teufel und schloss die Lider. Er wollte verschwinden, seine Ruhe haben und über das vergangene nachdenken. Das letzte was er jetzt brauchte, war ein Mensch, vor dem er sich rechtfertigen musste. Er war der Teufel und der Teufel musste sich vor niemandem erklären.
"Dass du mir zeigen wolltest, wer du bist? Als ob ich das nicht bereits wüsste - das ist lächerlich.", erwiderte Nina, rappelte sich auf und stellte sich mit verschränkten Armen vor Taehyung. "Hast du nicht gesagt, dass du mich nicht anlügen würdest?"
Der Dunkelhaarige musterte Nina schweigend, bevor er ein sarkastischen Lächeln aufsetzte. "Nina, Schätzchen, ist es so schwer zu verstehen, dass ich dir einfach mein Zuhause zeigen wollte?" Nina rümpfte die Nase und ließ sich neben Taehyung auf die Couch plumpsen. "Wenn du nicht darüber reden willst, soll es so sein. Aber bringst du mich noch einmal an diesen Ort zurück, bringe ich dich um." Der Teufel drehte den Kopf zu der hübschen Frau und grinste in sich hinein. "Und wie willst du das anstellen?"
Nina drehte ihren Kopf ebenfalls zu dem Teufel und sah ihm tief in die dunklen Augen, die sie jedes Mal wie ein schwarzes Loch verschlangen. "Ich stecke dir einen Sprengstoff in die Manteltasche und jage dich in die Luft.", erklärte sie mit einem frechen Grinsen auf den Lippen. Taehyung gluckste amüsiert. "Nicht sehr diskret."
"Das habe ich mir auch schon gedacht.", begann Nina nachdenklich. "Deswegen ist Plan B dir Etorphin ins Essen zu mischen und dich anschließend in eine Wanne mit Blausäure zu legen."
Nun prustete Taehyung los. Er schmiss den Kopf in den Nacken, während sich kleine Fältchen um seine Augen bildeten und ein wunderschöner tiefer Ton aus seiner Brust erklang. Die junge Frau war wie hypnotisiert. Und hatte sie es nicht schon längst gewusst, war ihr ab diesem Moment klar, dass sie ihm verfallen war.
Taehyung bemerkte, dass die junge Frau ihn von der Seite anstarrte, weshalb er sich durch die Haare strich und die linke Augenbraue hob. "Dein Plan ist makellos, wäre ich nur nicht unsterblich.", sagte er grinsend. Nina zwang sich ihren Blick von seinen Lippen zu nehmen, bevor sie sich räusperte. "Das heißt, du würdest das Etorphin einfach so wegstecken?"
"Natürlich.", antwortete der Teufel selbstsicher. Doch innerlich wusste er, dass er Betäubungsmittel, die zur Betäubung von großen Wildtieren geschaffen worden waren nicht einfach so wegstecken würde. Er würde nicht auf der Stelle sterben, so wie es ausnahmslos bei jedem menschlichen Wesen der Fall sein würde, jedoch würde er vermutlich eine Zeit lang nicht sein ganzes Potential entfalten können. So weit würde es jedoch niemals kommen, weil er den Gestank des Bösen meilenweit riechen konnte.
"Und was ist mit dem Sprengstoff?", hakte Nina interessiert nach. Taehyung legte die Stirn in Falten und sah sie misstrauisch an. "Wie darf ich dein Interesse an meinem Tod werten?"
Nina grinste den Teufel geheimnisvoll an, ehe sie sich von ihm abwandte und aufstand. "Ich hole mir ein Wasser. Möchtest du auch etwas trinken?", wollte sie, gastfreundlich wie sie war, wissen. Der Teufel jedoch riss die Augenbrauen hoch und schüttelte langsam den Kopf. "Das fragst du mich jetzt?! Nachdem du mir zu erkennen gegeben hast, wie du vorhast mich zu töten? Ich verzichte, danke."
Nina lief in die Küche, schnappte sich ein Glas Wasser und eilte zurück ins Wohnzimmer. "Also wie finden wir den Bastard, der das Video-" Nina stockte, als sie eine leere Couch auffand. Ihre Augen wanderten durch das Wohnzimmer, doch der Teufel war wie vom Erdboden verschluckt.
Seufzend ging Nina auf die Couch zu und setzte sich auf die Stelle, auf der vor wenigen Sekunden noch Taehyung gesessen hatte. Anstatt eine vorgewärmte Stelle aufzufinden, war der Stoff des Sofas eiskalt.
~
Das Geräusch seiner schwarzen Schuhe auf dem kühlen Boden hallte in dem langen Flur wieder. Das Gebäude war spärlich beleuchtet, es war weit nach Mitternacht und er war ganz alleine. Taehyung setzte sich an Ninas Arbeitsplatz, überschlug die Beine und ließ seinen Blick durch das Großraumbüro fliegen.
Kim Sunghoon. Das war der Name des Mannes in dem Video gewesen. Park Yim war sein bester Freund und jemand, mit dem Sunghoon alles teilte. Auch Videos wie das, was die Stimmung innerhalb des Konferenzraumes aufgeheizt hatte. Und Park Yim war zufälligerweise einer der Kollegen gewesen, der Teil des Meetings gewesen war.
