17
"Hey, alles in Ordnung bei dir?", fragte Nina ihren Gegenüber besorgt. Seine Augen waren auf sie gerichtet, doch er war nicht bei ihr. Er schien in einer Parallelwelt zu sein, zu träumen. Ein klitzekleines Lächeln zierte das Gesicht der jungen Frau bei der Vorstellung, das selbst der Teufel Träume zu haben schien.
"Taehyung?", hakte sie vorsichtig nach, als er immer noch keine Reaktion zeigte. Die Pupillen des Teufels weiteten sich und sein Blick wurde wieder klarer. "Wer ist der Herr in dem Video?", wollte der Teufel langsam wissen. Verwundert zog Nina die Augenbrauen zusammen. Einen solchen Themenwechsel hatte sie nicht erwartet.
"Ein... Freund?", antwortete die junge Frau zögerlich und nicht sehr überzeugend. Ein Freund - ernsthaft?! Nina hätte sich am liebsten gegen die Stirn geschlagen. Er war ein unbedeutender Typ gewesen, den sie in einem Café kennengelernt hatte. Er war nett und gutaussehend gewesen und hatte ihr für den Moment das Gefühl gegeben, nicht alleine zu sein. Das hatte ihr damals gereicht. Also waren sie nach wenigen Stunden des Redens in seine Wohnung gegangen und hatten sich geliebt. Danach hatte sie ihn nicht mehr getroffen. Zugegebenermaßen war es naheliegend, dass er das Video in die Präsentation eingefügt hatte, jedoch hatte er kein Motiv.
"Und hat der Freund auch einen Namen?", wollte Taehyung ungeduldig wissen, während sein Gang immer schneller wurde und Nina kaum noch hinterher kam. "Ich bin mir nicht mehr sicher. Vielleicht Kim Sunghoon?" Der Teufel blieb so abrupt stehen, dass Nina in ihn hineinlief und gegen seinen stabilen, breit gebauten Rücken prallte. Räuspernd machte sie einen Schritt zurück und sah dem Teufel in die rot leuchteten Augen. Das hatte nie etwas Gutes zu bedeuten. Schluckend machte sie einen weiteren Schritt zurück, während Taehyung gleichzeitig einen Schritt nach vorne machte.
"Kim Sunghoon also, mhm? Und ihr fandet es reizvoll so etwas auf Video aufzuzeichnen?" Seine Stimme klang angespannt und zornig, was jedoch auf Verständnislosigkeit bei Nina traf. Warum sollte ihn das etwas angehen?!
"Ich kann dir versichern, dass ich nicht mein Einverständnis für diese Aufzeichnung abgegeben habe. Ich bin vielleicht nicht die Unschuld in Person, aber ich habe auch meine Ehre und gewissen Anstand." Taehyungs Augenbrauen flogen nach oben, ehe er einen weiteren Schritt auf sie zuging und die junge Frau an beiden Schultern packte. "Nach Anstand sah mir das Video aber nicht aus. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, du würdest das beruflich machen." Seine Worte trafen sie. Es war hart, wenn andere Männer sie beleidigten, aber bei ihm war es etwas anderes. Das schlimmste war jedoch, dass er nicht gänzlich falsch lag. Sie hatte zwar weder eine Bezahlung entgegengenommen noch Auschau nach "neuen Kunden" gehalten, aber eine Zeit lang hatte sie recht häufig den Partner gewechselt. Doch damit war schon seit Monaten Schluss - seit jenem Abend im Park.
"Willst du mir helfen oder mich einfach nur klein machen?", zischte sie und schob ihren Schmerz beiseite. "Denn dafür brauche ich niemand anderen, das kann ich ganz gut selbst!" Nina wirbelte herum, als sie keine Antwort von dem Teufel erhielt, wollte zurück nach Hause und in ihrem Selbstmitleid versinken, doch Taehyung machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Er packte sie am Handgelenk und ehe sie sich versah, war sie wieder in völlige Dunkelheit gehüllt. Die Dunkelheit schien sich in sie hinein zufressen, denn der jungen Frau wurde augenblicklich kalt. Sie hasste ihn. Warum machte er das immer?
"Was soll das?!", schrie sie hysterisch, die Erinnerungen an den letzten Aufenthalt in dieser Dunkelheit krochen zurück in ihren Kopf. Sie hatte es mehr oder weniger erfolgreich verdrängt, aber nun standen sie erneut im Nichts und das gefiel Nina ganz und gar nicht. "Bring mich hier weg!"
Sie schlug um sich, doch war niemand da, den sie hätte treffen können. Es war genau wie damals. Doch gerade als sie nach Taehyung rufen wollte, erschien aus dem Nichts ein loderndes Feuer.
Diesesmal umgab es nicht sie beide, sondern nur ihn. Er stand in Flammen, seine Haut schien zu brennen. Ninas Augen wurden riesig. Was zur Hölle passierte hier?! Langsam kam er auf die junge Frau zu - die Flammen folgten ihm bei jeder noch so kleinen Bewegung.
Stolpernd wich Nina zurück. Er sah furchteinflößend aus. Seine Augen waren beißend rot, während seine Kleidung und Haut lichterloh brannte. Verdammt, sie hatte Angst.
"Taehyung!", schrie sie verzweifelt, doch die Mimik des Teufels verändert sich kein bisschen. Ausdruckslos kam er auf sie zugeschritten. Nina spürte, wie sich Tränen in ihren Augen sammelten und im nächsten Moment über ihre Wangen strömten. Warum? Was war passiert? Sie stolperte über ihre eigenen Füße und landete auf einem harten Boden. Hastig wollte sie sich aufrichten, doch hatten sie jegliche Kräfte verlassen.
Tränen rannten in Bächen über ihr Gesicht, während sie ihre Beine an die Brust zog. Sie wollte nicht sterben - noch nicht. Nina spürte, wie es um sie herum immer heller und heißer wurde. Die Flammen sprühten Funken, welche nur wenige Milimeter vor ihren Füßen auf dem Boden aufkamen.
Langsam blickte sie auf und sah in die Flammen spuckenden Augen des Teufels. "Nimm meine Hand, Nina.", durchbrach er die Stille und streckte ihr seine geöffnete Handfläche entgegen. Nina hatte das Gefühl, dass die Luft immer schlechter wurde - sie konnte nicht atmen. "Nimm sie!", befahl Taehyung ungeduldig und anstatt sich über das Feuer Gedanken zu machen, griff die junge Frau beinahe sofort nach seiner Hand. Sie spürte wie sie eine Hitzewelle durchflutete, wie das Feuer seinen Weg von ihren Händen zu ihrem Kopf und ihren Füßen fand.
Statt brennende Schmerzen wahrzunehmen, spürte Nina eine angenehme Kälte. Irritiert blickte sie den Teufel mit aufgerissenen Lidern an.
"Das bin ich, Nina.", sagte Taehyung zögerlich, wartete auf eine Reaktion ihrerseits, doch die bekam er nicht. Schweigend musterte die junge Frau ihren Gegenüber. "Wenn ich dir also bei etwas helfen soll, das unseren Pakt übersteigt, dann möchte ich, dass du weißt, auf was du dich einlässt." Nina hätte beinahe laut losgelacht. Dazu musste er sie erneut in die Hölle - oder was für ein Ort das hier auch war - bringen? Sie war nicht dumm. Und obwohl sie das ungute Gefühl hatte, dass sie nie die Kontrolle über den Pakt innegehabt hatte, wusste sie auf was sie sich eingelassen hatte. Er war der Teufel und sie nur ein naives Mädchen.
"Bring mich hier weg.", wies sie Taehyung schroff an, ohne seine Hände loszulassen. "Sofort."
Der Teufel nickte, wollte sie beide wieder zurück bringen, doch er konnte nicht. Nein, dachte Taehyung ängstlich. Nicht schon wieder. Wie konnte das sein?! Er hatte die letzten Tage immer wieder die Teleportation geübt und es hatte nie Probleme gegeben. Nicht einmal. Aber kaum hatte er sie mitgenommen, war er wieder nicht in der Lage seine Kräfte zu kontrollieren. Er spürte wie seine Hände schwitzig wurden und sich seine Finger gleichzeitig enger um Ninas Hände schlangen.
Er konnte sich nicht erklären, warum er in ihrer Gegenwart so schwach wurde. Warum hatte er sie überhaupt wieder zu sich nach Hause gebracht? Es wäre nicht nötig gewesen sie erneut an diesen Ort zu bringen, in dem er eine Ewigkeit gefangen gewesen war und an der er immer gebunden sein würde, jedoch war er arrogant gewesen. Er hatte sich selbst beweisen wollen, dass er noch der Alte war und das Versagen des letzten Males eine einmalige Sache gewesen war - rein gar nichts mit diesem mickrigen Menschen zu tun hatte. Oh, wie sehr er sich doch getäuscht hatte.
"Taehyung?" Die ängstliche Stimme der jungen Frau holte den Teufel wieder zurück. Er musterte Nina, der die Furcht ins Gesicht geschrieben stand. Er wollte ihr sagen, dass alles gut werden würde, dass er alles unter Kontrolle hatte, doch das konnte er nicht. Der Teufel spürte wie die Flammen an seinem Rücken unkontrolliert zur Seite sprangen und sich zu Flügen formten.
Nein.
Er kämpfte mit aller Kraft dagegen an, doch es war bereits zu spät. Die zwei riesigen Flügel aus Feuer brannten sich in seinen Rücken und Taehyung schrie auf. Er wollte sich vor Schmerzen krümmen, die Hände vor seine Augen schlagen, aber er würde sie nicht loslassen. Also schmiss er nur seinen Kopf in den Nacken und biss die Zähne zusammen.
Ninas Kinnlade fiel herunter, als sie die zwei Prachtexemplare an Flügeln aus Flammen sah. Taehyung sah immer zu perfekt aus, doch nun wirkte er göttlich.
Als Nina sah, wie Schmerzen den Teufel durchzuckten, ließ sie seine linke Hand los und strich ihm sanft mit den Fingern über die Wange. Sie hatte sich vor ihm gefürchtet und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, fürchtete sie sich immer noch vor ihm, doch würde sie das nicht davon abhalten, an seiner Seite zu bleiben. Sie wusste nicht, was mit ihm los war, was die Flügel bedeuteten oder warum er seine Kräfte nicht so benutzen konnte, wie er es gewohnt war. Warum er sie hier her gebracht hatte oder warum er vor Schmerzen schrie.
Aber die Antworten auf all diese Fragen mussten warten, denn nun war es Taehyung, der Hilfe brauchte. Also schwieg sie. Ihre sanften Berührungen waren aber anscheinend nicht genug, denn Tränen des Schmerzes begannen über das Gesicht des Teufels zu laufen.
Ein heulender Teufel, welch Ironie. Jeder andere Mensch hätte den am Boden liegenden Teufel getreten, mit Steinen beschmissen und den Anblick genossen. Aber nicht Nina. Sie griff blitzschnell nach dem Kinn des Teufels, zog es zu sich herunter und legte ihre Lippen auf seine.
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