Es war nicht schwer gewesen, dies herauszufinden. Taehyung hatte es in dem Moment gewusst, als das Video abgespielt worden war. Park Yim hatte es gefallen, das Video vor anderen Leuten abzuspielen und deren Reaktionen zu beobachten. Warum er dies getan hatte? Tja, die Kleine hatte sich wohl geirrt. Es gab durchaus Leute, die sie nicht leiden konnten. Und dazu gehörte Park Yim. Nachdem sein bester Freund so ein tolles Video mit der hübschen Frau aufgenommen hatte, wollte der kleine hässliche Mann ebenfalls eins. Doch die Fragen nach einem Date hatte Nina stets abgelehnt - und wessen Ego würde dies nicht kränken? Also hatte er sich das Video von seinem Kumpel besorgt und da er zufälligerweise in der IT-Abteilung arbeitete, war es ein leichtes gewesen, das Video seiner Kollgin in letzter Sekunde unterzujubeln. Es war wie in einem schlechten Film. Die Menschen waren ein äußerst primitives Volk.
Der Teufel stand ruckartig auf und ging zielstrebig auf Park Yims Schreibtisch zu, als sich ein fieses Grinsen auf seine Lippen schlich. Er hatte sich nicht selbst an dem Pervesen rächen wollen, aber wie sagte man so schön? Ein Brüller am Morgen, vertreibt Kummer und Sorgen. Also ließ er sich auf dessen Drehstuhl nieder, schloss die Augen und wartete, bis er die ersten hässlichen Gedanken hören würde.
Und tatsächlich ließen diese nicht lange auf sich warten. Von "Miss Lee sieht heute aber wieder ungepflegt aus. Sie hat in den letzten Wochen bestimmt sechs Kilogramm zugenommen - wie kann man sich nur so gehen lassen?" oder "Ich hasse diesen Laden hier! Am liebsten würde ich das ganze Gebäude mitsamt seiner Mitarbeiter niederbrennen" zu "Habe ich die Tür zum Keller auch richtig zugesperrt? Das letzte was ich jetzt gebrauchen kann, ist, dass sie entflieht und die Polizei alarmiert. Sobald ich nach Hause komme, sollte ich sie aus der Welt schaffen" war alles dabei.
Es hätte ihn nicht weniger interessieren können, was die verdorbene Menschheit dachte. Er war es Leid ihre Gedanken zu hören, die durch und durch schlecht waren. Würde er länger hier bleiben, so dachte Taehyung grimmig, würde der verzweifelte Mann vermutlich den nötigen Mut sammeln und tatsächlich das Gebäude in Brand stecken. Wäre vielleicht gar nicht so schlecht. Doch weiter konnte der Teufel nicht über die durchaus interessante Idee nachdenken, denn just in dem Moment kam Park Yim in das Großraumbüro spaziert.
Mit großen Schritten kam der klein gewachsene Mann, dessen schwarze Haare bereits den Rückzug angetreten hatten, beschwingt auf seinen Platz zu. Taehyungs Mundwinkel bogen sich nach oben, als er Park Yim erblickte.
"Heute wird ein guter Tag, Sungkook! Das spüre ich!", rief er einem Kollegen über die Schreibtische hinweg zu, ehe er sich auf seinen Stuhl plumpsen ließ. Tja, nur zu schade, dass dort kein Stuhl mehr stand und der eben noch so gut gelaunte Yim mit Schwung auf den Boden fiel. Fluchend richtete er sich auf, als der Stuhl plötzlich wieder dort stand, wo er stehen sollte. "Was soll das?", zischte der Mann wütend, fuhr sich durch die Haare und blickte über seine Schultern. Die Mitarbeiter, die das Maleure mitbekommen hatten, tuschelten und kicherten über das ungeschickte Verhalten Herrn Parks.
"Was gibt's da zu lachen?!", rief er, ehe er sich räusperte und seinen Rucksack neben seinem Schreibtisch fallen ließ. Er wollte keine Szene machen.
Taehyung lehnte mit verschränkten Armen - keine fünfzig Zentimeter von Park Yim entfernt - an dessen Schreibtisch. Der Teufel beobachtete den kleinen hässlichen Menschen dabei, wie er sich vorsichtig auf seinen Stuhl setzte und begann seinen Rucksack auszupacken.
Gelangweilt schnippte Taehyung mit der rechten Hand und im nächsten Moment schoss der Stuhl mitsamt Yim zurück und schmiss den Mann herunter. Herr Park fiel dabei so ungeschickt vom Stuhl, dass seine Hose zwischen den Beinen auseinander riss und eine rosa gepunktete Unterhose zum Vorschein kam. Während das ganze Büro amüsiert prustete, färbten sich die Wangen Parks knallrot.
Taehyung atmete tief ein. Seine Arbeit war getan. Die Firma würde nun für die nächsten Tage über etwas anderes zu lästern haben und Herr Park würde sich höchstwahrscheinlich auf den Weg nach Hause machen.
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